Ob ich jetzt wohl endlich mal in meine erotische Energie komme? Irgendwo muss sie ja sein!
Samstag früh am Morgen mache ich mich auf den Weg nach Asendorf. Schon die Anfahrt weckt schöne Erinnerungen. Vor 30 Jahren hatte ich hier eine Bekanntschaft. Schon damals hat man sich wilde Gerüchte über diesen Ort erzählt. Ein alter Bauernhof, schön verziert mit bunten Fliesen, innen viel Holz. Sehr gemütlich.
Das Seminar wird von Inge und Jan geleitet, wobei Jan erst am Samstagabend auftaucht. Ein freundlicher, weiser, alter Mann. Seine Gelassenheit erinnert mich an meinen Vater.
Es fängt mit einem Tanz der Worte an. Da ich niemanden kenne und auch die Gepflogenheiten nicht, sage ich nicht viel dazu. Dabei hatte ich mir wochenlang überlegt, wie ich mich vorstelle.
Danach freies Tanzen, wie beim Biodanza, aber allein. Schön.
Eine Atemübung: Tief einatmen, dann dreimal aus: Hach - hach - hach! Das immer wieder, und sogleich erlebe ich meine erste Extase! Ich schließe die Augen, schaue nach oben und sehe: Licht! Das siebte Chakra! Das fängt ja richtig gut an hier.
Nach kurzer Erholung gleich die nächste Atemübung: Mann und Frau stehen sich gegenüber. Bei jedem Einatmen schiebt man das Becken nach vorne. Wir halten Blickkontakt und machen das im Rhythmus gleichzeitig, aber ohne Anfassen. Wir werden immer schneller dabei, und es ist ein bisschen wie virtueller Sex, ich bin danach total aufgedreht.
Zum Essen. Es gibt ein lautes Gewusel und die schönen Wellen sind dahin, aber das Essen ist gut.
Nach dem Essen wieder Tanzen, danach Mantra singen (ich kann kein Sanskrit!)
Danach beginnt die Arbeit mit Dämonen. Oha! Nein, gar nicht so. Dieser Dämon ist etwas in Dir, das Du Dir selber aussuchst. Sowas wie ein Laster oder eine alte Sorge, also gar nicht übersinnlich (für mich). Man versucht, sich den Dämon als Person vorzustellen, die vor einem sitzt, und in Gedanken mit dieser Person zu reden. Ich stelle meinen Schmerz als Dämon auf und erfahre einiges von ihm!
Die Anleiter sagen: Mann soll seinen Dämon füttern. Also ihn fragen, was er braucht, und ihm das geben. Im besten Fall wird er satt und verzieht sich.
Mein Dämon ist also der Schmerz. Was braucht er? Bewegung, gutes Essen, gute Gesellschaft, Schönheit. Ja, das ist etwas anderes als Ibuprofen und Cortison, aber ich bin hier in einer anderen Welt gelandet. Und es hilft tatsächlich.
Danach wird das Erlebte in Kleingruppen aufgearbeitet, durch Reden und Kuscheln. Da ist ein großer Mann, der mir etwas autoritär vorkommt. Sowas mag ich gar nicht. Doch jetzt lasse ich mich von ihm im Arm halten und, siehe da: Ich kann das annehmen! Fühle mich gut gehalten.
Ich bin auch beeindruckt und begeistert davon, wie die anderen Gruppenmitglieder sich mir gegenüber öffnen und aus ihrem Intimleben erzählen. So erlebe ich ein Gefühl von Nähe.
Nach dem Abendessen geht es dann ja wohl ans Eingemachte. Alle Männer in den Saal, nur mit einem Tuch um die Lenden gegürtet, jeder soll sich einen Platz suchen, es gibt Massage. Es sollen aber Dreiergruppen werden. Nachdem ich zweimal von den Platzhirschen vertrieben wurde, habe ich einen Platz für mich allein, aber da fehlen ja noch die Frauen. Sie lassen uns bestimmt noch eine Viertelstunde warten, und die Zeit wird mit Mantras vertrieben. Dann noch fünf Minuten und nochmal fünf. Die machen da auch einen von. Dann geht es endlich los. Die Frauen dürfen sich freie Plätze bei den Männern suchen. Ich bekomme, was übrigbleibt. Aber immerhin, jetzt bin ich ja in einer Dreiergruppe mit zwei Frauen. Alle ziehen sich nackt aus. Einer legt sich hin und die anderen beiden massieren ihn/sie gründlich durch, einmal von vorne und einmal von hinten, Inge gibt Anweisung. Nachdem das fertig ist, gehen einige der Gruppen ins Kuscheln über, andere gehen auseinander. Der Abend ist hiermit beendet!
Meine beiden Frauen verziehen sich sofort, und da ich hier niemanden kenne, wars das auch für mich. Jetzt bin ich doch etwas enttäuscht. Die ganze Massageaktion hat sich nicht besser angefühlt als eine Wellnessbehandlung, da war keine Herzensverbindung und schon gar keine Erotik.
Schlafen kann ich trotzdem gut. Am nächsten Tag übernimmt Jan die Regie und es geht los mit Schütteln. Man soll sich so schütteln, dass man in Resonanz gerät. Kriege ich nicht hin.
Danach kommt der Knaller: Gibberish! Noch nie gehört. Man soll einfach sinnlos brabbeln, aber ansonsten eine Konversation führen. Bin völlig überfordert. Ich schau mir das erstmal an. Sie sind wie Kleinkinder, die die Gespräche ihrer Eltern nachahmen, ein beeindruckendes Schauspiel, das mit der Zeit immer lauter und alberner wird. Jetzt merke ich, was hier fehlt: Das rote Sofa. Bei Julia beim Biodanza gibt es ein rotes Sofa, und wenn man nicht tanzen möchte, geht man da rauf. Die anderen wissen dann, dass man eine Pause braucht. Man darf immer nicht tanzen mögen ohne schlechtes Gewissen. Also das fehlt mir hier jetzt. Somit muss ich Jan erklären, dass ich das nicht machen möchte. Es ist überhaupt der allererste Tanz, den ich nicht mitmache, seit ich Biodanza mache.
Ich wundere mich über mich selbst:
- Mit wildfremden Leuten nackt kuscheln: kein Problem für mich.
- Gibberish: Geht ja gar nicht! Wovor habe ich denn solche Angst?
Danach dürfen wir zur Entspannung auf den Decken liegen und machen anschließend eine „Löffelchen“-Reihe. Hier kann ich nochmal Wärme Tanken, dann ist für mich Schluss. Es hätte noch einen Singkreis gegeben, aber ich bin einfach zu müde.
Den Rest des Sonntages bringe ich mit Ausruhen und Verarbeiten, das war ein bisschen viel. Es hat aber einen insgesamt schönen Eindruck hinterlassen, auch wenn ich etwas ganz anderes bekommen habe als erwartet.
Hier geht es weiter zum 10. Teil! Sie können mich unter adrian(dott)durstbusch(ätt)web(dott)de erreichen.