Als ich im Dezember wegen des Besuchs des Australiers einen Rittermahl-Auftritt verpasst hatte, erzählte meine Mitsängerin Thea uns am nächsten Tag aufgeregt von einer Besucherin, die wohl sehr auffällig und ungewöhnlich gewesen war. Unter anderem verbat sie den anderen Zuhörern das Klatschen, weil es die Energien im Raum störe.
Heute war das letzte Rittermahl der Saison und die Dame war, zu unserer allgemeinen Verwirrung, wieder dabei. Diesmal konnte ich sie live erleben und das war noch besser als jede Erzählung. Schnallt euch an, das wird ein wilder Ritt.
Sie sah eigentlich ganz nett aus, wie eine ergraute Althippie-Dame. Sie war bereits drei Stunden vor Beginn der Veranstaltung da und wollte eingelassen und mit Getränken versorgt werden. Einlass ist aber erst eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn. Das fand sie unerhört. Sie wolle jetzt Kaffee. Jede noch so freundliche Erklärung, dass das Lokal noch geschlossen sei, interessierte sie nicht. Sie müsse jetzt hinein und dort noch drei Eintrittskarten verschenken. Sie und ihr Begleiter hatten nämlich von ihrem Ersparten ganze fünf Eintrittskarten gekauft, weil sie drei an "fremde Freunde" verschenken wollten, um die Liebe zu teilen. Eigentlich ganz nett, aber eben in einem geschlossenen Lokal nicht sehr zielführend. Sie belästigte und bedrängte jeden Mitarbeiter, der versuchte, zu Schichtbeginn OHNE SIE das Lokal zu betreten. Als sie endlich, kurz vor regulärer Öffnung eingelassen wurde, schien sie vorübergehend entspannter. Sie wurde an ihren Tisch gebracht, fand aber sofort etwas zu meckern. Die Energien seien nicht gut. Hier seien Teufel. Sie hatte aber zum Glück ihre Zwiebel dabei, die auf dem Tisch platziert wurde. Diese sollte verhindern, dass sie einer der Teufel mitnehme.
Langsam trudelten die nächsten Gäste ein und auch die Zwiebel-Lady und ihr Begleiter bekamen Tischnachbarn, die gar nicht wussten wie ihnen geschah. Sie hatten ihre 8-jährige Tochter dabei, die zudem Geburtstag hatte. Die Kleine und ihre Eltern durften sich von Zwiebel-Lady einen endlosen Quasselstrom an esoterischem Quark über diverse Wiedergeburten, Energien, Engel und Teufel anhören.
Als die Veranstaltung lief, glänzte sie stets mit lautstarken Seltsamkeiten. Wenn Thea und ich sangen, fuchtelte sie wild mit den Armen, rief "Namaste!!" machte mystische Handzeichen weigerte sich dann aber zu klatschen, weshalb sie wie eine Gehörlose die Hände schüttelte und allen anderen, die laut und johlend Beifall spendeten, böse Blicke und erboste Kommentare zuwarf.
Der Knaller kam aber später. Nach dem Hauptgang und der Feuershow verlangte sie die Rechnung. Ihre Seele ertrage den Lärm nicht, sie müsse jetzt gehen und wieder ein Geist werden. Dabei sei sie doch überhaupt nur gekommen, weil sie uns hatte segnen wollen. Sie sei nämlich in diesem Leben die Wiedergeburt der Jungfrau Maria UND von Maria Magdalena. Jesus persönlich habe sie geschickt, weil sie in ihrem früheren Leben als wiedergeborener Buddha so erfolgreich war. Aber die Rechnung, die sei nicht in Ordnung. Sie habe schließlich nur ganz wenig gegessen und den Nachtisch lasse sie jetzt ja auch ausfallen! Das gehe doch nicht, dass man trotzdem den vollen Preis für das Büffet verlange! Sie sei schließlich nur gekommen, um uns zu segnen!!1! Der Kellner besänftigte sie schließlich mit einem Gratis-Getränk, um sie loszuwerden, was zum Glück funktionierte.
Als sie weg war, gab der Chef persönlich den verbliebenen Tischnachbarn eine Runde Freigetränke als Entschädigung aus.
Wenig später klingelte das Telefon. Die Buddha-Marie rief an, weil sie ihre Zwiebel vergessen hatte.
#cantmakethisshitup