Title: Kein Titel; da Teil eines größeren Ganzen XD
Author: Yusuka/Miss Sherlock
murty_neezeFandome: FRANKENSTEIN or The modern Prometheus
Disclaimer: Geschichte FRANKENSTEIN wurde geschrieben von Mary Wollstonecraft Shelley, geb. Godwin.
Erstmals anonym veröffentlicht im Jahre 1818, erzählt der Roman die Geschichte des jungen Schweizers Victor Frankenstein, dem es gegen Ende des 18. Jahrhunderts gelingt einen künstlichen Menschen zu erschaffen.
Kommentar: Diese Fan Fiction ist
neera gewidmet, als sehr spätes Weihnachtsgeschenk. Meine kreativen Phasen sind allerdings nicht so präszise zu berechnen wie ein Eisprung , deswegen diese lange Wartezeit, tut mir also leid >__<
Allerdings bin ich wirklich zufrieden mit der Story, auch wenn es sehr schwierig war etwas in einem derartigen Stil zur Vollendung zu bringen. Die altmodische und sehr gehobene sprache zu imitieren war gelinde gesagt ein Graus >__< Falls es also ein wenig zu geschwollen klingt war ich wohl doch nicht so gut ^^; Verzeiht, ich hab mir aber trotzdem Mühe gegeben es einigermaßen glaubwürdig rüberzubringen.
Und Asche über mein Haupt! Es. ist. ja. soooo. voller. Shônen-Ai Hints
T___T Ich konnt nix dafür, ich mag die beiden so sehr, ausserdem gibt es mehr als genug Andeutungen im Original, reicht also als Rechtfertigung XD
Hintergrund: Die FF spielt irgendwann im neunzehnten Kapitel des Buches, also in der Zeit, als Victor Frankenstein mit seinem besten Freund Henry Clerval nach England und dann weiter nach Schottland aufbricht.
Wer das Buch noch lesen möchte: Wirkliche Spoiler-Gefahr besteht eigentlich nicht. Wer kennt nicht die Geschichte von Frankenstein? ... naja, zumindest ansatzsweise? ^^;
Danke natürlich noch an
nefertina86 fürs Korrektur lesen und wie immer auch an Demi, auch wenn ich die Kerzen-Schatten-Szene letztendlich doch so belassen habe. ^^;
Musik: Ab Seite 4 passt das Lied "Say Goodbye" von Skillet wie die Faust aufs Auge:
Things are changing
It seems strange and
I need to figure this out
You've got your life
I got mine
But you're all I cared about
Yesterday we were laughing
Today I'm left here asking
Where has all the time gone now
I'm left alone somehow
Growing up and getting older
I don't want to believe it's over
Ansonsten hab ich während des schreibens noch gerne "Falling into the Black" gehört, passt ebenfalls ungewöhnlicht gut (unheimlich? O_o). Natürlich auch noch meine Lieblingslieder aus dem FRANKENSTEIN Broadway Musical, musste sein....
So, genug blabla, Kritik ist herzlich willkommen, eigentlich jede Art eines Feedbacks, wäre nett, hab das gerne.... ja, finds toll wenn ich erfahren würde wie das ganze so ankommt.
Aus einem bestimmten Grund hat die FF keinen Titel, darauf werde ich allerdings irgendwann nochmal zurückkommen ^_~
Er war ihm nicht gefolgt wie man hätte annehmen können. Auch all die Sorgen, die ihn noch immer heimsuchten, Stunde um Stunde, in der ihm seine Anwesenheit gegönnt war; nichts wäre ihm Anlass gewesen ihm zu misstrauen.
Nur durch Zufall hatte ihn sein Weg zu diesem Pub geführt, der nur einer von unzähligen in dieser Gegend war.
Der Regen trieb ihn hinein und ließ ihn frieren. Es war windig draußen so, dass ihm Mantel und Hut fast eher hinderlich gewesen waren, als ihm Schutz zu bieten. Lautes Lachen drang ihm ans Ohr, Musik die aus einer der Ecken entsprang, in der sich ermattete Geschäftsleute und Künstler zurückgezogen hatten, um sich mit Bier und Gesang wiederzubeleben.
Er zog den Hut und grüßte die Bedienung, die ihm freundlich zugenickt hatte und der er für einen Moment nachsah, ehe er sich an einen freien Platz nach vorn drängte.
In seiner Heimat hatte sich selten eine Gelegenheit geboten, solch Ambiente einen Besuch abzustatten. Nicht, dass es auch in Genf Gaststätten gegeben hätte oder sich ihm in Ingolstadt der Anlass geboten hatte, solche zu besuchen, doch hier in London schienen Umstände sowie Gepflogenheiten ein wenig anders zu liegen. Steife Arroganz, biedere Zusammenkünfte und doch eine Gelassenheit unter alldem, die seine gute Laune noch mehr anfachte, immer wenn er sich in solch fröhlicher Gesellschaft befand.
Er schloss für einen Moment die Augen, nachdem er sich einfach der Bestellung seines Nebenmannes angeschlossen hatte und lauschte der Musik, die ein wildes Miteinander verschiedener Instrumente und willkürlichen Gejohles war.
Trotz den Anstrengungen des heutigen Tages, die ihn bis an das andere Ende dieser gewaltigen Stadt geführt hatten, war er noch immer guter Dinge und nur gering erschöpft von seinen Unternehmungen. Die Hoffnung auf die Verwirklichung all seiner Zukunftspläne, deren Anfang er hier zu finden glaubte, ließ ihn seine ganze Umgebung in einem Licht wahrnehmen, das ihn selbst in einem Ausmaße froh und vergnügt stimmte, das zu beschreiben er sich nicht im Stande fühlte, aus Angst er könnte all dem zu wenig Bedeutung beimessen oder mit zaghafter Unterreibung nicht gerecht werden.
Er hatte sich nach einigen Minuten bereits einer amüsanten Unterhaltung angeschlossen, als der bloße Zufall seinen Blick nach links zu einem der Tische lenkte. Die Tatsache, dass ihm die Männer an diesem Tisch nicht schon vorher aufgefallen waren, verwunderte ihn. Nicht, dass dies ein recht vornehmes Lokal für diese Gegend Londons war, dennoch blieben die Herren der Runde an dem äußersten aller Tische eine Gesellschaft für sich. Ihre Kleidung oder vielmehr ihre ganze Erscheinung bildete einen Kontrast zu der der anderen Gäste, ohne diese und gleich ihn selbst zu degradieren.
Obwohl er am heutigen Tage ebenfalls mit teuren Kleidern beeindruckte und er sich wie eine vornehmere Version seiner Selbst fühlte, reichte dies noch lange nicht an die Männer heran, die er nun zu beobachten begann. Sie waren insgesamt zu dritt, wobei einer der Herren sich so dezent im Hintergrund hielt, dass ihm; obgleich seiner feinen Tracht, nicht mehr die Aufgabe eines Assistenten oder ähnlichem zugetragen schien. Den älteren Herren; wobei dieser deutlich älter war, als die beiden anderen in seiner Gesellschaft -, trug die Perücke eines Gelehrten auf seinem mit Sicherheit ansonsten recht kahlem Haupt. Er sprach auf einen jungen Mann ein, der mit unbestimmbarer Miene seinen Worten lauschte und mit einem kurzen handlichen Federkiel Notizen auf ein Stück Papier niederschrieb. Es schien ein zum Teil sehr erregtes Gespräch zu sein, das in der Nische dieses dämmrigen Lokals geführt wurde und dennoch war es nur der Ältere der sprach, gestikulierte und sich selbst nur unterbrach wenn er sich einen Schluck Brandy genehmigte, von denen er allem Anschein nach, schon zahlreiche zu sich genommen hatte. Nun schob er das scheinbar unangetastete Glas seines Gegenübers in dessen Richtung und forderte ihn zu einem geselligen Schluck auf. Mit anfänglichem Zögern wurde die Feder niedergelegt und der junge Mann trank. Ein amüsiertes Lachen drang bis zu ihm an den Tisch herüber, als der Ältere registrierte, dass es seinem Begleiter anscheinend doch nicht schwer fiel sich seiner Trinkerei anzuschließen.
Doch Henry Clerval war nur zu gut bewusst wie viel Überwindung es den jungen Mann gekostet hatte das Glas auch nur anzurühren und er hoffe nur zu dessen Besten, dass die bis zur Hälfte geleerte Flasche, mehr das Werk des älteren Herren war, als dass des Jüngeren.
Victor Frankenstein war kein Freund leichtsinnigen Alkoholgenusses und würde es so schnell auch nicht werden.
Henry schmunzelte, als er sich ausmalte wie zuwider es seinem Freund sein musste sich auch nur dem scharfen Geruch auszusetzen, den das Getränk zweifelsohne verströmte. Doch die Zufriedenheit, die er seiner Begleitung damit verschaffen konnte, die Gesellschaft, die er ihm damit bieten konnte, war ihm wichtiger, als seine eigenen Abneigungen oder Gewohnheiten. Er kannte ihn so gut wie keiner in dieser Hinsicht und er wusste um seine Unerfahrenheit im Umgang mit Gesellschaften, da er sich stets nur an die wenigen Vertrauten in seinem Umfeld geklammert hatte. Es entsprach seinem Charakter nur mit diesen eine tatsächliche Bindung einzugehen und somit Gelassenheit zu vermitteln. Nun befand er sich an einem Ort, an dem er ausgeliefert war sich selbst zu zeigen und den Anforderungen gerecht zu werden, sich zudem einer Gruppe fremder Menschen zu offenbaren. Henry hätte einen Platz am Ende des Raumes wählen können und noch immer wäre ihm aufgefallen, wie schwer es seinem Freund fiel sich all dem zu stellen. Die Hand die den Federkiel hielt zitterte leicht und ein nervöses Lächeln auf den schmalen Lippen verriet, dass der Abend schon viel zu lang andauerte, das ersehnte Ziel aber noch nicht erreicht war.
Er konnte sich keinen Reim darauf machen was seinen Freund veranlasste, die ihm widerstrebende Gesellschaft der beiden Herren aufzusuchen. Ihm gegenüber hatte er sich nur damit erklärt, dass er eine mehr oder minder wichtige Angelegenheit zu klären hätte, dessen Umstände er ihm aber nicht offenbaren könne und dessen Hintergründe er auch nicht hinterfragt hatte.
Wie gesagt, er misstraute ihm nicht. Auch nicht nachdem er ihn hier nur durch die Umstände des Zufalls entdeckt hatte und sich um ihn sorgte.
Victor war blass, es schon immer gewesen und doch erschien er ihm nun fast wieder nahezu kränklich. Die eleganten dunklen Kleider ließen ihn noch zierlicher wirken, als er ohnehin schon war und er schien verloren in seiner steifen Aufmachung, herausgeputzt und doch, als fühle er sich nicht wohl in seiner eigenen Haut. Der Anblick bereitete ihm zunehmend Kummer und er ließ das Gespräch mit seinem Tischnachbarn fast gänzlich ausklingen und widmete sich der stillen Beobachtung seines Freundes, der ihn bislang nicht bemerkt hatte. Anfangs hatte er überlegt sich zu erheben und an den Tisch der Männer heranzutreten, entweder um seinen Freund aus dessen Situation zu befreien oder einfach nur, um sich bemerkbar zu machen, ihn mit seiner Anwesenheit zu beruhigen. Doch nun fühlte er sich beinahe ebenfalls unwohl überhaupt den Tisch mit den Dreien in Augenschein genommen zu haben. Vielleicht sollte er einfach gehen, mit Sicherheit gab es Angelegenheiten, die ihn nicht zu scheren hatten, obwohl sie diese Reise gemeinsam unternahmen und er Victor als Begleiter, als Gefährte zugeteilt worden war. Dennoch… es gab ohnehin schon so vieles was er nicht über seinen besten Freund wusste und noch immer nagte diese Ungewissheit schwer an ihn, auch wenn es in seiner Natur lag dies weder zum Ausdruck zu bringen noch ein Kind großer Traurigkeit zu sein, ohne weniger als das größte Mitgefühl für die entstandene Situation entgegenzubringen.
Er entschied sich abzuwarten. Sein Freund würde ihn entweder bemerken oder das Gespräch der Herren würde ein Ende finden und sich sogleich die Situation ergeben, sich entweder vorzustellen oder einfach nur an Victors Seite das Lokal zu verlassen.
Es bedurfte keiner langen Zeit bis sich die Gelegenheit ergab. Eine kurze halbe Stunde später warf er erneut einen Blick zu der Runde und stellte fest, dass der Ältere mit dem Jungen im Anhang aufgestanden war, um sich zu verabschieden.
Er sah zu seinem Freund hinüber, der sich höflich für die Unterhaltung bedankte und kurz verneigte, dann verließen die beiden vornehmen Herren das Lokal und ließen einen sichtlich erleichterten Victor Frankenstein zurück, der nun an dem viel zu großen und leeren Tisch wieder Platz nahm. Er ergriff die Gelegenheit und gesellte sich zu ihm. Frankenstein sah auf, als er merkte wie sich ein Schatten über ihn legte, der aus der Flamme der mittlerweile fast vollständig heruntergebrannten Kerze entstand, die vor ihm zusammen mit der geleerten Flasche und den benutzen Gläsern den Tisch unlängst schmückte.
Wie groß war sein Erstaunen, als er in das wohlbekannte Gesicht seines Freundes Henry Clerval blickte mit dessen Anwesenheit er hier mit Wohlbedacht nicht gerechnet hatte. Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen und er schien beinahe mehr als das, ja er wirkte in einem gewissen Sinne sogar erschrocken.
„Victor, mein Freund! Ich wollte dich nicht stören, ich sah, dass du in Gesellschaft warst, deswegen wartete ich ab. Was für eine große Überraschung dich hier anzutreffen.“
Er ließ ihm nicht viel Zeit auch nur irgendetwas darauf zu erwidern, vielleicht auch, weil es ihm unangenehm sein könnte eine passende Antwort darauf zu finden, fühlte er sich gar ertappt?
„Ist es nicht wunderbar hier? All diese vielen Menschen, die scheinbar nur hier sind um miteinander zu lachen und fröhlich zu sein. Eine einzige Inspiration, ebenso wie alles was einem in dieser Stadt begegnet.“
Henry hatte sich auf dem nun freien Platz neben seinem Freund niedergelassen und verfiel sogleich in ein Lobpreisen der verschiedensten Dinge und Begebenheiten, die sich heute zugetragen hatten.
„Es freut mich zu hören, dass dir alles gelungen ist, was du dir am heutigen Morgen vorgenommen hattest.“
„Oh, mehr als das mein Freund“, Henry strahlte und sprudelte förmlich schon vor neuem Tatendrang, als er seinem Freund die Pläne des kommenden Tages erläuterte. Ihn selbst sprach er auf nichts dergleichen an, erwähnte bewusst weder das Treffen mit den beiden Herren bei dem er ihn beobachtet hatte oder fragte ihn nach dem Verlauf seines Tages.
Es waren nun schon viele, viele Jahre, die sie beide in innigster Freundschaft verband und auch die Trennung von mehr als beinahe drei Jahren, nachdem er seinen Freund in Genf verabschiedet hatte, als dieser nach Ingolstadt aufgebrochen war, hatte keine Kluft zwischen sie schlagen können. Noch immer bemerkte Henry schnell und ohne sonderliche Mühen in welchem Gemütszustand sich sein Freund befand, wann er empfänglich für ein bestimmtes Thema war oder ob ihn tiefste Gram niederdrückte. So sprach er ihn auf keinerlei der Dinge an, die Victor zu einer Erklärung gezwungen hätten. Sich selbst gegenüber gab er zu sich nicht der Neugierde freisprechen zu können, die ihn überkam, aber der Respekt gegenüber den Empfindungen seines geliebten Freundes waren ihm ums Tausendfache wichtiger, als die Befriedigung dieser.
Sie verfielen in ein paar Minuten zufriedener Stille, lauschten beide aufmerksam der Geigenmusik, die nun erklang und den Gesang der kleinen Gruppe an Gästen verstummen ließ, da auch diese sich nun dem lieblichen Ton des Instrumentes widmeten.
„Ach, wie gut es der menschlichen Seele tut sich nur dem Moment zu widmen, stimmt es nicht? Ich wünschte wir könnten jeden Abend hier ausharren, aber wohl weiss ich, dass uns beiden die Zeit dafür fehlt.“
„Du sprichst wahr“, hörte er Victor sagen und wandte sich ihm zu, da er sich weggelehnt hatte, um ebenfalls den Mann zu erblicken, der dieses abendliche Geigenspiel begonnen hatte.
„Weißt du, dass ich dir das Schicksal eines jeden Einzelnen hier vorauszusagen wage?“
Er erntete einen erstaunten Blick, der allerdings weder spottend noch verärgert über soviel Anmaßung wirkte, sondern nur Neugierde barg.
„Glücklich einen Abend so gut investiert zu wissen, lieber Frankenstein. Gibt es nichts schöneres, als sich anderer Menschen Lachen und Musik anzuschließen und selbst dabei ganz und gar vergnügt zu sein?“
Der Geigenspieler beendete die Vorstellung und der letzte Ton verklang in den Weiten des großen Raumes, belohnt wurde das Spiel mit lautem Beifall und jubelnden Zurufen, ehe nun wieder gemischte Unterhaltungen zu hören waren.
Er dreht sich wieder herum, nachdem auch er sich dem Applaus der Menge angeschlossen hatte und es ihm gelungen war inmitten dieses Wirrwarr eine Bestellung abzugeben.
Die Finger seines Freundes glitten gedankenverloren über den Rand des geleerten Glases, erzeugten einen dumpfen Ton, fast unhörbar in dem mit Stimmen überfüllten Raum.
„Möchtest du noch eine Weile hier bleiben? Ich befürchte, dass ich ansonsten Gefahr laufe dir die Stimmung zu verderben, guter Freund, und das wäre mir unverzeihlich.“
Ein wenig vor den Kopf gestoßen fühlte sich Henry Clerval, als er diese Worte vernahm und wagte für einen Moment gar nicht zu antworten. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen senkte er den Blick auf Victors Hände, die nun beide das Glas auf dem Tisch umklammerten so, als bliebe es ihm sich daran festzuhalten. Kurz darauf hob dieser erneut einen der langen schlanken Finger, um ihn diesmal tonlos über den Rand des Glases fahren zu lassen. Es waren Hände, die sich eher fürs Klavierspiel eigneten, als dass man ihnen zutraute etwas Furchtbares und gar Grauenhaftes zu erschaffen. Lange Finger einer schmalen blassen Hand, die nun wieder ruhten und doch ein wenig zitterten.
Er vergaß, dass er ihm eine Antwort schuldete, schüttelte jedoch vorab den Kopf, um die Worte seines Freundes die Wirkung zu nehmen.
„Wie kämest du dazu? Mir die Stimmung zu verderben, womit denn? Nichts könnte mir die Freude an diesem Abend nehmen und ganz gewiss nicht deine Anwesenheit, unmissverständlich möchte ich dir das klarmachen.“
Seine Worte enthielten eine Härte, die sich einer würdigen Beschreibung entzogen, den Blick fest auf ihn gerichtet versuchte er eine Regung in den tiefblauen Augen seines Gegenübers zu finden und wurde nach einigen Sekunden des Wartens nicht enttäuscht. Für einen winzigen Moment lenkte Victor den Blick auf den Tisch und schloss die Augen ehe er nickte, ein dünnes Lächeln zog sich über seine Lippen, dann lehnte er sich ein Stück in Richtung seines Freundes. Seine Stimme klang erschöpft und dennoch mit einem tiefen Ton der Aufrichtigkeit, als er das Wort an ihn richtete: „Es wäre mir nur unverzeihlich solltest du diesen Abend unfeiwillig früh beenden oder nicht so genießen wie wenn der Zufall dich nicht hierher geführt hätte und du mir hier begegnet wärest.“
„Meinst du ich sehe es als eine lästige Pflicht dir Gesellschaft zu leisten, dass es mich Überwindung kosten würde und mir etwas anderes lieber wäre, als neben dir diesen Abend zu verbringen?“, entgegnete er ihm.
Victor schüttelte erneut den Kopf und seine Worte verklangen heiser, als er sich nun so weit nach vorn beugte, den Oberkörper neigte und seine Stirn nun fast Henrys Schulter berührte. Sein Blick wirkte nun nicht mehr einfach nur müde oder erschöpft, sondern angeschlagen, er selbst ein wenig desorientiert.
„Nein, so schätze ich dich nicht ein, ich danke dir.“ Er verstummte und fast war ihm, als wären seine verklungenen Worte noch immer mit einem leichten Nachhall zu vernehmen. Dies bildete einen Teil einer seltsamen Benommenheit, die ihm weitgehend fremd war und nun nach und nach Besitz von ihm ergriff. Ein zarter Schleier legte sich über sein Bewusstsein und schien ihm die Sicht zu nehmen. Er hörte Henrys Stimme deutlicher, als die der anderen, nicht nur aufgrund seiner Nähe. Seltsamerweise begannen die restlichen Stimmen, das laute schallende Lachen und das Kichern der Bedienung nahezu unterzugehen, bis auch Henrys Sätze geschluckt wurden und er ein ums andere Mal blinzeln musste, um nicht völlig die Orientierung zu verlieren.
„Victor? Geht es dir nicht gut?“ Nun erklang Henry Stimme wieder hell und durchdringend, in einem Ton der Sorge, der ihm so wohl bekannt wie auch schmerzend war. Zu oft hatte er seinen Freund schon mit seiner schlecht konstituierten Gesundheit in Schrecken versetzt und nun schien dies wieder der Fall zu sein.
Er hob die blasse Hand vor das Gesicht und verdeckte sich halb die Augen, spürte wie seine Wimpern gegen Handrücken und Finger schlugen, als würden sie erzittern vor der gedämmten Helligkeit.
„Es ist nichts, nur ein wenig…,“ er schluckte und versuchte sich zu konzentrieren. „… schwindelig vielleicht. Keinen Anlass zur Sorge möchte ich dir geben, aber ich schätze, dass der Abend schon ein wenig zu lange andauert, zumindest für mich.“
Henry verstand nicht sogleich, warf jedoch einen Blick auf den Tisch auf dem die geleerte Flasche stand, welche wegzuräumen sich die Bedienung noch nicht angeschickt hatte. Seine Mundwinkel zuckten unwillkürlich, dann brach er in ein heiteres Lachen aus und schloss die Hände um die Schultern seines Freundes.
„Mein lieber Frankenstein, wie gutmütig du doch bist! Da ist es dir kein Geheimnis wie wenig du begabt bis ein solch fürchterliches Getränk angemessen zu vertragen und bangst doch darum kein guter Gesellschafter zu sein so, dass du aus reiner Höflichkeit dich in einen Zustand trinkst, dem du nicht gewachsen bist. Oh je, wenn es dich tröstet, verwende ich alle boshaften Worte, die mir bekannt sind auf den Übeltäter, der dir das angetan hat.“
Clerval lachte noch immer, amüsiert und erleichtert, dass es kein erneutes Fieber oder der stete Kummer war, der seinen Freund in diesen abwesenden Zustand versetzt hatte.
„Fluch über diesen Gegenstand, hörst du? Für heute Abend wird er dir kein Leid mehr zufügen, das verspreche ich.“
„Beruhigend“, stimmte Victor dem zu und musste nun selbst lachen, als Henry ihm die Ursache seines Zustandes präsentierte und anschließend die Flasche weit aus seinem Sichtfeld schob, das ohnehin nur noch begrenzt schien. Er spürte wie sein Freund ihn sachte auf die Beine zog und aufrichtete, danach war es die frische kühle Abendluft die ihn umfing, als er rätselte wie er hierher nach draußen gelangt war, angelehnt an die Fassade des Pub, der ihm gelehrt hatte, dass er ein miserabler Trinker, aber vielleicht ein doch nicht ganz so schlechter Gastgeber war. Immerhin hatte er eine Desorientierung auf sich genommen, die nur ein Resultat seiner Nachgiebigkeit gewesen war, da er dem wesentlichen älteren Herren, der ihm wichtige Hinweise und Informationen zu seiner bevorstehenden Arbeit geliefert hatte, schlecht hätte verweigern können sich anzuschließen seinen Durst zu stillen.
Er war in einen seltsamen Dämmerzustand versunken, in dem es ihm jedoch nicht verwehrt blieb die Kühle dieser sternenklaren Nacht wahrzunehmen, die ihn kurz mit einem auffrischenden Wind streifte.
Die Hände hinter dem Kreuz verschränkt, ließ er sich gegen die Wand in seinem Rücken sinken und verspürte für einen klaren Augenblick erfrischende Wohltat, die ihm in den Gliedern kitzelte, als einen tiefen Atemzug tat und sich dann der Stille ergab, die nur unterbrochen vom Zirpen einiger Grillen, Besitz von ihm ergriffen hatte. Er wog sich für einen köstlichen Augenblick darin und fand sich erst dann halbwegs in der Realität wieder, als kribbelnde Hitze ihm den Hals aufwärts stieg, ihn blinzeln ließ bis er die Augen öffnete und auch Clervals Worte vernahm.
„Victor, Victor hörst du mich?“ Er hatte ihm die warmen Hände an die bleichen Wangen gelegt und zwang ihn so sanft ebenfalls seinen Blick zu suchen, beugte sich vor und sprach gedämpft auf ihn ein.
„Den Wirt habe ich entlohnt, sorge dich nicht, hörst du? Lass uns nach Haus gehen, die Pension ist nicht weit, wir brauchen keine Kutsche. Außerdem wird die frische Luft dir gut tun.“
An der Schulter zog er ihn ein paar Schritte vorwärts, beobachtete anfänglich noch amüsiert die etwas unsicheren Schritte, bis er ihm an der Seite erschien und sachte den Arm um die Taille legte, ihn somit in einen festeren Stand zog.
Gemeinsam schritten sie eine Weile schweigend den Weg entlang.
„Du solltest mich einen Narren schelten, anstatt dich meiner so fürsorglich anzunehmen, mein Freund. Niemals kann ich es dir angemessen danken.“
„Na, heute Nacht mit Sicherheit nicht, heute Nacht wirst du zu rein gar nichts mehr in der Lage sein.“
Victor Frankenstein hielt plötzlich inne in seinen Schritten, er hatte den Kopf leicht gesenkt so, dass ihm das lange Haar die Sicht nahm. Nun erzitterte er leicht, doch bevor sein Freund Clerval sich auch nur eine Sekunde lang in Sorge befinden konnte, schlang ihm sein Freund die schmalen Arme um den Hals und brach in ein heiteres Lachen aus.
Er hielt ihn fest, als sie drohten beide nach vorn zu stolpern, derart ineinander verschlungen waren sie, unfähig auch nur einen Schritt ohne den anderen zu machen.
„Worüber lachst du Victor? Nicht, dass es mich nicht freuen würde, aber hey…!“ Er hielt ihn noch fester, als sein Freund ihn mit einem Male zu sich hinunterzog, er spürte wie ihm dieser die kühle Hand in den Nacken legte und seine Stirn an die seine lehnte. Victor hatte die Augen geschlossen, verharrte in dieser Position ein paar stille Augenblicke, spürte Henrys Atem auf seinem Gesicht und fühlte sich zum ersten Mal seit langem wieder vollends geborgen, als wäre ihm mit Henry ein kleines Stückchen Heimat hier im weit entfernten London zu Teil.
„Lache ich? Oh, ich weiß es nicht, aber egal was es ist das mich grade so beflügelt, lass es noch einen Moment währen.“
Mit erschreckender Ernsthaftigkeit, die ihn auf einmal überkam, blickte Henry Victor an, der noch immer ausharrte, die Lider geschlossen und völlig zufrieden schien.
Konnte er auch nur eine Sekunde glauben was Victor vor wenigen Jahren noch im Delirium geflüstert und ein anders Mal laut hinausgeschrieen hatte? Dass er der Urheber eines grauenvollen Verbrechens war, verfolgt von einem Dämon, der ihm nach dem Leben trachtete und sich selbst der schrecklichsten Verbrechen beschuldigte?
Langsam löst er sich aus seiner Bewegungslosigkeit und hob die Hand an das Gesicht seines zierlichen Freundes, strich ihm mit dem Daumen über die Schläfe und behielt die Stirn an der seinen während er ihm unbeabsichtigt eine Locke aus dem Zopf strich. Leise seufzte er und schloss dann ebenfalls die Augen, da Victor keine Anstalten machte sich auch nur zu rühren.
„Ja, mein Freund. Du lachst. So als wärest du wahrhaftig glücklich.“
Wie er ihn - ohne die gesamte Pension zu wecken, in der sie seit einigen Tagen untergebracht waren -, die Stufen bis zu seinem Zimmer hinaufgeschafft hatte, blieb ihm ein dumpfes Rätsel, er erinnerte sich nicht.
Nun waren sie beide zur Tür hinein gestolperten, in völliger Dunkelheit, die sie umgab.
„Eine Lampe! Warte ich entzünde eine… wenn ich eine finde.“
Er tastete nach den Streichhölzern was sich als schwieriges Unterfangen erwies, da er Victor noch immer stützte und bemüht war nun beides gleichzeitig zu handhaben.
Tatsächlich gelang es ihm Licht zu entfachen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten sich zu zweit fortzubewegen, schaffte er es jedoch den halb schlafenden Freund auf sein Bett zu schaffen. Er konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, als er noch einmal über die entstandene Situation sinnierte.
„Herrjeh, es können doch nicht mehr als ein oder zwei Gläser voll gewesen sein, die du von diesem Teufelszeug zu dir genommen hast und doch sind sie verantwortlich für einen derartigen Zustand?“
Doch als Antwort erntete er nur ein ermüdetes Murmeln, deren Worte Sinn sich ihm nicht erschlossen. Er seufzte und betrachtete den unter sich liegenden Freund ein wenig atemlos. „Na gut, ich werde mich nicht über dich amüsieren, aber einen etwas heiteren Eintrag in mein Reisetagebuch, guter Freund, ist mir das ganze schon wert.“
Sie lachten beide über diese Worte und merkten für einen Moment kaum wie vorangeschritten die Nacht war, wie nah das Grauen des Morgens bereit stand.
Victor hatte die Augen erneut geschlossen, lag ein wenig zur Seite gesunken, das Gesicht zur Wand gerichtet, er schien halb zu schlafen, öffnete aber die Augen, als er bemerkte wie Henry der Lampe eine andere Position gab, sie neben sich auf den kleinen hölzernen Nachttisch stellte.
„Henry?“
„Hm?“ Er nahm am Rand des Bettes Platz und lehnte den Kopf seitlich an die Wand, ein Lachen zuckte über seine Gesichtszüge. „Einen Maler Victor, ein Vermögen würde ich ausgeben um diesen Moment auf einer Leinwand festzuhalten.“
„Ein Vermögen wäre dir das wert?“, hörte er seinen Freund fragen, der sich nun auf den Rücken drehte, um ihn in Augenschein zu nehmen. Ein lächelndes Gesicht, umrahmt von dunklen Haaren bot sich als angenehmer Anblick wenn auch ein wenig getrübt durch die Schleier des Alkohols, der sich wie ein leiser Dämon über ihn gelegt hatte.
Kostbar war der Moment, die wenigen Sekunden, bevor Victor Frankenstein seine Augen schloss und in einen sanften Schlaf dahin glitt, da er seinen besten Freund, den edelsten Menschen, den er benennen konnte mit einem sanften Lächeln auf den Lippen sah.
Leises Atmen erfüllte den Raum zwischen ihnen, der entstand, als Henry sich hinunterbeugte und vorsichtig begann seinen Freund zumindest von dem engen Halstuch zu befeien, damit es ihm im Schlaf nicht störte. Die Lampe, die er entzündet hatte, spendete wertvolles Licht für dieses Vorhaben, warf flackernde Schatten auf die engelhaften Züge seines Freundes und tauchte das goldene Haar in einen faszinierenden Schimmer.
Er hielt für einen Moment inne und verharrte. Wie wertvoll ihm dieser Mensch war, vertrauter wie ein Bruder und doch voller Geheimnisse, die zu ergründen er sich nicht getraute, aus Angst dieses sanfte Geschöpf noch mehr zu verletzen. So zerbrechlich und verloren schien er ihm, dass er es nicht wagte ihn auch nur mit den geringsten Kleinigkeiten zu konfrontieren, die ihn zwingen könnten eine Erklärung für seinen bekümmerten und verzweifelten Zustand abzugeben, ihn nicht in den schmerzenden Erinnerungen graben zu lassen, die ein Mysterium bildeten, das sich ihm wahrscheinlich nie erschließen würde.
Erfolgreich entledigte er Victor des Halstuchs, entfernte sich für einen Moment, um es beiseite zu legen. Als er sich wieder vorbeugte ertappte er sich selbst in einem Moment der Bewunderung und seufzte leise. Wieder überfiel ihn der Gedanke, dass dieses Wesen, das dort ruhend vor ihm lag, Qual und Verzweiflung barg. Die Jahre, die sie älter gemacht hatten, lagen wie ein Fluch über seinen Freund und sich selbst, der sich der Gewissheit bewusst war, sich anderen Zeiten zu stellen, als er sich vorgestellt hatte. Was würde die Zukunft für ihn bereithalten, welche Wege würde das Schicksal ihm offenbaren und welche vorbehalten? Er ließ die Hände sinken und verzog die Lippen zu einem nachdenklichen Lächeln, das Victor galt. Es lag ihm nicht sich solcher Gedanken hinzugeben, die vielleicht doch keinen positiven Blick zuließen. Er blieb zuversichtlich, weil sich etwas anderes, als viel zu schrecklich und somit unvorstellbar erweisen würde. Er legte die Finger an den eigenen Kragen seiner Jacke und rieb den Stoff leicht, als würde sich einzelne Partikel davon ablösen können. Ein wenig gedankenverloren senkte er das Gesicht. Eine Mischung aus Puder und einem unbestimmbaren feinen süßlichen Geruch stieg ihm in die Nase und blieb ihm auf eine Weise undefinierbar. Es waren nicht seine eigenen Kleider, die er trug, zumindest nicht alle am Leib. Heute Morgen hatten sie sich beide mit der Gewissheit getrennt ein jeder eine andere Gesellschaft aufzusuchen, Victor um die seine Zwecke zu erfüllen und er um sich mit ein paar gehobenen und sehr bekannten Herren zu verabreden, die ihm Inspiration für sein eigenes Schaffenswerk wären. Doch als einfacher Kaumannssohn und ehemaliger Student ohne momentane Tätigkeit, war es einem vergönnt über die Garderobe eines Edelmannes zu verfügen. In seiner eigenen Tracht hätte er einen anständigen, mittelmäßigen Stand vetreten und normalerweise kümmerten ihn die Umstände der gesellschaftlichen Schichten ein Nichts, doch war es ihm wichtig sich den Geflogenheiten des Landes anzupassen, schließlich bildete auch dies eine gewisse Herausforderung. Er hatte seinen Freund jedoch nicht um die Leihe eines solchen Anzugs gebeten, Victor war wie selbstverständlich auf ihn zugekommen, als er sich akribisch und kritisch im Spiegel betrachtet hatte.
Was für ein guter und aufmerksamer Freund ihm dieser Frankenstein war. Wie käme dieser nur auf den Gedanken er wäre es nicht? Doch wusste Clerval um die Selbstkritik seines Freundes Bescheid.
Er überlegte einen Moment Victor von dessen Jacke zu befreien, als dieser sich im Schlaf unlängst rührte und die schweren Kleider unter ihm leise raschelten. Es war ein schwarzes Justaucorps mit großen silbernen Knöpfen. Zusammen mit den schwarzen Culotte und ebenso dunklen Kniestrümpfen, wirkte er nahezu erdrückt von den feinen Kleidern, die sich um seine magere Gestalt legten. Doch ihn von der schweren Tracht zu befreien, wagte er nicht, ließ ihn schlafen und kümmerte sich nicht, dass es sein Bett war, in das er seinen Freund gelegt hatte, schließlich war es das nähere Zimmer gewesen.
Er rückte nur näher heran, tat eine sachte Bewegung nach vorn und strich ihm die Haare aus dem Gesicht, ehe sie ihn stören konnten.
Für einen Moment schienen Vergangenheit und Zukunft stillzustehen und nur der Moment dieser Gegenwart von Bedeutung. Natürlich würde es ein Morgen geben, vielleicht sogar eines, das sich nicht so leicht meistern ließ wie die vergangenen Tage. Aber genau jetzt klang ihm noch immer Victors Lachen in den Ohren und er schloss es ein in seine Erinnerungen, unveränderlich und unzerstörbar so wie dieser Moment, als er sich vorbeugte und in einem Zustand innigster Freundschaft die Lippen auf die Stirn seines Freundes legte.
„Bonne nuit, mon ami.“
In einem stillen Augenblick, im Schatten der flackernden Lampe, verließ er das Zimmer.
ENDE