Titel: Eiertanz
Bingo-Prompt: Hasst typisch romantische Gesten
Genre: ach Gott, gar nix richtiges. Blödsinn, das trifft es wohl am ehesten.
Zusammenfassung: Es muss schwer sein, die Karten einfach offen auf den Tisch zu legen.
Wörter: ~650
Sie waren auf dem Weg Richtung Taxi gewesen, als Thiels Handy geklingelt hatte. Ein Blick auf das Display hatte ihm Frau Haller als Anruferin gezeigt, und an ihrer Stimme hatte er sofort erkannt, dass sie einen entscheidenden Durchbruch in dem Mordfall an Dr. Süßmilch erzielt haben musste.
Ihre kurze Zusammenfassung hatte dies bestätigt.
Natürlich hatte er ihr zugesichert, sofort zu ihr zu kommen. Und natürlich hatte es ihn nicht verwundert, dass Boerne in seinem typisch arrogant-augenzwinkernden Tonfall sogleich kundgetan hatte, er würde selbstverständlich mitkommen in die Rechtsmedizin. Um sich ihre Ergebnisse anzusehen, um sicherzustellen, dass sich auch kein Fehler eingeschlichen habe.
Was ihn dagegen verwundert hatte war, dass Boerne ihm im gleichen Atemzug mit Schwung seine beiden Taschen in die Hand gedrückt und mit einem „Ich habe etwas vergessen! Bin sofort zurück!“, auf dem Absatz kehrtgemacht hatte. Er war zurück in die Klinik gestürmt, die zu verlassen ihm wenige Minuten zuvor nicht schnell genug hatte gehen können.
Herbert hatte ihm einen verwunderten Blick zugeworfen aber er hatte nur mit den Schultern gezuckt. Wusste der Geier, was dem Professor in diesem Moment noch wieder in den Sinn gekommen war. Er wusste es nicht.
Sein Vater hatte kopfschüttelnd das Gepäck im Kofferraum verstaut und noch bevor er seine Zigarette zu Ende geraucht hatte, war Boerne wieder aufgetaucht. Mit dem riesigen Tulpenstrauß in der Hand, den er in seinem Zimmer hatte stehen lassen.
Leicht außer Atem hatte er sich auf die Rückbank fallen lassen, den Strauß behutsam neben sich abgelegt, auf Herberts mahnende Bemerkung, dass man Blumen nicht aus dem Krankenhaus mitnehme, weil man dann schnell zurückkehren würde, nur mit einem zynischen Konter reagiert. Aber je näher sie der Rechtsmedizin gekommen waren, desto mehr hatten seine Augen zu glänzen begonnen.
Als die Türen des Lastenaufzugs nun knarzend aufschwangen, eilte Boerne mit energischen Schritten über den Flur. Thiel folgte ihm etwas gemächlicher und mit einem amüsierten Kopfschütteln öffnete dem mit Kleidersack und Blumenstrauß beladenen und sich ungeduldig zu ihm umblickenden Mann die graue Schiebetür. Sogleich stürmte Boerne in seine heiligen Hallen, holte tief Luft und faselte irgendeinen Schwachsinn von Formalingeruch am Abend.
Fast hätte man denken können, dass er das wirklich ernst meinte und sich einfach nur freute, endlich wieder an seinem Arbeitsplatz zu sein.
Ebenso, wie man fast hätte denken können, dass es wirklich nur kameradschaftliche Stichelei war, als er Frau Haller, die strahlend um die Ecke bog, mit einem: „Alberich! Na, Sie müssen mich ja schrecklich vermisst haben, hm? Sie kleines Monster!?“, begrüßte, aber sie dabei liebevoll und fest an sich zog.
Ebenso, wie man fast hätte denken können, dass Frau Haller diese Geste als genau das ansah und auf seine Frotzelei entsprechend reagierte: „Klar! Denn ein Mensch, der Hunde, kleine Kinder und Behinderte hasst, der kann nicht ganz so schlecht sein!“; obwohl sie ihn kurz zuvor ebenso fest gehalten hatte, wie er sie.
Dass Boerne sich während ihrer Antwort wie unentschlossen umsah und ihr dann schließlich, wie aus einer ganz spontanen Idee heraus den Blumenstrauß - von dem er sich wohl den Anschein geben wollte, nicht zu wissen, wohin damit - in die Hand drückte, setzte dem Ganzen nur die Krone auf.
Thiel wusste nicht so recht, ob er schmunzeln oder mitleidig die Augen verdrehen sollte, als er die beiden bei ihrem Eiertanz beobachtete; als er beobachtete, wie Frau Hallers Augen aufleuchteten, als sie die Blumen entgegennahm, wie sie sich dann aber auf ihre Rolle als Assistentin eines mit dem Kopf in den Wolken schwebenden Chefs besann, knicksend dankte und die wundervollen Tulpen schließlich bedachtsam in einer großen Metallschüssel ablegte.
Dass der Mann vor ihr keineswegs in den Wolken schwebte, sondern schon seit Ewigkeiten ganz auf sie fixiert war, schien ihr nicht klar zu sein.
Der Kommissar seufzte. Es mochte ja sein, dass Boerne typisch romantische Gesten hasste. Aber um Klarheit zu schaffen, würde er gut daran tun, endlich einmal ehrlich mit seiner Assistentin zu sein; sonst würde sie sich den Gedanken nie zugestehen, dass sie ihm wirklich etwas bedeuten könnte.