Title: Die dritte Halbzeit
Author:
angelical_notes aka
bavarian_angelPairing: Holger Badstuber/Thomas Müller
Rating: 18
Language: German
Disclaimer: Diese Geschichte ist frei erfunden und hat nichts mit der Realität zu tun. Ich verdiene mit dieser Geschichte kein Geld.
Summary: Halb-AU Ist Gewalt stärker als Liebe? Ist der Verein wichtiger als alles andere? Holger hat selbst keine Antworten auf diese Fragen...
A/N: Inspiriert wurde ich durch den Film "Hooligans" mit Elijah Wood. Die Story ist so gesehen, was ich als eine Halb-AU bezeichnen würde, auch wenn Ereignisse aus den letzten Tagen gezeigt haben, dass es auch in Deutschland immer noch ein Thema ist.
Das hier ist für meine absolut liebenswerte Betti zum Geburtstag! :)
„Wie jedes Wochenende kam es auch gestern wieder zu Ausschreitungen in den Stadtteilen Giesing und Unterharlaching. Im Anschluss an das 2. Ligaspiel des TSV 1860 gegen den KSC trafen trotz größtmöglichen Polizeieinsatzes mehrere Splittergruppen der Münchner Hooliganszene seitens des FC Bayern als auch des TSV aufeinander. 15 Anhänger wurden mit leichten Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Mehrere Fensterscheiben und Schaufenster gingen zu Bruch als auch zwei Autos, die angezündet wurden. Trotz allem konnte die Polizei nur vier der Gewalttätigen in Gewahrsam nehmen. Auch nächstes Wochenende wird die Bevölkerung wieder zur Vorsicht aufgerufen, wenn am Samstag der FC Bayern gegen Werder Bremen in der Allianz Arena antritt und am Sonntag die Bayern Amateure im Grünwalder Stadion mit Heidenheim aufeinandertrifft. Mit besonderem Interesse wird in der kommenden Stunde auch die Auslosung des DFB-Pokals erwartet, da nach dem Weiterkommen beider Mannschaften immer noch die Chance auf das allgemein gefürchtete Derby besteht…“
Mit einem Seufzen stellte Holger das Radio aus und stieg aus seinem Auto. Die Nachrichten waren nichts Neues mehr für ihn. Seit fast drei Jahren ging das inzwischen schon so - seit bei den Ausschreitungen beim letzten Amateurderby drei Fans des FC Bayern ums Leben gekommen waren. Danach hatte sich etwas in München entwickelt, das man sonst nur aus England oder Italien gehört hatte und das es in diesem Ausmaß nur hier gab - ein regelrechter Hooligankrieg. Ein Teil der Ultraszenen beider Lager war in die Gewaltschiene abgerutscht und gab sich nun fast jedes Wochenende, auch ohne direktes Aufeinandertreffen ihrer Mannschaften, einen heftigen Schlagabtausch.
Per Fernsteuerung schloss Holger seinen Audi ab und machte sich auf den Weg zu der ihm nur allzu bekannten Wohnung im Stadtteil Gern. Wie immer hatte er sein Auto eine Straße weiter geparkt, dass man nicht auf Anhieb mitbekam, dass er hier war. Zwar hatte er sein Privatauto genommen, da war das Nummernschild wenigstens weniger auffällig, doch es gab noch immer genügend Leute, die ihn damit in Verbindung brachten, was ihm einiges an Ärger einbringen würde - wenn die dann auch noch den genauen Grund wüssten, warum er hier war, dann könnte er sich gleich selbst sein Grab schaufeln.
An dem großen Wohnhaus angekommen, drückte Holger die ihm bekannte Klingel und schon wenige Augenblicke später wurde ihm die Haustür per Summer geöffnet. Mit schnellen Schritten eilte er die Treppe hinauf. Zwar stand die Tür im 4. Stock schon offen, doch wartete da nicht die Person, die da eigentlich sein sollte.
„Marcell?“, fragte Holger verwundert, woraufhin ihn sein blonder Kumpel nur leicht verlegen ansah. In Momenten wie diesen konnte man sich nur schwer vorstellen, dass er, der eher den Eindruck eines sanften Riesen machte mit seinen 1,91 Meter, Leute krankenhausreif schlagen konnte.
Bevor Marcell auch nur ein Wort erwidern konnte, hatte Holger schon verstanden. „Lass mich raten…“, meinte er nur leicht genervt und zwängte sich an Marcell vorbei in die Wohnung hinein. Schon im Gang konnte er den Fernseher hören - ganz klar ZDF mit der Vorberichtserstattung der Auslosung. Kaum im Wohnzimmer angekommen sah Holger auch schon den Schaden.
Thomas lag in Jogginghose und seinem geliebten schwarzen Kapuzenpulli auf der Couch, die Lippe dick angeschwollen und einen Eisbeutel gegen die Stirn haltend. Auf dem Couchtisch lag eine Packung Schmerztabletten und daneben stand demonstrativ eine halbvolle Bierflasche, von der Holger wusste, dass sie mit Sicherheit nicht Marcell gehörte.
Mit einem leisen Räuspern und anschließendem Augenrollen machte er sich bemerkbar, woraufhin Thomas seinen Mund zu einem schiefen Grinsen verzog und mit den Schultern zuckte. Kopfschüttelnd ging Holger anschließend zu ihm hinüber und drückte ihm einen Kuss auf den leicht ramponierten Wuschelkopf.
„Hey, du…“, meinte er nur leicht nüchtern, ließ sich auf die Couch fallen und zog Thomas’ Füße in seinen Schoß. „Gibt es irgendwelche Schäden, von denen ich wissen sollte?“, fragte er, seine Augen fest auf den Fernseher gerichtet.
„Ein fetter Brummschädel und eine grässliche Beule, ansonsten sind noch alle Zähne vorhanden und alle Knochen heil.“, gab Thomas zur Antwort, wobei ihm die dicke Lippe zu einem leichten Lispeln verhalf.
Beide sahen für einen kurzen Moment auf, als Marcell aus der Küche zurückkam und Holger eine kühle Flasche Bier in die Hand drückte, bevor er sich in den Sessel verkroch und all seine Aufmerksamkeit dem Fernseher schenkte. Sie kannten sich schon lange genug, dass er wusste, dass er sich in Holgers und Thomas’ Diskussionen nicht einmischen sollte.
„Und dein Rücken?“, fragte Holger, sein Blick dieses Mal auf Thomas gerichtet, der ihm allerdings nicht lange standhalten konnte.
„Dem geht’s gut… Mensch, Holger, ich bin doch nicht aus Glas!“
„Das weiß ich… ändert aber nichts an dem, was die Ärzte damals gesagt haben.“, meinte Holger nur genervt. Es war jedes Mal wieder dasselbe - dieselbe Diskussion, aus der sie keinen Ausweg finden würden. Nichtsdestotrotz fing Holger an Thomas’ Füße durch die dicken Socken hindurch zu massieren.
„Gratulation übrigens zum Sieg… dürft ihr am Samstag gerne gegen die Fischköpfe wiederholen.“, meinte Thomas dann nur mit einem Grinsen.
Holger wusste genau, dass er mit dem Kommentar versuchte vom Thema abzulenken, doch so leicht ließ es sich dieses Mal dann doch nicht abschütteln. „Weißt, ihr könntet ruhig auch mal wieder mit zu nem Auswärtsspiel fahren. Habt ihr schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gemacht…“
„Würd ja gern, aber du weißt genau, dass ich meine Jungs nicht im Stich lassen kann.“
„Sie würden’s schon überleben.“ Holger und Thomas starrten sich beide mit einer Mischung aus Genervtheit und Unverständnis an, bis Marcell sich laut räusperte.
„Äh, Jungs… die Auslosung…“, meinte er etwas kleinlaut und deutete auf den Fernseher. Nach einem letzten finsteren Blick beiderseits, wendeten beide ihre Aufmerksamkeit wieder dem Moderator und seiner Assistentin zu. Sie waren gerade noch beim ersten Spiel, bei dem der HSV Heimrecht hatte und nun Schalke zugelost bekam.
„Bitte, komm schon… komm schon…“, murmelte Thomas vor sich hin. Holger wusste genau, was sein Freund sich wünschte. Er selbst schickte Gebete gen Himmel, dass es nicht eintreffen würde.
„Im zweiten Viertelfinale steht als Heimmannschaft…“
„Der FC Bayern München.“
„Ja!“, kam es von Marcell, während Thomas seine Augen schloss, seine linke Hand zur Faust geballt, die rechte krampfhaft den Eisbeutel haltend.
„Und als Gegner in der Allianz Arena kommt…“
„Der TSV 1860.“
Zwei laute Jubelschreie erfüllten das kleine Wohnzimmer. Der Eisbeutel flog quer durch die Luft, während Thomas von der Couch aufsprang und beide Arme in die Luft streckte. Holger dagegen vergrub sein Gesicht leicht verzweifelt in seinen Händen. Er machte sich keine Sorgen, dass sie dieses Spiel verlieren würden, aber er wusste genau, was dieses Aufeinandertreffen für München bedeuten würde - im wahrsten Sinne des Wortes würde eine Bombe hochgehen und er wusste auch genau, wer mittendrin sein würde.
Während Thomas und Marcell noch immer die Auslosung feierten, stand er seufzend auf. „Ich muss dann mal los…“, meinte er trocken und stellte seine noch volle Bierflasche wieder auf den Tisch.
Überrascht sah Thomas auf und hielt ihn an der Schulter fest. „Holger?“
„Ich hab noch was zu erledigen… Ich ruf dich dann später an.“ Er konnte ihm einfach nicht in die Augen sehen, doch er spürte nur allzu deutlich die Hand, die Thomas ihm vorsichtig in den Nacken legte.
„Ich liebe dich, das weißt du…“, murmelte Thomas leise, während er Holger näher zu sich heranzog. Den heißen Atem seines Freundes spürend, fragte sich Holger allerdings insgeheim, was dieser eigentlich mehr liebte. Doch diese Gedanken schob er ganz schnell wieder beiseite, als Thomas den letzten Abstand zwischen ihnen überwand. Holger konnte das Bier schmecken, aber ansonsten war da einfach nur Thomas - Thomas, in den er sich bereits als Teenager verknallt hatte und der ihm die Welt und mehr bedeutete.
Langsam löste sich Holger wieder und sah Thomas in die Augen. Seine Hand ließ er langsam über dessen geschwollene Wange streichen, der Dreitagebart nur allzu deutlich unter seinen Fingerkuppen.
„Ich ruf dich nachher noch mal an…“, meinte er nochmals, bevor er sich schließlich umdrehte und zur Tür hinaus verschwand.
+*+
Ein Gähnen unterdrückend hielt Holger seinen Schlüsselchip gegen das Lesefeld um die Tiefgarage an der Säbener Straße zu öffnen. Er hatte die letzte Nacht nicht gut geschlafen. Immer wieder hatte ihn ein und derselbe Alptraum eingeholt. Er brauchte nur nochmals die Augen zu schließen und schon würde er die Bilder wieder sehen - eine kämpfende Meute, alle in schwarz gehüllt, wobei nur ab und zu ein roter oder blauer Schal hervorlugte, und Thomas mittendrin, blutend am Boden liegend, während eine unbekannte Gestalt weiter auf ihn einschlug.
Seufzend fuhr Holger schließlich in die Tiefgarage und stellte sich auf seinen Stammparkplatz. Wie immer war er einer der ersten, die zum Training kamen. Auf dem Weg zum Spielerkomplex musste Holger noch weitere zweimal schwere Türen mit seinem Schlüssel öffnen. Die Sicherheitsmaßnahmen hatten sich seit dem Umbau vor ein paar Jahren verfünffacht. Auch wenn es bis heute noch keine Attacken auf Spieler gegeben hatte, so ging man doch lieber auf Nummer sicher.
Überhaupt hatte sich sehr viel hier beim FC Bayern verändert, seitdem Holger, damals zusammen mit Thomas, hier in der C-Jugend angefangen hatte zu spielen. Zu dieser Zeit waren die Profispieler noch kaum abgeschottet gewesen und oft hatten sie deren Training noch verfolgt, auch wenn sie schon längst fertig gewesen waren für diesen Tag. Holger wusste, dass viele der jungen Nachwuchsspieler von heute es ihnen gerne gleichtun wollen würden, doch ein öffentliches Training hatte es schon seit über zwei Jahren nicht mehr gegeben.
Schließlich oben im ersten Stock angekommen, wo ein ganzer Bereich nur den Spielern und Trainern vorbehalten war, winkte er kurz Philipp und Diego zu, die an dem großen Gemeinschaftstisch saßen und sich unterhielten, bevor er sich in ihrer kleinen Küche einen Kaffee holte und sich anschließend auf die Dachterrasse verzog.
Er wusste, dass er noch genügend Zeit hatte, bevor er sich umziehen musste. Die noch frische morgendliche Märzluft garantierte ihm, dass er hier oben seine Ruhe hatte - er hatte im Moment einfach nicht die Nerven dazu sich mit irgendjemandem über die gestrige Auslosung zu unterhalten.
Die warme Kaffeetasse zwischen den Händen haltend stützte er sich an der Brüstung ab und ließ seinen Blick über das verwaiste Trainingsgelände schweifen, bis sein Blick am Jugendhaus hängen blieb. Ein bitter-süßes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als er an all die Erinnerungen dachte, die er mit diesem Gebäude in Verbindung brachte.
Gut zwei Jahre hatte er dort gewohnt, nachdem ein Fahrtweg von über einer Stunde jeden Tag auf Dauer für seine Eltern einfach zu viel geworden war. Holger wusste noch ganz genau, wie schwer es am Anfang für ihn gewesen war, mit 16 plötzlich von Zuhause weg zu sein. Ohne Thomas hätte er es wohl kaum überstanden. Dieser hatte es eigentlich nie weit nach Hause gehabt und doch hatte er zahlreiche Stunden mit ihm verbracht, um ihm Gesellschaft zu leisten.
Als sie sich damals hier kennengelernt hatten, hatten sie sich von Anfang an gut verstanden. Holger hatte sich einfach wohl gefühlt in seiner Umgebung. Im Nachhinein konnte er gar nicht sagen, wann sie die Grenze zwischen guter Freundschaft und dem bisschen Mehr überschritten hatten.
Holger hatte sich vorher nie großartig Gedanken über seine Sexualität gemacht. Fußball war einfach immer interessanter gewesen als Mädchen - doch dann war da Thomas gewesen, ihr Kuss bei dem Gestrüpp hinter dem Haus und es hatte sich richtig angefühlt. Gar so richtig und so gut, dass er in besagtem Jugendhaus, in seinem Zimmer mit dem Blick über den Haupttrainingsplatz der Profis und dem unterschriebenen Mannschaftsposter an der Wand, seine Unschuld verloren hatte. Selbst heute noch wurde Holger rot im Gesicht, wenn er daran dachte - auch wenn sie inzwischen schon ganz andere Sachen im Bett gemacht hatten.
Vorsichtig nahm er einen Schluck aus seiner Kaffeetasse, während er weiter vor sich hinstarrte. Sie hatten damals alles gehabt, was man sich hätte wünschen können - bis zu dem einen verhängnisvollen Tag im Spätherbst vor ein paar Jahren, als sie bereits in der A-Jugend gewesen waren.
Es war ein normales Ligaspiel gewesen, gegen den VfB Stuttgart vorne im Stadion an der Grünwalder Straße. Alles war ganz gut gelaufen, als aktueller Tabellen-Zweiter hatten sie nach einem frühen Tor durch Thomas bereits 1:0 geführt.
Holger wusste es noch ganz genau: Es war in der 65. Minute gewesen, Eckstoß für sie, nachdem ein Stuttgarter Verteidiger einen weiteren Torschuss nur knapp ins Aus hatte manövrieren können. Er selbst war als Absicherung nur kurz hinter der Mittellinie stehen geblieben, während Thomas sich bereits ein ziemliches Schiebeduell mit seinem Gegenspieler im Stuttgarter Strafraum geliefert hatte.
Dann war alles ganz schnell gegangen. Der gestoßene Eckball, Thomas für einen Kopfball bereit in der Luft, der Torwart abwehrend herausspringend, dessen Knie mit vollem Tempo mit Thomas’ Rücken kollidierend. Die Momente danach waren dann wie in Zeitlupe vergangen.
Holger würde dieses Bild nie vergessen, wie Thomas damals mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden gelegen hatte. Der anwesende Physiotherapeut hatte dann recht schnell den Ernst der Situation erfasst, so dass dieser alles in die Wege geleitet hatte, dass Thomas direkt vom Spielfeld ins Krankenhaus gebracht worden war. Nur kurze Zeit später hatten sie dort die niederschmetternde Diagnose erhalten - angebrochener Wirbel, dauerhafte Nervenschädigung, das Ende von Thomas’ Fußballkarriere im Alter von 17 Jahren.
Was würde Holger nicht alles dafür geben, dass dieser Tag, dieses Spiel, nie passiert wäre. Dann würde Thomas jetzt neben ihm stehen, würde ihm nachher im Training die Bälle um die Ohren hauen, ihn mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht foulen und in der Bundesliga die Torschützenliste anführen. Stattdessen verkaufte er unter der Woche Autos und schlug am Wochenende den Anhängern der Blauen die Schädeldecke ein.
Seufzend beobachtete Holger Hermann Gerland dabei, wie er auf dem Platz unter ihm knallorangefarbene Hütchen aufstellte. Er wusste, dass das ganze Grübeln ja doch nichts bringen würde. Seinen kalt gewordenen Kaffee schüttete er in einen der großen Pflanzenkübel, bevor er sich wieder auf den Weg nach unten machte, wo inzwischen schon fast die ganze Mannschaft anwesend war und sich aufs Training vorbereitete.
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Schwer atmend lag Holger mit geschlossenen Augen da, während er Thomas’ Lippen spürte, die ganz langsam zarte Küsse auf seinem Rücken verteilte. Auf seinem schweißnassen Körper hatte sich eine Gänsehaut ausgebreitet, die sich durch die sanften Berührungen seines Freundes nur noch verstärktet wurde.
Während er in Gedanken in irgendwelchen unbeschreiblichen Sphären schwebte, spürte er kaum, wie sich Thomas schließlich aus ihm zurückzog. Für einen Moment wurde Holger kalt, als Thomas sich von ihm wegdrehte, um das benutzte Kondom abzustreifen und es in einem Taschentuch zu entsorgen. Doch schon einen Augenblick später schloss er ihn wieder in die Arme.
Nicht ein Blatt Papier hätte zwischen sie gepasst, als sie sich in einem langen und leidenschaftlichen Kuss verloren. Holger konnte ein genießendes Seufzen nicht unterdrücken, während Thomas mit seinen Fingern durch seine Haare fuhr. Er wollte gar nicht daran denken, dass in nur zwei Tagen wohl Blut an ihnen kleben würde.
Die Zeit seit der Auslosung war wie im Flug vergangen, doch hatten sie das Thema des Derbys kein einziges Mal angeschnitten. Durch diverse Seiten im Internet wusste Holger jedoch, dass eine große Schlacht für den Tag des Spiels geplant war. Sein Alptraum hatte ihn seitdem jede Nacht von Neuem heimgesucht.
„Hör auf zu grübeln…“, murmelte Thomas plötzlich, seine Lippen nur Millimeter von Holgers Ohr entfernt.
„Tschuldige, aber ich kann einfach nicht anders.“, antwortete Holger und drehte sich leicht von Thomas weg, so dass dieser ihm nicht ins Gesicht sehen konnte. Allerdings half das nicht viel, denn Thomas kannte ihn nach all den Jahren einfach zu gut und traf den Nagel sofort auf den Kopf.
„Du solltest dich auf das Spiel selbst konzentrieren und nicht auf das Rahmenprogramm.“, meinte er mit einem leichten Grinsen, doch als er Holger zu einem weiteren Kuss heranziehen wollte, drehte sich dieser demonstrativ weg und sah ihn schließlich mit ernstem Blick an.
„Ich mach mir halt Sorgen, okay?! Ich weiß, dass du schon ‚auf dich aufpassen wirst’, aber was wenn dir trotzdem was passiert? Und ich red jetzt hier nicht von nem blauen Auge…“
„Holger…“, erwiderte Thomas seufzend, während er sich aufsetzte, doch Holger ließ ihn nicht aussprechen.
„Ich wünschte einfach, du würdest mich nur von der Südkurve aus während dem Spiel supporten und wir könnten danach zusammen nach Hause fahren.“, murmelte Holger leise. Mit traurigem Blick sah er auf seine Hand, die in der von Thomas lag.
„Du weißt ganz genau, dass ich das nicht kann.“
„Ach ja? Und warum nicht? Warum kannst du das alles nicht einfach sein lassen? Früher hat es doch auch gereicht, wenn wir die anderen mit Sprechchören fertig gemacht haben.“, argumentierte Holger, der den flehenden Ton aus seiner Stimme nicht heraushalten konnte, doch Thomas’ Gesicht verfinsterte sich augenblicklich.
„Damals war das auch noch genug… Wenn ich dich erinnern darf, dann waren nicht wir diejenigen, die damit angefangen haben. Wir sind nicht einfach mit 50 Leuten auf drei hilflose Teenager losgegangen… Was hättest du gemacht, wenn deine Kumpels damals umgebracht worden wären - Jungs, die jedes Wochenende direkt neben mir im Stadion gestanden sind? Die wollten auch nur ihren Verein supporten… Irgendwie müssen wir uns doch wehren!“
„Und wie weit soll das noch gehen? Ihr könnt euch doch nicht auf ewig bekriegen.“, meinte Holger verzweifelt.
„Ich weiß es nicht…“, antwortete Thomas schließlich nur nüchtern und wollte Holger wieder in die Arme ziehen, doch dieses Mal ließ er sich nicht drauf ein. Immer wieder hatten sie diese Diskussion geführt und Holger wusste, dass er nur mit dem Kopf gegen die Wand lief, doch nun konnte er die Sache nicht mehr ruhen lassen. Lange genug hatte er sich das mit angesehen, aber allmählich ging im die Kraft aus.
Thomas den Rücken zudrehend setzte er sich auf. „Kannst du mir nicht einmal versprechen dich rauszuhalten? Nur dieses eine Mal?“, fragte er leise, die Augen geschlossen und das Gesicht in den Händen vergraben.
„Es tut mir leid, aber du weißt, dass ich das nicht kann.“, meinte Thomas mit traurigem Ton.
Die Stille, die sich anschließend in dem Zimmer ausbreitete, war schlimmer als all ihre Diskussionen und Streitigkeiten zuvor. Sie saßen beide nur da, ihr jeweiliger Blick weit in irgendeine Ferne gerichtet und mit über einem Meter Abstand zwischen ihnen, von dem keiner auch nur die kleinste Anstalt machte ihn zu überwinden.
„Mir tut es auch leid…“, murmelte Holger nach einer Ewigkeit, während er Thomas’ fragenden Blick im Rücken spürte, doch er drehte sich nicht um, als er aufstand und anfing seine Klamotten zusammenzusuchen, um sich wieder anzuziehen.
„Holger?“, fragte Thomas nur, die nicht ausgesprochenen Gedanken nur allzu deutlich zwischen ihnen in der Luft hängend, doch er hielt ihn nicht auf.
„Pass auf dich auf, bitte…“, meinte Holger noch, während er den Reißverschluss am seiner Jacke nach oben zog, sich schließlich mit einem schmerzerfüllten Blick umdrehte und zur Tür hinaus verschwand.
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Holger konnte noch immer das Adrenalin spüren, das durch seinen Körper gepumpt wurde. Es war als ob Sterne um ihn herumtanzten, während sich irgendwelche Arme um ihn schlangen und ihm jemand lauthals ins Ohr brüllte. Ihre Kabine in der Allianz Arena hatte ein bisschen was von Karneval in Rio. Viele halbnackte Menschen und ein rotes Farbenmeer an durch die Gegend fliegender Trikots. Alles in allem bestand kein Zweifel daran, dass sie den Sieg im Derby zu würdigen wussten.
Immer wieder wurden Wasserflaschen über Bastis Kopf ausgeleert, der mit seinem verwandelten Freistoß für das Siegtor gesorgt hatte und damit das Stadion zum Explodieren gebracht hatte - zumindest die eine Hälfte davon.
Während sie hier drin ordentlich feierten, musste dagegen draußen noch der Fanblock des TSV 1860 warten, bis sie überhaupt das Stadion verlassen durften. Erst wenn alle Anhänger des FC Bayern auf dem Weg nach Hause waren, würden diese von der Polizei zu Tiefgarage und U-Bahn Station geleitet werden.
Man erhoffte sich dadurch die gewalttätigen Auseinandersetzungen in Grenzen zu halten, doch was den meisten nicht klar war, war, dass die Personen, die auf die Schlägerei aus waren, schon längst nicht mehr im Stadion waren. Holger dagegen wusste, dass diese sich bereits vereinzelt während der zweiten Halbzeit davon geschlichen hatten - noch nicht in schwarz gehüllt und ohne vermummtes Gesicht, sondern als normale Fans getarnt, die aus irgendwelchen erfundenen Gründen früher gehen mussten. Auch wenn er nicht mehr mit Thomas gesprochen hatte, seitdem er vor zwei Tagen aus dessen Wohnung gestürmt war, so war Holger sich doch mehr als sicher, dass es sich so abgespielt hatte - und dass Thomas wohl sein Trikot getragen hatte, das er ihm letztes Jahr nach dem gewonnen Pokalfinale geschenkt hatte.
Doch im Moment wollte er einfach nur ihren Sieg genießen, so wie der Rest der Mannschaft auch, und nicht wissen, was gerade an einem kleinen Waldweg am Perlacher Forst vor sich ging. Aber egal wie sehr er sich auch anstrengte, da blieb immer dieses komische Gefühl in der Magengegend, das einfach nicht verschwinden wollte, das er immer hatte, wenn er nach Spielen an Thomas dachte.
Er ließ sich extra viel Zeit unter der Dusche, hoffend, dass das warme Wasser ihm die Anspannung nehmen würde, während andere schon auf dem Weg zu ihren Autos waren, um die Feier in der Bayern-Stammdisko P1 fortzusetzen. Als er schließlich zurück in die Kabine kam, war er einer der letzten, die noch da waren.
Er war gerade dabei seine frischen Klamotten aus der Trainingstasche zu ziehen, als sein Handy zu klingeln anfing. Das komische Gefühl fuhr sofort wieder auf Hochtouren, doch Holger versuchte sich einzureden, dass es bestimmt nur seine Schwester war, die ihm zum gewonnen Spiel gratulieren wollte.
Diese Hoffnung verabschiedete sich aber sofort wieder, als er Marcells Namen auf dem Display las. Seine Hände fingen augenblicklich an zu zittern, was ihm einige Mühe bereitete die Taste zum Abheben zu drücken, bis er es schließlich doch schaffte.
„Ja?“
„Holger, ich bin’s, Marcell.“
„Weiß ich schon… Was ist passiert?“
„Ich… es ist Thomas… Er… er ist im Krankenhaus und ich glaub… es ist am Besten, wenn du so schnell wie möglich herkommst.“
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Nervös tippelte Holger mit den Fingern auf seinen Oberschenkeln herum und starrte irgendeinen Punkt an der Wand an, während Marcell wie ein gefangener Tiger im Wartezimmer des Krankenhauses auf- und ablief. Nach dessen Anruf war Holger wie ein Besessener durch die Stadt gebrettert, Thomas als einziger Gedanke in seinem Kopf.
Im Krankenhaus angekommen war er auf einen völlig aufgelösten Marcell gestoßen, dessen linke Augenbraue eine frische Naht zierte. Noch halb unter Schock stehend hatte er ihm erzählt, dass es anfänglich ein recht ausgeglichener Kampf gewesen sei, bis einige ihnen unbekannte Jugendliche dazugestoßen waren, die dann mit Messern auf sie losgegangen waren. Thomas war einer derjenigen gewesen, die sie erwischt hatten. Marcell konnte ihm nicht sagen, wie schlimm es wirklich war - er hatte nur überall Blut gesehen und Thomas dann so schnell wie möglich ins Krankenhaus gebracht.
Es kam Holger wie eine Ewigkeit vor, bis endlich ein Arzt kam. „Herr Badstuber?“, fragte er in den Raum hinein und sah sich mit suchendem Blick um.
„Ja?“ Holger war sofort aufgesprungen.
„Herr Müller hat nach Ihnen gefragt.“, meinte der Arzt mit einem undefinierbaren Ausdruck auf dem Gesicht, während er Holger etwas abfällig musterte, was diesem auch nicht entging.
„Wie geht es ihm?“, fragte Holger, die Sorge deutlich in seiner Stimme zu hören, den Arzt weiter stur ansehend.
„Herr Müller kann von Glück reden, dass das Messer keine wichtigen Organe getroffen hat. Er hat allerdings sehr viel Blut verloren und er ist noch dementsprechend schwach. Er wird auf jeden Fall noch ein paar Tage hier bleiben müssen.“
„Kann ich ihn jetzt sehen?“ Holger wusste, dass er flehentlich klang, aber die Worte des Arztes hatten ihn nicht wirklich beruhigt - er musste es mit eigenen Augen sehen, wie es Thomas ging.
„Wenn Sie mitkommen möchten, dann bring ich Sie zu ihm.“, meinte der Arzt nur kurz und drehte sich auch schon um. Holger warf Marcell noch einen schnellen Blick zu, der ihm ansatzweise aufmunternd zunickte, bevor er dem Arzt folgte. Auf dem Weg zu Thomas’ Zimmer fiel kein weiteres Wort und an der entsprechenden Tür angekommen wünschte der Arzt ihm noch formal einen schönen Tag - Holger konnte die Ironie des Satzes förmlich im Raum stehen sehen - dann war er auch schon verschwunden.
Einen Moment starrte Holger ihm noch hinterher, bevor er schließlich seufzend der Tür zuwandte und klopfte. Auch wenn er noch keine Antwort von drinnen erhalten hatte, öffnete er vorsichtig die Tür und lugte hinein. Es war ein Zwei-Bett-Zimmer, doch nur eins davon war belegt mit einer leicht kümmerlich aussehenden Gestalt, die ganz klar Thomas war. Er schien zu schlafen, woraufhin Holger leise die Tür schloss und zu ihm hinüberging.
Thomas da so liegen zu sehen, brachte Holger sofort wieder die Bilder von seinem Alptraum vor Augen. Sein Freund war sehr blass, wodurch die diversen blauen Flecken noch mehr hervorstachen. Holger wusste, dass sie alle vom heutigen Tag stammen mussten, doch am meisten erschreckte ihn der breite Verband, der quer über Thomas Bauch gewickelt war.
Geschockt ließ sich Holger auf einem Stuhl neben dem Bett nieder und starrte Thomas einfach nur an. Er konnte das Brennen in seinen Augen spüren, als er daran dachte, wie viel schlimmer das heute hätte ausgehen können. Holger war klar, dass er nicht damit hätte leben können, wenn er Thomas verloren hätte.
Er wusste nicht, wie lange er so dasaß, in Gedanken vertieft, bis er plötzlich merkte, wie Thomas anfing sich zu regen. Einen fürchterlich langen Augenblick später schlug er die Augen auf. Sein Blick fiel sofort auf Holger, woraufhin sich Anzeichen eines Lächelns auf seinem Gesicht zeigten.
„Hey…“, krächzte er, während er mit seiner Hand schwach nach der von Holger griff. Dieser drückte sofort fest zurück.
„Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein…“, meinte Holger mit gedrückter Stimme, bevor er Thomas’ Hand näher zu sich zog und einen Kuss darauf hauchte.
„Tut mir leid.“, murmelte Thomas und sah ihn aus halboffenen Augen an - ein Blick, dem Holger nicht lange standhalten konnte. Stattdessen sah er auf ihre Hände, die eng verschlungen waren.
„Weißt du eigentlich, wie leicht du heute hättest draufgehen können?! Hast du überhaupt eine Ahnung? Und das alles nur wegen irgendwelchen dämlichen Platzhirschkämpfen…“, meinte Holger mit gedrückter Stimme, doch Thomas antwortete nicht drauf. Alles was folgte, war diese unerträgliche Stille, die nur von Thomas’ schwerem Atmen unterbrochen wurde. Unterdessen rasten tausende Gedanken durch Holgers Kopf.
Wie oft hatten sie das schon diskutiert? Wie oft hatte er Thomas seine Ängste gebeichtet, die dieser dann nur als übertriebene Sorge abgestempelt hatte? Wie weit musste es noch gehen, bis sein Freund es endlich einsah? Nicht einmal nach dem heutigen Tag sprach er die Worte aus, auf die Holger hoffte, seitdem Thomas sich zum ersten Mal geschlägert hatte…
„Ich hab ein konkretes Angebot im Sommer nach Hamburg zum HSV zu wechseln.“, sagte Holger dann plötzlich, woraufhin Thomas, der schon wieder kurz vor dem einschlafen gewesen war, ihn geschockt ansah. Er hatte es ihm eigentlich nicht sagen wollen, hatte seinem Berater schon in der Winterpause gesagt, dass es nur einen Verein für ihn gab, nämlich den FC Bayern, doch nun sah er es als einzigen Ausweg.
„Das ist nicht dein Ernst…“, keuchte Thomas geschockt und Holger schimpfte mit sich selbst, dass dieser nun noch blasser aussah als schon vor ein paar Minuten. Aber er wusste, dass, wenn er das hier nun nicht tat, er in der nächsten Saison wohl irgendwann zwischen Champions League und Bundesliga auf Thomas’ Beerdigung gehen würde.
„Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt es anzunehmen, aber du lässt mir keine andere Wahl.“, murmelte Holger leise, wobei er Thomas nicht in die Augen sehen konnte.
„Was soll denn die Scheiße?! Du kannst doch nicht einfach abhauen! Du willst allen Ernstes unseren Verein im Stich lassen, den Verein der uns schon in die Wiege gelegt worden ist?“, konterte Thomas, der sich trotz seines schwachen Zustandes im Bett aufsetzte und Holger böse anfunkelte. „Ich hätte nicht gedacht, dass er dir so wenig bedeutet…“
„Das stimmt nicht! Du weißt ganz genau, wie sehr ich diesen Verein liebe… aber nicht so sehr wie ich dich liebe!“
„Wenn du mich lieben würdest, würdest du nicht mal eine Sekunde lang über dieses Angebot nachdenken. Du hättest es augenblicklich zerknüllt und in den Mülleimer geschmissen!“, meinte Thomas trotzig und sah Holger mit einer Mischung aus Entsetzen und Unglauben an, der es wiederum nur mit einem traurigen Blick erwiderte.
„Ich liebe dich… und genau deshalb muss ich gehen, denn ich kann nicht einfach mit ansehen, wie du bei dem ganzen Scheiß drauf gehst. Denn das wirst du auf kurz oder lang… Und ich werd mir den Teufel tun das mit anzusehen.“ Ohne Thomas auch nur die Chance auf eine Antwort zu geben, stand Holger auf und verließ das Zimmer.
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Für einen Augenblick musste Holger blinzeln, als er aus der Tür ins Freie trat um zu seinem Auto zu gehen. Es herrschte das herrlichste Sommerwetter in Hamburg, wo man eigentlich die meiste Zeit Regen gewöhnt war. Doch selbst der Sonnenschein half nicht wirklich dabei ein Lächeln in Holgers Gesicht zu zaubern.
Die letzten Wochen und Monate waren nicht leicht gewesen für ihn. Nachdem er damals das Krankenhauszimmer von Thomas verlassen hatte, hatte er nicht mehr mit ihm gesprochen, auch wenn ihm das schwerer gefallen war als jemals etwas anderes zuvor. Immer wieder hatte er sich dabei erwischt, wie er dessen Nummer auf dem Handy gewählt hatte oder mit dem Auto auf dem Weg zu dessen Wohnung gewesen war. Aber ihm war klar gewesen, dass das alles keinen Sinn gemacht hätte - er musste diese Art von Schmerz ertragen um sich vor Schlimmerem zu bewahren.
Vor ein paar Wochen war er dann tatsächlich nach Hamburg gewechselt. Für alle war es eine riesen Überraschung gewesen und es war ihm alles andere als leicht gefallen. Schließlich war bis dahin der FC Bayern sein Leben gewesen… Trotz neuem Haus, netten Kollegen und guten Trainingsbedingungen hatte er sich aber bis jetzt noch nicht eingelebt, wobei er nicht wusste, ob er das überhaupt jemals schaffen würde.
Mit einem bitteren Lächeln lief Holger schließlich zu seinem Auto hinüber und machte sich auf den Weg zu seinem neuen Zuhause. Während der Fahrt wanderten seine Gedanken trotz aller Anstrengungen immer wieder zu Thomas - wie es ihm wohl ging, was er machte, ob er sich trotz Sommerpause mit seinen „Jungs“ zum Schlägern traf…
Doch in dem Moment als Holger von der Straße in seine Einfahrt einbiegen wollte, lösten sich all diese Gedanken sofort in Luft auf, denn dort stand er, locker gegen den Torpfosten gelehnt und eine vollgepackte Reisetasche zu seinen Füßen.
Sofort legte Holger eine Vollbremsung hin, wobei es ihm egal war, dass er sich noch immer mitten auf der Straße befand. Für einen langen Moment starrten sie sich einfach nur an, Holger krampfhaft das Lenkrad umklammernd, Thomas mit seinem schiefen Grinsen auf dem Gesicht.
Doch schon einen Augenblick später sprang Holger aus dem Auto, packte Thomas am T-Shirt und zog ihn zu einem sehnsüchtigen Kuss heran. Erst mehrere Sekunden später dämmerte es ihm, dass sie sich noch immer auf dem Gehsteig befanden. Mit hochrotem Kopf löste sich Holger wieder von Thomas und auch wenn es ihm unglaublich schwer fiel, brachte er wenigstens ein paar Zentimeter Abstand zwischen sie, während er Thomas mit fragendem Blick in die Augen sah. Er wollte so viel wissen, aber er brachte kein einziges Wort über die Lippen.
Aber nach wie vor schien Thomas seine Gedanken lesen zu können. „Sorry, dass ich so lange gebraucht habe… Ich habe noch ein paar Arschtritte gebraucht um zu verstehen, dass ich trotz meiner Liebe zum Verein und allem, was damit zu tun hat, nur eine Sache wirklich im Leben brauche. Und dass Rache es nicht Wert ist, das Wichtigste in meinem Leben aufzugeben. Ich kann einfach nicht ohne dich. Ich liebe dich…“
Kaum waren diese Worte zu ihm durchgedrungen, fiel Holger Thomas um den Hals und drückte ihn fest an sich. Dieses Mal war er sich sicher, dass er ihn nicht gehen lassen würde.