wieder leben

Jul 18, 2014 12:39

Titel: wieder leben
Wordcount: 488
Warnings: physical abuse (implied), sexual abuse (implied)
A/N: DASWAISENHAUS Prompt |#_0957| Sie zog an ihrer Zigarette, schwieg, träumte vom Sterben und fürchtete sich vorm Leben.

(Was Kurzes, Experimentelles, ich weiss selbst gerade nicht so genau, was das eigentlich soll. Vielleicht ein Versuch endlich mal wieder Prosa zu schreiben ...)

wieder leben

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Manches kann man als Erinnerung speichern.
Manches kann man verdrängen, versuchen es hinter sich zu lassen.
Doch es geht niemals vollkommen verloren.
Auch, wenn wir uns nicht immer bewusst daran erinnern, ist es trotzdem da. Ganz hinten in einem Winkel unseres Gedächtnisses.

Um irgendwann zurück in unserer Bewusstsein zu treten. Mal um uns zu retten, mal um uns zu zerstören.

So wie die Dinge, an die wir uns am Liebsten gar nicht erinnern wollen, die Dinge, die wir für immer aus unserem Geist und unserer Seele verbannen wollen.

Lucys Leben ist voll davon. Voll von solchen Erinnerungen, die sie eigentlich lieber für immer vergessen würde. Darum hat sie schon vor Jahren all dieses
Zeug, Erinnerungen, Gefühle, Gedanken in einer kleinen Kiste verstaut, eingewickelt in Angst und Wut, verziert mit Schmerz und Narben.

Und sie hat aufgehört zu leben und angefangen zu existieren.

Sie zieht an ihrer Zigarette, schweigt, träumt vom Sterben und fürchtet sich vorm Leben. Fürchtet sich vor den Erinnerungen und davor, dass es weitergehen würde, dass ihre Vergangenheit sie niemals aus ihren Fängen lassen würde.

Und dann steht sie ihr direkt gegenüber. Der Vergangenheit. Und all den Dingen, die sie eigentlich aus ihrem Leben verbannen wollte.
Ihren Eltern.

"Hallo mein Püppchen", sagt er, der Mann, der sich ihr Vater nennt und versucht einen Schritt auf sie zu zu machen, was ihm zum Glück misslingt, da er von zwei Polizisten
flankiert ist, die sofort ihre Hände fest um seine Oberarme schließen, um ihn zurück zu halten.

In ihren Gedanken hatte sie diesen Moment, dieses erste Aufeinandertreffen zwischen ihr und ihren Eltern, schon tausendmal durch gespielt. Hatte sich ausgemalt, wie sie sie kalt und abschätzig mustern und einfach an ihnen vorbei in den Gerichtssaal marschieren würde, wobei sie sich kaum zurückhalten könnte, ihnen vor die Füße zu spucken.

Doch nun, steht sie wahrhaftig vor ihnen, nicht nur in einem ihrer Träume aus Asche und Staub.

Und sie spürt, wie ihre starke, abgeklärte Fassade sofort wieder zu bröckeln beginnt, wie sie anfängt zu zittern und die ersten heißen Tränen hinter ihren blauen Augen aufsteigen.

"Kommen Sie, Herr Mahler, die Verhandlung fängt an", sagt einer der beiden Polizisten und zieht ihren Vater in den Gerichtssaal. Weg von Lucy. Auf die Anklagebank.

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Ein kalter Herbstwind fegt um die grauen Mauern des Gerichtsgebäudes und Lucy zieht sich ihre Jacke enger um die Schultern.
Mit zitternden Fingern zieht sie an ihrer Zigarette, schweigt, träumt vom Sterben und fürchtet sich vorm Leben.

Sie hat es geschafft! Sie hat es endlich hinter sich gebracht, die Verhandlung ist vorbei. Und ihre Eltern würden ins Gefängnis gehen, für viele, lange Jahre. Und bis sie wieder in die Freiheit entlassen werden, ist sie schon längst am anderen Ende der Welt. Sie können ihr nichts mehr antun. Niemals wieder wehtun.

Sie haben die gerechte Strafe bekommen, für das was sie ihr angetan haben. Für den jahrelangen Missbrauch und die Misshandlungen, die ihre Kindheit und Jugend so sehr geprägt haben.

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