V'13 - Tag 3 (27.10.2013)

Oct 28, 2013 03:47

Fading Gigolo
(USA 2013, 98 min., R: John Turturro





John Turturro zeigt hier den bisher lustigsten Spielfilm der diesjährigen Viennale, der in der jüdischen Community von New York spielt: Der alternde Buchhändler Murray (Woody Allen) fragt seinen Freund, den Blumenhändler Fioravante, ob er für einen flotten Dreier mit Murrays Dermatologin Dr. Parker (Sharon Stone) bereit wäre, die dafür auch 1000 Doller hinblättern würde. Nach einiger Überzeugungsarbeit ist Fioravante dann auch bald die Edelnutte von "Zuhälter" Murray. Dann soll er sich aber um die Witwe eines Rabbi kümmern (Vanessa Paradis) und schon sind Probleme mit den Shomrim, der orthodoxen Neighborhood-Watch, vorprogrammiert.
Sehr sehr lustig. Unbedingt ansehen! Empfehlung! Pflichtfilm!

The Act of Killing
(DK/NO/GB/Indonesien 2012, 159 min., R: Joshua Oppenheimer, Christine Cynn, anonym)





Es gibt unterschiedliche Arten von Filmen, die mich immer wieder ins Kino treiben: Solche, die eine gute Story erzählen und mich so unterhalten und solche bei denen ich etwas lerne, was ich vorher noch nicht wusste bzw. was mir noch nicht so klar war. Und dann schätze ich zutiefst solche Filme, die mit mir etwas machen, die eine Reaktion, eine Emotion bewirken. Und zum letzteren Typ gehört dieser Film hier.
Joshua Oppenheimer spricht in diesem Dokumentarfilm mit einigen der Täter in einem Holocaust, der in unserer westlichen Wahrnehmung nicht präsent ist.
Erstmal der geschichtliche Hintergrund: 1965 wurde in Indonesien ein Militärputsch unter General Suharto durchgeführt: Unterstützt von Gangstern und paramilitärischen Einheiten (siehe auch Pancasila Youth) hat die konservative Armee Proteste linker Studenten und einen missglückten angeblich kommunistischen Putschversuch des Präsidenten niedergeschlagen und in der Folge (laut Film) 2,5 Millionen "Kommunisten" oder sonst irgendwie in Zusammenhang mit der PKI bzw. der Bewegung 30. September stehenden Menschen getötet. Details siehe Wikipedia-Artikel.
Jetzt zum Film: Oppenheimer hat nach dessen Vorführung erzählt, dass er sich im Zusammenhang mit der Recherche zu einem anderen Film gewundert hat, dass niemand der Überlebenden der Opfer des Massakers darüber spricht und auch auf Nachfragen niemand dazu bereit ist, darüber zu sprechen. Also wandte er sich vorsichtig an die Täter, deren Zahl er auf etwa 10000 schätzt. Die Gewalttäter, die er getroffen hat, haben von sich aus voller Stolz über ihre Gräueltaten gesprochen und wie sie sie vor sich selbst unter Zuhilfenahme der antikommunistischen Propaganda rechtfertigten und immer noch rechtfertigen. Es entsteht ein Film im Film, bei dem die Täter ihre Taten von damals reinszenieren, was mitunter zu sehr skurrilen und lustigen Szenen führt. Die meisten Lacher bei Vorführungen dieses Films gab es übrigens beim indonesischen Publikum. Über den Inhalt des Films will ich jetzt gar nicht weiter spoilern, denn man muss ihn schon selber wirken lassen.
Dafür erzähle ich lieber noch ein wenig von Oppenheimers Antworten vom FAQ im Anschluss an den Film:
Wie wurde der Film in Indonesien aufgenommen? Von der Bevölkerung? Vom Regime? Durfte der Film überhaupt gezeigt werden oder wurde er zensiert?
Er hat sich zweier Tricks bedient um den Film überhaupt zeigen zu können, ohne dass er gleich verboten wird. Erstens wurde die Politik schon vorab ins Boot geholt und es wurde Werbung dafür gemacht, sodaß man hinterher zurückrudern hätte müssen und damit unglaubwürdig geworden wäre. Und zweitens gab es keine öffentlichen Vorführungen, sondern erst ein Screening nur mit Einladung für Presse, Branche und Intellektuelle des Landes, bei denen diese gebeten wurden, doch in nicht-öffentlichen Vorführungen (ebenfalls nur mit Einladung) den Film zu zeigen. So kam man auch um die Zensur herum, bis ihn genügend Leute gesehen hatten, sodass auch die Massenmedien darüber berichteten.
Das ist vermutlich der wichtigste Film in der Geschichte dieses Landes.
Interessant ist er aber auch für uns, denn in unserer Geschichte gab es ja auch einen Holocaust, nur der Umgang danach war ein anderer. Es geschah (und geschieht nach wie vor) historische Aufarbeitung, was in Indonesien aber komplett fehlt.
Und in weiterer Folge ist es auch interessant wie sich Menschen generell während und nach solchen Taten verhalten und diese vor sich selbst rechtfertigen müssen. Wie sich die Erklärungsspirale immer weiter dreht, bis Dinge nicht mehr erklärbar, nicht mal mehr mit der abstrusesten Argumentation rechtfertigbar sind.
Nachdem dieser Film unter anderem von ZDF und arte mitfinanziert wurden, gehe ich aus, das er im Laufe des nächsten Jahres mal dort laufen wird. Ausserdem ist zu hoffen, dass er möglichst bald hierzulande einen Verleih findet.
Wirkmächtige bewegende 2,5 Stunden Film, die Eindruck hinterlassen. Pflichtfilm! Ansehen!

Salma
(GB/Indien 2013, 90 min., R: Kim Longinotto)



Auch das ist ein wichtiger Film und zwar über Fundamentalismus. Es geht um Geschlechterrollen im Islam am Beispiel von Salma, einer aussergewöhnlichen Frau, die Dichterin, Politikerin und Aktivistin werden sollte, nachdem die junge Tamilin in Indien ab ihrer Pubertät jahrelang von ihren Eltern ins Haus eingeschlossen wird. Bis sie schließlich neun Jahre später verheiratet und in die Familie ihres Mannes weitergereicht wird. Erst Jahre später schafft sie es über ihre Gedichte an die Öffentlichkeit und heraus aus der Unterdrückung.
Eine schier unglaubliche Erzählung über eine Frau, die es gegen alle Widrigkeiten schafft ihre Stimme gegen die Unterdrückung von Frauen zu erheben.
Sehenswert!

Katiyabaaz (Powerless)
(Indien 2013, 82 min., R: Fahad Mustafa, Deepti Kakkar)





Mitternachtsdoku über Stromdiebe in Indien. Der indische Subkontinent ist sowas von absurd. So inkonsistent. Die Millionenstadt Kanpur hat ein Stromversorgungsnetz, das oft für 16 Stunden am Tag zusammenbricht. Stromdiebstahl ist an der Tagesordnung.
Kurzweilige und ziemlich lustige Doku über ein ernstes Thema.
Sehenswert!

viennale, movies

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