Eine ausverkaufte Konzertlocation mit der gefühlten Belegungsdichte einer Hühnerlegebatterie, ein headbangender Metalsänger mit einem Tamburin, eine kleine Powerfrau mit blauen Haaren, eine große Powerfrau mit schwarzen Haaren, die unglaublich blauen Augen von Marco Hietala und ein Konfettiregen zum Abschluss des Abends - gesehen und erlebt am vergangenen Freitag bei Nightwish in der Jahrhunderthalle in Frankfurt am Main! Ich habe das Gefühl, als hätte ich immer noch Muskelkater… Aber schön der Reihe nach!
Tatsächlich gehöre ich zu dieser semi-verpönten Generation junger Leute, die Nightwish aus dem Musikfernsehen kennen - das Video zu Nemo hat meinem jüngeren Ich 2004 doch mächtig den Kopf verdreht! Im Jahr darauf setzte die Band allerdings bekanntermaßen ihre Sängerin Tarja Turunen vor die Tür und beraubte mich damit der Chance, den „klassischen“ Nightwish-Sound jemals irgendwo live zu erleben. Andererseits mag das einer der Gründe sein, warum ich nicht mit dem Rest der Fanbase auf die Barrikaden gegangen bin, als Anette Olzon 2007 zur neuen Stimme hinter dem Mikrofon erklärt wurde. Tatsächlich bin ich 2009 - zu diesem Zeitpunkt noch temporäre Exildeutsche im französischen Ausland(sjahr) - begeistert und in bester „Shut up and take my money!“-Manier in den örtlichen fnac gerannt, um mir eine Karte für mein allererstes Nightwish-Konzert (in Paris) zu kaufen. Die Vorbands waren schrecklich (na gut, vielleicht nicht schrecklich, aber gerade Indica haben als Anheizer kläglich versagt, wenn ihr mich fragt), Anette war überraschend gut, die Band hatte Spaß, ich hatte Spaß, irgendwer hat einen BH auf die Bühne geworfen und ich wurde von den Franzosen neben mir nach dem Wacken Open Air gefragt - es tat mir fast leid, ihnen erklären zu müssen, dass ich (übrigens bis heute!) noch nie in Wacken war. Alles in allem ein gelungener Abend!
Jetzt weiß ich nicht, was das immer für ein Zirkus ist mit Nightwish und seinen Sängerinnen, aber auch Anette bekam nach ein paar Jahren unter dubiosen Umständen den Laufpass und das Mikrofon wurde stattdessen Floor Jansen in die Hand gedrückt. Ich weiß noch, wie ich kurz nach der Veröffentlichung des Live-Albums vom W:O:A 2013 (da haben wir’s wieder: Wacken!) mit Kopfhörern über den Ohren im Saturn stand und beinahe geweint habe vor Ergriffenheit und Begeisterung - und ja, ich bin mir völlig bewusst, wie abartig kitschig das klingt, aber diese CD war für mich tatsächlich eine gottverdammte Offenbarung! Da stimmte einfach alles! A-L-L-E-S! /Euphoriemodus off
Dann kam die Ankündigung für eine Europatournee zum neuen Studioalbum und der Versuch, meinen Eltern eine Konzertkarte abzuschwatzen, war erfreulicherweise von Erfolg gekrönt - also nichts wie auf nach Frankfurt! Dieses Mal hatte man Amorphis und Arch Enemy als Vorbands im Gepäck, die auf jeden Fall einen verdammt guten Job gemacht haben… und das, obwohl gerade bei Amorphis das Mikro wirklich bescheiden abgemischt war und zwischen den Instrumenten entsprechend abgesoffen ist. Ebenfalls bei Amorphis kam es zu der bereits erwähnten Metaller-mit-Tamburin-Nummer und während der anschließenden Umbauphase verkündete ich einer mich begleitenden Freundin, nun hätte ich wirklich alles gesehen! Little did I know…
Auf Amorphis folgten Arch Enemy. Die hatte ich mental schon vor Jahren zu den Akten gelegt, weil Death Metal nicht unbedingt meine bevorzugte Richtung und Growlen nicht unbedingt mein bevorzugter Gesang ist - auch dann nicht, wenn da untypischerweise eine Frau hinter dem Mikrofon steht. „Stehen“ ist nun ein eher relativer Begriff, denn die (auch relativ neue) Sängerin von AE hat auf der Bühne zwar einiges veranstaltet, aber stillstehen gehörte nicht unbedingt dazu. Alissa White-Gluz kam, sah und sprang auf die Bühne, wirbelte ihr Mikrofon herum, hüpfte vom Schlagzeug und gab Geräusche von sich, die eigentlich gegen eine Reihe von Naturgesetzen verstoßen müssten - die Frau ist nämlich winzig! Einen guten Kopf kleiner als der Rest der Band und ein derartig charismatisches Energiebündel, dass ich am Ende des Sets meinen vor schierer Fassungslosigkeit herabgefallenen Unterkiefer vom Boden kratzen musste… (Von der unendlichen coolen Bühnenklamotte fange ich an dieser Stelle gar nicht erst an!)
Als wären wir zu diesem Zeitpunkt nicht schon angemessen beeindruckt gewesen, haben uns Nightwish nach der letzten Umbaupause unmissverständlich vor Augen geführt, warum wir so viel Geld für unsere Karten bezahlen mussten: vom ersten Song an wurde uns ein ordentliches Arsenal an Feuerwerk und Pyrotechnik um die Ohren geschossen! Sie haben Wishmaster gespielt und Ever Dream und Stargazers und Ghost Love Score und While Your Lips Are Still Red (das war der Punkt, an dem ich wohl ein kleines bisschen ausgerastet bin und allen Umstehenden im Umkreis von zwei bis drei Metern vor Begeisterung das Trommelfell zerquietscht habe! Ups! ^^) und so ziemlich alles, was cool war auf der neuen Platte... musikalischer Freudentaumel vorprogrammiert!
Auch die Band hat zu allen Seiten gute Laune versprüht, allen voran Floor Jansen am Mikrofon, deren Ausstrahlung ihrer Stimme tatsächlich in nichts nachsteht. Als am Ende des Abends der finale Konfettiregen über uns hereinbrach, konnte ich kaum aufhören zu lachen, so fantastisch war das Konzert. Und damit ist eigentlich alles gesagt, was es zu sagen gibt - es war schlicht und ergreifend ein wahnsinniger Abend! In jedem Fall bin ich jetzt mehr denn je davon überzeugt, dass Floor die ultimative Nightwish-Sängerin ist (Stimme! Charisma! Performancequalitäten! Yay!) und hoffe sehr, dass die Band das auch so sieht. Wäre doch ein bisschen schade, wenn sie schon wieder die Frontfrau wechseln würden, bevor ich es das nächste Mal auf ein Konzert schaffe. ;)
Ps.: Dreimal dürft ihr raten, wer einen von Nightwishs Trommelstöcken mit nach Hause geschleppt hat! ^^