21 Auf Reisen

Aug 08, 2018 07:20


Dies ist Teil 21. Hier geht es zum Anfang der Geschichte.

Annette

Annette ist seit 3 Jahren meine Lieblingstanzpartnerin. Sie ist eine ganz ruhige, nie laut, zeigt wenig Gefühle, aber ich fühle mich bei ihr ganz sicher und vertraut. Ich habe sie gefragt, ob sie mal mit mir Spazieren gehen möchte und daraus wird ein Brettspielabend bei ihr.

Der Abend ist gemülich und nett, es sind noch 3 unbekannte Frauen dabei, aber völlig emotionslos. Die große Harmonie und Freude ist nur beim Tanzen da, „draußen“ funktioniert das nicht.

Später erzählt Irmgard mir, dass Horst Annette auch schon öfter besucht hat. Muss der mir eigentlich jede Frau streitig machen?

Kuschelparty bei Henning

Henning lädt zu sich nach Hause zum Kuscheln ein, ich fahre mit Andrea, Irmgard und Alexandra hin. Im Auto rede ich mit Irmgard und dabei geraten wir uns so in die Haare, dass es nicht mehr vor und zurück geht. Zum Glück ist Andrea noch da. Sie gibt in glasklaren Worten wieder, was ich nicht richtig ausdrücken kann. Ich bin so dankbar.

Es ist gemütlich bei Henning. Ich kuschele ich mit seiner Frau und mit Alexandra. Danach gibt es Essen, mein Tomatensalat geht gut weg. Eine neue namens Lea ist auch ganz lieb zu mir. Sie nennt mich Rüdiger und ich sage ihr "Nein, das ist der andere kleine Mann!"

Am Schluss tanze ich mit Irmgard. Sie lacht mich an und ich mag sie auch wieder anlachen. Meine Wut ist verraucht und sie mag mich auch noch. Also, tatsächlich: Ich war ja nicht gerade nett zu ihr und es hat ihrer Zuneigung nicht geschadet.

Es ist in dieser Szene üblich, etwas zum Essen mitzubringen. Ich hatte im ganzen Leben noch keine Lust auf Kochen oder Essen machen, so gesehen ist es das "Eintrittsgeld" für eine Kuschelparty. Immerhin mögen sie meine Kreationen.

Alexandra 5

Sie möchte mit mir übernachten! Die große Alexandra! Jetzt wirds richtig aufregend. Ich habe eine Menge Angst, aber dieses Abenteuer möchte ich nicht verpassen. Was hat sie nur mit mir vor?

Ich fahre zu Ihr und es gibt erstmal leckeres Essen. Wir kuscheln fast die ganze Zeit. Zwischendurch spielen wir ein Gesellschaftsspiel, auf dem spannende Gesprächsthemen vorgegeben werden. Auch so kann man sich kennenlernen. Dann übernachten wir gemeinsam. Wir kuscheln einander in den Schlaf, und wenn ich nachts aufwache, kann ich sie einfach so drücken, sie erschrickt gar nicht und nimmt meine Hand.

Am nächsten Morgen sieht sie richtig glücklich aus. Wir frühstücken und ich düse zur Arbeit. Loslassen fällt schwer.

Was für eine tolle Erfahrung. Der asexuelle Mann hat allein durch achtsame Umarmung eine Frau glücklich gemacht. Und was für eine! Heute habe ich das Gefühl, dass ich überall hin kann.

Biodanza 124

Nachdem ich monatelang damit gehadert habe, ist es heute endlich so weit: Ich oute mich im Tanz der Worte als asexuell. Endlich ist es draußen. Später kommt eine der Frauen zu mir und sagt mir, dass es bei Ihr und Ihrem Mann auch so ist, und zwar fast von Anfang an. Und dennoch sind sie 20 Jahre glücklich verheiratet. Ich bin froh und dankbar, nicht der einzige auf der Welt zu sein. Plötzlich fühle ich mich mit ihr seelisch verbunden, dabei konnte ich sonst nie richtig warm werden mit ihr. Und ich weiß, dass mein coming out richtig war.

Heute tanzen wir die „Wieder-be-elterung“ (Jeden Tag ein neues Wort!). Einer lehnt an der Wand und hält das Kind in seinen Armen, ein dritter hält es noch von vorne. Jeder darf mal Kind sein bei dieser Übung. Line und Irmgard möchten mit mir. Nachdem wir alle 3 Durchgänge durchhaben, liege ich mit Line fest in meinen Armen, sie möchte noch länger das Kind sein. Ich halte sie ganz fest und sie wird richtig glücklich. Line ist die einzige Frau, bei der ich die Rolle des Starken spielen kann, und ich kann es und es fühlt sich richtig und richtig gut an.

Irmgard 10 - Urlaub bei Talea

Nach dem Biodanza erstmal direkt zu Irmgard. Sie kuschelt mich in den Schlaf. Am Donnerstag fahren wir die 350 km zu ihrer Freundin Talea und ihrer Familie. Genau wie Irmgard haben sie eine gewisse Sammelleidenschaft und die Zimmer sind gut gefüllt mit Dingen. Allein der Lesestoff im Wohnzimmer reicht für 10 Jahre. Es wird erstmal ganz viel geredet und gegessen. Sie hat zwei Söhne und einen Hund. Kuscheln die hier gar nicht?

Am Freitag fahren wir zusammen zum kahlen Asten. Danach zum Waldhaus Hotel, Essen. Boah ist das ein Nobelschuppen, es gibt nur 4 Gänge Menüs. Mir wird langsam unwohl. So habe ich mir das ja gar nicht vorgestellt. Ich ziehe Irmgard zur Seite und frage, was ich machen soll. Gehört es sich vielleicht, alle einzuladen? Ich habe überhaupt keinen Hunger!

Die merken schon, dass ich gestresst bin, wenn ich mich nicht gänzlich unbeliebt machen will, muss ich jetzt mitspielen. Am Ende bestelle ich mir doch die Gänge, wie alle anderen es machen und schmeiße die Runde. 136 Euro, ich hatte es mir ehrlich gesagt schlimmer vorgestellt. Talea bedankt sich überschwänglich, gerade noch die Kurve gekriegt. Wann wird denn jetzt endlich gekuschelt?

Als wir zu Hause sind, wollen alle ins Bett, aber ich überrede Irmgard und Talea zum Kuscheln. Dies ist ein gutes Werk, denn nachts um 3 liegen beide immer noch mit glücklichen Gesichtern herum, während ich eigentlich schon satt bin. Ich war auf Talea eingeschlafen und habe sie vollgesabbert. Nicht mal das scheint sie zu stören. Das ist das erstaunliche an ihr: Sie scheint alles einfach hinzunehmen, fast als wenn es ihr egal ist.

Am Samstag Mittag frühstücken (Irmgard schläft immer bis 11) mit der ganzen Familie. Taleas Mann nimmt sich einen Joghurtbecher, ihr Sohn sagt irgendwas banales und auf einmal fährt Der Vater ihn an, dass mir ganz anders wird: Eine Schimpftirade, die gar nicht mehr enden will! Ich bin entsetzt und schockiert. Mit sowas kann ich gar nicht umgehen, da kriege ich Angstzustände. Ich sehe zu, dass ich die Klappe halte und halte meinen Blick bedeckt. Talea sagt mir: Ist doch alles ganz normal. Fühlt sich für mich aber gar nicht so an.

Am Nachmittag spaziere ich nur mit Irmgard und dem Hund am See und bin ganz traurig, ich fühle mich unwohl. Später essen wir eine Pommes und meine Spannung löst sich etwas.

Am Abend kommen zwei Gäste und der Familienvater bereitet ein Festmahl. Irmgard weiß, dass das lange dauert und zieht sich mit mir zum Kuscheln zurück. Wir kuscheln, schlafen und reden 4 Stunden, danach bin ich satt und glücklich. Sie ist so lieb. Und so schön.

Das Essen ist wirklich vom Feinsten, Entenbrust mit Gemüserisotto. Dazu jede Menge Wein, Bier und Portwein. Er ist ein Weinkenner mit einem großen Weinkeller. Die haben hier richtig Ahnung vom fruchtigen Abgang und sowas. Zwischendurch gibt es wieder Streit. Talea erzählt mir ganz viel von den Dingen, die sie macht, das überflutet mich fast und ist auch akustisch schwer zu verstehen, weil die Partygäste so laut reden. Der Alkohol fließt in Strömen und der Chef albert rum und macht laute Musik an.

Dann macht er ausgerechnet „I see fire“ an, ein Lied, mit dem ich so schöne starke Gefühle verbinde. Zwischendurch bellt er seinen Sohn an. Das fühlt sich hier für mich an wie Shiatsu mit Schlag in die Fresse. Es wird mir echt zuviel. Ich verlasse fluchtartig die Party und mache einen Spaziergang.

Ich bin so kreuzunglücklich. Das ist nun das Ende von dem schönen Urlaub mit Irmgard. Ihr macht das alles nichts, sie ist stark. Ich nicht. Ich kann der großen Frau nicht gerecht werden. Ein schlimmes Gefühl wie „alles ist kaputt“.

Ich laufe 4 Kilometer in Kreisen durch das Dorf und lege mich danach ins Auto, weil es immer noch laut aus dem Haus dröhnt. Irgendwann muss ich aber rein, ich erfriere ja sonst. Ich schleiche direkt ins Bett, will niemanden sehen. Da sitzt Irmgard. Sie schaut so lieb. Dann habe ich ihr erzählt, wie es mir ergangen ist und dass es mir leid tut. Die Musik läuft immer noch. Jetzt stört sie sich auch daran und wir schleichen runter. Der Hausherr sitzt auf dem Sofa, allein, schlafend, mit dem leeren Weinglas in der Hand. Wie im Film. Dann ist die CD zu Ende und wir legen uns hin. Irmgard kommt sogar noch zum Kuscheln zu mir. Sie ist so lieb. Und so schön.

Am Sonntag bin ich als erster auf und räume auf. 5 Leere Weinflaschen. Danach Frühstück mit allen und zum Abschluss ein Spaziergang mit Irmgard, Talea und Hund. Talea erzählt mir immer noch ganz viel, Irmgard ist still. Einmal erzählt Irmgard was über ihre Sorgen mit den Menschen in ihrem Haus, um die sie sich kümmert, und ich mache mich ein bisschen darüber lustig, wieviele Männer es in ihrem Leben gibt. „Also wenn einer geschasst werden muss, bist Du der erste!“ Rumms, klare Ansage.

Auf der Rückfahrt wirkt sie verschlossen. Ich denke, dass sie sich über mich geärgert hat und bin unglücklich darüber. Ich erkläre ihr, was ich gefühlt habe und warum ich mich so blöd benommen habe und dass es mir leid tut und dass ich mit lauten Menschen nicht zurechtkomme. Sie erzählt mir von ihren Sorgen, denn sie kümmert sich um viele Menschen und hat es auch nicht leicht dabei. Viele Details, die ein eigenes Tagebuch füllen würden.

Erst zuhause taut sie auf, nimmt wieder meine Hand und lädt mich noch auf eine Tasse Tee ein. So versöhnt geht der Urlaub zu Ende.

Ich denke danach viel darüber nach, und bald ist mir klar: Den meisten Streß haben nicht die lauten und streitenden Partygäste gemacht, sondern mein Bedürfnis, der großen Frau gerecht zu werden. Und dass das eigentlich dumm ist. Ich lasse mich immer mit starken Frauen ein, neben denen ich mich dann schwach fühle. So kann ich nicht stark werden.

Und was mein Weglaufen von der Party angeht: Das war keine Schwäche. Ich habe für mich gesorgt in einer Situation, die nicht gut für mich war. Ich habe in Kauf genommen, dass ich mich damit unbeliebt mache. Das war mutig.

Biodanza 125

Erstaunlich kleine Gruppe heute. Ein kraftvoller Tanz zu dritt mit Rüdiger und Bianca. Es ist eine Herausforderung für mich, da ein Gefühl hineinzubekommen. Bei diesen beiden tue ich mich schwer, ein Gefühl wahrzunehmen. Ich probiere viel aus und fühle mich stark. Bianca taut ein ganz bisschen auf, Rüdiger schaut weg.

Nach dem Essen sagt Irmgard zu mir: „Das war so ein toller Urlaub mit Dir, wann machen wir den nächsten?“

Hä?

Was?

Ich bin völlig geplättet. Die Wendungen dieser Frau sind so unglaublich und es wird nie langweilig mit der. Mir fällt erstmal gar nichts ein. Dann schlage ich vor, wir können ja mal zusammen mit den anderen an den Strand fahren. Irmgard möchte ohne die anderen „Sonst haben wir beiden doch nichts voneinander.“

Auf der Rückfahrt drückt Andrea mich lange und sagt, wie sehr sie meine Freundschaft schätzt, und ich kann auch gerne mal spontan vorbeikommen. Langsam aber sicher hat sie mich fest ins Herz geschlossen. Oder ich sie?

Hier geht es zum 22. Teil!

Sie können mich unter adrian(dott)durstbusch(ätt)web(dott)de erreichen.
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