Titel: Leben und Sterben
Autor: drea78
Beta: KonnyFan
Chapter: 16/ ?
Word Count this part: 2250
Series: Zwillings-Universum
Pairing: Dean/OC
Rating: p-16
Kapitel 16: Jennas Vater
Bobby Singer gehörte nicht zu den Menschen, die sich unnötig mit Gedanken an die Vergangenheit herumschlugen. Das Leben war zu kurz dafür. Was in der Vergangenheit geschehen war, ließ sich ohnehin nicht mehr rückgängig machen.
Dennoch hatte er schon viel zu viele Stunden in seinem Leben damit zugebracht, über die Winchester-Familie nachzudenken. Sie waren ein Mysterium, allesamt. Er war immer wieder überrascht, wie gut er ihre Handlungen und Reaktionen verstand - und wie wenig er sie voraussehen konnte.
Ihm war von vornherein klar gewesen, dass John nicht der Typ war, der sesshaft wurde - nicht nach all dem, was in seinem Leben passiert war. Aber er hatte auch nicht erwartet, dass er sich, nachdem sie sich gerade etwas angenähert hatten, wieder so weit von seinen Söhnen entfernen würde.
Dieser Mann lief vor sich selber davon, das war ihm schon vor langer Zeit klar geworden. Er hatte Angst, seinen Söhnen zu nahe zu kommen. Denn dann wäre er es für ihn noch schmerzhafter, wenn einem der Jungs etwas passierte. Damit könnte John nicht umgehen.
Was dem Sturschädel jedoch nicht klar zu sein schien, war, dass er vor der Liebe zu seinen eigenen Kindern nicht davonlaufen konnte. Und dass es ihn erst Recht zerstören würde, wenn einem von ihnen etwas passieren würde und er nicht da gewesen wäre, um zu helfen.
Aber er hatte besseres zu tun, als weiter darüber nachzudenken.
Deans Freundin war eindeutig in tödlicher Gefahr, und sie mussten herausfinden, wie sie ihr helfen konnten.
Bobby war immer noch ein wenig überrascht, wie ernst die Beziehung der beiden jungen Leute geworden war. Als er das letzte Mal zu Besuch gewesen war, hatten die beiden sich nur sporadisch gesehen. Jetzt schienen sie tatsächlich ein Paar zu sein.
Er hätte niemals vermutet, dass es unter den Brüdern ausgerechnet Dean sein würde, der sich auf eine feste Beziehung einlassen würde. Aber es schien ihm gut zu tun.
Allerdings lastete nun das Wissen auf dem Jungen, dass seine Partnerin sterben könnte - etwas, das ihn offensichtlich von den wesentlichen Dingen abgelenkt hatte. Denn anscheinend hatten die Brüder das ein oder andere übersehen, auch wenn es nur Kleinigkeiten waren.
Fluchend lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. Wie es aussah, brauchte er dringend eine Pause, denn seine Gedanken drifteten immer wieder ab.
Sein Blick wanderte zu Jared, der ihm gegenüber am Tisch saß und konzentriert in den Akten blätterte, die er aus der Bibliothek entwendet bzw. ‚ausgeliehen’ hatte, wie er es ausgedrückt hatte. Er war auf der Suche nach weiteren Informationen über die Verletzungen der Opfer, um vielleicht einen Zusammenhang festzustellen.
Jared hatte die Arbeit mit Sam getauscht, da bei den Tagebüchern weniger Notizen zu machen waren, so dass der jüngste Winchester seinen verletzten Arm schonen konnte.
Dieser saß seinem Vater gegenüber auf der Couch.
Sam und John hatten die Tagebücher unter sich aufgeteilt und arbeiteten sich kontinuierlich durch die Einträge der Opfer hindurch. Wie es aussah, hatten sie bisher noch nichts von Bedeutung gefunden, ansonsten hätten sie bestimmt etwas gesagt.
Jensen lag auf der Couch und hatte die Augen geschlossen. Er hatte sich schlicht geweigert, den ganzen Tag allein in seinem Zimmer zu liegen. Aber er hatte nicht protestiert, als sein Vater ihn zum Liegen verdammt hatte. Das allein war ein klares Indiz dafür, dass die Gehirnerschütterung des Jungen ihm ziemlich üble Kopfschmerzen bescherte. Aber zumindest ließ er sich ohne Probleme aufwecken und war relativ klar, wenn er wach war, so dass sie nicht befürchten mussten, dass sein Zustand sich verschlimmerte. Er würde einfach ein paar Tage brauchen, um sich wieder zu erholen.
Bobby war sicher, dass Jensen sie spätestens am nächsten Tag aufgrund der erzwungen Untätigkeit in den Wahnsinn treiben würde.
Nun wandte sich Bobby wieder seiner eigenen Arbeit zu. Bisher hatte er noch keinen passenden Fluch in der schwarzen Magie gefunden, der die Todesumstände ihrer Opfer erklären würde.
Das Problem war, dass die Rituale sehr präzise sein mussten. Er konnte nicht einfach irgendetwas ausprobieren. Um den Fluch zu brechen - falls es überhaupt einer war - musste er diesen erst einmal benennen können, um ihn dann mit dem genau passenden Ritual wieder rückgängig zu machen.
Mit einem Seufzen vertiefte er sich wieder in die alten Schriften und suchte weiter.
Dean hatte in seinem ganzen Leben keine wirkliche, feste Beziehung gehabt. Und somit hatte er auch nicht die Erfahrung machen müssen, wie es war, sich der Inspektion irgendwelcher Elternteile unterziehen zu müssen. Und er konnte nicht behaupten, dass er darüber unglücklich war.
Doch diesmal würde er nicht darum herum kommen.
In wenigen Minuten würden sie Jennas Vater in dessen Wohnung treffen.
Dean wäre es lieber gewesen, er wäre zu ihnen gekommen. Aber sicherlich wäre es keine gute Idee gewesen, den Mann direkt mit ihren Recherchen zu konfrontieren. Auf vertrautem Boden war er wahrscheinlich leichter zum Reden zu bewegen.
Das Problem war, dass Dean wirklich große Mühe hatte, diese ganze Sache einfach als normalen Fall zu betrachten. Hier ging es um Jenna - die Frau, die es geschafft hatte, seine Gefühlswelt völlig durcheinander zu bringen. Sie bedeutete ihm mehr, als er es jemals bei einer Frau für möglich gehalten hätte.
Er durfte das hier auf keinen Fall vermasseln.
Wenig später hielten sie auf einem kleinen Parkplatz vor einem vier Stockwerke hohen Wohnkomplex. Alles sah recht neu und gepflegt aus.
Sie bleiben noch einen Augenblick sitzen. Jenna drückte seine Hand, allerdings war Dean sich nicht sicher, ob sie nun ihn oder sich selbst damit beruhigen wollte. Er beugte sich zu ihr hinüber und gab ihr einen sanften Kuss.
„Na, komm schon, er wird uns schon nicht den Kopf abreißen, oder was meinst du?!“
„Mir bestimmt nicht“, erwiderte sie mit einem leichten Grinsen.
„Vielen Dank auch.“ Gespielt beleidigt wandte er sich von ihr ab und stieg aus dem Impala aus. Dann ging er jedoch um sein geliebtes Fahrzeug herum und öffnete ihr die Tür. Er griff ihre Hand, um ihr beim Aussteigen zu helfen und zog sie in seine Arme.
„Für diese Bemerkung schuldest du mir aber noch etwas“, stellte er fest und stahl sich einen weiteren Kuss. Jenna ließ sich gegen ihn sinken, und einen Moment lang wünschte Dean sich, sie wären irgendwo ungestört, wo er sie einfach ins Bett tragen könnte, damit sie beide alles über Familien, Geister und Flüche vergessen konnten.
Doch er konnte nicht einfach ausblenden, dass es Jennas Leben war, das auf dem Spiel stand, und so löste er sich schließlich von ihr und ergriff ihre Hand.
„Wo geht’s lang?“, fragte er und ließ sich von ihr zur Wohnung ihres Vaters führen.
Philip Matthews hatte inzwischen komplett graues Haar, war einige Zentimeter größer als seine Tochter und hatte die gleichen haselnussbraunen Augen wie sie.
Er stand am Fenster und beobachtete, wie Jenna und ihr neuer Freund neben dem Wagen standen - der wirklich eine Schönheit war, wie er fand - und einander festhielten. Selbst von weitem konnte er erkennen, wie vertraut die beiden miteinander waren. Er war mehr als gespannt, wer dieser Mann war, der das Vertrauen seines Babys gewonnen hatte. Jenna war niemals ein Kind von Traurigkeit gewesen, aber sie hatte nur wenige feste Beziehungen gehabt, die niemals von wirklicher Dauer gewesen waren.
Aus rein egoistischen Gründen war er darüber nie allzu traurig gewesen.
Aber andererseits wollte er natürlich, dass seine kleine Tochter glücklich war. Es würde sich zeigen, ob dieser Kerl ihr das Glück bieten konnte, das sie verdient hatte.
Gespannt wartete er, bis es an der Haustür klingelte, und wenige Minuten später standen die zwei jungen Menschen vor seiner Wohnungstür.
Jenna begrüßte ihn mit einer Umarmung und einem Kuss auf die Wange, bevor sie auf ihren Begleiter deutete.
„Dad, das ist Dean Winchester“, stellte sie ihn vor, und sie reichten sich die Hand.
„Mr. Matthews, es freut mich Sie kennen zu lernen“, begrüßte der junge Mann ihn. Sein Händedruck war kurz und kräftig.
Philip nahm sich die Zeit, ihn ausführlich zu mustern.
Dean Winchester war ein wenig größer als er. Er hatte breite Schultern und einen muskulösen Körper, war jedoch eher schlank als kräftig gebaut. Die dunkelblonden Haare waren recht kurz geschnitten. Am auffälligsten waren die grünen, durchdringend blickenden Augen. Sie sahen ihn offen an, doch gleichzeitig schienen sie einen ganzen Haufen Geheimnisse zu verbergen.
Ihm gefiel, dass der junge Mann unter seiner intensiven Musterung nicht zusammen zuckte, sondern sich weiter aufrecht hielt und ihm nicht auswich. Es zeugte von einer gewissen Charakterstärke und Erfahrung im Umgang mit Menschen.
Philip war sich sicher, dass er diese Eigenschaften auch brauchte, wenn er mit seiner Tochter zusammen war.
„Sagen Sie ruhig Philip“, sagte er dann und lächelte leicht, als er sah, wie sich die Anspannung seiner Tochter etwas löste. „Kommt herein!“, lud er die beiden dann ein.
Wenig später saßen sie, jeder mit einer Tasse Kaffe in der Hand, im Wohnzimmer.
„Erzählen Sie doch mal etwas von sich, Dean“, forderte er den jungen Mann auf und ignorierte das Augenrollen seiner Tochter.
„Können wir dieses Kennenlern-Interview nicht einfach überspringen, Dad?“
„Natürlich nicht, Jenna“, erklärte er nachsichtig.
„Ist schon in Ordnung“, stimme Dean ihm zu, wofür er dem jungen Mann einen Pluspunkt geben musste. Verdammt, er war sich sicher, dass es das Schlimmste am Vatersein war: wenn man sein Kind irgendwann an einen anderen verlor.
„Meine Brüder und ich haben eine Werkstatt, nicht weit von Jennas Coffee Shop“, erzählte Dean. „Ich mache hauptsächlich Restaurationen, unter anderem arbeite ich an Jennas Stingray.“
„Ein tolles Auto! Und Sie meinen, Sie kriegen es wieder hin?“
„Auf jeden Fall“, bestätigte Dean. „Es ist alles nur eine Frage der Zeit. Und bei der Stingray lohnt es sich in jedem Fall, diese zu investieren.“
„Ihre Brüder helfen Ihnen dabei?“, fragte Philip weiter.
„Die Restaurationen mache ich weitgehend allein. Jensen hilft mir bei den Dingen, die nicht alleine zu schaffen sind. Ansonsten kümmert er sich um die regulären Kunden. Sam und Jared arbeiten gar nicht an den Autos, sie kümmern sich um die Buchführung und den ganzen Kram. Das ist auch besser so“, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu.
„Wow, vier Brüder sind Sie?“
Philip stellte sich gerade vor, was er gemacht hätte, wenn er sich um vier Kinder hätte kümmern müssen, anstatt nur um eines. Allein der Gedanke jagte ihm ein leichtes Schaudern über den Rücken.
„Weißt du, Dad, wir sind eigentlich nicht nur hier, damit du Dean kennen lernst“, mischte Jenna sich nun ins Gespräch ein. Sie schien ein wenig rastlos zu sein, was er so gar nicht von seiner Tochter kannte und sofort Besorgnis in ihm auslöste.
„Was ist denn los?“, fragte er und schaute zwischen den beiden Jüngeren hin und her, die sich einen kurzen Moment ernst ansahen.
„Ich habe Mom’s Tagebücher gefunden“, meinte Jenna schließlich leise.
Ein Schauer lief ihm über den Rücken, und am liebsten hätte Philip sofort abgeblockt. Seit vierundzwanzig Jahren vermied er jeden Gedanken an seine verstorbene Frau und das, was passiert war. Jennas Fragen hatte er immer mit der gleichen Erklärung beantwortet: Ihre Mutter hatte an Depressionen gelitten, und dann war sie einfach gestorben.
Er wollte nicht, dass Jenna jemals die Wahrheit erfuhr.
„Ich habe die Tagebücher deiner Mutter nie gelesen“, gab er zu, und das hatte er tatsächlich nie. Er hatte ihre düsteren Gedanken und Vorahnungen damals tatsächlich für Depressionen gehalten.
„Dad, wir müssen wissen, wie Mom gestorben ist, was passiert ist!“, drängte Jenna ihn nun. „Hattest du eine Ahnung, was da vor sich ging?“
„Jenna, du weißt ganz genau, dass ich nicht gerne darüber rede“, versuchte er vom Thema abzulenken.
„Ich bin sicher, dass es für Sie ein schwieriges Thema ist, Sir, aber es ist äußerst wichtig, dass wir alles darüber erfahren!“, mischte sich nun Dean wieder ein.
‚Soviel also zu Philip’, dachte er und fragte sich, was den jungen Mann überhaupt seine Familien Angelegenheiten angingen - Freund seiner Tochter hin oder her. Aber gerade, als er etwas Entsprechendes sagen wollte, sprach Dean weiter.
„Die letzten acht Frauen in Ihrer Familie sind an ihrem 25. Geburtstag gestorben“, erklärte dieser und blickte ihn ernst an. „Und wie Sie wissen sollten, wird ihre Tochter in wenigen Wochen ebenfalls 25.“
Langsam wurde Phillip wirklich sauer. „Das ist nur Zufall…“
„Das glauben Sie ja wohl selbst nicht, oder?“, wurde er von Dean sofort wieder unterbrochen. „Was meinen Sie, wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür ist? Mein Bruder Sam könnte Ihnen das sicher sofort ausrechnen, aber…“
„Dad, was hier passiert ist nichts natürliches“, ergriff nun seine Tochter wieder das Wort.
„Wenn Sie uns erzählen, was passiert ist, dann hilft uns das vielleicht herauszufinden, womit wir es zu tun haben und wie wir Jenna helfen können!“
Dean hatte Jennas Hand wieder ergriffen und die beiden bildeten eine geschlossene Front gegen ihn.
„Ich möchte wirklich noch ein wenig länger weiterleben, Dad!“
Diese letzten Worte seiner Tochter schnitten ihm ins Mark. Allein der Gedanke, ihr könnte etwas passieren, trieb ihm den Schweiß auf die Stirn.
Aber er verstand wirklich nicht, wie es den beiden helfen könnte, wenn er ihnen die Wahrheit sagte. Er verstand überhaupt nicht, was das alles bedeuten sollte. Es hörte sich tatsächlich nicht an, als könnte es ein Zufall sein, dass so viele Frauen an ihrem 25. Geburtstag gestorben waren. Aber er konnte sich keine andere Lösung für dieses Rätsel vorstellen.
„Ich weiß, dass es schwer ist, so etwas einfach zu glauben, aber etwas Übernatürliches ist hier am Werk“, erklärte Dean eindringlich. Er hatte sich vorgebeugt, hielt Jennas Hand aber immer noch fest umklammert, und plötzlich sah der Junge wesentlich älter aus, als er es tatsächlich war.
Philip dachte an das, was damals passiert war. Er hatte es sich selbst nie erklären können. Aber es schien, als könnte er nicht einfach von der Hand weisen, dass es tatsächlich irgendetwas gewesen war.
„Also gut“, gab er schließlich nach. „Ich erzähle euch, was damals passiert ist…“
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