Kaiser Konstantin, der brutale Machtpolitiker 312 siegte Konstantin im Zeichen Christi und machte R

Dec 30, 2023 17:26

Kaiser Konstantin, der brutale Machtpolitiker

312 siegte Konstantin im Zeichen Christi und machte Rom zum christlichen Imperium. Kein Wunder, sondern Machtpolitik, sagt der Althistoriker Hartwin Brandt.

Von Berthold Seewald, Freier Autor Geschichte

Im nächsten Jahr ist es 1700 Jahre her, dass das Christentum von einer verfolgten Gemeinschaft zur privilegierten Religion im Römischen Reich aufstieg. Vor der Entscheidungsschlacht gegen seinen Rivalen Maxentius im Jahr 312 vor Rom soll Kaiser Konstantin (270/88-337) ein christliches Symbol erschienen sein. Und so machte der Sieger aus dem barmherzigen Gott der Christen einen strahlenden Siegesgott und dessen Anhänger zu guten Bürgern des Imperiums. Das zumindest erklärte das Toleranzedikt von Mailand 313. Doch so einfach war es wohl nicht. Der Bamberger Althistoriker Hartwin Brandt hat eine große Biografie Konstantins verfasst. Ein Gespräch.

Welt Online : Wie hat man im Jahre 311 n. Chr. im Römischen Reich Weihnachten und den Jahreswechsel gefeiert?
Hartwin Brandt : Am 25. Dezember beging man das Fest des Natalis Solis, des Sonnengotts. Ab etwa 340 begann man, parallel dazu die Geburt Christi zu feiern. Es gibt sogar die neue These eines englischen Kollegen, dass man unter Kaiser Konstantin bereits 312 in Rom das Weihnachtsfest feierte. Dafür gibt es aber keinen plausiblen Beleg.

Welt Online : War Konstantin damals schon Christ?
Brandt : Er war vor allem Machtpolitiker. Ein Sieger mit dem Ziel, Alleinherrscher zu werden. Er wusste, dass man dafür auf der Klaviatur der Religionen und Kulte spielen musste, um Loyalität herzustellen. Konstantin selbst war sicherlich überzeugt, dass er in der Gunst einer Gottheit stand. Wahrscheinlich dachte er dabei an den Sonnengott.

Welt Online : Warum spielt das Religiöse um 300 herum eine so große Rolle in Rom?
Brandt : Die Religion hat schon 300 Jahre früher eine sehr wichtige Rolle gespielt. Augustus hat damit angefangen und seine Herrschaft durch den Kaiserkult stabilisiert ...

Welt Online : ... aber unter Augustus reichte es, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, also den Kult zu vollziehen. Was man glaubte, war doch im Grunde egal.
Brandt : Unter den Tetrarchen, also der Regierungsform, die unter Diokletian 293 eingeführt wurde, bekam in der Tat der Kaiserkult eine neue Qualität. Nach einem Jahrhundert der Krise und Instabilität wurde die neue Herrschaft von vier Kaisern mit dem Rückgriff auf die alten Kulte neu legitimiert. Die Tetrarchen, je zwei im Osten und zwei im Westen, zeichneten sich durch göttliche Begnadigung aus.

Welt Online : Und da waren die Christen eine Gefahr.
Brandt : Christenverfolgungen hat es schon früher gegeben. Aber unter Diokletian bekamen sie eine neue Dimension. Sie fanden reichsweit statt.

Welt Online : Wie viele Christen lebten den im Imperium?
Brandt : Neueste Schätzungen gehen von fünf bis zehn Prozent Christen aus, bei einer Reichsbevölkerung von vielleicht 50 bis 60 Millionen. Im Osten ist die Zahl der Christen höher, im Westen niedriger.

Welt Online : Wie kommt es, dass ein junger Mann, ein im halbbarbarischen Balkanraum geborener Soldat, der 306 im äußersten Nordwesten, in York, von den Truppen zu Kaiser ausgerufen wurde, früh eine gewisse Affinität zum Christentum erkennen ließ?
Brandt : Christentum ist das falsche Wort. Konstantin, der ja ein Usurpator gegen das System der Tetrarchen war ...

Welt Online : ... eigentlich hätte nicht er, sondern ein anderer General die Nachfolge von Konstantins Vater Constantius I. antreten sollen ...
Brandt : ... suchte ein religiöses Alleinstellungsmerkmal. Die Tetrarchen stellten sich dem Volk als Inkarnationen von Jupiter und Herkules vor. Konstantin setzte dagegen auf den Sonnengott.

Welt Online : Der soll ihm in einem Tempel in den Vogesen 310 erschienen sein.
Brandt : Ich bin sicher, dass diese Vision, was auch immer sie war, von Konstantin und seiner Entourage auf den Sonnengott bezogen wurde. Auch ein zeitgenössischer Redner, der die Episode beschreibt, setzte sie ausdrücklich in heidnischen Rahmen. Erst viel später wird, wohl nicht ohne Mittun des Kaisers, die Szene christlich umgedeutet.

Welt Online : Wann erkannte denn Konstantin, dass der Sonnengott und der Christengott womöglich dieselben sind?
Brandt : Sicherlich nicht vor dem Jahr 312.

Welt Online : Sie meinen damit die Schlacht an der Milvischen Brücke vor Rom am 28. Oktober 312 gegen Maxentius. In älteren Geschichtsbüchern heißt es dazu immer, Konstantin habe am Vorabend ein Zeichen gesehen und die Worte Stimme gehört: „In diesem Zeichen wirst Du siegen.“
Brandt : Das ist eine schöne Geschichte, die erst Jahre nach der Schlacht entstanden ist. Vielleicht hatte Konstantin sogar eine Vision. Aber niemals hätte dieser gewiefte Machtpolitiker seinen mehrheitlich heidnischen Truppen zugemutet, mit einem christlichen Symbol auf den Schilden in die Schlacht zu ziehen. Allerdings ist es sehr gut möglich, dass er davon überzeugt war, dass er den Sieg gegen den überlegenen Gegner einem göttlichen Helfer verdankte, der anders war als die heidnischen Götter des Maxentius.

Welt Online : Dem Christengott?
Brandt : Den sich Konstantin aber nur als einen von zahlreichen Göttern vorstellte. Die Brücke zwischen Sonnengott und Christus war kurz, und dass er sie überschritt, war sicherlich Ergebnis einer pragmatischen Entscheidung.

Welt Online : Damit wurde der demütige Gott der Christen zum Siegesgott des weltlichen Imperators. Eine welthistorische Wendung.
Brandt : Gewiss. Nach zuverlässiger archäologischer Datierung begann Konstantin noch 312 mit dem Bau der Lateransbasilika, die noch heute die Bischofskirche Roms ist. Auf kaiserlichem Boden, mit kaiserlicher Stiftung. Er schuf der christlichen Gemeinde eine gewaltige Versammlungsstätte, wohlgemerkt neben den heidnischen Kultstätten, die er nicht antastete.

Welt Online : Man hat die Einweihung Konstantinopels 330 als religionspolitische Entscheidung gedeutet.
Brandt : Auch dabei ging es vor allem um Macht. Nach dem Sieg über den östlichen Kaiser Licinius 324 gründete er nach guter antiker Tradition seine Siegesstadt , die zudem den Vorteil hatte, dass sie strategisch ungleich günstiger und näher an der von den Persern bedrohten östlichen Reichsgrenze lag als Rom. Selbst als allmächtiger Alleinherrscher stattete Konstantin seine Stadt mit heidnischen Kultstätten aus.

Welt Online : Im Osten wurde Konstantin auf einmal mit dem Kleingedruckten des Christentums konfrontiert. Im Streit etwa um die Donatisten oder den Arianismus zeigte sich, dass die Lehre, das Dogma, den Christen wichtiger war als der Kult.
Brandt : Auch dabei bezog Konstantin zunächst keineswegs Partei, sondern agierte wie ein machtbewusster Kaiser. Als Pontifex Maximus wies er die Christen an, den Streit beizulegen. Ihm ging es um die Befriedung dieser Kultgemeinschaft, die ja nur eine unter vielen ist. Das Wohl des Staates lag Konstantin am Herzen, nicht die richtige christliche Lehre.

Welt Online : 325 präsidierte er ungetauft und ohne Kirchenamt dem ersten Konzil von Nicäa, das die Dreifaltigkeit zum Dogma erhob. Was war dazwischen geschehen?
Brandt : Natürlich hatte die Zahl der Christen zugenommen, nicht zuletzt deswegen, weil Konstantin dem Klerus erhebliche Privilegien wie etwa die Steuerbefreiung zugestand. Aber das wird kaum dazu geführt haben, dass große Teile der römischen Elite zum Christentum übertraten.

Welt Online : Und das Heer?
Brandt : Gerade von den Soldaten ist überliefert, dass sie bis zuletzt Konstantin mit dem Gruß „Die Götter mögen Dich schützen“ ansprachen. Das Heer war heidnisch, und Konstantin war Machtpolitiker genug, das bei seiner Politik zu berücksichtigen. Allerdings sollten wir uns hüten, hier einen tiefen Gegensatz zu sehen.

Welt Online : Zwischen Mono- und Polytheismus?
Brandt : Richtig. Ich bin sicher, dass Konstantin darin keinen Gegensatz gesehen hat . Wenn er mit Christen kommunizierte, bekannte er sich zu Christus, wenn er zu seinen Soldaten sprach, war er der Schützling des Sonnengottes oder ähnliches.

Welt Online : Konnte er sich deswegen auch als „Christusgleicher“ herausgehoben im Kreis der zwölf Apostel bestatten lassen?
Brandt : Dagegen hatte auch niemand etwas. Er wird ja sogar nach seinem Tod zum „divus“, zum Gott, erhoben und von den Heiden entsprechend verehrt. Konstantin stand da einmal mehr für etwas, was man „Christentum light“ nennen kann.

Welt Online : Er war ja auch nicht unbedingt ein Mensch, der christliche Ideale lebte.
Brandt : Der Glaube an Gott verhindert bekanntlich keine Morde. Wahrscheinlich hatte sein Sohn Crispus, der ja ein anerkannter Feldherr war, politische Ambitionen, die sein Vater nicht tolerieren wollte. In den Quellen wird das verbunden mit einer sexuellen Beziehung zu seiner Stiefmutter, der Kaiserin Fausta. Auf jeden Fall wurden beide - und nicht nur sie - 326 Opfer ausgedehnter Säuberungen.

Welt Online : Ein mit allen Wassern gewaschener Machtpolitiker öffnete dem neuen Glauben das Imperium. Hätte das Christentum ohne Konstantin eine andere Färbung angenommen?
Brandt : Ich bin sicher, dass ohne die Politik des Kaisers sich das Christentum viel stärker zerfleischt und zerrissen hätte. Die Frage ist, ob die Religion auf lange Sicht überhaupt eine Zukunft gehabt hätte, wenn nicht auf Druck des Herrschers der Zwang zur Vereinheitlichung da gewesen wäre. Erst mit Konstantin entstehen die Reichskirche und die enge Verbindung zwischen Imperium und Christentum.

Welt Online : Ohne Konstantin kein christliches Europa?
Brandt : Vielleicht hätte es eines anderen Konstantins bedurft. Das Christentum, wie wir es kennen, ist allerdings nur denkbar durch die Bahnbrechung eines autoritären Weltenherrschers, wie Konstantin einer war. Gerade die Kirche im Westen ist ja im Grunde nichts anderes als der Nachfolger der imperialen Bürokratie.

Welt Online : Es war ja ein Neffe Konstantins, Kaiser Julian Apostata, der das Rad der Geschichte noch einmal zurückdrehte und das Heidentum protegierte. Hätte er eine Chance gehabt, wenn er länger als nur von 360 bis 363 regiert hätte?
Brandt : In weiten Teilen des Reiches gab es um 360 noch keine Festlegung auf das Christentum. Hätte Julian so lang wie sein Onkel regiert, hätte die Geschichte durchaus anders verlaufen können.

Welt Online : Ein berühmter Kollege von Ihnen, Edward Gibbon, hat das Christentum für den Untergang Roms verantwortlich gemacht.
Brandt : Die Christen waren gewiss nicht die Totengräber des Reiches. Aber eines sollte auch klar sein: Das Römische Reich beruhte auf innerer Bindung durch Kulte und Religion. Diese Loyalität wurde durch das Christentum und seine militante Intoleranz in erheblichem Maße beschädigt und aufgelöst. Erst im Laufe langer Zeiträume konnten auf der Grundlage des neuen Glaubens neue Bindungen entstehen. Im Osten entstand daraus Byzanz. Aber das ist etwas anderes als das antike Imperium .

Welt 3.1.2012

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