Titel: Unterwegs
Fandom: Smallville
Pairing: Clark / Lex
Rating: R (in späteren Kapiteln)
Warning: Spoiler für große Teile von Staffel 3. Insbesondere für 4-Slumber, 8-Shattered, 9-Asylum und hauptsächlich für 19-Memoria
Disclaimer: nicht mein, nicht im Geringsten… im Zweifel gehört alles The CW
Summary: Lex wollte die Wahrheit - doch die schlägt härter zu als erwartet
A/N: Wir haben den ersten Dezember, und ich wünsche allen meinen lieben Freunden hier eine kuschelige und stressfreie Adventszeit! Passenderweise gibt’s in diesem Chap auch mal ein paar heitere Momente… nun, ein wenig. Ob Lex sich Clark öffnet und sagt, was ihn so quält?
Kapitel 4 - Zweiter Tag
Am Morgen war der Himmel noch wolkenverhangen, aber es regnete nicht mehr. Unter der Dusche betrachtete Clark eine Weile die schwarzen Schimmelflecken, dort wo die Wandfliesen auf die Zimmerdecke trafen. Er beschloss, seinem Freund die Schweigsamkeit nicht übel zu nehmen. Offensichtlich hatte Lex hart an irgendetwas zu knabbern. Er würde ihn nicht drängen, sondern warten, bis er soweit war. Und wenn es nicht dazu kam... Nun, dann würden sie nach Hause fahren und so weitermachen wie bisher. Plötzlich fühlte sich das Wasser eiskalt an. Zuhause! Das Wort schlug ein wie eine Bombe. Er hatte seine Eltern vollkommen vergessen. Sie waren sicher schon wahnsinnig vor Sorge. Hastig trocknete er sich ab, stieg in seine Sachen von gestern und rubbelte nur kurz die Haare mit dem Handtuch ab, bis sie nicht mehr trieften, bevor er aus dem Bad stürmte.
Lex saß angezogen auf dem Bett und sah ihn an.
„Lex, meine Eltern! Ich muss ihnen Bescheid sagen!“
Wie zur Antwort warf Lex ihm seine Brieftasche zu. „An der Rezeption gibt es sicherlich ein Telefon. Nimm die Kreditkarte, auch, um das Zimmer zu bezahlen. Ich warte im Wagen.“
Er war schon ein paar Schritte in Richtung Hauptgebäude gegangen, als Lex seinen Namen rief. Clark drehte sich um und fing eine Sekunde später den Schlüssel zu Nummer 27 auf. Natürlich. Daran hatte er nicht gedacht. Er wunderte sich jedoch darüber, dass Lex sein Handy nicht dabei hatte.
An der Rezeption war diesmal eine Kaugummi kauende junge Frau, die desinteressiert die Bezahlung abwickelte. Sie sah ihn kaum an und schien mit ihren Gedanken weit, weit weg. Lediglich als Clark ihr die Kreditkarte überreichte, hob sie die Augenbrauen und blickte ihn misstrauisch an. Clark schenkte ihr ein, wie er hoffte, strahlendes Lächeln und war erleichtert, als sie ohne Fragen die Karte durch die Maschine zog.
„Kann ich hier irgendwo telefonieren?“
„Um die Ecke ist ´n Münzapparat.“
„Okay. Danke. Wiedersehn.“
Zum Glück hatte Lex auch ein paar Münzen in seiner Brieftasche. Clarks schlechtes Gewissen bereitete ihm beinahe Zahnschmerzen, während er die Nummer der Kent-Farm wählte. Es war noch früh, vielleicht hatten sie noch gar nichts gemerkt.
„Ja?“
Es war Martha Kent, die den Anruf entgegennahm, und in diesem einen Wort schwang so viel Angst und Hoffnung gleichzeitig mit, dass Clark sich schuldbewusst auf die Lippen biss. Natürlich hatten sie sein Fehlen längst bemerkt. Es war eine Farm, und seine Eltern standen lange vor den Hühnern auf.
„Wer ist da?“
„Mom?“, sagte er etwas kläglich.
„Clark? Oh Gott, Clark! Endlich! Wo bist du?“
„Mom, bitte beruhig dich. Es ist alles in Ordnung.“
„Was ist passiert? Warum bist du nicht zu Hause?“
Marthas Stimme klang zittrig, aufgelöst, und Clark versuchte, nicht daran zu denken, dass sie geweint haben könnte.
„Bitte Mom, ihr müsst euch nicht sorgen, es geht mir gut. Ich... ich bin mit Lex zusammen.“
„Lex? Wieso? Was hat er damit zu tun? Sag mir endlich, wo du bist!“, flehte seine Mutter.
„Wir sind... wir sind unterwegs.“ Während er es aussprach, bemerkte er selbst, wie ausweichend das klingen musste. Als ob Lex und ich durchbrennen, dachte er hysterisch. Noch seltsamer wäre es indes gewesen, wenn er wahrheitsgemäß gesagt hätte, er habe keine Ahnung, wo er sich befand.
„Clark, was soll das?“, fragte jetzt die scharfe Stimme seines Vaters. „Du kommst auf der Stelle nach Hause!“
„Nein!“ Er hatte nicht aufsässig klingen wollen. „Dad, bitte, hör mir zu. Lex… geht es nicht besonders gut, er braucht meine Hilfe.“
„Lex Luthor ist ein erwachsener Mann. Wenn er krank ist, soll er in ein Krankenhaus gehen und nicht meinen Sohn belästigen.“
„Dad, ich kann nicht...“
„Verdammt Clark, du solltest in diesem Moment in der Schule sein!“
Schule. Noch etwas, an das er nicht im Mindesten gedacht hatte.
„Das geht jetzt nicht. Es tut mir leid, Dad, ich muss das hier tun.“ Clark sprach schnell, damit sein Vater ihn nicht unterbrechen konnte. „Ich wollte euch nur wissen lassen, dass es mir gut geht. Gib Mom einen Kuss von mir. Ich melde mich bald wieder.“
„Clark!“
Schnell unterbrach er das Gespräch. Das war nicht einfach gewesen. Es würde Konsequenzen haben, sobald er wieder zuhause war, das war klar. Hausarrest war wohl das Mindeste, aber darüber konnte er sich Sorgen machen, wenn es soweit war. Jetzt schob er dieses Problem beiseite und wandte sich dem dringlicheren Problem zu: Lex.
Wie angekündigt, saß er wartend im Wagen. Der Schlüssel steckte im Zündschloss. Lex trug die Kleidung vom Vortrag, und Clark nahm bewundernd zur Kenntnis, dass das Outfit makellos war. Die unteren Hosenbeine waren zwar nicht zu sehen, aber alles schien trocken, glatt und ordentlich. Muss an der Qualität liegen, dachte Clark. Sein eigenes T-Shirt war zerknittert, was nicht verwunderte, schließlich hatte er darin geschlafen.
Clark überlegte, wie es jetzt weitergehen sollte. Lex hatte ihm beim Einsteigen ein mattes Lächeln zugeworfen, aber nun sah er wieder abwesend aus dem Fenster. Ganz so wie in der letzten Nacht. Clark seufzte. Was sollte er nur tun?
„Und? Was machen wir jetzt?“ fragte er mit vorgetäuschter Fröhlichkeit.
„Wir fahren.“ Eine Antwort. Nicht mehr, nicht weniger.
„Okay.“ Clark ließ die Zündung an. „Wohin?“
Etwas ließ Clark hoffen, dass Lex nach Hause wollte, dass ihr merkwürdiges Abenteuer ein Ende finden und sie über alles lachen würden, aber alles, was Lex sagte, war: „Weiter.“
Weiter. Das bedeutete, nicht nach Hause. Es war noch nicht zu Ende.
Der Schlaf war anscheinend nicht sonderlich erholsam gewesen. Im Gegensatz zu seinem Anzug sah Lex durchaus mitgenommen aus. Unter seinen Augen waren nach wie vor dunkle Ringe, und er wirkte ausgelaugt. Falls Clark nach dem kleinen Gespräch in der Nacht gehofft hatte, sein Freund würde am Morgen vielleicht endlich mit ihm reden, so wurde er enttäuscht. Lex war verschlossen wie zuvor. Ausdruckslos sah er aus dem Fenster, so starr, dass Clark sich fragte, ob er die vorbeiziehende Landschaft überhaupt wahrnahm.
Nach ungefähr zwei Stunden meldete sich Clarks Magen zu Wort. Normalerweise hätte er um diese Zeit längst sein zweites Frühstück in der Schule hinter sich. Was mochten Chloe und Pete denken? Ob Lana sein Fehlen wohl schon bemerkt hatte?
„Hunger?“
Überrascht wandte Clark den Kopf. Lex sah ihn freundlich und leise lächelnd an. Das war ein gutes Zeichen, oder nicht?
„Ähm, hat man es gehört?“ Etwas beschämt legte er eine Hand auf seinen Bauch, der bekräftigend ein zweites Mal laut grummelte.
Lex folgte der Bewegung mit seinen Augen, bevor er lachte und sagte: „Wir müssen eh bald tanken. Da war vorhin ein Schild, dass es noch zwei Meilen bis zur nächsten Tankstelle sind. Wir sollten bald da sein.“
So war es auch. Lex hatte offenbar sehr genau auf die Umgebung geachtet.
Clark betankte den Wagen und sorgte dafür, dass all die kleinen Kamikaze-Insekten von der Windschutzscheibe verschwanden, während Lex die, wie er es ausdrückte, Nährstoffbeschaffung übernahm. Mit zwei großen, überquellenden Papiertüten im Arm kehrte er auf den Parkplatz zurück.
„Hast du den Shop komplett geplündert?“ erkundigte Clark sich amüsiert, als Lex die braunen Tüten auf dem Kofferraum abstellte.
„Du hast gesagt, du wolltest nichts Bestimmtes. Also hab ich von allem etwas genommen.“
Zuoberst lagen Chips und Schokoladenriegel, was Clarks erwartungsvolle Augen glänzen ließ. Eine nähere Inspektion förderte mehrere eingeschweißte Sandwiches zutage, Kekse, ein Bataillon vakuumverpackter Räucherwürstchen, aber auch ein paar Äpfel und Bananen, Kaugummi, gesalzene Nüsse, Pfefferminzbonbons, Marshmallows, ein Glas Erdnussbutter und noch mehr Kekse. Zudem waren da zwei Flaschen Wasser und, zweifellos für Clark, ein paar Dosen Cola.
Lex beobachtete die Inventur und fragte danach besorgt: „Meinst du, das reicht? Für unterwegs, meine ich. Heute Abend können wir ja noch was Richtiges essen.“
„Machst du Witze, Lex? Davon können wir ein paar Tage leben.“ Zwar nicht gesund, aber es waren ja auch keine Eltern da, die das bemängeln könnten.
„Gut. Gibst du mir bitte das Wasser?“ fragte Lex. Clark reichte es ihm. „Danke. Und eine Zahnbürste. Für dich ist die rote.“
Mit offenem Mund starrte Clark seinen Freund an, der schon eine kleine Tube Zahnpasta in der Hand hielt.
„Was? Zahnpflege ist wichtig, Clark.“
Wenn einer seiner Freunde ihm prophezeit hätte, dass er sich eines schönen Tages gemeinsam mit Lex Luthor auf dem Parkplatz einer Tankstelle irgendwo in der Pampa die Zähne putzen würde, hätte er ernsthaft an der geistigen Gesundheit dieses Freundes gezweifelt. Jetzt fragte Clark sich, was für ein Bild sie wohl abgaben, während er zusah, wie Lex den Mund mit Mineralwasser ausspülte und die Schaumreste ins Gebüsch spuckte. Er tat dasselbe. Dann verstauten sie die Verpflegung und fuhren weiter.
Sandwiches und ein erstaunlich guter Kaffee in Pappbechern dienten als spätes Frühstück während der Fahrt. Für ein improvisiertes Mittagessen stoppten sie an einem verlassenen Parkplatz, und hier geschah es, dass Clark seinen vorlauten Magen verfluchte, dessen Knurren den neuerlichen Boxenstopp angeregt hatte. Er sah sich einem Anblick ausgesetzt, dem er in dieser Form noch nie begegnet war, und so inspirierend der Anblick auch sein mochte, in diesem Moment hätte er lieber darauf verzichtet.
Es handelte sich um Lex, der ein Würstchen verspeiste.
Im Grunde war es ein simpler Vorgang: Einfach ein Mann, der Senf auf ein Räucherwürstchen schmierte. Abbiss. Kaute. Schluckte. Fertig. Clark sah hingegen etwas völlig anderes. Er sah einen Mann, der ein langes Stück Fleisch in ein Glas mit scharfem Senf tunkte, es dann langsam zwischen seine Lippen schob und zunächst genüsslich den dicken, gelben Saft ableckte - dabei wölbte er seinen Mund vor, und seine Wangen wirkten hohler -, bevor er die Eintunk-Prozedur wiederholte und diesmal die Spitze abbiss. Beim Kauen arbeiteten seine Kiefernmuskeln auf eine faszinierende Weise, und als er schluckte, hüpfte der Adamsapfel rauf und wieder runter. Anschließend leckte er sich die Lippen. Alles andere als ein simpler Vorgang.
Mit der Wahrnehmung ist es so eine Sache. Oft sind die Dinge nicht, wie sie scheinen. Wahrnehmung ist hochgradig individuell. Zudem interessanterweise manchmal selektiv. Nimmt einen etwas sehr in Anspruch, so kann es sein, dass andere Sinneseindrücke zugunsten dieses Etwas ausgeschaltet werden. Das ist bei Kryptoniern nicht anders als bei Menschen.
„Hörst du, was ich sage, Clark?“
Der typische Erde-an-Clark-Tonfall, den Chloe oft und gern gebrauchte. Jetzt war es Lex’ Stimme.
Ups.
„Huh. Ah... ja... was?“ Blinzelnd versuchte Clark, einen völlig normalen, unverkrampften Eindruck zu machen. Und scheiterte kläglich.
„Ich habe dich eben gefragt, ob du keinen Hunger hast. Zweimal. Du wirkst irgendwie abwesend. Oder schmeckt’s dir nicht?“
„Oh. Doch doch.“
Zum Beweis biss Clark hastig in sein eigenes, bisher vernachlässigtes, Würstchen. Es war gar nicht gut, dass Lex so aussah, als hätte er soeben als einziger einen Witz verstanden.
„Hier. Der Senf ist bemerkenswert gut.“
Lex reichte ihm das Glas mit dem gelblichen Aufstrich, und während Clark äußerlich seine ganze Aufmerksamkeit dem Vorgang des Essens widmete, legte er innerlich seine schmutzige Phantasie in Ketten. Nicht ohne das Bild von Lex und der Wurst für eventuellen späteren Gebrauch auf der Festplatte seines Hirns zu speichern. Solange er selbst aß, hatte er ein Mantra, das er stetig wiederholte. Nicht. Jetzt. Nicht. Jetzt. Nicht. Jetzt. Nicht.
„Hey Clark, gibst du mir noch einen von den Schokokeksen?“
„Klar.“
Während Lex umständlich und unglaublich langsam zwei Kekse aß, verwickelte er Clark in eine ausgedehnte Diskussion über Gebäck im Allgemeinen und Zartbitterschokoladenkekse im Besonderen.
Lex war ein wandelndes Rätsel. In der einen Minute stumm und abweisend, in der nächsten palaverte er munter drauflos, als seien sie auf einem gemütlichen Wochenendtrip. Clark fragte sich, ob er auch noch anfangen würde, über das Wetter zu plaudern. Die Vorstellung war irgendwie surreal. Die Absurdität der ganzen Situation führte dazu, dass Clarks Emotionen Karussell fuhren, und zwar nicht die gemütliche Kinderversion mit Pferden und Polizeiautos, sondern High-Speed-Achterbahn. Mal war er die Ruhe selbst und sagte sich, solange er für Lex da war, würde schon irgendwie alles gut werden, dann wieder fühlte er sich überfordert und hatte Angst, etwas falsch zu machen. Mal nervte ihn Lex’ Verhalten, so dass er ihn am liebsten packen und Antworten aus ihm herausschütteln würde, dann wieder empfand er eine fast schon erschreckende Zuneigung zu dem jungen Milliardär. Lex war sein Freund, aber er löste Gefühle in Clark aus, wie es keiner seiner anderen Freunde je getan hatte. Inklusive Lana. Gut, die Sache mit dem Würstchen war allein Clarks Schuld gewesen. Subjektive Wahrnehmung kombiniert mit der wilden Phantasie eines Teenagers. Lex konnte schließlich nichts dafür, dass er... dass er so ist, wie er ist, beendete Clark den Gedanken, bevor er zu weit führte.
~ ~ o ~ ~
Inzwischen waren sie wieder unterwegs - weiß Gott wohin - und Lex war zu seiner üblichen Routine übergegangen. Schweigendes Brüten. Über lange, lange Meilen hinweg. Erneut begann die Stille schwer an Clarks Geduld zu nagen. Er gewann den Eindruck, es führte zu nichts, wenn sie nur fuhren und nichts taten. Was versprach sich Lex nur davon? Irgendetwas musste er doch vorhaben...
Nach einer Weile wagte Clark einen Vorstoß. „Lex, was diese Träume angeht...“
„Ich will nicht darüber reden.“ Der Tonfall eines trotzigen Kindes wurde durch einen Hauch Bedrohung gefärbt.
„Aber vielleicht würde es dir helfen zu reden“, beharrte Clark, entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen.
Die einzige Antwort, die er bekam, war ein leises Schnauben, dann drehte Lex sich zur Seite und schloss seine Augen, eine demonstrative Art zu sagen „Lass mich in Ruhe.“ Es tat Clark weh, so ausgeschlossen zu werden, obwohl er sich vorgenommen hatte, Lex soviel Zeit zu lassen, wie er benötigte. Die guten Vorsätze waren ja da, aber… Clark konnte nicht verhindern, dass eben diese Vorsätze laut ihre eigenen Bedenken anmeldeten. Warum hatte sich Lex überhaupt an ihn gewandt, wenn er jedes Angebot, zu helfen, abschmetterte? War das noch logisch?
Smalltalk war nie ein Thema zwischen ihnen gewesen. Das hatte Clark immer besonders an ihrer Freundschaft geschätzt. Es bedeutete nicht, dass sie pausenlos tiefschürfende Diskussionen führten, sondern vielmehr, dass sie auch miteinander schweigen konnten, ohne dass es unangenehm wurde.
Jetzt war es genau umgekehrt. Die Stille lastete laut und unbequem auf Clarks Gemüt, und alles, worüber Lex zwischendurch zu reden bereit war, waren Banalitäten.
tbc.