Gestatten - Sebastian "Geduld Verständnis" Boenisch - 15. Kapitel

Feb 14, 2011 12:50




15. Kapitel

„Was willst du?“, fährst du Boro unwirsch an.

Natürlich ist dir klar, dass die Frage an sich ziemlich unsinnig ist. Es gibt eigentlich nur eine Sache, die Tim hier wollen kann. Und du hasst das zugleich ungute und unsichere Gefühl, das bei dieser Erkenntnis Besitz von dir ergreift.

„Komm schon, jetzt tu nicht so, als ob du das nicht wüsstest…“, erwidert Boro auch gleich - und wie erwartet mit ziemlich deutlicher Herablassung in der Stimme, „…Er ist hier, nicht wahr?“

„Und wenn? Hat ja wohl nen Grund, warum er gestern aus seiner eigenen Wohnung abgehauen ist. So toll kannst du ja wohl nicht wirklich gewesen sein, wo er quasi vor dir geflohen ist…“, meinst du giftig - merkst, dass du schon wieder ziemlich provozierend wirst.

Doch du kannst einfach nicht anders. Nicht bei Boro. Und noch viel weniger gerade jetzt in diesem Moment, wo du so kurz davor warst, die Sache mit Clemens endlich zu klären.

Und vielleicht endlich eine ehrliche Antwort von ihm zu erhalten. Und zwar möglicherweise sogar genau die Antwort, auf die du schon so lange hoffst.

Du findest es also durchaus entschuldbar, dass deine Laune im Moment nicht gerade die Beste ist. Und Boro ist ja nun auch nicht gerade aus Zucker.

Und teilt für gewöhnlich selber ganz gerne aus, wie du schon öfter selbst festgestellt hast.

Nur dieses Mal scheinst du ihn nicht wirklich ködern zu können. Auch wenn du ganz deutlich siehst, dass Tims Hände sich zu Fäusten ballen. Er für einen Moment vor Wut seine Lippen zusammenkneift.

Du musst dich zurückhalten, ihm nicht auch noch herausfordernd ins Gesicht zu grinsen. Einfach, weil es sich verdammt gut anfühlt, mal einen anscheinend richtig schmerzhaften Treffer bei Boro gelandet zu haben.

Anscheinend hat es ihn also doch nicht wirklich kalt gelassen, dass Clemens heute Morgen nicht mehr da war, als er aufgewacht ist.

Und wahrscheinlich fuchst es ihn noch einmal um einiges mehr, dass Clemens ausgerechnet zu dir gekommen ist.

Tja, da kannst du zwar nun nicht wirklich was für - trotzdem fühlt es sich an wie dein ganz eigener, persönlicher Triumph. Wie ein Sieg über Tim. Ein kleiner Sieg zwar nur - aber trotzdem ein Anfang, findest du.

Hoffst du vielleicht eher.

Könntest dich an dieses Gefühl nämlich definitiv gewöhnen.

Siehst, wie Tim sich nur mühsam zurückhalten kann, schließlich einmal angestrengt tief durchatmet. Versucht, ruhiger zu werden. Sich nicht von dir provozieren zu lassen.

„Jetzt komm schon, Basti. Ich hab mir eben schon ne nicht grade nette Abfuhr von Per eingefangen, weil ich bei ihm nach Clemens gesucht hab…und du weißt, wie Per ist, wenn man ihn vorm Klingeln seines Weckers aus dem Schlaf reißt…Und Torsten war auch nicht gerade begeistert, als ich bei ihm angerufen habe…Clemens ist bei keinem von beiden. Also muss er hier bei dir sein… “, verlegt Boro sich jetzt anscheinend darauf, vernünftig mit dir reden zu wollen.

Oder zumindest so zu tun, als ob. Erscheint dir jedenfalls wahrscheinlicher.

Denn Boro starrt dich noch immer an, als wäre allein schon dein Anblick unter seiner Würde und eine Beleidigung. Im Moment kümmert dich das allerdings nicht wirklich.

Als du in diesem Moment nämlich erst das Klappern einer Tür und dann Schritte hinter dir in deinem Flur hörst. Das Geräusch nackter Füße auf dem Dielenboden. Du brauchst dich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Clemens jetzt hinter dir im Wohnungsflur steht.

Tim sieht jetzt nämlich schnurstracks an dir vorbei. Oder durch dich hindurch. Als wärst du für ihn nicht mehr existent. Als würde er dich gar nicht mehr sehen.

Blöder Wichser.

Und er hat schon wieder dieses furchtbare Lächeln aufgesetzt, das du einfach nur zum Kotzen findest.

„Clemens, da bist du ja…“, meint Boro gleich darauf so aufgesetzt fröhlich, dass du echt nicht mehr weißt, wie lange du dich noch zurück halten kannst, bevor du Clemens Auftritt  von gestern Nacht hier tatsächlich noch imitieren musst.

Weit entfernt bist du davon auf jeden Fall nicht mehr.

„Jetzt tu nicht so überrascht. Bist ja schließlich auch hier, um mich zu suchen…“, erwidert Clemens jedoch nur ziemlich abweisend. Und nicht gerade begeistert.

Dieses Mal scheinst du also nicht der Einzige zu sein, der nicht gerade erfreut darüber ist, Boro hier zu sehen.

Tim scheint das allerdings auch zu bemerken - macht einen Schritt nach vorn und damit auf dich und die Tür zu deiner Wohnung zu.

„Ich war schon bei Per, aber bei dem warst du ja nicht…und ich wollte dich unbedingt noch vor dem Training sehen…“, erklärt Boro sanft und lächelt schon wieder in Clemens Richtung.

Verdammter Schleimer, denkst du.

Und räusperst dich einmal vernehmlich, um mal klar zu stellen, dass du auch noch hier bist. Und dass du eigentlich nicht vor hast, Boro hier und jetzt in deine Wohnung zu lassen.

Oder überhaupt jemals wieder. Dir hat das eine Mal, als Boro in der Vergangenheit bei dir war, mehr als gereicht. Auch wenn es zugegebenermaßen ziemlich erkenntnisreich war.

„…Und warum das? War ich nicht deutlich genug, als ich mitten in der Nacht abgehauen bin, oder wie?“, erwidert Clemens gereizt. Klingt schon nicht mehr so cool wie noch vor ein paar Sekunden.

Jetzt drehst du dich doch um. Siehst Clemens an, der noch immer nur Shorts und T-Shirt trägt. Deine Sachen. Die ihm eindeutig etwas zu groß sind und in denen er noch immer aussieht, wie ein kleiner Junge.

Was nicht gerade dazu beiträgt, ihn jetzt sicherer oder dominanter erscheinen zu lassen.

„Nein“, schüttelt Tim daraufhin jetzt nämlich nur bestimmt den Kopf, „…wenn du mir was sagen willst, dann musst du mir das schon ins Gesicht sagen, Clemens. Du kannst nicht einfach aus dem Bett verschwinden und dich so vor einer Entscheidung drücken. Oder davor, mir zu sagen, was jetzt Sache ist mit uns…außerdem ist es ja wohl auch alles andere als fair von dir, hier bei dem Kleinen aufzukreuzen und seine Gefühle für dich auszunutzen…“

Du räusperst dich noch einmal.

Dieses Mal allerdings eher, um Boro klar zu machen, dass das hier nicht unbedingt der perfekte Ort ist, um solche Sachen zu besprechen. Du hörst eine Tür ein Stockwerk unter dir knarren, dann Schritte im Treppenhaus.

Nein, definitiv keine gute Idee, solche Sachen hier zu besprechen.

Genervt und unwirsch packst du Tim am Ärmel und ziehst ihn jetzt doch in deine Wohnung. Wenn auch nur widerwillig.

Aber übrig bleiben tut dir nun mal auch nicht viel. Du kannst schließlich nicht wirklich zulassen, dass Boro hier das gesamte Treppenhaus zusammenbrüllt und am Ende noch deine komplette Nachbarschaft im Bilde über die ganze Misere ist.

Außerdem - früher oder später müsst ihr reden. Alle drei. Auch wenn das jetzt vielleicht nicht wirklich der perfekte Zeitpunkt dafür ist.

Du fragst dich allerdings ohnehin, ob es den jemals geben wird. Glaubst eigentlich nicht wirklich daran. Weil es nie einen perfekten Zeitpunkt gibt, um über so etwas zu reden.

Und weil es doch irgendwann einfach nicht mehr anders geht.

Diese Sache wird sich nicht totschweigen lassen. Und das hast du auch garantiert nicht vor.

Auch wenn Boros letzter Satz darüber, dass Clemens deine Gefühle nur ausgenutzt haben könnte, wirklich weh getan hat. Weil er damit nur deine eigenen Zweifel ausgesprochen hat.

Ganz egal, was Clemens während der Nacht oder heute Morgen zu dir gesagt hat. Diese Unsicherheit ist einfach immer noch da. Und wenn ihr das alles nicht bald klärt, dann bist du dir nicht sicher, ob diese Unsicherheit jemals wieder verschwinden wird.

Unsanft wirfst du die Wohnungstür ins Schloss. Siehst in Tims jetzt doch ziemlich überraschtes Gesicht.

„Keine gute Idee, so was mal so eben durchs Treppenhaus zu brüllen…“, schüttelst du nur den Kopf, nickst dann in Richtung Küche.

„Und du hast Recht. Wir müssen wirklich reden…“, auch wenn du es ungern zugibst - damit hat Boro ausnahmsweise wirklich mal Recht gehabt, „Alle drei!“, stellst du allerdings gleich klar, damit Tim am Ende nicht noch wirklich glaubt, dass du ihm jetzt so einfach das Feld überlassen wirst.

Ganz sicher nicht. Du wirst dich nicht ins Wohnzimmer setzen wie ein Kind, während die Erwachsenen in der Küche sitzen und reden. O nein.

„Schön, dass ihr zwei euch da so einig zu sein scheint…“, ertönt jetzt jedoch Clemens‘ Stimme.

Und er klingt alles andere als begeistert von der Idee, sich jetzt mit dir und Tim an den Küchentisch zu setzen. Und zu reden.

Hat die Arme vor der Brust verschränkt und funkelt euch beide abwechselnd an.

Was nicht gerade dafür sorgt, dass er weniger wirkt wie ein kleiner Junge. Der gerade im Moment bockig ist.

Du siehst Clemens einfach an. Eindringlich. Bohrst deinen Blick in seinen. Versuchst, alles in diesen Blick zu legen. Clemens klar zu machen, wie wichtig dieses Gespräch ist. Für dich. Für ihn. Für euch alle.

Und dass du dich dieses Mal nicht nachgeben wirst. Auch ihm gegenüber nicht. Ganz besonders nicht Clemens gegenüber.

Weil du das schon viel zu oft getan hast. Und es jetzt einfach nicht mehr kannst.

Irgendwann - du kannst nicht sagen, wie lange du Clemens einfach nur beinahe schon beschwörend angesehen hast - nickt Clemens schließlich.

Er seufzt. Schwer. Fährt sich durch die blonden Haare, sorgt so dafür, dass sie nur noch mehr in alle Richtungen abstehen. Nickt daraufhin noch einmal.

Als würde er versuchen, sich selbst davon zu überzeugen, dass es das einzig Richtige ist. Sich jetzt mit dem Ganzen auseinander zu setzen.

Es nicht mehr weiter vor sich her zu schieben.

Du siehst kurz zu Boro, der ebenso entschlossen wie du zu sein scheint. Nein, das werdet ihr heute nicht zulassen. Nicht mehr.

„Gut…ich…ich will mich nur schnell noch anziehen…“, murmelt Clemens schließlich leise, sieht dich fragend an.

„Deine Sachen liegen noch im Bad…“, deutest du den Blick hoffentlich richtig, „…kannst aber gern auch was von mir anziehen…“, kannst du dir jetzt allerdings doch nicht verkneifen.

Einfach nur, um Tim doch  noch ein bisschen zu reizen.

Weil du den halb entsetzten, halb angewiderten Blick, mit dem er Clemens und vor allem deine Klamotten an Clemens betrachtet hat, durchaus bemerkt hast.

Das verächtliche Schnauben von Tim ist deshalb genau die Reaktion, die du dir erhofft hast.

Auch wenn Clemens dich jetzt doch leicht genervt ansieht. Bevor er ein drittes Mal nickt.

„Bin kurz im Bad…“, verkündet er schließlich und ist im nächsten Augenblick auch schon verschwunden.

Du und Tim - ihr geht in die Küche. Setzt euch an den Tisch.

Einander gegenüber.

Seht euch an. Herausfordernd. Angespannt.

Und ihr tut das, was du schon seit Monaten tust. Einfach nur warten.

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