Seiten: 384
Inhalt: In einer der sagenumwobenen Höhlen des Siebengebirges, wo Siegfried einst den Drachen tötete, wird eine Frauenleiche gefunden. Noch am selben Tag wird in Königswinter die Ehefrau des Notars vermisst. Hat die Geliebte des Notars, die exzentrische Künstlerin Romina, ihre Widersacherin kaltblütig aus dem Weg geräumt? Als sich Kriminalhauptkommissar Jan Seidel die Bilder der Künstlerin anschaut, sieht er das Mordmotiv förmlich vor sich: Verzerrte Frauenfratzen kämpfen um einen strahlenden Helden. Aber nicht nur Jan Seidel, sondern auch seine eigenwillige Großmutter Edith erkennt, dass die Lösung des Falles weitaus komplizierter ist ...
Bewertung: *
Das Buch hatte ich schon oft in der Buchhandlung in der Hand, aber irgendetwas hat mich immer davon abgehalten es zu kaufen, ich glaube es war das Cover, dass so einen unglaublich düsteren Eindruck gemacht hat.
Zum positiven: Düster ist das Buch nicht, es hat sogar etwas Humor.
Zum negativen: der verflüchtigt sich nach gut 70 Seiten.
Zum weiteren negativen: Alles andere.
Aber fangen wir mal am Anfang an: Der Titel ist eigentlich Ettikettenschwindel. Ja, es spielt im Siebengebirge und die Tote wird in einer Höhle, die "Drachenhöhle" heißt gefunden, außerdem gibt es in diesem Buch eine Dreiecksbeziehung: ein verheirateter Mann hat eine Geliebte und die Geliebte ist Künstlerin (natürlich ist sie mehr oder weniger verrückt und ökologisch-alternativ, bekanntlich sind alle Künstler so), die das ganze mit der Dreiecksbeziehung zwischen Siegfried, Kriemhild und Brunhild. Das wars dann aber auch schon, wirklich Einfluss auf den Fall hat es nicht und der Krimi würde ohne Niebelungenmotiv genausogut funktionieren (wobei hier vielleicht "würde genausowenig funktionieren" die bessere Formulierung wäre...)
Dann die Figuren: Da ist Jens, der Hauptkommisar...wie er es soweit gebracht dürfte jedem Leser schleierhaft bleiben. Zum einen dürfte jeder Siebenjährige sein Verhalten für absolut kindisch halten. An einer Stelle befragt er eine Kunstexpertin und findet es schrecklich, dass sie sich auf dem Gebiet Kunst besser auskennt und -SCHOCK- ihm Dinge erklärt. Besonders weil Kunst ja sowiso und generell doof und Verschwendung von Steuergeldern ist. Auch seine Reaktion, als er erfährt, dass die alternativ-Künstlerin Haare in ihre Gemälde einarbeitet. Seiner Meinung nach ist das extrem eklig und genug um die Vermutung zu rechtfertigen, dass sie die verschwundene Nebenbuhlerin entführt hat und irgendwo gefangen hält um ihr Blut für die Bilder zu verwenden. Aber natürlich. Das bleibt aber nicht seine einzige intelektuelle Meisterleistung. Er schafft es in einem Buch gleich zweimal seine Dienstwaffe zu vergessen. Während es ja schon grenzwertig ist sie zuhause zu vergessen hätte ich damit ja noch gerade so leben können...aber ins Haus eines Verdächtigen zu marschieren und dort Jacke und Waffe abzulegen...dazu spare ich mir einfach jeglichen Kommentar.
Jens hat auch eine Kollegin, zu deren Charakter ich nichts schreiben kann, da sie keinen hat. Ihr gesamter Beitrag zum Buch sind einige Sprüche die so klingen als hätte jemand, der 'Femminismus' für eine überflüssige Randerscheinung hält versucht eine Femministin zu schreiben. Achja und am Ende ignoriert sie die Eindeutige Anweisung von Jens Verstärkung zu ihm zu schicken, weil sie sauer auf ihn ist.
Ich kann nicht behaupten, dass das alles nicht so schlimm gewesen wäre, wenn der Krimi wenigstens ordentlich gewesen wäre, aber vieleicht hätte es mir dann beim lesen nicht ganz so viele Schmerzen bereitet. Nur leider war der Krimi, und die darin verwickelten genauso schlimm (schlimmer wäre ja auch nicht gegangen). Die Verdächtigen wirken allesamt als hätte die Autorin tief in die Klischeekiste gegriffen, alles beiseite gelegt was sie dort gefunden hat und alles aus der Schicht darunter an sich gerissen. Die Ausnahme davon ist Sven. Für ihn musste sie eine sehr lange Leiter nehmen, ins unterste Stockwerk der Klischeekiste steigen und in der hintersten Ecke suchen. Sven ist der Sohn der Ehebrechers und seiner deswegen deprresiven und tablettensüchtigen Gattin. Deswegen geht es Sven natürlich nicht gut und er ist ein Problemkind. Deswegen trägt er nur schwarz, hört Heavy Metal (hat aber Poster von Punk-Rock-Bands an seinen Wänden), nimmt Drogen, liebt Herr der Ringe und Fantasyrollenspiele und kann Realität und Phantasie nicht mehr auseinanderhalten. Anfangs hatte ich zumindest noch den Eindruck, dass nicht der Anschein vermittelt werden soll, dass das zwangsläufig zusammenhängt, aber je mehr ich gelesen hatte desto mehr erschein es mir als würde die Autorin tatsächlich glauben, dass jeder der Herr der Ringe mag auch nicht ganz klar im Kop ist und hinter jedem Baum Orks vermutet.
Der einzige -und sehr schwache- Lichtblick war Jens Oma Edith, die recht offensichtlich eine Miss Marple-Kopie war und sich auf recht vorlaut-sympathische Weiße in die Ermittlungen eingemischt hat, aber selbst sie kam nie auch nur in die Nähe ihres Vorbilds (lässt sich viel zu leicht erwischen und ihre Ausreden sind so flach wie eine Briefmarke).
Zu guter Letzt: Liebe Frau Merchant. Ja, Sie haben Recht, Reihen neigen dazu mit zunehmendem Alter an Qualität zu verlieren, und da ist auch Donna Leon sicher keine Ausnahme, aber Donna Leon hat es immerhin geschafft bisher 18 Bücher geschrieben, von denen auch einige mit nicht gerade unbekannten Gesichtern verfilmt worden sind. Und auch wenn ihre letzten Bände nicht mehr unbedingt an die ersten heranreichen, dürfte selbst das was diese Frau übermüdet und mit Grippe fabriziert noch besser sein als Niebelungenmord. Als Erstlingsautorin so über einen 'Alten Hasen' herzuziehen und Leuten, die immernoch Donna Leon-Hardcover kaufen nur einen unwesentliche besseren Geisteszustand als Herr der Ringe-Lesern zuzugestehen ist verdammt unverschämt