Titel: Gar prächtig webt Gott seine Wunder
Fandom: Doctor Who, neue Serie
Autor: Bimo
Charaktere: Reinette, zehnter Doktor
Zusammenfassung: Menschliche Wesen sind zeitblind
Rating: größtenteils harmlos
Anmerkung seitens der Autorin: Übertragung aus dem Englischen. Das Original, The Fabric That God Weaves, findet sich unter
http://bimo.livejournal.com/21361.html. Ach, und
Atti_br, diese kleine Vignette ist genau das, was ich letztens mit "Exotenstory" gemeint habe ;-)
GAR PRÄCHTIG WEBT GOTT SEINE WUNDER
Bimo
Jeanne-Antoinette Poisson ist viel zu klug und erfahren in solchen Dingen, als dass sie es wagte, während des Trauergottesdienstes auch nur eine Miene zu verziehen. Sicher würden die Anwesenden ihr die unangemessene Neugier als Zeichen von Hochmut ankreiden. Und das, obwohl die Gattin des Cavaliere kaum mehr für sie war, als eine lose Bekannte, fast Fremde; gestorben im Kindbett. Die kostbare Frucht ihres Leibes hatte sie gleich mit sich ins Grab gerissen.
Natürlich berührt Jeanne-Antoinette dieses Unglück. Mitgefühl ist das große Band, das alle Menschen untereinander verbindet. Versetze dich in sie hinein, stell dir vor, du wärst in ihrer Lage, und bedenke stets, eines Tages bist du selbst die bleiche, kalte Frau in dem Sarg.
Draußen, jenseits der Kapellmauern scheint die Welt eine andere. Leicht und verlockend, so sonnendurchflutet. Sie leuchtet wie Blüten.
Der Gottesdienst ist noch lang nicht zuende
Nachdem der Pfarrer, mit seiner feinen, papiertrocknen Stimme das Bild eines himmlischen, ewigen Lebens heraufbeschworen hat, kommt er nun auf die unvorstellbare Größe des allmächtigen Vaters zu sprechen. Die Begriffe hierfür borgt er bei Augustinus. Gott, so sagt er, steht außerhalb aller Zeit, hat weder Vergangenheit noch Zukunft, nur ein immerfortwährendes, ewiges Jetzt.
Nur zu gut hallen die Worte des Pfarrers in Jeanne-Antoinettes Gedanken wieder; werden gebrochen, umgelenkt, konzentriert wie Lichtstrahlen in einem Irrgarten aus zehntausend Spiegeln. Dem Labyrinth fremden Wissens, das sie beim Tanz durch Versailles von ihrem Zeitherrn empfangen hat.
Sie faltet ihre Arme, lässt die verschränkten Hände auf ihrer Brust ruhen.
Der Pfarrer erörtert grade auf Latein die Begrenztheit des menschlichen Verstandes. Auf seiner Stirn zeichnen sich kleine Schweißperlen ab, und die flackernden, hellwachen Augen in dem blassen, langen Gesicht verraten, dass auch er vollen Herzens im Dienst einer ewigen, klaren, hell-strahlenden, linear, nicht-linearen Herrlichkeit steht.
Ihrem Liebhaber, dem König, wird Jeanne-Antoinette später erzählen, dass sie den Pfarrer nicht für einen sonderlich guten Christen hält. Gewiss treibt den Mann nicht die Liebe zum Menschen an, sondern die zum Abstrakten.
Von der Kanzel aus zur Gemeinde zu sprechen, muss für den Ärmsten eine ähnliche Herausforderung bedeuten, wie ein Bühnenmonolog für einen leidenschaftlichen, doch letztlich hoffnungslos unbegabten Schauspieler. So sehr der Pfarrer sich auch abmüht, findet er keinen Bogen zu der unmittelbaren Erfahrung von Schmerz und Verlust; Trost, Versöhnung und Gnade.
Wäre Jeanne-Antoinette mit dem Pfarrer allein, sie würde ihm gern den Kopf zurecht rücken und erklären, dass es überhaupt keine Rolle spielt, wie man sich Schöpfer und Ewigkeit ausmalt. Denn menschliche Wesen sind zeitblind und zeittaub.
Zumindest das eine hat sie von ihrem Schutzengel aus dem Kamin begriffen.
Zeit und Raum und die Ewigkeit sind das feingewirkte Himmelstuch Gottes. Und ihr Zeitherr wandelt darauf; hetzt, jagt und flieht von einem Ende zum anderen, wohlwissend um jedes einzelne Fädchen und jeden Knoten. Nur nicht um die Weisheit und Güte des Wunders an sich.