Challenge: Farben (als Joker für die Juli-Karte 1, für mich)
Team: Joplin
Fandom: Original.
Genre: Kunstmärchen? Erfundene Mythologie? Eins von beidem.
Warnungen: Nichts - außer die übliche ungebetate Fassung des Textes :)
Anmerkung: Das ist eigentlich auch der Remix einer Geschichte, die ich vor ~3Jahren geschrieben, aber dann verloren habe. (Irgendwann lerne ich es, Backups von sowas zu machen....)
Damals war sie inspiriert von dem Lied
Sabrina der Einstürzenden Neubauten. Bei der Challenge konnte ich nicht anders, als mich daran erinnern - und habe mich prompt so sehr über den Verlust geärgert, dass ich sie neu schreiben musste :D
Als die Welt noch jung war, zu jung um sich heute an jene Zeit zu erinnern, träumte eine mächtige Zauberin sich eine Tochter; Ein fragiles Ding mit Haut wie Papier und Augen aus Gold.
Das Reich ihrer Mutter kannte weder Nacht noch Schlaf, weder Dämmerung noch Dunkelheit, und so kannte auch das Mädchen weder Dämmerung noch Dunkelheit, kannte keinen Schlaf und keine Nacht, hatte nie den Mond gesehen oder die Sterne. Wie es so ist, mit Dingen die man nicht kennt, vermisste das Mädchen weder das eine noch das andere, fehlte ihr nichts in ihrer ewig wachen, hellen Welt, die ganz und vollkommen war wie sie war.
In dem goldenen Palast ihrer Mutter wuchs sie heran, spielte hinter lichten Fenstern, spielte im Thronsaal der Mutter, spielte in ihrem Garten, der von zwölf goldenen Mauern umringt war. Mit jedem Jahr, das das Mädchen älter wurde erlaubte ihre Mutter ihr ein weiteres Tor zu öffnen, eine weiter der Mauern hinter sich zu lassen, bis sie schließlich, als sie zwölf Jahre alt war, den ganzen Garten für sich gewonnen hatte.
An ihrem dreizehnten Geburtstag rief die Zauberin ihre Tochter in ihren Thronsaal, wo auf einem goldenen Tisch drei Geschenke lagen.
„Du sollst hinaus ziehen“, sagte die Mutter „in die Welt, und alles mit Farbe versehen, dass es so prachtvoll wird wie unser Garten.“
Sie hob das erste Geschenk von dem Tisch - ein Schlüssel - und reichte es ihrer Tochter.
„Dieser Schlüssel öffnet die zwölfte Tür, die hinaus führt in unser Reich.“
Sie hob das zweite Geschenk von dem Tisch - ein Pinsel, so weiß und leuchten wie das Licht selbst - und reichte es ihrer Tochter.
„Mit diesem Pinsel kannst du jedem Ding die Farbe schenken, die es verdient..“
Sie hob das dritte Geschenk von dem Tisch - ein goldenes Tintenfass - und reichte es ihrer Tochter.
„Dieses Tintenfass wird niemals leer, wird immer voll bleiben solange du es brauchst. Es hält alle Farben in sich, die du dir wünschst, und wünschen kannst du dir alle. Vom höchsten Violett zum tiefsten Rot, sind alle Farben deine.“
Die Tochter nahm ihre Geschenke, und wollte schon gehen, da hielt ihre Mutter sie an.
„Was du auch tust, entferne dich niemals so weit von unserem Reich, dass du es aus den Augen verlierst!“
Die Tochter zog also hinaus, die drei Geschenke an ihrem Gürtel befestigt. Ihre Schritte waren leicht und von Neugierde und jugendlichem Übermut getrieben, ihre Augen groß und offen und weit erstaunt, wie farblos doch die Welt hier draußen war.
Sie wanderte eine Weile, das Reich ihrer Mutter hoch oben auf seinem Berg in ihrem Rücken, da entdeckte sie eine Blume am Wegesrand, die traurig und blass ihren Kopf hängen ließ.
„Dir will ich ein schönes violett geben geben“, sagte das Mädchen. Sie tauchte den lichten Pinsel in das goldene Tintenfass und ließ seine Spitze ganz sanft die Blütenblätter der Blume streicheln.
Sofort erstrahlten sie im schönsten violett.
„Und deine Stängel, deine Blätter verdienen ein kräftiges grün.“
Wieder tauchte sie den Pinsel in das Tintenfass, und dieses mal trugen seine Borsten tiefes, dunkles, lebendig pochendes Grün.
Doch nun sahen die Wiese, die Bäume und Sträucher um die Blume herum noch farbloser aus als zuvor und das Mädchen bekam Mitleid. Den Pinsel schwingend wanderte sie querfeld ein, schenkte den Gräsern ein tiefes Grün, den Baumstämmen ein warmes Braun, den Rotkehlchen malte sie rote Flecken auf die Brust und den Schmetterlingen bunte Muster auf die Flügel.
Sie wanderte und malte, malte und wanderte und als sie sich schließlich umsah um zu sehen, wie weit sie von zuhause fort gelaufen war, da war das Reich ihrer Mutter nur noch ein fernes Licht am Horizont.
„Ich sollte wohl umkehren“, dachte das Mädchen sich, und wollte schon den Heimweg einschlagen, da fielen ihre Augen auf eine Gestalt, die in der Ferne und in einem Feld stand, das nicht wirklich farblos war, doch auch nicht farbenfroh. Es war ganz anders als alles, was das Mädchen kannte, dunkel und geheimnisvoll, und nur mit einem schimmer bläulich grauem Silber an den Spitzen der Grashalme.
Die Gestalt, die in dem Feld stand, hatte das Mädchen wohl auch entdeckt, denn jetzt winkte sie und bewegte sich langsam, immer wieder einen prüfenden Blick über die Schulter werfend, auf das Mädchen zu. Und obwolh das Mädchen wußte, dass sie die Grenze des Reiches ihrer Mutter erreicht hatte, dass sie hier keinen Schritt mehr tuen durfte, tat sie es der Gestalt gleich, warf immer wieder einen Blick über ihre eigene Schulter, ob sie wohl noch die Spitzen des mütterlichen Palastes erspähen konnte, und ging so weit bis nur noch die Zier des höchsten Turms über den Horizont ragte.
Hier blieb sie stehen, die fremde Gestalt bloß einen Schritt von ihre entfernt.
Hätte die Tochter der Zauberin gewußt, dass sie ein Mädchen und ihre Mutter eine Frau war, dass es andere Wesen gibt die ganz ähnlich sind wie sie und doch anders, die man Jungen und wenn sie erst einmal groß sind Männer nennt, dann hätte die Tochter der Zauberin gewußt, dass sie da einen Jungen vor sich hatte.
Doch sie wußte es nicht, wußte nur, dass er wunderschön war, mit seinen Augen wie trübes Silber, und seiner Haut, so dunkel dass das Mädchen nicht wußte, ob sie überhaupt da war.
Der Junge und das Mädchen lächelten sich an, wie sie noch nie gelächelt hatten, denn bisher kannte sie nur ihre Mutter, kannte er nur seinen Vater den es anzulächeln gab, und den auf diese Weise anzulächeln ihm, die auf diese Weise anzulächeln ihr, niemals in den Sinn gekommen wäre.
So standen sie lange, und schließlich griff das Mädchen an ihren Gürtel und löste das goldene Tintenfass, löste den lichten Pinsel.
„Dir will ich das Rot meines Herzens schenken“, sagte sie zu der fremden Gestalt und tauchte den Pinsel tief in das Tintenfass, streckte ihn aus, bis seine Haare die Brust des Jungen berührten, ein tiefes, leuchtendes Rot sich ausbreitete, über ihn und seinen Körper, von ihm herab perlte und auf die Erde zu seinen Füßen, den schrittbreiten Streifen, der zwischen ihnen lag, in tiefes, leuchtendes Rot tauchte.
Der Junge lächelte traurig, als er das Rot des Mädchens nicht an ihm haften wollte.
Von seinem eigenen Gürtel löste er ein eigenes Tintenfass, das silbern war, löste einen eigenen Pinsel, der dunkel war. Er sagte nichts, er tunkte nur die Pinselspitze in die Tinte, streckte seinen Arm aus und ließ die Borsten sachte über die Schulter des Mädchens streifen.
Ein tiefes, dunkles, Nachtblau floss über ihren Arm, über ihren Körper, fand nirgends Halt und mischte sich ganz bald mit dem Rot, das zwischen ihnen den Boden tränkte.
Traurig streclte das Mädchen ihre Hand aus. Wenn sie ihm schon keine Farbe schenken konnte, so wollte sie ihn wenigstens berühren, den schönen Unbekannten. Das Reich ihrer Mutter vergessend tat sie einen Schritt. Da vergaß auch der Junge das Reich seines Vaters, vergaß dessen Warnung, und folgte ihrem Beispiel. Sie trafen sich, knietief im Rot und Blau und Violett stehend, auf dem kleinen streifen Wirklichkeit der weder ihrer Mutter noch seinem Vater gehören konnte, und wie ihre Hände einander fanden verloren sie sich. Verlor er sich im Licht ihrer Gestalt und sie sich in seiner Dunkelheit.