Sep 15, 2005 12:03
Nanu? Gerade ist mir derartig langweilig, dass ich beinahe sogar den Kunstereignis-Eintrag verfasst hätte, was aber vollkommen sinnlos wäre, weil die zum Kunstereignis zugehörige Website nicht mehr als ein paar Namen und ein sonderbares Design zu bieten hat, und ohne Bildbeispiele kann ich ja kaum gegenwärtige junge Kunst verreißen oder gegebenenfalls loben, ist ja doof. Anyway.
Dafür Lektion in Musikkritiker-Jargon erhalten. War nämlich in einer städtischen Bücherei und habe dort ein Buch ausgeliehen. Für Quellenangaben-Freaks: Kirsten Borchardt (2003): Einstürzende Neubauten, etc. blabla verlagerscheinungsortunddassemesterhatnichtmalangefangenseufz.
Nun ist Kirsten Borchardt, glaube ich, Redakteurin der von mir früher häufiger und jetzt überhaupt nicht mehr gelesenen Fachpublikation "Zillo". Also, jetzt mal abgesehen davon, dass das Buch für jeden, der 2000 die Arte-Doku geguckt hat, ungefähr zwei neue Fakten enthält, ging mir die Schreibweise ganz gewaltig auf die Nerven. Zunächst mal: neue Alben werden nicht vorgelegt oder abgeliefert. Die werden veröffentlicht. Vorgelegt und abgeliefert, das klingt nach Audienz bei König Musikkritiker. Für Blixa Bargeld gibt's sicherlich auch andere Bezeichnungen als "faszinierender, charismatischer Frontmann" mit einem "von Speedkonsum geprägten Blick". Find ich.
Was tun die Bässe? Sie "puckern". Mit Vorliebe wird daraus ein Partizip I gemacht (äh, das war doch Partizip I, oda?), dann iśt die Rede von puckernden Bässen. Wie ist die Metaphorik? Verklausuliert. Wie wälzt sich Blixa auf der Bühne? Hemmungslos wälzt sich Blixa auf der Bühne. So ein hemmungsloses Konzert, das hätt ich auch gern mal gesehen. Was steckt "hinter der harten Neubauten-Schale"? Ein "weicher, geradezu romantischer Kern". Sehr schön.
Das schöne Lied "Was Ist Ist" ist* "rockig". Die nicht ganz so schöne Platte "Haus der Lüge" hat "viele Rockelemente" und kriegt darum das Prädikat "zugänglich". Überhaupt verfolgt die Autorin die etwas merkwürdige Richtlinie "ruhig = konventionell", darum kriegt das Richterskala-Album gleich auch den entsprechenden Aufkleber. Tabula Rasa? Ist "lyrisch" und "von ruhigen Songs beherrscht". Stimmt gar nicht. (Allenfalls bei "elitär" würd ich Kompromisse eingehen, weil ich ja tatsächlich nicht ganz genau weiß, was ein/e Semtex eigentlich sein soll. "Auf gebildet gemacht" geht aber zu weit, das würde ja heißen, dass Blixa Bargeld nicht weiß, was ein/e Semtex ist.) Und wenn die Autorin dem prachtvollen Stück "Headcleaner" eine "unzweideutige faschistische Ästhetik" nahelegen will, macht sie das nicht mal selber, sondern zitiert kommentarlos irgendwen. Merkwürdige Praktik. (Zumal die faschistische Ästhetik ja nicht wirklich unzweideutig ist.)
*Dies waren jetzt drei "ist" hintereinander. Hübsch.
Alles in allem muss die Schmach dann aber doch auf mich herabregnen, hab ich mir doch freiwillig und nur wegen der hübschen Fotos sowas wie die Industrial-Ausgabe von "Backstage bei den Backstreet Boys" ausgeliehen. Entschuldigen muss ich mich außerdem für die vielen Anführungszeichen, aber das Buch ist ja genauso. Was bleibt? Nischt, denn Tabula Rasa ist großartig.
Aber nette Fotos.
Hab noch mehr Bücher! Charles Bukowski, um mal die Anzahl der Werke, die ich von ihm gelesen hab, auf zwei zu erhöhen, Dante (Dante!) - Hell, und ein Buch, das ist giftgrün und heißt "Junk".
Hätte außerdem gestern beinahe bei Aldi einen Kürbis gekauft. Ich kenne nämlich ein wunderschönes Kürbissuppenrezept, bei der der Kürbis solange mit Kartoffeln und Curry und Chili erweitert wird, bis man seine Existenz vergisst. Gescheitert ist das an der Tatsache, dass wir nur popelige unscharfe Küchenmesser besitzen, und das man selbst zu dritt einen Kürbis schlecht schafft und er auch nicht unbedingt in den Kühlschrank passt und überhaupt, bald ist Bundestagswahl.
Der Korb ist von der Dusche auf den Balkon getragen worden. Entscheidende Verbesserung, alldieweil ich auf dem Balkon ja nicht duschen will. Gehe jetzt malen.
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