Penguin. 2006. 222 S.
Der autor ist der erfinder der sogenannten "gaia-hypothese", also der idee, dass die erde ein lebendes system darstellt, das sich derart reguliert, dass es das leben auf der erde erhält. die these wurde weitestgehend abgelehnt wie auch die deep-ecolology-bewegung, die ihr entspricht.
die wissenschaftliche gemeinschaft scheint heute zu akzeptieren, dass die erde tatsächlich ein komplexes selbstregulierendes system ist, in dem die verschiedensten stoff- und energiekreisläufe, in die auch die biologischen prozesse eingegliedert sind, ein dynamisches und sich entwickelndes gleichgewicht darstellen.
Lovelock geht mit "Gaia" aber einen schritt weiter. dass "Gaia" als lebendiger organismus betrachtet werden soll, begründet er mit dem phänomen der emergenz. die komplexität der prozesse erzeugt ein phänomen, das nicht mehr als addition der einzelnen faktoren verstanden werden kann. letztlich möchte er "Gaia" als eine notwendige metapher verstehen: es sei heute zwar wissenschaftlich nicht möglich zu beweisen, dass "Gaia" ein lebendiger organismus ist, dennoch entspräche die metapher der emergenten eigenschaft des phänomens und bezeichne dessen qualität, nicht durch lückenlose ursache-wirkungszusammenhänge beschreibbar zu sein. in diesem sinne kommt dieser metapher dann auch eine handlungsleitetende funktion zu:
"Unless we see the Earth as a planet that behaves as if it were alive, at least to the extent of regulating its climate and chemistry, we will lack the will to change our way of life and to understand that we have made it our greatest enemy." (21f)
der autor verfasst sein buch geradezu als manifest, das zu einem massiven bewusstseinwandel aufruft, um der drohenden klimakatastrophe womöglich noch zu entkommen oder - apokalyptischer - sich auf den untergang der zivlisation, wie wir sie kennen einzustellen.
Lovelock erläutert die verschieden alternativen energiequellen, denen er aber im großen und ganzen keine chancen einräumt, die gegenwärtige zivilisation zu versorgen. da die gefahr aber kein zögern mehr erlaubt, plädiert er für die massive ausweitung der nutzung der kernenergie und hofft auf die baldige entwicklung von nutzungsfähigen fusions-reaktoren. man sei heute zu sehr von der angst vor kernenergie und von der krebsangst bessessen, um die weit größere gefahr der erderwärmung nicht zu sehen. auf die natürliche umwelt, die pflanzen und tiere, wirkt sich ein radioaktiv verseuchtes umfeld auch gar nicht negativ aus - im gegenteil, wie man in der gegend um Tschernobyl und Pripjat feststellt. die gefahren der kernenergie seien zu vernachlässigen. hingegen verschafften sie einer menschheit, die sich der problematik der treibhausgase bewusst ist, ein größeres zeitfenster um alternative energiequellen zu entwickeln und das zivilisationsmodell radikal umzugesalten. hier gilt letztlich auch als ziel, die globale landwirtschaftliche nutzfläche und die bevölkerungszahlen zu reduzieren. der verfasser plädiert für einen "nachhaltigen rückzug", also für drastische schrumpfungsprozesse.
allerdings könnten wir den point of no return bereits überschritten haben, wenn man etwa den kühlungseffekt der aerosole in der gesamtrechnung berücksichtigt. die kleinstpartikel sind für einen gewissen prozentsatz der rückstrahlung in den weltraum verantwortlich, halten sich aber nur über wochen in der atmosphäre. sollte der aerosol-gehalt zurückgehen, etwa durch peak-oil oder durch eine globale wirtschaftkrise, könnte die erwärmung sprunghaft ansteigen, etc.
gegen ende des buches wird es dann auch apokalyptisch. den zu erwartenden zivilisationsbruch vergleicht er mit den mittelalterlichen dark ages und er spekuliert über einen orden, der das wissen um "Gaia" weiterträgt, wie auch von einer neuen bibel, die sowohl ein kurzabriss der wissenschaft, als auch ein überlebenshandbuch in leicht verständlicher sprache zu sein hätte.
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manches an dem buch lässt sich kritisieren, aber mein lebensgefühl spiegelt es allemal wieder: all die autos, die sich brav durch die städte und die landschaft tummeln, das geschäftige treiben, der konsum, ... all das ist schon vergangenheit. diese gesellschaft ist bereits tot und weiß es bloß noch nicht.