Fandom: Twilight
Charas: Leah, Emily
Geschrieben für
daswaisenhaus, Prompt #_0024: Weil sie Sam das nehmen wird, was er ihr genommen hat
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einst
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Sie hatte es.
Die intakte Familie.
Die beste Freundin.
Den idealen Freund.
Das aktive Sozialleben.
Das perfekte Leben minus endlos Kohle. Es hat nicht lange gehalten.
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Nach dem perfekten Leben läuft es ungefähr so:
Denkst du, ähm, beginnt Emily und stammelt sich durch die nächsten zwei Minuten.
Entschuldigung, ich habe dich nicht verstanden, sagt Leah ruhig. Würdest du das bitte wiederholen?
Ist ... ist nicht so wichtig, murmelt Emily dann für gewöhnlich.
Leah weiss natürlich, was Emily hätte sagen wollen:
Du machst die Jungs fertig, Leah, sie alle, nicht nur Sam. Es sind gute Jungs. Das haben sie nicht verdient. Und nach einer Pause, für den grösseren Effekt: Vor allem Seth nicht.
Ausserdem weiss Leah, dass Emily weiss, dass sie es weiss - Sam wird es ihr beim Abendessen erzählen. Und welches Rudelmitglied auch immer sich ungeladen zu ihnen an den Tisch setzt, wird Emily bestätigen, dass Leah sich dumm stellt, um ihr weh zu tun. Vor ein paar Monaten noch konnte sie Emily absolut alles anvertrauen.
Konnte, nicht musste.
Heute sagt Leah fast gar nichts mehr, und Emily hat noch nie so gut über ihr Leben Bescheid gewusst.
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Leah hat nie gelernt, innendrin leise zu sein. Dort, wo das Rudelband sie findet. Sie öffnet den Mund und schlägt auf jede erdenkliche Weise um sich, damit das Aussen laut das Innen übertönt; damit sie denken, sie wäre Hass und sie wäre Zorn.
(Sie ist einfach nur so schrecklichtraurig unglücklich und hat niemanden mehr, bei dem sie Trost suchen könnte. Ihre Familie erträgt Leid genug, ihre beste Freundin ist bei Sam, ihr Freund ist bei Emily, und ihr ganzes Leben muss jetzt in dieser kleinen, beengten Welt des Übernatürlichen Platz finden.)
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Ich heirate!, giggelt Emily, rot im Gesicht, Blick verschleiert. Nicht zu fassen, ich heirate!
Ja, sagt Leah nur, denn es sind zu viele da, johlen schief und lachen laut, johlen laut und lachen schief, du heiratest.
(Emily ist Sams, bald sogar auf dem Papier, sie ist Sams und sie führt ein Leben mit ihm, sie teilen sich eine Zukunft, teilen sich alles, nur Leah nicht, das wäre zu viel des Guten, Leah ist das Überbleibsel, das entsorgt gehört.)
Später, als Emilys Freundinnen nach Hause gewankt oder mit dem Kopf zwischen leeren Flaschen eingeschlafen sind, sitzen sie Seite an Seite und Hand in Hand draussen in der Morgendämmerung. Die kühle Luft klärt den Alkoholschleier, Leah spürt, wie Emily neben ihr allmählich ausnüchtert und ruhiger wird.
Du heiratest.
Ja.
Ich freue mich für dich, sagt Leah, sagt es innendrin, sagt es mit den Gefühlen in der Stimme, die sie sonst überspielt, ohne den Hass und den Zorn, nur ganz offen gebrochen.
(Emily weint und weint und weint, und Leah weiss, sie wird nicht entsorgt, aber auch nicht geteilt. Sie ist Emilys und Emily ist Sams und Emily ist Leahs.)
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Einst gab es nur sie und mich, denkt Leah, als sie hoch erhobenen Hauptes zwischen den Stühlen hindurchschreitet, und schenkt Sam ein Lächeln, das wahrscheinlich unverschleiert boshaft, selbstgerecht und hässlich ist. Sie hat mir allein gehört und dann war sie fünf Minuten lang deine, nur deine.
In Sams dunklen Augen flackert es; er ist wütend und es tut ihm leid und er wird sich nicht einmischen, wird Emily nicht dazu drängen, von Leah abzulassen, Sam will Emily nicht unglücklich machen und Emily Leah nicht noch unglücklicher.
(Dass Braut und Bräutigam nicht an das Glück, das sie erwartet, sondern nur an das Unglück, das es zu vermeiden gilt, denken, spricht nicht für die Ehe. Am liebsten würde Leah stehen bleiben und rufen: Stopp, verpiss dich, Sam, du kannst sie ja doch nicht glücklicher machen als ich.
Sie hält den Mund.
Er könnte, würde sie ihn lassen.)
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Sie tut Emily häufig weh, direkt und indirekt, lässt sie nie vergessen, dass es eine Strafe für den Schmerz ist, an dem sie mitschuldig ist. Sie reissen sich beide zusammen, so gut sie können, leiden still und leise vor sich hin, denken an Vergebung und Busse, klammern sich an ihr einst, das mehr wiegt als der Kummer.
Leah hat ihren Schutthaufen, ihr Zweitbestes und ihre sture Überzeugung, dass ihre Gefühle schliesslich auch nicht kümmerten.
Es hält für immer.
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