Jul 26, 2008 10:35
5. Kapitel
***
Scheiße, ich hatte ein großes Problem. Nein, nicht mein Schwanz, welcher schon wieder - beim Gedanken an Mr. Blue-Eyes - hart wurde und gegen den rauen Stoff meiner Jeans pochte. Das Problem war, dass es meine letzte Texas-Tour war. Auf meinen eigenen Wunsch hin. Ich konnte und wollte Chris nicht schon wieder um Änderung bitten. Dieses Problem musste ich allein bewältigen.
Fieberhaft überlegte ich, was ich tun könnte, um jeden ersten Dienstag im Monat diesen Rastplatz in Colorado zu besuchen. Zunächst einmal wollte ich in Erfahrung bringen, wer demnächst die Texas-Route fahren würde. Chris wollte ich aber nicht fragen, er wäre bestimmt verwundert gewesen.
Also tat ich das Nahe liegende. Ich fragte Chantal, die genau Buch darüber führte, welcher Fahrer für welche Tour eingetragen war. Ich setzte mein Prince-Charming Lächeln auf, brachte meine widerspenstigen Locken mit einer ordentlichen Portion Spucke in Form und trat dann auf die Sekretärin zu.
“Chantal, Honey” sülzte ich mit weicher Stimme und hatte sofort ihre Aufmerksamkeit. Sie strahlte mich mit ihrem Zahnpasta-Lächeln an, welches sie entweder viel Geld oder einen besonderen Fick mit ihrem Dentisten gekostet hatte, und setzte ihr beachtliches Dekolletee gekonnt ins Bild. Auch wenn ich ein schwuler Mann war, so würdigte ich diese monströsen Brüste doch eines aufmerksamen Blickes und zog bewundernd eine Augenbraue in die Höhe. Die Kunst der Schönheitschirurgie musste schließlich gewürdigt werden.
Sie sprang darauf an, wie mein Rauchmelder wenn ich etwas in der Pfanne zubereitete. Entweder hatte sie noch nicht mitbekommen, dass ich stockschwul war oder sie hatte es geschickt verdrängt. Jedenfalls sah sie mich an, als wäre ich der einzige Mann auf Gottes Erden und säuselte ein erwartungsvolles: “Ja?”
“Wer fährt jetzt eigentlich die Texas-Tour?” fragte ich mit unschuldigem Augenaufschlag so beiläufig wie möglich und malte mit meinem Zeigefinger Kreise auf ihren Schreibtisch.
“Monroe” antwortete sie mit einer gewissen Erwartung in der Stimme. Dachte sie, ich würde sie zum Dank für diese winzige Auskunft sofort auf der Stelle um das bisschen Restverstand vögeln? Oder was noch schlimmer gewesen wäre: dachte sie, ich würde sie um ein Date bitten? Niemals. Und wenn die Menschheit davon abhinge, ich würde mich dieser Prototyp-Blondine nicht näher als ich jetzt war - nämlich eine Armlänge entfernt - nähern.
Ich bedankte mich höflich für die Auskunft und war schneller als ein Furz meinen Hintern verlassen konnte, wieder aus dem Büro gestürmt. Ich hatte nämlich gerade das nächste Problem an der Backe: Monroe.
Monroe war der einzige Fahrer bei Fisher & Son, mit dem ich mich nicht besonders gut verstand. Was daran lag, dass er nicht nur in meine Kategorie “Arschlöcher” fiel, sondern noch dazu in die Unterrubrik “intolerantes, rassistisches Arschloch.” Monroe mochte keine Homos, keine Schwarzen, keine Juden, keine Menschen. Er war ein Einzelgänger und konnte niemanden leiden. Nur sich selbst. Er war ein großer, zu Übergewicht neigender Kerl, mit riesigen Pranken, dunklem ungepflegtem Haar und nicht gerade besonders attraktiv. Er war so ziemlich der letzte Typ auf Erden, mit dem ich etwas angefangen hätte.
Monroe war außerdem nicht gerade mit Intelligenz gesegnet. Er war ein schlichter Mann, ohne High-School Abschluss und das merkte man ihm auch sofort an.
Also machte ich mich auf die Suche nach Monroe. Ich fand ihn im Pausenraum, wo er gerade eine riesige Landkarte auf dem Tisch ausgebreitet hatte und grübelnd darüber hing.
“Texas, huh?” fragte ich ihn mitfühlend, stellte mich neben ihn und tat so, als würde ich die Karte intensiv studieren.
Er sah mich abfällig aus zusammen gekniffenen Augen an, schnaufte verächtlich und sah wieder auf die Landkarte. Gut, wir beide würden niemals Freunde werden. Trotzdem beachtete ich sein abweisendes Verhalten nicht weiter, sondern kramte meine Zigarettenpackung hervor und bot ihm eine Fluppe an.
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Ohne sich zu bedanken, griff er zu und zündete sich die Zigarette an. Ich tat es ihm gleich, steckte mir eine Kippe zwischen die Lippen und rauchte eine Weile schweigend neben ihm.
“Brauchst keine Karte” meinte ich schließlich, “kannst die Adresse auch ins Navi-System eingeben. Dein Truck findet dann schon hin.” Diesen Seitenhieb konnte ich mir nicht verkneifen, denn er kannte sich mit der modernen Technik nicht aus.
Wenn Blicke töten könnten, wäre meine Zeit jetzt abgelaufen gewesen und ich hätte das Tor zur Hölle durchschritten. “Verpiss dich, Schwuchtel” motzte er mich an und stieß mich zur Seite. Ich ignorierte diesen eindeutigen Hinweis, dass er mich nicht leiden konnte, demonstrativ.
“Könnte dir einen Gefallen tun” meinte ich beiläufig und betrachtete ganz interessiert meine Fingernägel. “Würde mit dir tauschen und dir meine Wyoming-Tour anbieten.”
“Von DIR nehme ich keine Gefallen an.”
Wichser. Dann musste eben Plan B herhalten. Ich donnerte ihm überraschend meine Faust mit voller Wucht in den Magen und rannte so schnell mich meine Beine trugen aus dem Raum.
Plan C war, Monroe für den Rest meines Lebens aus dem Weg zu gehen.
Jetzt hatte ich aber noch immer das Problem, wie ich es anstellen sollte, jeden ersten Dienstag im Monat mein Fick-Date mit meinem Traummann einzuhalten. Ich überlegte, Monroe irgendwie außer Gefecht zu setzen, was aber daran scheiterte, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich das bewerkstelligen sollte.
Mir blieb keine andere Wahl, als in den sauren Apfel zu beißen und Chris reinen Wein einzuschenken, ihn darum zu bitten, mir die Texas-Tour zurückzugeben.
Ich lud Chris zu mir zum Essen ein, um ihn schonend darauf vorzubereiten, dass sein Kumpel - nämlich ich - seine Meinung geändert hatte.
“Wirst du selber kochen?” war seine erste besorgte Frage. Gefolgt von: “Was wird es zu essen geben?”
“Dachte, wir grillen, trinken ein paar Bier und quatschen.”
“Steaks also. Hmmm...Ich mag die Art, wie du die Dinger zubereitest. Eine Seite verbrannt und die andere roh. Kann mich nur nicht entscheiden, welche Seite ich lieber mag.”
Ich mochte seine Art von Humor. Chris brachte mich immer zum Lachen, egal wie mies ich mich fühlte. Außerdem lag eine gewisse Wahrheit in seinen Worten. Ich war ein miserabler Koch. Meistens begrenzten sich meine Kochkünste darauf, mir Fertiggerichte in der Mikrowelle zu erwärmen oder den Pizza-Service in Anspruch zu nehmen.
“Okay, du darfst an den Grill. Ich beschränke mich darauf, Brot zu kaufen und dafür zu sorgen, dass uns das Bier nicht ausgeht.”
“Gute Idee. Dann nehme ich deine Einladung gerne an, Cowboy.”
Ich kaufte also ein paar saftige Steaks, Brot und jede Menge Bier sowie eine Flasche Whiskey. Schließlich musste ich mir Mut antrinken, um Chris meine Bitte vorzutragen.
***
Wir saßen auf meinem kleinen Balkon, das rußige, kleine Grillfass zwischen uns und starren zufrieden in die Restglut, die uns jetzt nach dem Essen ein wenig wärmte. Chris hatte die Steaks genau auf den Punkt gegrillt und wir waren beide pappsatt. Auf dem Tisch standen sechs leere Flaschen Bier und eine halbvolle Whiskeyflasche, als ich endlich den Mut fand, mit Chris zu reden.
“Hör zu, Chris. Da ist etwas, worüber ich gerne mit dir reden wollte...”
“Mhmm...dachte mir schon, dass da noch was kommen würde. Jedes mal wenn du mich zum Essen einlädst, möchtest du etwas von mir. Was ist es diesmal? Brauchst du Geld? Willst du dir meinen Sportwagen ausleihen? Oder mein kleines Wochenendhäuschen für einen Fickmarathon mit weiß der Kuckuck wem benutzen? Was? Sag´ s mir.”
Ich schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf und pulte verlegen das Etikett meiner Bierflasche ab. Ich hatte Chris schon oft ausgenutzt, das wurde mir in diesem Moment klar. An seinem Blick konnte ich erkennen, dass er diese Seite an mir nicht mochte. Ich auch nicht. Daher entschloss ich mich für einen wagemutigen Frontalangriff mittels direkter Wahrheit. Ich erzählte ihm ausführlich von dem Fremden vom Parkplatz und bat ihn darum, mir die Texas-Tour zurück zugeben.
Chris hob die Hände und zuckte entschuldigend mit den Achseln. “Tut mir leid, Ennis” Oh - er nannte mich bei meinem Vornamen, das war ernst! “Ich kann dir die Route nicht zurück geben. Es hat mich all meine Überredungskünste gekostet, Dad davon zu überzeugen, dass wir dich als Fahrer für die kurzen Touren in Wyoming brauchen. Ich sehe leider keine Möglichkeit, dir zu helfen.”
Ich wusste nicht, ob Chris mir die Tour nicht zurückgeben KONNTE oder WOLLTE. Jedenfalls stand eines fest: Er sah mich mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an. So kannte ich ihn nicht.
Entmutigt trank ich einen Schluck Bier und stellte die Flasche dann auf dem Tisch ab.
“Ich bin verliebt, Chris. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich wirklich verliebt! Was soll ich nur tun?”
Es war eine rhetorische Frage, daher beantwortete er sie nicht sondern sah mich weiterhin mit diesem unbekannten Ausdruck in den Augen an.
“Was erwartest du von mir? Dass ich mich darüber freue? Du hast dich in einen fremden Mann verliebt hast, von dem du nichts, aber auch rein gar nichts weißt. Ich rate dir, schlag ihn dir aus dem Kopf. Und wenn das nicht funktioniert, benutze ihn als gedankliche Wichsvorlage für einsame Nächte.”
“Ich erwarte nichts von dir, Chris. Du bist mein Freund. Ich hatte gehofft, du würdest....ich weiß auch nicht.” Ich fuhr mir mit der Hand durch die blonden Haare und sah ihn dabei verzweifelt an.
Er schüttelte heftig den Kopf. “Du erwartest ernsthaft, dass ich weiterhin dein Freund bin? Du servierst mich gerade eiskalt ab, erzählst mir, dass du dich in einen anderen verliebt hast....” Chris stand auf, stellte sein Bier mit einem lauten Knall auf dem Tisch ab und wollte gehen. Aber ich hielt ihn am Arm fest.
“Ich serviere dich nicht ab, Chris. Zwischen uns wird sich nichts ändern. Niemals. Deine Freundschaft ist mir sehr wichtig. Bitte bleib hier.”
Zögernd setzte er sich wieder auf den kleinen Campingstuhl und griff nach der Whiskeyflasche, setzte sie an seine Lippen und trank einen Schluck.
“Natürlich würde sich zwischen uns was ändern, Ennis.” Oh - schon wieder mein Vorname. “Dein unbekannter Mr. Aschenputtel wird sicher nicht begeistert sein, falls - und ich betone FALLS - aus euch etwas werden sollte und du ihm verschweigst, dass du einen - nun nennen wir es ehrlich beim Namen - dass du einen Fickfreund hast. Was glaubst du eigentlich, wie ich mich bei der ganzen Sachen fühle, huh?”
Ich wusste darauf keine Antwort. Chris hatte Recht. Es würde sich was zwischen uns ändern. Es HATTE sich schon was geändert. Ich sah ihn jetzt mit anderen Augen, spürte zum ersten Mal, dass er mehr von mir erwartet hatte, als diese lockere Beziehung.
“Es tut mir leid, Chris. Ich wollte dich nicht verletzen“ murmelte ich ehrlich zerknirscht und strich ihm dabei sanft über den Arm. Er ließ es teilnahmslos geschehen.
Meine Probleme hatten sich schlagartig vervielfältigt. Nicht nur, dass ich immer noch keine Ahnung hatte, wie ich meine Dates jeden ersten Dienstag im Monat auf einem Rastplatz in Colorado einhalten sollte. Hinzu kam dass ich Monroe geschlagen und ihn mir jetzt zum Feind gemacht hatte. Und jetzt hatte ich auch noch meinen besten Freund vor den Kopf gestoßen....Ich war am Arsch.
Mir blieb nur noch eine Lösung: Cassie.....
tbc.
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Habe schon vor Montag das neue Kapitel fertig gehabt und dachte, ich sollte es euch nicht länger vorenthalten *gg*
on the road again,
krokomaus,
german