Glitzer und Plastik

Mar 30, 2009 13:48

Fandom: Original (Wer sich an die Geschichte mit dem japanische Idol und seinem Manager erinnern kann: Genau das isses)
Challenge: # 1 Aufzuwachen ohne zu wissen, wo man sich gerade befand, war immer als negative Tatsache zu werten
Personen: Kentarô, das Starlet und sein unberühmter Freund Kikutake Mamoru, dem das ganze nicht ganz koscher ist
Warnung: nicht Korrektur gelesen, aus Zeitmangel. Sorry ._.

And we kiss each other one more time
And sing this lie that's halfway mine
The sword is slicing through the question
So I won't be fooled by his angel light
[Flyleaf]

Aufzuwachen ohne zu wissen, wo man sich gerade befand, war immer als negative Tatsache zu werten. Das hatte ich damals schon auf der Polizeistation herausgefunden, als ich total verkatert in der Ausnüchterungszelle erwacht war und alle zwei Sekunden den Bieratem eines Bürohengstes nahe des Pensionsalters ins Gesicht gepustet bekommen hatte. Er hatte seine Micky-Maus- Krawatte um den Kopf gebunden und geschlummert wie ein Baby, ein großes, versoffenes Baby.

Man konnte also sagen, dass ich es quasi hasste, nicht zu Hause aufzuwachen, weil ich zu der Sorte Mensch gehörte, die beim Aufwachen immer desorientiert wie ein enthauptetes Hühnchen hin und herzuschauen begann und im Kopf verkrampft durchging, wohin zum Teufel ich noch mal gegangen war, bevor ich mich schlafen gelegt hatte. Natürlich sahen sich enthauptete Hühnchen nicht mehr um, aber ich fühlte mich trotzdem wie eines.

Erst als ich mich im Halbdunkeln des Zeltes aufsetzte und Kentarô ein bisschen Plane beiseite schlug um hereinzukommen und dabei fürchterlich helles Licht ins Innere fallen ließ, wusste ich wieder, wo ich mich befand.

„So früh schon beim Drehen?“, murmelte ich und blinzelte gegen die Verwirrung meiner Augen an, die dem schnellen Wechsel zwischen dunkel, hell und wieder dunkel nicht gewachsen waren. Daher fühlte ich den warmen Becher auch erst bevor ich sah, dass Kentarô ihn mir in die Hand drückte. Es roch nach Kaffee und nach Wald und Wasser.
„Wer früh aufsteht, schafft mehr. Oder so ähnlich.“, entgegnete Kentarô, aber er klang erschöpft.

Ich setzte mich auf und klopfte verschlafen auf die noch warme Seite neben mir um ihm zu bedeuten, dass er sich setzen solle.
Erst dann sah ich den Monsterverband um seinen Kopf.
„Nicht dein Ernst.“
„Was? Ach das...“
Er grinste verlegen.
„Das sieht wirklich schlimmer aus als es ist. Nur eine kleine Beule und eine Blutung, aber der Doktor scheint auf Turbane zu stehen.“
„Wie ist denn das passiert?“
Ich nippte am Kaffee ohne wegzusehen und verbrannte mir die Zunge.

„Ach, wir sind vorhin durch den Wald und ich bin nur ausgerutscht und einen kleinen Abhang hinunter.“
„Einen Abhang?“, wiederholte ich tonlos.
„Ja, na ja, es war ein selten benutzter Wanderweg und die Befestigung ist nicht mehr die Beste.“
„Nach dem ganzen Regen scheuchen sie euch da lang?“
„Wetter kann halt manchmal nicht berücksichtig werden.“
Er zuckte mit den Schultern.
„Ich hatte schon ganz andere Sachen.“
Wahrscheinlich sollte es professionell klingen, aber bei mir kam eher der Ton eines Greises an, der über seine Jugend sinnierte.

„Aber bei dem aufgeweichten Boden...“ Ich hielt kurz inne.
„Es hätte auch nicht so glimpflich ausgehen können.“
Kentarô nahm mir den Becher ab und nippte am Kaffee. Offensichtlich verbrannte er sich ebenso die Zunge, denn er zuckt zurück und zischte tonlos ins Halbdunkel hinein.
„Hattet ihr wenigstens so eine Art Experten dabei? Einen erfahrenen Menschen?“
„Nö.“
Er ließ gedankenversunken die Zungenspitze aus dem Mund hängen, als ob sie das abkühlen würde.
„Aber es war nicht schlimm, ehrlich. Außerdem bin auch nur ich abgerutscht, den anderen ist nichts passiert.“
„Wie das?“
„Ich bin ganz vorne gelaufen. Mist, das Zeug hier ist wirklich heiß...“

Er drückte mir vorsichtig wieder den Becher in die Hand und betastete seinen Kopfverband.
Seine Haare waren lehmig, seine Schuhe dreckverschmiert.
„Vielleicht wär es besser, wenn du das ganze abbrichst.“, sagte ich in die Stille hinein.
„Hä?“
Okay, das war ein „Hä“, wie man es von ihm im Fernsehen bekam, langgezogen und sinnfreier als normale „Häs“. Und ich übertreibe damit nicht, man kann so etwas hören.

„Gibt dir das nicht auch zu denken?“, begann ich hastig.
„Letzte Woche diese Aktion mit dem ach so Unbekannten, der dich im Gedränge eine Treppe runterschubst, die Woche davor die Stichflamme an deinem Herd und die plötzlich defekte Gasleitung und nun das.“
Er schaute mich blinzelnd an.
„Wenn ich´s nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass irgendwer versucht, dich um die Ecke zu bringen.“
Er lachte kurz und derb;
„Das sagt der Richtige.“

Okay, er spielte schon wieder auf die Sache an.
„Fang nicht schon wieder damit an.“, blaffte ich.
„Die Sache mit dem Fonduespieß tut mir Leid, das habe ich dir aber schon tausendmal gesagt. Aber das hier ist seltsam. Vielleicht solltest du dir ein paar Tage frei nehmen und...“
Ja, was und? Wenn es wirklich ein Problem gab, würde das wahrscheinlich auch nicht helfen.
„Kikutake, lass mich dir eines sagen.“
Oha, wieso waren wir plötzlich wieder beim Nachnamen angekommen?

„Du hast keine Ahnung von diesen Dingen hier. Ich habe Verpflichtungen, okay? Ich kann nicht mal eben „frei nehmen“, nur weil du Verschwörungstheorien so magst. Das hier ist das Showbiz.“

Um Himmels Willen, hatte er das gerade wirklich gesagt?
Wieder einmal hatte ich das Gefühl, in einem Film zu stecken und der heimliche Geliebte des Hollywoodstars zu sein. Wobei ich tatsächlich nicht Kentarôs Geliebter war (da bei der Agentur die Verbote von Frauen und Männern gleichmäßig galten, wobei Männer okay waren, wenn sie zur Agentur gehörten und man sich nur auf der Bühne oder im Fernsehen befummelte. Vielleicht sollte ich mich auch casten lassen.) und es auch ein bisschen vorwurfsvoll klang. Immerhin hatte er mich als Außenstehenden mit Mühe und Not in den Trip diskutieren müssen.

„Ich seh schon, hier muss man erst mit dem Kopf unterm Arm ankommen.“, murmelte ich verärgert.
„Ach übertreib nicht.“
„Wieso denn, beim Kopf sind sie ja schon angekommen!“
„Du bist so eine Drama Queen!“
„Vielleicht steckst du ja auch nur an!“

Okay. Pause.
Wir saßen ein paar Sekunden um Halbdunkeln und schwiegen uns an. Der Geruch von Kaffee erfüllte die Szenerie auf eine entspannende Art und Weise, obwohl es gerade nichts zu entspannen gab.

„Sieh mal.“, sagte Kentarô versöhnlich.
„Die Fans mögen mich. Sie mögen mich anscheinend wirklich.“
Es klang aufrichtig.
„Was denkst du, wie viel Post ich nach dem Treppensturz bekommen habe, obwohl das nur ein paar Kratzer waren? Kistenweise Karten und Briefe und Schokolade. Ich werde das niemals im Leben alles essen können.“

Du hättest sterben können, dachte ich.
Wen interessiert schon Schokolade von wildfremden Menschen, die dich nicht kennen und die du wahrscheinlich nicht kennen willst?

„Ich bin ihnen schuldig, dass ich mich nicht von so eine Lappalie im Schneckenhaus verkrieche.“

„Machst du deinen Job nur aus Pflichtgefühl?“, polterte ich unwirsch, aber leise. Ich hatte das Gefühl, dass draußen vor dem Zelt Kazuya und Tsubasa, Kentarôs Bandkollegen, standen und lauschten.

„Natürlich nicht!“, zischte Kentarô.
„Sag mal, hast du mir überhaupt zugehört?“
„Ja, leider. Es kam nämlich ziemlich viel Blödsinn dabei heraus.“

Eigentlich hatte ich so was sagen wollen wie „Ich mache mir nur Sorgen um dich“, aber das hätte furchtbar geklungen. Es hätte mir das Gefühl gegeben, mich auf die Ebene von Kentarôs Glitzerwelt zu begeben, eine künstliche Plastik-Pappwelt, in der ganz andere Leute hinter der Bühne bestimmten, was die Leute vorne zu tun hatten. Das alles machte mir Angst.

„Zicke.“, murmelte Kentarô.
„Sag Bescheid, wenn du´s wieder hast. Ich hol mir Eis für meine Zunge.“

Wie kam es eigentlich, dass er immer nur dann, wenn er mit mir redete, erwachsener wirkte als sonst? Das Gemaule und Gezanke, das er mit seinem Manager pflegte, war hingegen kaum auszuhalten, genauso wenig wie das Gehampel, welches er vor Publikum zustande brachte. Hin und wieder brachte mich der Umstand zum Nachdenken. Kentarô war ein lausiger Schauspieler, aber sein echtes Ich war manchmal ebenso lausig. Hin und wieder fragte ich mich, ob er mir nicht auch etwas vorspielte.

Okay, die Fans mochten ihn.
Aber sie waren nicht die einzigen. Hatten sie wirklich mehr Anrecht auf ihn, weil sie wegen ihm der Agentur tonnenweise Geld in den Arsch schoben?
Ich hatte kaum Geld, aber ich mochte Kentarô. Ich mochte ihn verdammt noch mal mehr als mir selbst Lieb war. Ich hatte ihn gebeten, seine Vorgesetzten zu beknien, mich hierhin mitnehmen zu dürfen. Selbst wenn ich ihn nur in den Drehpausen sah oder am Abend, wenn er eigentlich mehr im Wachkoma am Lagerfeuer saß, das war es mir bisher irgendwie wert gewesen. Aber hatte ich mich damit zu sehr auf seine Plastikwelt eingelassen?

Ich stand seufzend auf und betrachtete den Kaffeebecher in meiner Hand.

Aufzuwachen und nicht zu wissen, wo ich mich befand, war ein hassenswerter Umstand. Gerade jetzt hatte ich das Gefühl, noch nie so verloren gewesen zu sein. Und mir hielt niemand eine Karte hin, auf der der Text stand, den ich zu sagen hatte.

tsutsumi, original

Previous post Next post
Up