Titel: Leben und Sterben
Autor: drea78
Beta: KonnyFan
Chapter: 20/ ?
Word Count this part: 2077
Series: Zwillings-Universum
Pairing: Dean/OC
Rating: p-16
Kapitel 20:
Sam fluchte.
In der einen Sekunde hatte er Jensens Gewicht mit seinem gesunden Arm gestützt - das Gewehr unter die linke, verletzte Schulter geklemmt -, und einen Moment später war Jensen wieder voll da und schob Jenna zur Seite, während ihm selber das Gewehr unter dem Arm wegrutschte und ein Schuss erklang.
Noch während er versuchte, sein Gleichgewicht zu halten und sein Verstand verarbeitete, was gerade passierte, und zur gleichen Zeit neben ihm Jensen schmerzhaft aufkeuchte, fiel ein weiterer Schuss. Ein Schrei folgte. Diesmal von Jenna.
Seine Jägerinstinkte setzten ein, und er schnappte sich das Gewehr, entsicherte es und schoss, ohne abzuwarten, ob Josef Connor - in Gestalt seines Bruders - bereits ein weiteres Mal zielte.
Deans Körper taumelte zurück, und Sam nutzte die Gelegenheit, um ihm mit dem Gewehrlauf die Glock aus der Hand zu schlagen.
Seine verletzte Schulter machte sich schmerzhaft bemerkbar, aber er ignorierte es.
Der Körper seines Bruders begann sich bereits wieder zu regen, und fluchend entsicherte er das Gewehr ein weiteres Mal.
Sam hatte keine Ahnung, wie er Jensen und Jenna schützen sollte, wenn sein Dad, Jared und Bobby nicht bald fanden, was sie suchten.
Er wusste nicht, was passierte, wenn er Dean handlungsunfähig machen würde - vielleicht suchte sich der Geist dann einfach einen neuen Körper, um zu beenden, was er angefangen hatte. Oder er tat das einfach in seiner ursprünglichen ‚Gestalt’.
Hinter sich hörte er Jenna wimmern und ein leichtes Stöhnen, das wahrscheinlich von Jensen kam, und wünschte sich, er könnte nachsehen, wie es den beiden ging, wie schlimm sie verletzt waren. Aber einen Moment der Unaufmerksamkeit konnte fatal sein, und so wartete er ab, bis Josef Connor Deans Körper wieder aufrichtete und schoss erneut, bevor dieser weiteren Schaden anrichten konnte.
Er versuchte nicht darüber nachzudenken, was der Schuss bei seinem Bruder anrichten konnte.
‚Beeil dich, Dad!’ flehte er in Gedanken.
Jared war es unbegreiflich, wie dieses Haus über so eine lange Zeit beinahe unberührt hatte bleiben können.
Anscheinend hatten die beiden Geister es beschützt. Aber warum hatten sie dann keine Geistergeschichten über das Haus gehört?
Mit einem Seufzen wandte er sich dem nächsten Bücherregal zu.
Josef Connor hatte jede Menge Bücher besessen und sie anscheinend alle in diesem einem Zimmer aufbewahrt. Wenn sie in ihnen keine Hinweise fanden, dann hatten sie ein echtes Problem.
Seine Gedanken wollten immer wieder abschweifen, und er hatte wirklich Mühe, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Am liebsten wäre er bei seinen Brüdern, um ihnen zur Seite zu stehen.
Andererseits war das keine Situation, bei der sie gewinnen konnten, und vielleicht hatte er Glück, dass er nicht mit ansehen musste, was passierte.
Nein, verdammt, er wollte da sein!
Ein Blick auf ihren Vater zeigte ihm, dass es ihm anscheinend ähnlich ging. Dessen Blick war ernst und konzentriert, aber er atmete schneller als normal, als stünde er kurz vor einem Zusammenbruch, und sein ganzer Körper vibrierte vor Anspannung.
‚Reiß dich zusammen!’, befahl Jared sich und richtete seine volle Aufmerksamkeit wieder auf die Bücherreihe vor sich.
In der Hand hielt er ein uraltes, vergilbtes Buch von William Blake - The Marriage of Heaven and Hell -, das er wieder zurück ins Regal stellte, nachdem er es einmal durchgeblättert und nichts ungewöhnliches festgestellt hatte.
Das nächste Buch war ebenfalls von Blake. Als er es herauszog fiel im Regal etwas um und Jared hielt überrascht inne. Hinter der Bücherreihe war bisher nur leere Fläche bis zur Rückwand des Regals gewesen, wenn man einmal von der riesengroßen Staubschicht und dem Ungeziefer absah.
Er nahm einige weitere Bände heraus und entdeckte, dass ein braunes, in Leder gebundenes Buch hinter der Bücherreihe umgefallen war.
Achtlos legte er die anderen zur Seite und griff nach diesem Buch, das stark den Tagebüchern von Jennas Vorfahren ähnelte.
Sein Herz klopfte plötzlich wild, und er hatte das starke Gefühl, etwas Wichtiges gefunden zu haben.
Er zwang sich, seine Hände ruhig zu halten und öffnete den Einband.
Elisabeth Connor
„Dad! Bobby!“, rief er aufgeregt, während er schon weiterblätterte.
Die nachfolgende Seite trug das Datum vom 2. April 1807. Die Seiten waren sehr brüchig, und Jared hatte ein wenig Angst, dass sie jeden Moment auseinander fallen würden. Der Text auf dieser Seite war kaum zu lesen, aber ihm war auch so klar, was er hier in den Händen hielt.
„Hast du was?“, fragte sein Vater, und die beiden anderen Männer kamen sofort zu ihm.
„Ein Tagebuch von Elisabeth Connor“, antwortete er und hielt es ein wenig hoch. „Das hat bestimmt etwas zu bedeuten, dass er es hier versteckt hat!“, fügte er hinzu, während John ihm das Buch aus der Hand nahm und es mit großer Vorsicht aufmerksam durchblätterte.
„Bestimmt hast du Recht“, murmelte sein Vater.
Jared versuchte etwas auf den Seiten zu entziffern, ebenso Bobby, der auf der anderen Seite seines Vaters stand.
Die Schrift war aber sehr viel schwieriger zu entziffern, als bei den anderen Tagebüchern, die sie bisher gelesen hatten.
Was sie jedoch herauslesen konnten war, dass Elisabeth ihre Stieftochter tatsächlich gehasst hatte. Ihrer Meinung nach bekam sie viel zu viel Aufmerksamkeit von ihrem Vater, und es gab deshalb mehr und mehr Streit im Hause Connor.
Jared wurde langsam ungeduldig. Tief in seinem Inneren hatte er mehr und mehr Angst, dass dies wieder zu nichts führen würde und sie wertvolle Zeit verschwendeten, indem sie sich mit dem Tagebuch beschäftigten. Zeit, die sie, vor allem seine Brüder und Jenna, nicht hatten.
Sie waren fast am Ende angekommen und brauchten alle drei einen Moment, um zu registrieren, dass die Schrift plötzlich anders war.
Als sein Vater die Seite umblätterte, hatte Jared das Gefühl, ihm fiele ein Stein vom Herzen - jedenfalls für einen Augenblick:
Auf der nächsten Seite klebte eine Haarlocke.
Er hoffte nur, dass sie sie nicht zu spät gefunden hatten.
„Wir verbrennen das Buch gleich hier!“, sagte sein Vater und war bereits dabei, ein Feuerzeug aus seiner Tasche zu kramen.
„Lass es uns unten machen“, widersprach Bobby ihm jedoch. „Hier ist alles so vertrocknet und morsch, du kannst es nicht verbrennen, ohne das ganze Haus in Flammen zu setzen.“
„Das ist doch gut“, fand Jared. So konnten sie sicher sein, dass hier nichts mehr übrig blieb.
„Ja, aber ich wollte ungern mit verbrennen!“, brummte der Ältere.
Sie diskutierten nicht weiter, sondern machten sich auf den Weg nach unten. Keiner von ihnen wusste, ob sie noch Zeit hatten, oder ob es bereits zu spät war.
Jensen hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Er musste für einen Moment das Bewusstsein verloren haben.
Er lag auf dem Boden, und ein Blick zur Seite zeigte ihm Sam, das Gewehr schussbereit in der Hand und auf Dean gerichtet, der ebenfalls am Boden lag.
Dean!
Er wollte sich aufrichten, doch heißer Schmerz in seiner Seite hinderte ihn daran. Er kniff die Augen zusammen, versuchte bei Bewusstsein zu bleiben und presste die Hand auf die linke Seite. Er spürte, wie Blut durch seine Finger sickerte und an ihm hinab lief.
Das war nicht gut, gar nicht gut.
Aber zumindest hatte er Jenna aus der Schusslinie gebracht. Das hatte er doch, oder nicht?
Er hatte Schwierigkeiten, einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Blick verschwamm immer wieder, ihm war übel und außerdem herrschte da immer noch diese Leere in ihm, wo er eigentlich die Verbindung zu seinem Bruder spüren musste.
Was hatte er nur getan?
Was, wenn Dean nun verloren war?
Stöhnend versuchte er ein weiteres Mal, sich zur Seite zu rollen und blinzelte dabei heftig, um besser sehen zu können.
Er erkannte Jennas Beine, sie lag ebenfalls auf dem Boden.
Bei dem Anblick der reglosen Gestalt fiel ihm der zweite Schuss ein.
Verdammt.
War es umsonst gewesen? Hatte er die Verbindung zu Dean umsonst abgebrochen?
Verzweiflung drohte ihn zu übermannen, und er spürte, wie ihm eine Träne über die Wange lief.
Aber es war ihm egal.
Seine Gedanken schrieen nach seinem Zwilling, der so sehr ein Teil von ihm war, dass er das Gefühl hatte, ohne ihn nie wieder ‚ganz’ zu sein.
Einen Augenblick glaubte er, die Verbindung zu spüren - hauchdünn, aber da.
Doch dann holte ihn die Dunkelheit wieder ein.
Jenna hatte gesehen, wie Deans Finger den Abzug drückte, aber ihr Körper schien nicht darauf reagieren zu können. Sie war wie gelähmt gewesen.
Doch in dem Moment, als die Kugel den Lauf der Waffe verließ, hatte sie etwas - nein nicht etwas, sondern Jensen! - zur Seite gestoßen.
Jenna hörte seinen Aufschrei, als sie um ihr Gleichgewicht kämpfte und versuchte nicht zu fallen. Sie wusste, sie hatte keine Chance, wenn sie erst einmal auf dem Boden lag.
Doch noch während sie sich bemühte, aufrecht zu bleiben, erklang ein weiterer Schuss.
Es vergingen nur Millisekunden, bis sie spürte, wie eine Kugel in ihren rechten Arm eindrang.
Einen Augenblick lang fühlte sie nichts, außer dem Sturz, den sie durch den Aufprall der Kugel nicht mehr aufhalten konnte.
Dann explodierte heißer Schmerz in ihrem Arm, der hinauf schoss bis in ihre Schulter und ihr schlagartig Tränen in die Augen trieb.
Sie konnte ein Wimmern nicht unterdrücken. Ihre Sicht verschwamm einen Augenblick.
Sie spürte das Blut an ihrem Arm hinab laufen, roch den säuerlichen Geruch der roten Körperflüssigkeit, und Übelkeit überkam sie.
Blinzelnd beobachtete sie Sam, der gegen Dean kämpfte und auf ihn schoss, so wie sie es zuvor ebenfalls getan hatte.
Seine Waffe hatte der Geist im Körper ihres Freundes verloren. Sie lag nicht weit von ihr entfernt.
Jenna biss die Zähne zusammen und versuchte, sich mit dem gesunden Arm vorwärts zu schieben.
Sie spürte die Schweißperlen auf der Stirn, ihr Körper zitterte vor Anstrengung.
Aber sie musste die Waffe erreichen. Nicht zwangsläufig, um sich verteidigen zu können, sondern damit Josef Connor sie nicht erreichen konnte.
Dabei hatte sie nicht die geringste Ahnung, was sie tun würde, wenn der Geist sie, Sam oder Jensen erneut angreifen würde.
Der Gedanke, Dean weiteren Schaden zufügen zu müssen, zerriss ihr das Herz.
Alles was sie sich wünschte, war, dass dieser Alptraum endlich ein Ende hatte.
Dean kämpfte um Halt, kämpfte darum, die letzte, hauchdünne Verbindung zu seinem Bruder aufrecht zu erhalten.
Ein Teil von ihm wollte aufgeben und loslassen. Der Teil, der entsetzt war von dem, was sein Körper getan hatte.
Aber in ihm war auch der Jäger, der mit dem Übernatürlichen aufgewachsen war und genau wusste, dass er keinen Einfluss auf die Geschehnisse hatte.
Er konnte unmöglich seine Familie im Stich lassen. Er konnte Jensen nicht alleine zurücklassen. Kein anderer Mensch würde verstehen, was es für seinen Zwilling bedeutete, von ihm getrennt zu sein. Jetzt, wo kein Bann ihre Erinnerungen gelöscht hatte.
Außerdem war da noch Jenna.
Er musste wissen, was passiert war. Er musste wissen, ob zwei der wichtigsten Menschen in seinem Leben durch seine Hand gestorben waren.
Wenn es so wäre, könnte er los lassen.
Aber wenn auch nur die geringste Chance bestand, dass sie lebten…
Er versuchte mit aller Macht das Band zu erhalten, das ihn davor bewahrte in tiefe Finsternis zu versinken, aus der es vielleicht kein Zurück mehr gab.
Der Geist, der sein Bewusstsein zu verdrängen versuchte, schien von Minute zu Minute wahnsinniger zu werden - er konnte die Stimme Josef Connors hören, verwirrt und voller Hass. Er war definitiv nicht mehr ganz bei Sinnen.
Und dann erschallte ein markerschütternder Schrei in Deans Innerem.
Er wurde lauter und lauter - ein ohrenbetäubendes Orchester, dessen Frequenz Glas zersplittern lassen könnte.
Er wollte die Hände gegen seine Ohren pressen, das Geräusch irgendwie dämpfen, doch von einer Sekunde auf die andere brach der Schrei ab.
Übrig blieb eine Stille, die beinahe genauso laut schien wie der Lärm zuvor.
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