Kemonozume (1)

Aug 28, 2006 00:15

Anime-Regisseure scheinen oftmals zu denken, dass es zur guten Sitte gehört eine Story gemächlich Stein auf Stein aufzubauen und brauchen aus diesem Grund oftmals einige Folgen, bis ihre Anime-TV-Serie richtig zündet und anfängt die Zuschauer zu begeistern. Masaaki Yuasa, der Regisseur des Anime-Kinofilms "Mind Game" denkt da anders und seine neue Serie "Kemonozume" begeistert von der ersten Sekunde der ersten Episode an.

Wer "Mind Game" gesehen hat weiss, dass der Stil von Yuasa ungefähr das genaue Gegenteil von dem ist, was der Zuschauer von einem Anime erwartet (zumindest der westliche, interessierte japanische Zuschauer kennen wahrscheinlich auch die experimentelleren Formen japanischer Animation). Anstelle von wunderbar ausgearbeiteten Hintergründen und penibel designten, aber oftmals wenig animierten Figuren, verwendet Yuasa einfacher konstruierte Figuren und Hintergründe (diese bestehen öfter auch mal aus verfremdeten Photos und Videosequenzen), die dafür aber weit aufwändiger animiert sind, als das im durchschnittlichen Anime der Fall ist.

Die Geschichte beginnt in einem stylischen Restaurant, in dem das Gefühl hat mitten im Meer zu speisen, da sich um die Tische herum ein riesiges Aquarium befindet. Die Kamera zoomt durch das Aquarium langsam zu einem Tisch an dem sich zwei Männer unterhalten. Dabei hört man die Stimmen der Männer solange gedämpft, wie sich die Kamera zwischen den Fischen befindet und erst wenn die Kamera das Aquarium verlässt, hören wir die Unterhaltung der Männer so, als würden wir neben ihnen stehen. Dies ist natürlich bloß ein Detail, aber solche Details sind leider oftmal in Anime unstimmig umgesetzt und es zeigt wie viel Wert Yuasa auf solche Dinge legt, die andere Regisseure als unwichtig abtuen.

Der visuelle Stil der Charaktere ist für den Anfang vielleicht für den ein oder anderen gewöhnungsbedürftig, da diese aus sehr feinen und nur roh karrikierten Linie bestehen die flächig und ohne große Abstufungen ausgefüllt sind. In vielen Szenen werden dazu sehr konstrastreiche Farben verwendet, so in etwa, wie das in alten viragierten Stummfilmen der Fall ist. Dies ergibt zusammengenommen einen überaus großartigen und grandiosen visuellen Stil, der so in Anime bisher in dieser konsequenten Form ziemlich einzigartig ist.

Storytechnisch geht es in der ersten Episode schon mächtig zur Sache und wir werden Zeuge eines Bruderkampfes um die Nachfolge an der Spitze einer Samurai-Vereinigung der nahen Zukunft, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die sogenannten "Fleischesser" davon abzuhalten die Erde zu überrennen. Diese "Fleischesser" sind die Nachfolger eines Paares, dessen männlicher Teil die Frau davor gerettet hat, den Göttern geopfert zu werden. Dies entzürnte die Götter und endete in einer Verfluchung.

Im weiteren Verlauf der Geschichte kommt es zu einer schertkämpferischen Auseinandersetzung der beiden Brüder. Einem Äffchen, das die Szene beobachtet fällt dabei ein Apfel aus den Händen aufs Schlachtfeld und das Äffchen beeilt sich diesen Apfel wiederzubeschaffen. Dadurch ergibt sich eine überaus geniale Wendung des Kampfes und solch einen szenischen Einfallsreichtum sieht man leider viel zu selten in Anime. In dieser Szene kann man gut sehen, wie sich der Anime von total ernsten und dramatischen Szenen zu reinen Slapstick-Szenen hin wandelt und ständig zwischen diesen beiden Seiten pendelt. Das letzte Mal, das dies so gut wie hier umgesetzt wurde, war meiner Meinung nach im FLCL-Anime.

Zum Ende der Episode hin kommen wir darüberhinaus in den Genuss einer der erotischsten Liebesszenen in einem Anime seit langem. Liebesszenen sind ja normalerweise in Anime nur selten wirklich aufregend und anregend, sondern eher als Kaufanreiz für Fans gedacht und somit viel zu oft eher kühler technischer Natur und man nimmt den Figuren nur schwer ihre Gefühle füreinander ab (das mag auch daran liegen, dass es schwer ist dies durch animierte Zeichnungen zu vermitteln). Hier aber wird in nur einer kurzen Szene am Strand und nur durch Blicke und Erröten die Anziehung der beiden sich später liebenden Figuren zueinander glaubhaft eingeführt.

Passend zum experimentell und improvisiert wirkenden Stil des Anime besteht der Soundtrack aus perfekt zu den Szenen passenden Jazz-Stücken, die viel dazu beitragen die Stimmung zu vertiefen, die in den Bildern angedeutet wird. So ist die Szene im Aquarium-Restaurant eher kühl hinterlegt, während die Liebesszene durch die gefühlvoll, romantischen Tönen erst ihre vollle Wirkung entfaltet. Dies erinnert mich stark an einige Yakuza-Filme, die Seijun Suzuki in den 60er-Jahren für das Nikkatsu-Studio gedreht hat und die ähnlich gut mit jazziger Musik ausgestattet sind.
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