PG-13
Sie nimmt die Sonnenbrille nicht ab, auch wenn der Tisch in der hintersten Ecke des Lokals positioniert ist und die Lampe nur spärlich leuchtet.
Hinter seinem Rücken klettert das Plastikefeu eine hübsch verzierte Trennwand empor. Er hat sich die Zeit genommen und die Haare ordentlich zur Seite gekämmt. Die Armbanduhr an seinem Handgelenk hängt falsch herum.
Sie bestellt sich einen Kaffee und er nimmt ein Bier. Die Speisekarten sudieren beide länger als nötig.
Und, wie geht es dir? Sie faltet die Hände auf dem Tisch und wirft ihm über die Ränder ihrer dunklen Brillengläser einen raschen Blick zu.
Man lebt, erwidert er und legt die Speisekarte zur Seite. Er sieht sie nicht an, schaut viel eher auf die beigefarbene Wand mit der netten Landschaftsmalerei hinter ihr.
Sie streicht ihre Serviette glatt und zupft ein wenig an den blondierten Haarsträhnen herum. Sie trägt eine Kette mit zwei kleinen, verhakten Herzen aus Silber.
Er räuspert sich leise und schaut dem vorbeilaufenden Kellner nach. Sie brauchen hier immer besonders lange, meint er schließlich.
Ja, besonders um diese Zeit, erwidert sie nickend. Aber das Essen ist wirklich phantastisch.
Ach ja?, fragt er mit milde Intresse. Bist du oft hier?
Klar. Wir waren oft hier. Sie schüttelt ihre Locken und knibbelt an ihrer Maniküre herum. Hat ihm gut gefallen.
Ja, klar. Er nickt wieder. Kurz und bündig. Es ist fast schon Erleichterung in seinem Blick zu sehen, als er endlich sein Bier bekommt.
Sie schlürft ihre Kaffee und rührt Zucker und Milch hinein, verzieht dabei kurz die Miene. Mein Kaffee kann nie süß genug sein, meint sie, ohne ihn anzusehen.
Er trinkt seinen immer ganz ohne, erwidert er. Sie schaut auf und ihre Blicke kreuzen sich wie zwei Schiffe auf hoher See.
Dann wendet sie sich wieder ihre feinen Porzellantasse zu, rührt kräftig um. Das Klirren is wie eine alte Türglocke, die ungeduldig gezogen wird. Ja, sagt sie schließlich. Er findet, dass das Zeug seinen Kaffee zerstört.
Ihre Worte sind fast rau gegen das glockenhelle Klingen der Kaffeetasse.
Er trinkt sein Bier in großen Schlucken. Als er das Glas wieder absetzt, ist es halbleer. Er wischt sich etwas ungeniert mit dem Handrücken über die Oberlippe und seufzt. Warum sind wir hier?, fragt er. Aber es klingt nicht wie eine Frage. Warum bist du hier?
Sie nimmt einen Schluck von ihrem dampfenden Getränk und öffnet das zweite Päckchen Zucker. Ich..., sie bricht ab. Ich wollte dich nur mal näher kennenlernen, meint sie schließlich leise.
Wozu?, fragt er wieder, und seine Stimme ist etwas lauter geworden.Was bringt das hier? Seine Augen sind nun auf ihr Gesicht geheftet und die Augenbrauen sind fest zusammen gezogen.
Du musst nicht gleich schreien, zischt sie zurück. Ich denk’ nur, dass ich ein Recht darauf habe, den Kerl zu sehen, der meinen Freu - . Sie stockt und hebt wieder die Kaffeetasse an. Diesmal um die Verunsicherung zu verstecken.
Er schweigt darauf, trinkt sein Bier aus. Die Bedienung nähert sich und fragt nach den Bestellungen. Sie nimmt auf gut Glück das Gericht des Tages, will aber statt Kartoffeln Pommes haben. Er schließt sich ihr ohne große Worte an. Dann nimmt er doch noch ein zweites Bier.
Sie spielt mit ihrer Herz-kette herum. Er bemerkt es, und erkennt es als Angewohnheit. Sicher hat sie die Kette schon länger. Trägt sie immer.
Nette Kette, sagt er schließlich, lacht kurz und trocken über den Reim. Seine Augen blicken sie konfrontierend an und sie nimmt den Anhänger hoch um ihn genauer zu betrachten.
Ja, sagt sie. Ja, sie ist mir schon zur Angewohnheit geworden, irgendwie. Dann steckt sie das feine Schmuckstück zurück in ihre Bluse.
Er bekommt sein zweites Bier, starrt auf den weißen Schaum. Es ist nie eine Angewohnheit, meint er leise. Bei mir nicht.
Ich gewöhn’ mich an alles, gibt sie zurück. Zum ersten Mal lächelt sie ein wenig. Ein wenig amüsiert, ein wenig bitter. Vielleicht auch tief traurig. Ich hab mich sogar an dich gewöhnt.
Seit wann?, er nippt an seinem Bier und spürt die Kühle in sich hinein dringen. Sein ganzer Brustkorb besteht für diesen Moment nur noch aus Eis.
Schon ewig, flüstert sie ihrem Besteck zu. Sagt dann, etwas lauter: er ist manchmal leicht zu durchschauen. Ich will mich hier nicht als Seelenpartner oder so bezeichnen... aber ich bin nicht blöd. Das letzte Wort betont sie so, dass er leicht zusammenzuckt.
Ja, sagt er schließlich. Verstehe.
Du musst dich jetzt nicht schämen, oder so, meint sie und zuckt mit den Schultern. Es ist sowieso alles reichlich spät.
Ja, meint er nochmal. Dann hebt er ruckartig den Kopf, sein Blick schwirrt hin und her, zwischen ihr und dem idyllischen Bild, der Wand.
Ich war vor dir da, sagt er schließlich, und es klingt wie etwas Entgültiges.
Ihre Augen verengen sich und das Schweigen lastet über dem Tisch, bis der Kellner mit ihren Bestellungen kommen.
Er spießt eine Gabel Pommes auf und fängt an zu essen, während sie sich die Serviette glatt streicht. Immer und immer wieder. Ihre Atmung ist leicht aus dem Takt geraten.
Er ist mit mir zusammen, plötzlich ist ihre Stimme giftig und voller Hohn. Nur, falls du das vergessen hast.
Er zuckt sichtlich zusammen und seine Augen weiten sich. Er kaut und schluckt, spießt die nächste Portion auf und wiederholt das Ganze nochmal.
Sie bestellt sich einen Rotwein und fährt sich kurz übers Gesicht. Ihr Teller ist unberührt.
Hey, sagt sie auf einmal, hey. Und dann streckt sie ihre Hand aus, stützt den Ellenbogen auf dem blütenweißen Fleck Tischtuch zwischen ihren Tellern ab und umfasst seine verkrampfte Hand mitsamt Gabel.
Er ist mit mir zusammen, aber er liebt dich. Sie lächelt, und diesmal ist das Lächeln nicht zu deuten. Sein Griff um das Besteck lockert sich ein wenig und er legt es nieder, um ihre Hand zu nehmen.
Das ist nicht wahr, sagt er, und krächzt dabei ein bisschen. Du gehörst zu ihm. Ich bin nur... ein Freund.
Sie grinst plötzlich, löst ihre Hände auseinander und fängt an mit erstaunlicher Geschwindigkeit zu essen. Weißt du, es ist fast schon lustig, meint sie, und das erste Glucksen kommt schon ihre Kehle hochgerollt. Das gleiche redet er sich auch immer ein. Du bist ja nur ein Freund, das bedeutet ja gar nichts und so weiter... Sie lacht auf und schneidet sich ein Stück von ihrem Filet herunter.
Er sitzt nur da und sieht sie verständnislos an.
Verstehst du?, fragt sie mit der Gabel wedelnd. Ich fülle nur die Lücken für dich auf!
Nein, meint er schließlich. Nein, so ist es sicher nicht. Er geht immer zu dir zurück. Ich bin... Bankdrücker. Ich warte auf Einsatz.
Ihr mit eurem Fußball, schnaubt sie. Er kommt zu mir weil ich... sowas wie Normalität bin. Verstehst du?
Eben, sagt er leise.
Nein. Wenn nicht dieser verdammte Fußball wäre, würde ich doch längst nicht mehr mit ihm zusammen sein. Sie schiebt ihren Teller zur Seite und nimmt ein paar Schlucke von ihrem Wein. Wenn er nicht Profi wäre, und du auch nicht...
Aber das sind wir nunmal, murmelt er. Das lässt sich nicht mehr ändern. Seine Augen hält er auf seinen leeren Teller gerichtet, mit der linken Hand versucht er das Besteck auf die richtige Position zu schieben.
Das, meint sie leise, ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass er als Fußballer keine Wahl hat. Wenn er eine hätte... sie senkt ihren Blick und lässt den Rotwein in ihrem Glas hin und her schwappen.
Ich bin zweite Wahl, sagt er nur.
Ich dann auch, flüstert sie zurück.
Er wirft einen Blick auf seine Armbanduhr und nimmt sie ab. Sie trinkt ihr Glas aus und betupft sich den Mund mit der glatten Serviette, nimmt einen Lippenpflegestift aus der Handtasche. Er bezahlt, sie protestiert nicht.
Dann stehen sie beide auf und gehen aus dem Lokal, in die Dunkelheit des frühen Abends.