Titel: A****loch
Challenge: August-Karte 1, Shit happens (für mich)
und: „Arrogantes Arschloch ist keine Beleidigung, das ist eine unwiderlegbare Tatsache“ (by
azra85)
Fandom: Original (Our Own World)
Charaktere: Sabine, Natalie
Wörter: ~1300
Anmerkungen: Vermutlich wird es eh keiner merken, aber ich weise trotzdem mal darauf hin, dass die Ähnlichkeit des Settings zu meiner Heimatstadt Münster... nicht wirklich beabsichtigt sind. o_o; Das universiäre System weist auch ein paar Ähnlichkeiten auf, aber mehr ists auch nicht. Ägyptologie hat die Uni Münster nämlich abgeschafft *hust* und Instituts-und Raumverteilungen sind allein meiner Fantasie entsprungen. Sehts als eine recht spezielle Form mein Heimweh überwinden und meine Liebe zu dieser kleinen, etwas spießigen aber doch sehr charmanten Stadt auszudrücken. Schließlich bin ich im tiefsten Herzen doch eine echte Münsterländerin. ♥
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Der Weg in die Innenstadt war zwar nicht weit, aber dafür umso nasser. Der Regen hatte nochmal an Intensität zugenommen, wovon Sabine bisher angenommen hatte, dass es unmöglich war. Aber jetzt saß sie nicht mehr auf ihrem Fahrrad, sondern konnte gemütlich neben Natalie unter dem übergroßen Regenschirm mit Hello Kitty-Muster die trotz allem recht belebte Straße entlangspazieren. Natürlich. Regen war etwas, was man in dieser Stadt kannte und wer es eine gewisse Zeit hier ausgehalten hatte, der ließ sich von Nass von oben nicht drinnen einsperren - sonst würde man nie die Nase aus dem Haus herausstecken.
Hin und wieder wurden sie begeistert angefiept (oder eher der Regenschirm), andere grinsten nur in sich hinein. Ja, Sabine wusste, warum sie diesen Schirm bestellt hatte: Er brachte andere zum Lächeln und ihre Laune hob sich auch immer wieder, wenn sie ihn aufspannte. Vermutlich lachten einige eher über sie, aber hey. Sie war da tolerant.
Weniger tolerant fühlte sie sich langsam Natalie gegenüber, die noch immer ihre Zigaretten als Geisel hielt. Und bisher hatte sie sich immer taub gestellt, wenn Sabine danach gefragt hatte. Wenn das noch lange so ging...
„Oh... nein...“, murmelte Natalie plötzlich und blieb so abrupt stehen, dass Sabine einen Schritt in den strömenden hinausmachte und dort erstmal verblüfft stehen blieb. „Was ist los?“
„Noch nichts... aber gleich. Der Penner leitet eins der Chinesisch-Tutorien.“ Natalie deutete auf eine Gruppe teils unter Regenmänteln- und capes, teils unter Regenschirmen halb verschwundenden Studenten, die sich außerhalb des Gebäudes, das sich Sinologie, Japanologie, die Ägytologie und Religionswissenschaft teilten.
„Na und?“ Sabine verstand das Problem immer noch nicht und noch weniger wusste sie, wen dieser durcheinandergewürftelten Truppe Natalie meinte. Sie kam nicht sehr oft bei diesen Orchideenfächern vorbei und fand es hin und wieder recht lustig, dass sie mit schöner Regelmäßigkeit jemanden entdeckte, der total dem Klischee entsprach. Diesmal entdeckte sie auch einen: ausgelatschte Schuhe, eine weite, etwas löchrige Stoffhose und ein etwas ausgebeultes Regencape. Vervollständigt wurde der kuriose Anblick von langen Dreads, die dem jungen Mann teils tropfend ins Gesicht hingen, teils unter dem Regencape den halben Rücken hinunterhingen. Umso verblüffter war sie, als Natalies anklagender Zeigefinger auf genau dieses Exemplar deutete. „Der da! Jochen Rothschildt. Einer der Doktoranden und glaubt, er hätte die Weisheit Chinas mit Löffeln gefressen! Ich kann dieses arrogante Arschloch einfach nicht ausstehen!“
„Heyhey, keine Beleidigungen außerhalb des Semesters“, hörte Sabine rechts von sich eine amüsierte Stimme mit recht starkem, chinesischen Akzent (Sie erkannte ihn nur, weil Markus' Mutter fast genauso klang). Sabine zog eine Schnute. „Das ist keine Beleidigung, das ist eine unwiderlegbare Tatsache, Herr Chan. Sabine, das ist der beste Chinesischlehrer, den unser Institut zu bieten hat.“
„Ich bin ja auch der Einzige.“ Er klang wirklich, wie eine männliche Version von Frau Lehmann, stellte Sabine fest.
„Schleimerei total durchschaut...“, grinste sie, als sie merkte, dass dieser Dozent wohl zu der humorvollen Sorte gehörte. Herr Chan lächelte. „Sie ist nicht die erste, die versucht, ihre Note damit zu verbessern.“
„Als ob ich das nötig hätte...“
„An Ihrem Hörverständnis sollten Sie aber noch ein wenig arbeiten, die Pinyin waren in der Klausur nicht so gut.“
Sabine beschloss, dass sie genauso gut das 'arrogante Arschloch' näher in Augenschein nehmen konnte, offenbar ging es jetzt im wahrsten Sinne des Wortes eher um Fachchinesisch. Eigentlich wirkte dieser Jochen sehr locker, aber Sabine beschimpfte normalerweise nicht ohne Grund jemanden dermaßen. Allerdings waren sie noch zu weit weg, um eventuelle Macken auch als Außenstehender zu erkennen. Vielleicht war er auch einfach nur schlechter Lehrer.
„Ich übe ja schon jeden Tag... aber ich höre den Unterschied zwischen dem zweiten und dritten Ton einfach so schwer raus. Markus hält mich da auch schon für einen hoffnungslosen Fall. Hats denn trotzdem fürs Bestehen gereicht?“
„Schicken Sie Herr Lehmann mal bei mir vorbei, ich habe ein paar Textbücher aus China mitgebracht, die ihn interessieren könnten.“
„Er ist noch bei seinen Eltern, aber wenn er wiederkommt, richte ich es ihm aus. Meine Klausur...?“ Natalis Stimme nahm einen fast schmeichelnden Ton an. Und ein wenig flehend.
Eine Weile antwortete Herr Chan nicht und Sabine hörte fast nur das Prasseln des Regens auf den Regenschirmen und dem Kopfsteinplaster der Straße. Autos fuhren hier nur selten vorbei nur einmal erwischte ein armer Radfahrer zielgenau eine Pfütze und saute sich vermutlich endgültig zu.
„Ich kann Sie bestehen lassen. Die Übersetzung war passabel, auch wenn Sie es eigentlich besser können. Das Hörverständnis war aber wirklich... mangelhaft. In vier Wochen wäre die Nachklausur.“
„Das ist schon mitten im Semester...“ Natalie klang wenig begeistert.
„Es ist nur ein Angebot, wenn Sie ihre Note aufbessern wollen. Ich habe die Mails an die, die definitiv durchgefallen sind, schon rausgeschickt. Neben Ihnen stehen zwei andere auf der Kippe, also auf einer vier. Das ist wirklich keine gute Note...“
„Und daher gehen Sie uns noch eine Chance, wenn wir wollen.“
„Das Institut ist klein genug, um das machen zu können.“
Dem konnte Sabine in Gedanken nur zustimmen. Würde sie irgendwo eine vier kassieren, würde die stehen bleiben, egal wie sehr es ihren Schnitt runterriss. Sie sah Natalie an, die nachdenklich auf ihrer Unterlippe herumkaute. „Glauben Sie, dass ich meine Note noch verbessern kann?“
„Wenn Sie lernen, natürlich. Sonst würde ich Ihnen die Chance nicht einräumen. Wissen Sie was, kommen Sie morgen nachmittag in meine Sprechstunde, dann besprechen wir das in Ruhe.“
Vermutlich waren seine Schuhe inzwischen genauso durchgeweicht wie Sabines. Sie sah hinunter und stellte fest, dass er zu dunklen (oder nassen) Jeans einfach nur schwarze Sportschuhe trug. Die waren eindeutig nicht wasserdicht.
„In Ordnung. Da ist es auch trockener und wärmer als hier.“ Natalies gute Laune kehrte zurück und endlich, endlich verabschiedeten sie sich.
Als sie außer Hörweite waren, fragte Sabine vorsichtig: „Und? Hast du... mit sowas gerechnet?“
Zu ihrer Überraschung lachte Natalie. „Ich hab fest damit gerechnet, durchzufallen. Die Pinyin liegen mir einfach nicht und bei der Übersetzung hab ich offenbar auch nur Mist gebaut. Es war einfach nicht mein Tag. Aber mit dem Kurs hab ich das moderne Chinesisch hinter mir, dann kommen nur noch Lektürekurse und noch eine Runde klassisches Chinesisch. Ich werd wohl nachschreiben, eine vier ist wirklich nichts, was ich in der Endnote mit drinhaben will. Die Sprachkurse werden dummerweise recht hoch gewertet, kein Wunder.“ Sie verdrehte die Augen.
„Also ist das Angebot gut?“, hakte sie nochmal nach.
„Es ist super! Vor allem, weil es mehr Arbeit für ihn ist. Das macht nicht jeder.“
„Okay... und woher kennt er Markus?“
„Huh?“ Kurz schien Natalie nicht zu wissen, wovon Sabine eigentlich redete. „Von der letzten Sinologenparty. Markus und Verena sind da doch mitgekommen und er und Herr Chan sind irgendwie ins Gespräch gekommen. Und da Markus später ja auch Chinesisch unterrichten will...“ Sie hob die Schultern. „Es bot sich wohl an.“ Dann hüpfte sie gut gelaunt über eine große Pfütze und Sabine stand wieder mal im Regen. „Was solls, Shit happens. Markus lernt wohl mit mir und morgen krieg ich raus, wo ich total gefailt habe. Und dann muss ich den Penner da drüben“, sie machte eine rüde Geste in Jochens Richtung, „nie wieder in einem Kurs sehen.“
„Was hat es eigentlich mit dem jetzt auf sich?“ Langsam wollte sie es wirklich wissen und vor allem wollte sie wieder ins Trockene. Jetzt hakte sie sich einfach bei Natalie unter, damit sie nicht so ohne weiteres mehr getrennt werden konnten.
„Er ist ein arrogantes Arschloch!“
„Das sagtest du schon.“
„Später. Vorher brauch ich irgendwie mit Alkohol. Oder Zucker. Am besten beides.“
Sabine ahnte, dass sie Natalie dann nochmal daran erinnern musste. „Gibst du mir mal meine Zigaretten?“, fragte sie aber erstmal beiläufig und siehe da: Ohne weitere Umstände hatte sie ihre Packung wieder und konnte endlich eine rauchen. Erst mit einer Verspätung von einigen Sekunden breitete sich betroffenes Verstehen auf Natalies Gesicht aus: „Fuck!“
„Tja, Shit happens, um es mit deinen Worten auszudrücken. Danke fürs Aufbewahren.“ Sie grinste und steckte die Packung weg.