Genre: Hm, äh, ja.
high/sober-Prompt: I'm living on Paracetamol and Starbucks coffee
Eigentlich sollte das ja ein Geburtstagsgeschenk für
tears_into_wine werden. Livejournal hat gesagt du hattest Freitag Geburtstag, ich hoffe das stimmt, ansonsten fühle ich mich doof. Wenn es stimmt: Alles Gute nachträglich! :)
Die Geschichte ist etwas komisch und ergibt in meinem Kopf wahrscheinlich mehr Sinn als niedergeschrieben, aber ich habe beim Schreiben an dich gedacht und eigentlich sollte es viel schöner und toller und epischer werden, doch dann ist es irgendwie einfach so passiert. ;)
Vergänglichkeit und Muffins
Sie trinkt den Cappuccino so wie andere ein Drei-Gänge-Menü genießen.
Zuerst löffelt sie ein wenig von dem Schaum, leckt den Löffel nach jedem Bissen ganz blank, nur um ihn dann wieder in die weiße Masse zu tauchen. Dann starrt sie ein wenig ins Leere oder liest ein paar Zeilen in ihrem Buch, doch man kann sehen, dass sie gedanklich noch bei dem Getränk ist. Dann hebt sie vorsichtig die Tasse an und schiebt dabei konzentriert die Zungenspitze zwischen die Lippen - die Tassen sind immer bis zum Rand gefüllt und sie will keinen Tropfen der wertvollen Flüssigkeit verschütten. Hat sie endlich einen Schluck genommen, verköstigt sie ihn wie teuren Wein
Er hat seinen Soja-Haselnuss-Vanille-Decaf-Latte in einem Pappbecher bestellt, obwohl er sich dann doch hinsetzte, denn er wirkt gerne so, als sei er ein ständig auf dem Sprung und könne gleich zu viel wichtigeren Unternehmungen aufbrechen. Da dies in der Tat allerdings nicht so ist, sitzt er nun alleine an seinem Ecktisch und spitzelt über den Becher hinweg in ihre Richtung. Seine Schlucke sind nicht ganz so genießerisch, das Zeug ist einfach viel zu süß und er beschließt, sich beim nächsten Mal endlich zu überwinden, ein Getränk mit weniger spannendem Namen zu bestellen.
(Doch Soja-Haselnuss-Vanille-Decaf-Latte lässt er sich beim Bestellen einfach verdammt gerne auf der Zunge zergehen.)
Sie stützt nun die Ellenbogen auf dem Tisch ab und hält ihr Buch etwas höher, doch trotz angestrengter Versuche kann er den Titel nicht lesen, da sie diesen mit ihren Händen verdeckt. Stattdessen fällt ihm auf, wie schmal ihre Handgelenke sind und eine plötzliche Traurigkeit überkommt ihn. Von ihr scheint ein Hauch von Vergänglichkeit auszugehen und in Gedanken tauft er sie Vanitas.
Von da an fällt ihm auf, dass sie eigentlich fast täglich in diesem Café ist, welches ihm das liebste ist, weil es große Fenster hat, die der Sonne Einlass gebieten und weil so viele hübsche Menschen darin sitzen, die so verloren aussehen und mit ihren flachen, glänzenden Telefonen Bilder von ihren Getränken machen. Außerdem sind die Double-Chocolate-Muffins echt gut, wenn man einfach ignoriert, dass der Name eigentlich eine Füllung aus Schokolade suggeriert und keine aus Käsekuchen.
Heute ist es besonders voll und sie musste sich an einen ungünstig gelegenen Platz setzen. Die Sonne scheint ihr direkt in die Augen und immer wieder hält sie ihre Hand schützend vor das Gesicht um sich mit einem unzufriedenen Ausdruck wieder ihrem Buch oder Kaffee zu widmen. Er weiß immer noch nicht, was sie eigentlich immer liest, doch ihm ist aufgefallen, dass das Buch fast täglich wechselt, sie muss also schnell sein. Ab und zu unterbricht sie auch ihren Buchstaben- und Koffeinkonsum, um eine weiße Tablette aus einer Blisterpackung zu lösen, deren Knickseln durch sämtliche Stimmen um ihn herum dennoch an seine Ohren dringt, so bildet er es sich jedenfalls ein.
Essen sah er sie noch nie.
Er geht wieder zur Theke um sich sein nächstes Getränk zu holen - inzwischen trinkt er normale Latte Machiattos, die klingen auch nicht schlecht und schmecken weich und warm - und auf dem Rückweg zu seinem Tisch lehnt er sich betont lässig an den kleinen Holztresen, auf dem Zucker, Zimt und andere Dinge zur Verfügung stehen. Wie er es sich gedacht hat: So wie er da steht, schneidet er den Weg der Sonnenstrahlen ab, sodass sie mit einem erleichterten Lächeln die Hand von den Augen nimmt. Gleich darauf schaut sie sich verwirrt um, irritiert vom plötzlichen Schatten und da haben sie zum ersten Mal Blickkontakt.
Sie sieht irgendwie fragend aus, natürlich, und er versucht ihr mit seinem Lächeln zu sagen „Ja, ich stehe hier, damit du Schatten hast.“, doch in diesem Fall mag er wohl die reine Aussagekraft eines Lächelns überschätzen, denn sie bleibt verwirrt. Doch trotzdem lächelt sie zurück und als er an diesem Tag das Café verlässt und nach Hause flaniert, strahlt er die Sonne in freudiger Dankbarkeit an, da sie ihm eine derartige Gelegenheit geboten hatte.
Am nächsten Tag kommt sie nicht zu der ihr üblichen Zeit. Zuerst ist ihm gar nicht klar, dass es ihn beunruhigt und er verlegt sich darauf, einfach andere Menschen zu beobachten, doch mit der Zeit spürt er das wachsende Unbehagen immer stärker. Ob sie wohl krank ist? Ob sie ein neues Stammcafé entdeckt hat? Gerade heute wollte er doch...
Da kommt sie und ihn überfällt der Gedanke, dass sie - obwohl natürlich wunderhübschestens - täglich irgendwie durchscheinender wird. Sie ist so blass und ihr Gehen wirkt immer wie ein Schleichen und er ist sich sicher, dass er ihr Handgelenk problemlos mit Daumen und Zeigefinger umfassen könnte. Mit einem Mal will er das dann auch, ihr Handgelenk umfassen und sie festhalten, damit sie nicht mit jedem Tag ein bisschen mehr verschwindet.
Doch nein, so weit sollten seine Gedanken noch nicht sein! Er greift in die Tasche seines Hemdes und holt den Zettel heraus, dann steht er auf und läuft gen Ausgang. Nach ein paar Schritten merkt er, dass er seinen noch fast vollen Becher auf dem Tisch vergessen hat, doch ein Umkehren hätte ja nicht zu seiner generellen Aura der Lässigkeit gepasst, weshalb er weiter geht und, als er an ihrem Tisch vorbeikommt, den Zettel vorsichtig darauf platziert.
Sie schaut hoch, (verwundert,) und er lächelt zu ihr herunter, (ein bisschen nervös, aber bloß nicht zeigen!).
Mit zitternden Händen entfaltet sie das Papier und erkennt schon am Schriftbild, dass es ein Gedicht ist. Noch vor dem Lesen stiehlt sich ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht, doch ihr Kopf dröhnt so, dass sie die Worte noch nicht verarbeiten kann. Sie kneift die Augen zusammen, pult eine der weißen Tabletten hervor und für ein paar Minuten atmet sie einfach nur.
Nun kann sie lesen.
Das Gedicht ist über sie und der Schreibstil ist wie Sonnenschein und Schmetterlinge und Zuckerwatte und all der Kitsch und sie muss fast weinen.
Dann weint sie tatsächlich, denn irgendwie ist ihr Körper zu schwach, die Tränen noch in sich zu behalten. Ihr Körper ist generell ziemlich schwach geworden, in letzter Zeit.
Sie trinkt jetzt schwarzen Kaffee und lutscht die bitteren Pillen (denn auch zum Schlucken ist sie zu schwach) und das Gedicht ist so zuckrig, dass sie fast Angst hat, davon zuzunehmen. Dennoch liest sie es wieder und wieder, denn manchmal kann man beim Süßigkeitenessen eben einfach nicht aufhören.
(Eigentlich hat sie ja schon vergessen, wie süß schmeckt, aber zwischen den Worten klebt unsichtbarer Glitzer und ihrer Augen leuchten nun ein wenig.)
Er ist so glücklich, als er am nächsten Tag die Tür des Cafés durchschreitet.
Sie muss sein Gedicht gemocht haben und sie muss bestimmt auch ihn mögen, und heute wird er mit ihr reden. Er wird sie auf einen Muffin einladen, denn ein wenig beunruhigt es ihn ja schon, dass er sie noch nie essen gesehen hat.
Leider, und obwohl seine Freude alleine sie schon hätte anziehen müssen, kommt sie an diesem Tag nicht. Sie kommt nie wieder. Obwohl er am Anfang noch glaubt, es sei seine Schuld, spürt er es dann doch irgendwann: Manche Menschen bekommen eine zweite Chance, zu leben, und andere nicht einmal eine.