PG-13
Ich bin nicht blöd, weißt du.
Du magst es wohl kaum glauben, aber ich sehe viel mehr, als du mir zutraust. Du denkst, du könntest alles locker umspielen und für mich den glücklichen Langzeitverliebten mimmen. Nun, so gut sind deine Schauspielkünste nun auch wieder nicht.
Ich sehe sehr wohl, wie dein Blick abschweift. Meistens passiert es morgens, wenn du noch nicht ganz wach bist und in deinen Kaffee starrst. Dann merk ich, dass du in Gedanken verloren bist. Versuche ja nicht, es der Müdigkeit zuzuschreiben. Du bist kein Morgenmuffel. Du bist nur wiederholt enttäuscht, nicht neben ihm aufgewacht zu sein.
Im Grunde genommen bist du ja ziemlich gut. Wenn du seinen Namen erwähnst, passiert es meistens beiläufig. Du erzählst mir Geschichten von eurer gemeinsamen Zeit in den Jugendmannschaften und lenkst den Fokus auf die lustigen Anekdoten oder die triumphalen Torerfolge. Aber im Grunde erzählst du nur von ihm. Wenn du mir beschreibst, wie sich alle halb tot gelacht haben, weiß ich schon, wie du ihn damals wohl angesehen hast. Wie sein Grinsen dich fasziniert hat.
Du telefonierst oft mit ihm, dafür aber kurz und knapp. Vielleicht täusche ich mich in diesem Punkt ja, aber jedes Wort, das du ihm sagst, kommt mir vor wie zärtliches Liebkosen. So redest du nie mit mir. Auch nicht mit deiner Mutter, oder deinem kleinen Bruder. Nur er.
Bis jetzt warst du auch ziemlich geschickt, hast es vermieden, uns beide unter einem Dach zu haben. Heute war das erste Mal, dass wir drei zusammen in einem Raum saßen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie überflüssig ich mich gefühlt habe. Er kann nicht so gut schauspielern wie du. Er schaut dir nach, wenn du den Raum verlässt. Er hört dir beim Reden zu wie ein... übereifriger Student. Und er hat sich nicht getraut, dir zu nahe zu kommen. Seine Hand wäre ihm wohl ausgerutscht, vielleicht hätte er dich ausversehen gestreichelt. Ich weiß es nicht.
Er ist ein ehrlicher Kerl, das muss man ihm lassen. Er hatte es kaum fertig gebracht, mich anzuschauen. Und wenn, dann stand ihm die Eifersucht ins Gesicht geschrieben. Und er hat sich wohl auch geschämt, mehr oder weniger.
Ich bin ja immer noch die feste Freundin.
Auch, wenn du jetzt zum Fenster gehst und seinem Auto nachschaust. Auch, wenn deine Hand sanft über das Glas gleitet, als könnte er die Berührung irgendwie noch spüren. Du lässt dir nicht allzu viel Zeit, drehst dich um und siehst mich an. Fragst mich, ob ich noch einen Film sehen will. Ob ich hunger habe. Irgendetwas irrelevantes.
Aber ich habe deinen Blick gesehen, du Arschloch. Du konntest ihn wohl nicht schnell genug verstecken. Du sitzt zwar noch bei mir, aber eigentlich bist du schon auf dem Weg nach Gelsenkirchen. Mit ihm. Bei ihm.
Ich schweige zwar und spiele mit.
Aber blöd bin ich nicht, Lewis.