Samstagabend, 02.Juni 2007
Ein kleines Buch- und Kreativupdate wär mal wieder angebracht, weil seit dem letzten ausführlichen doch etwas Zeit vergangen ist. Die Liste der Bücher erstreckt sich von cooler Uniliteratur bis zum privaten Lesevergnügen, das Kreativgebrabbel kommt von dem monatlichen Schreibtreffen in Göttingen heute; ein wenig mischt sich das, denn ich habe heute dort wieder einige spannende Bücher in die Finger bekommen.
Raymond Chandler, The Big Sleep
Hm, nichts Besonderes, ich dachte mir nur, ich sollte so langsam mal einen Krimi gelesen haben in meinem Leben, so einen „hard-boiled school“ und hey, welchen wenn nicht einen mit Philip Marlowe? Ne? Noch dazu, wenn man schon die Verfilmung mit dem attraktivsten Mann, der je in Hollywood wandelte, gesehen hat? (Okay, Johnny Depp ist arge Konkurrenz, das stimmt wohl.) Nein, ich bin nicht fixiert, denn Mr Rueckert empfahl uns tatsächlich Raymond Chandler, wenn wir eine der Romanvorlagen zu einem der Filme, die wir im Rahmen der Vorlesung schauen, lesen wollten. Nun ja. Schon im Film haben wir bemerkt, dass es nicht so wirklich wichtig ist, wer den Geiger letztendlich umgebracht hat. Plot? „Who need’s plot if there’s style?“ So wahr - Film Noir. Ähem.
[S.28]
E.M. Foster, Maurice
Billie schrieb vor einem Jahr eine HA über das Buch, Jo wird’s diesen Sommer tun und ich habe schon viel zu viel über dieses Buch gehört, als dass ich mich ihm weiter hätte verweigern können. Ich finde es gut lesbar, aber, um ehrlich zu sein, bisher noch nicht groß spannend. ... Aber Jos Referat, das sich damit beschäftigte, wie viel an diesem Buch innerhalb von Jahrzehnten rumeditiert wurde! Sexszene rein, Sexszene raus, hier mal als Dialog, da ein Epilog, da wieder keiner - geil! Aber das Buch selbst? Ich habe andere, spannendere Bücher hier liegen.
[S.27]
Mascha Kaléko, Die paar leuchtenden Jahre
Wie dieses zum Beispiel, obwohl ich es zwar oft aufschlage, aber nie wirklich viel darin lese. Ich mag ihre Gedichte sehr (habe alle Prosa in diesem Sammelband erst einmal links liegen lassen), lese aber nur, wenn mir nach ganz wenig Lesefutter ist, ich mir ein paar inspirierende oder tröstende Gedanken wünsche. Das klappt super gut. Beispiel gefällig?
Qualverwandtschaft
Neben mir geht eine feine Dame
Unsichtbar tagein, tagaus spazieren.
Hat die wohlerzogensten Manieren.
Fräulein Alter ego ist ihr Name.
Sie erfüllt, was ich bisher versäumte
Und was die Familie sich erträumte.
Während ich die Finger mir verbrenne,
Faßt sie alles nur mit Handschuhn an.
Klug und weise folgt sie einem Plan,
Wo ich Törin mir den Kopf einrenne.
Dem Als-ob konventioneller Sitten
Untertan, ist sie stets wohlgelitten.
Mein Daheim ist bei den Heimatlosen.
Stürme rütteln oft an meinem Zelt.
Aber dornenfrei ist ihre Welt -
Allerdings auch völlig frei von Rosen.
Und ich gönne meiner Qualverwandtschaft
Ihre sanitäre Lebenslandschaft.
Lieber noch mit dornzerkratzten Händen
Als mit manikürter Seele enden!
So toll, so heute noch wahr.
[S. irgendwo mittendrin]
A.S. Byatt, Possession
Ein kurzer Abstecher zum Unikrams, bevor wir wieder zum eindeutigen Vergnügen kommen. Dieses Buch kennt ihr inzwischen, aber ihr wisst noch nicht, was ich euch heute zu erzählen habe: Es. Ist. Anstrengend. Von diesen viktorianischen Dichtern sind seitenlange Gedichte, erzählende, auf die nordische Mythologie und keltische Sagen zurückgreifende Gedichte abgedruckt und ja, unsere Dozentin hat gesagt: „Wenn Sie da hängen bleiben, quälen Sie sich beim ersten Lesen nicht durch. Wir werden sie und ihren Sinn im Buch ausführlich besprechen.“ Aber diese Gedichte sind doch wie die Briefe dazu da, um mich zu beeinflussen, um mir eine weitere Ebene im Plot zu zeigen, ihr Autoren zu charakterisieren und und und - ich kann sie nicht überlesen, no way! ... Ich bin da stur, ich weiß, aber... Ich kann das einfach nicht. Ich muss mich durch alles durchquälen, durch jede Strophe, durch jeden Brief, weil es alles so unfassbar toll ist, wenn man diese kleinen Stückchen erst einmal auf der großen, weiten Ebene begriffen hat! So tolltolltoll! Und darum quäle ich mich weiter. (Bis Mittwochabend will ich noch 210 Seiten gelesen haben. Hahahahaha...)
[S. 290]
George Yule, Pragmatics: An Introduction
Meine große Liebe aus dem ersten Semester, seiner Zeit „The Study of Language“ als eine Einführung in die Sprachwissenschaft im Allgemeinen. Nun habe ich mir diese spezielle Einführung in die Pragmatik aus der Bibliothek gegriffen, weil wir in dem Seminar ja nur schlecht gehaltene und viel zu voll gestopfte Referate haben, von denen ich nichts aufnehmen kann. Und, aww, ich liebe diesen Mann immer noch. So einfach, klar und strukturiert, so muss eine Einführung sein.
[ein Kapitel über politeness, possitive und negative face etc.]
?, “Daughters of Eve: Fairy-tale Heroines and Their Seven Sins” aus Cut their heads off!
Ein Aufsatz gefunden im Young Adult Berichs unserer Bibliothek, bisher noch ungelesen. Das Buch beinhaltet aber noch andere cool klingende Aufsätze mit Titeln wie „Teaching Them a Lesson: The Pedagogy of Fear in Fairy Tales“ oder „Beauties and Beasts: From Blind Obedience to Love at First Sight“ und darum habe ich mir mal diesen Aufsatz mitgenommen, Frauen in Literatur, ihr wisst schon.
Susan Lehr, „Wise Woman and Warriors“ aus Battling Dragons
Auch ein Aufsatz, allerdings aus einem Buch, das ich schon für mein Fantasy-Seminar in den Händen hatte - ein sehr amüsant-trauriger Artikel über die Zensur in Kinder- und Jugendbüchern - und das, nebenbei bemerkt, zwar ein ganz bescheidenes Format zum Kopieren hat, aber in dem einige viel versprechend klingende Essays sind. Auswahl: „Justifying Violence in Children’s books“, „Gender Issues in Books for Children and Young Adults“, „Cultural Politics and Writing for Young People“ oder „Creating Ethical Heroes Who Know How to Win: Or Muddling Through“. Harr harr. Ratet mal, wer in den References für den Artikel (oben, am Anfang dieses Absatzes) steht, den ich kopiert habe? Tamora Pierce. Harr harr harr...
Ursula LeGuin, The Language of the Night
Ein Essayband, den Susanna mir heute ausgeliehen hat und den ich brenne, lesen zu können. Über Science Fiction und Fantasy natürlich. Titel wie „Why are Americas Afraid of Dragons?“, „Dreams Must Explain Themselves“ oder „Myth and Archetype in Science Fiction“.
Ursula LeGuin, The Wind’s Twelve Quarters
Ebenfalls von Susanna, nachdem ich beim letzten Treffen so gemault habe, dass ich gerne mal coole Fantasy-Kurzgeschichten lesen würde und nicht wüsste, wo ich schauen sollte.
Marion Zimmer Bradley (Hg.), Schwertschwester
Und auch diese Anthologie hat Susanna mir mitgebracht, damit ich tolle Fantasy-Geschichten mit weiblichen Helden lesen kann. Ich bin gespannt, denn das Buch ist fast so alt wie ich, aber das sind die Alanna-Bücher auch und hey, wenn die nicht emanzipiert sind, dann weiß ich nicht was. (Und ja, an dieser Stelle frage ich mich mal wieder, was für ein viel glücklichere Pubertierende ich gewesen wäre, hätte man mir ein paar Fantasyromane mit HeldINNEN in die Hand gedrückt. Aber gut, besser spät als nie, nech?)
Tamora Pierce, Cold Fire
Wo wir gerade bei Heldinnen und Spaß und tolltolltoll sind, ich lese seit gestern Nacht wieder Pierce und aw, ich liebe Daja. Mit ihr konnte ich bisher nie so viel anfangen wie mit den anderen drei, aber in diesem Einzelband, zusammen nur mit Frostpine und einer Handvoll Fremden in einem fremden Land, da fällt mir erst auf, wie cool sie ist. Tolles Mädchen!
(Allerdings hege ich den dunklen Verdacht, dass Mrs Pierce mich an der Nase herumführen will. Wer ist nun der Böse? Kenn ich ihn schon? Hmmmm...)
[S. 150]
Angela Sommer-Bodenburg, Die Moorgeister
Die Jo hat mir das heute mitgebracht und ich bin jetzt mal sehr oberflächlich und quietsche, weil es so schön illustriert ist. Bilder! Und ich hoffe auf eine schöne, vielleicht sogar wärmende Geschichte, denn diese Autorin ist die Erfinderin des „Kleinen Vampirs“.
So. Und ein letztes.
STEVE AUGARDE, DAS KLEINE VOLK
In Großbuchstaben, damit es auffällt und ihr es euch merkt, denn es ist eine ganz wundervolle Geschichte. Die zwölfjährige Midge besucht im Sommer ihren verpeilten Onkel auf dem Land und findet in einer verlassenen Scheune ein verletztes, geflügeltes Pferd. Geflügelt, ganz genau. Und im anliegenden Wald, da gibt es Elfen! ... Oder Dinger, die man so nennen könnte. Sie selbst nennen sich „die Verschiedenartigen“ (Orginaltitel des Buches: „The Various“) und sind auf der Suche nach einem neuen Zuhause - zumindest einige schlaue Leute aus den verschiedenen Stämmen sind das. Aber Menschen? Groß und Grausam. Und mal ehrlich: Sollten diese Wesen nicht erst einmal in ihren Stämmen unter einander zurechtkommen, bevor sie sich an einer Beziehung zu den Riesen versuchen? Die Tinker und Troggel wuseln den lieben langen Tag unter der Erde herum, die Ickri flattern eingebildet von Baumkrone zu Baumkrone, schießen Eichhörnchen und Drosseln, und die anderen Verschiedenartigen sind auch lieber für sich selbst. Eieiei und da will man was erreichen?
Tolltolltoll!
[S.153]
Puh, jetzt, wo ich beim Schreiben-Teil dieses Eintrags angekommen bin, ist es schon Mitternacht und ich gähne immer häufiger, aber ein paar Eindrücke möchte ich doch festhalten. ...Wir hatten wie immer genug zu essen. Äh, nein. (Das heißt „Doch!“, aber unwichtig, an sich, oder so.) Ich fand es mal wieder cool, was für verschiedene Drabbles wir seit dem letzten Treffen zu dem gleichen Stichwort geschrieben haben. Gut, „einmal“ ist recht offen, aber trotzdem war es, nun, interessant zu erkennen, dass Jo und Kathi am Ende der 100 Wörter ihre Figuren - zumindest einmal mause- und einmal halb- - tot sahen. Meine Elfe flog munter weiter über die Wiese.
Die Susanna hatte auch eine Freundin mitgebracht, die Doro, und die hatte auch gleich eine unglaublich witzige und lebhafte Geschichte über einen Wischmopp dabei. Und dann kamen wir auf Duschköpfe und das Level unseres Gesprächs sank von dort an tiiiief. Nein, eigentlich nicht. Aber mal ehrlich: Hätte ich gedacht, dass man in unsere Runde, nun sagen wir, gering explizite erotische Texte mitbringen kann? Nein. Und Jo sagt gleich mehrmals „ficken“ in ihrem Drabble und es ging einfach. Cool, das. Man muss es wohl einfach mal aussprechen. Also: Ficken.
Ja, nun, anderes Thema, andere Geschichte. Susanna hatte eine Kurzgeschichte dabei, die mir unglaublich gut gefallen hat, weil sie fantastische Elemente in unsere Welt möglich machte. Letztendlich waren es „nur“ Symbole, aber es machte eben so coole Sätze wie „Der Mann hatte einen Hund mit drei Köpfen“ möglich. Super toll. Tolle, interessante Bilder und eine Aussage, die mir sehr gefiel.
Ich selbst habe den Prolog und das erste Kapitel meines NaNo05 mitgebracht heute und tolles, konstruktives Feedback bekommen. Die Meinung zum Prolog war gespalten (von „zu verwirrend, unklar“ zu „vollkommen okay“) und ich verstehe warum. Um das Problem zu lösen, denke ich, könnte ich die Leseranrede verstärken und den Erzähler ganz klar zeigen, vielleicht sogar echt schon seinen Namen nennen, obwohl ich das dem Leser echt nicht ins Gesicht spucken wollte. Auf der anderen Seite habe ich in dem Prolog so halbe-halbe gemacht und eine durchgängige, offensichtliche Leseranrede würde eine schöne klare Linie ziehen und so was ist gut und ich habe wohl einfach ein paar Bücher gelesen, in denen ich es unangebracht oder doof fand, und habe deswegen Angst davor oder so oder so oder so. Egal. Klingentanz darf das. (Ich habe den Namen gesagt!) „Mutig sein!“ ist die Divise. (Hey, wer will hier denn dieses Jahr einen Fantasy-Roman mit einem Elefanten fressenden Zebra-Einhorn schreiben, hm? Da ist so eine Leseranrede doch ein Klacks gegen!) Das erste Kapitel hat der Gruppe aber recht gut gefallen. Cool, das es wirkt, das lebendige Erzählen, die Dialoge, und, naja, alles eben. Das ist wirklich toll. Geil.
Aber wann zum Henker habe ich mir angewöhnt, Cliffhänger an Kapitelenden zu setzen? Mache ich das unbewusst? Ich meine, schreibe ich hier auch Dinge wie „Ich muss euch unbedingt etwas erzählen!“, sage dann aber: „Das muss warten bis morgen“? Nein. Ich meine, es gäbe noch einiges, das ich erzählen könnte, von heute, denn, Mann, allein das Wetter war mal wieder einen Absatz wert oder der Stau auf der A3, der Jo und mich zwang, auf der Landstraße hinter einem DHL-Laster hinterher zu kriechen. Oder auch wie mich auf der Rückfahrt im Zug ein Zwerg mit Gartenlaterne um eine Kippe bat und von dem Mann in schwarzer Kutte, der melodiös hebräische Bibelverse zitierte, hinter diesem Zwerg herdackelte und keine Fahrkarte hatte, als der Schaffner ihn fragte, aber mal ehrlich - das muss warten. Ich bin hundemüde und darum erzähl ich da später von.
Dienstagmorgen, 05.Juni 2007
Ich steh ganz schön neben mir. An den Eintrag von gestern habe ich heute gedacht, aber weder an die Emails, die ich gestern geschrieben habe, noch an das Staubfinger-Kapitel, dass ich heute posten wollte. Ich schätze, ich sollte froh sein, dass ich jeden Morgen mit meinem Kopf auf den Schultern das Haus verlasse.