Bingo-Story: Abflug

Mar 08, 2015 14:06

Titel: Abflug - Kapitel 3
Bingo-Prompt: Prompt 81
Genre: Freundschaft, minimal Humor, h/c
Zusammenfassung: Schnee Ende Januar ist heimtückisch. Aber sowas von...
Wörter: ~5800
A.N.: Kurz (aber irgendwie komme ich im Moment zu nix). Und wie die ganze Geschichte eigentlich völlig unnötig (aber Lesen ist ja zum Glück eine freiwillige Sache).



Thiels Blick huschte zwischen dem niedrigen Bett und dem verkrampft dastehenden Mann hin und her und ihm wurde schlagartig klar, dass Boerne aus gutem Grund zögerte. Mit dem gebrochenen Steiß konnte er sich nicht einfach mal eben setzen und dann auf den Bauch rollen, so wie man es normalerweise getan hätte; sich irgendwie seitlich auf der Matratze ablegen und ausstrecken war gewiss nicht minder schwierig… und einfach fallen lassen war erst recht keine Option. Egal auf welche Weise der Professor sich in eine horizontale Lage bugsieren würde, es würde wehtun. Sauweh.
„Kann ich helfen?“ Noch während er das anbot, wurde ihm klar, dass er mit seiner kaputten Schulter nicht viel würde tun können, aber Boerne schüttelte ohnehin sogleich hektisch den Kopf. „Nein, auf keinen Fall. Das… geht schon. Irgendwie.“

Ja, es ging tatsächlich irgendwie, aber es war regelrecht schmerzhaft mit anzusehen, wie der Professor sich mit zusammengebissenen Zähnen hinabbeugte, die Decke zur Seite schob und sich dann halb auf einem Bein kniend, halb robbend ins Bett hineinarbeitete.
Als Boerne endlich lang ausgestreckt lag und den Kopf mit einem erstickten Stöhnen in seine Armbeuge fallen ließ, wurde Thiel erst bewusst, dass er aus lauter Mitgefühl die Lippen zusammengepresst und sogar die Luft angehalten hatte.
Mit einem Seufzen ließ er sie entweichen, musste aber hilflos noch ein Weilchen dabei zusehen, wie Boerne steif wie ein Brett auf der Matratze verharrte, während die einzigen Bewegungen, die man wahrnehmen konnte, die abgehackten Atemzüge waren, mit denen er wohl versuchte, seine Schmerzen unter Kontrolle zu bekommen. Doch als es glücklicherweise bald darauf so aussah, als ob Boerne ein wenig zur Ruhe kam, ging Thiel zur Kommode und nahm einen Teller und eine Gabel vom Tablett. Etwas unsicher trat er damit an das Bett und hockte sich neben seinen Kollegen. Vermutlich hatte er im Moment keinen Appetit, aber er hatte den ganzen Tag nichts gegessen und es war dringend nötig, dass er zumindest ein bisschen Nahrung zu sich nahm.
„Boerne?“
Zu seiner Erleichterung drehte der Professor nun den Kopf auf die Seite und blinzelte ihn an; er schien sich tatsächlich etwas zu entspannen, seine Körperhaltung wirkte nicht mehr ganz so rigide.
„Haben Sie was gegen die Schmerzen genommen?“
Das matte aber eindeutig bestätigende Nicken seines Kollegen ermutigte Thiel, den Teller auf den Nachttisch zu stellen. „Dann essen Sie was. Sonst macht Ihr Magen das nicht mehr lange mit.“

Boerne gab nur ein vage an Zustimmung erinnerndes Geräusch von sich, richtete sich dann ächzend auf einen Ellenbogen auf und griff nach der Wasserflasche neben seinem Bett. Allerdings war sie leer und mit einem frustrierten Stöhnen sackte er zurück auf sein Kissen.
Der Kommissar kam auf die Füße, bevor Boerne überhaupt den Mund geöffnet hatte. "Ich hole Ihnen was."
"Danke", wisperte der Professor heiser und ließ die Augen zufallen.
„Mensch, ich wusste gar nicht, dass Sie die Bedeutung dieses Wortes kennen!“, entfuhr es Thiel gegen seinen eigenen Willen - jahrelang antrainierte Stichelei ließ sich halt nicht mal eben so abstellen.
Doch Boerne sprang nicht darauf an, ein mehr als deutliches Zeichen dafür, dass es ihm gerade wirklich nicht gut ging.

Nach einem letzten besorgten Blick auf den zu stillen Mann machte Thiel sich auf in die Küche und schnappte eine Flasche Mineralwasser aus dem Vorratsschrank. Auf dem Rückweg zum Schlafzimmer stoppte er dann allerdings noch spontan am  Kühlschrank. Weil Boerne in der Vergangenheit schon mehrfach Blessuren von ihnen beiden damit verarztet hatte, wusste Thiel, dass er zwei Coolpacks im Gefrierfach aufbewahrte und er fragte sich, ob es vielleicht gut wäre, die Verletzung etwas zu kühlen. Bei der Wucht, mit der sein Nachbar auf den Steiß geknallt sein musste, war doch sicher alles drumherum bunt und blau, oder?
Kurzentschlossen stellte er die Flasche noch einmal ab, nahm eines der Gelkissen aus dem Eisfach, durchsuchte diverse Schränke nach einem Küchentuch und als er schließlich fündig geworden war, wickelte er das Kühlkissen darin ein.

Vielleicht drei Minuten nach Verlassen des Zimmers und beladen mit seiner Beute stand er letztendlich wieder neben Boernes Bett - nur um festzustellen, dass der erschöpfte Mann in dieser kurzen Zeit eingeschlafen war. Vollkommen erschlafft ruhte er auf der Matratze, die extreme Anspannung, die ihn die letzte Viertelstunde begleitet hatte, war Gott sei Dank verschwunden. Trotzdem sah er wirklich mitgenommen aus, blass und reglos wie er dort lag.
Thiel schüttelte mit einem leisen Seufzen den Kopf. Dann stellte er die  Wasserflasche neben dem Bett ab, platzierte die kalte Kompresse neben dem bald vermutlich fast ebenso kalten Nudelauflauf und beugte sich vor, um dem Schlafenden die total verrutschte Brille abzunehmen, deren Bügel sich sichtlich unangenehm in seine Schläfe presste. Boerne regte sich nicht dabei, doch als Thiel ihm danach die weiche Bettdecke über den Rücken zog, huschte ein Ausdruck von Schmerz über sein Gesicht und seine bis dahin so regelmäßigen Atemzüge gerieten für einen Moment ins Stocken. Zum Glück entspannte er sich schnell wieder.

Da es dem gehandicapten Kommissar unmöglich gewesen war, die Decke mit nur einer Hand vollständig auszubreiten, lief er nun halb um das Bett herum, um auch Boernes Beine zu versorgen. Dabei streifte er die Füße des Professors mit dem Handrücken und verharrte mitten in der Bewegung, um nochmals genauer nachzufühlen: Boernes Socken, die er in seiner momentanen Unbeweglichkeit wohl nicht geschafft hatte auszuziehen, waren vollständig durchnässt, die Füße eiskalt. Und nicht nur die Füße, wie Thiel dann sehr schnell feststellen musste, bei den Beinen sah es nicht besser aus. Argwöhnisch marschierte er noch mal zum Kopfende des Bettes zurück und legte eine prüfende Hand auf Boernes Schulter. Sie war zwar wärmer als die Beine, aber auch dort konnte von normaler Körpertemperatur nicht die Rede sein.
„Maaann, ich glaub‘s nich'!“, konnte er sich nicht zurückhalten unterdrückt zu fluchen. Da latschte der Mann Ewigkeiten durch `nen Schneesturm, und dann, statt sich so schnell wie möglich trockenzulegen, spielte er zuerst noch Samariter und verarztete Thiels Schulter. Hätte dieser verdammte Sturkopf nicht ausnahmsweise mal von Anfang an die Klappe aufmachen und sich helfen lassen können!? Wenn er Pech hatte, hatte er morgen zusätzlich zu seinen Schmerzen noch die Mutter aller Erkältungen am Hals! Und wie sich ein akuter Hustenanfall bei einem frisch gebrochenen Steiß anfühlen würde, wollte Thiel sich lieber gar nicht erst vorstellen.

Behutsam zog er die Decke noch ein ganzes Stück höher, bis hinauf in den Nacken zu Boernes immer noch leicht feuchten Haaren. Danach streifte er ihm die nassen Socken von den Füßen, feuerte sie achtlos in eine Zimmerecke und steckte die Decke überall fest. Außerdem machte er kurzentschlossen noch einen Abstecher ins Wohnzimmer und holte die Wolldecke, die immer über der Armlehne der Couch hing. Etwas unbeholfen aber letztendlich erfolgreich faltete er sie so auseinander, dass sie zusätzlich zum Plumeau doppelt über dem Professor ausgebreitet lag.
Seufzend richtete er sich schließlich wieder auf und fuhr sich durch die Haare während sein Blick wehmütig seine Mahlzeit auf der Kommode streifte. Sein Essen musste wohl noch ein paar Minuten warten, aber darauf kam es jetzt auch nicht mehr an.

Er trug den Teller, den er auf Boernes Nachtschrank deponiert hatte, in die Küche, deckte ihn ab und verfrachtete ihn in den Kühlschrank. Der Auflauf würde auch morgen noch gut schmecken, da war Thiel sicher.
Ein letztes Mal kehrte er zurück ins Schlafzimmer, holte sich sein Tablett und nahm es dann mit hinüber in seine eigene Wohnung, jedoch nicht ohne Boerne vorher das Telefon ans Bett zu legen und seinen Wecker auszustellen.

Bei sich in der Küche angekommen stellte Thiel mit dem schätzungsweise 347. Seufzer dieses Abends seinen Auflauf in die Mikrowelle, und während das Gerät das Essen wieder aufwärmte, griff er zum Handy. Dem Professor traute er in Bezug auf dessen Steiß nicht so weit, wie er ihn werfen konnte, er würde sich jetzt kompetenten Rat einholen.

t.b.c.

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