Team: Aschenputtel
Prompt: Fieberschübe (H/C - für mich)
Wörter: 724
Original: Uhrwerkträume
Charaktere: Emmit Feder, Wendora Feder
Zeit/Ort: Blenstett, 1899
Plot: Nach der Gründung des Chronomischen Instituts muss UM Sidean Feder seine Familie verlassen.
Kommentar: Ich bin nicht zu frieden. Es sind auch keine Fieberschübe, sondern bloß Fieber geworden. Aber, oh well, immerhin verliebe ich mich mehr und mehr in Emmit.
In den Chroniken der Uhrmacherzunft ist das Jahr 1899 als Gründungsjahr des Chronomischen Instituts vermerkt. Endlich hat man einen Ort gefunden, an dem die forschenden Uhrmacher ihren Forschungen in sicherer Entfernung von städtischem Leben nachgehen können. Im September des selben Jahres ziehen sie alle dort hin. Uhrmachermeister Zahn, Uhrmachermeister Anker und Uhrmachermeister Feder. Ihre Familien ziehen nicht mit. Vorerst.
Für Zahn und Anker mag das keinen großen Unterschied gemacht haben, weder ihre Frauen noch ihre Kinder haben sie vorher oft genug zu Gesicht bekommen, als dass sie sie jetzt vermissen würden. Im Hause Feder ist das anders. Nicht nur, weil die Familie Feder eben ein bisschen anders ist. Sondern auch, weil Feders Tochter Wendora ausgerechnet in jener Woche, als er die Stadt verlässt, mit einer Mittelohrentzündung im Bett liegt.
Zum ersten Mal in ihrem Leben als Mutter wird Emmit Feder von einem schlechten Gewissen heimgesucht, wenn sie nun zur Arbeit geht. Selbst wenn sie sich um Patienten kümmert, denkt sie noch, dass sie vielleicht nicht hier, sondern zu Hause sein sollte. Bei ihrer Tochter.
Als Sidean noch da war, hatte sie sich nie darüber nachgedacht. Es schien ihr ganz selbstverständlich Wendora nur zum Frühstück und zum Gute Nacht sagen zu sehen. Weil sie ja wusste, dass ihr Mann den ganzen Tag über im Haus (wenn auch in seiner Werkstatt) war, und zwischen seiner Arbeit immer wieder die Zeit fand, sich in die Arbeit von Anna, ihrem Kindermädchen, einzumischen.
Zwei Tage nach Sideans Abreise, kommt Emmit am Abend nach Hause und wird schon am Gartentor von Anna in Empfang genommen. Wendora ginge es gar nicht gut, erklärt sie, und dass sie sogar darüber nachgedacht habe, die Frau Uhrmachermeister im Krankenhaus anzurufen, aber sie habe es nicht gewagt Wendora so lange allein zu lassen, wie es braucht um zum nächsten öffentlichen Fernsprecher zu laufen.
Emmit hört ihr zu. Sie stellt ihre Tasche ab, hängt ihren Mantel und den Hut an die Garderobe. Anna sieht entgeistert dabei zu.
„Ist es Ihnen denn gleichgültig, wie es Ihrer Tochter geht?“, fragt sie.
„Natürlich nicht“, erwidert Emmit kühl. Aber panisch mit den Händen zu fuchteln habe noch nie irgendwem geholfen.
Anna verzieht die Miene, als wolle sie widersprechen, aber vergräbt dann ihre ihre Hände in den Taschen ihrer Schürze, während Emmit die Treppen zum Kinderzimmer empor steigt.
Eine einzige Lampe brennt auf dem Nachttisch, ein Buch liegt offen daneben. Eine Schale mit Wasser und ein paar Tücher auf einer Stuhllehne warten neben dem Bett darauf, wieder gebraucht zu werden.
Wendora verschwindet vollkommen zwischen den Bergen aus Kissen und Decken, mit denen Anna sie umgeben hat.
Als Emmit das Zimmer betritt beginnen die Berge sich langsam zu bewegen. Ein braun gelockter Kopf streckt sich da in die Höhe, ein paar glänzende Augen blickt erst Emmit an, dann an ihre vorbei, ein Ausdruck der Enttäuschung zeichnet sich auf dem kleinen Gesicht ab, dann sinkt Wendora zurück in ihre Kissen.
Emmit schluckt. Ein Teil von ihr möchte am liebsten gleich wieder umkehren. Aber nein. Sie zwingt sich das Zimmer zu betreten, zwingt sich, neben dem Bett Platz zu nehmen.
„Wie geht es dir?“, fragt sie.
Wendora antwortet nicht. Ganz ruhig liegt sie da und starrt an ihrer Mutter vorbei.
Als sie schließlich doch etwas sagt, ist es nur eine einzige Frage:
„Wo ist Papa?“
Emmit saugt an ihrer Zunge. Sie nimmt eines der Tücher von der Stuhllehne, es ist immer noch feucht, und tupft damit über Wendoras Stirn.
„Dein Vater hat eine neue Werkstatt. In Grünwinter. Hat er da nicht mit dir drüber gesprochen?“
Wendora schiebt die Hand ihrer Mutter beiseite.
„Er hat gesagt, er kommt wieder.“
„Zu Besuch, ja.“
Wendora blinzelt ein paar Mal. Sie kriecht so tief in ihre Decken, dass Emmit nur noch ihre Nasenspitzen sehen kann.
„Warum hat er mich nicht mitgenommen?“, fragt sie aus dieser Höhle heraus. Ihre Worte klingen viel zu erwachsen für eine vierjährige.
„Weil er dort arbeiten muss.“
„Aber hier hat er auch gearbeitet.“
„Hier hast du Anna noch.“
„Kann sie nicht auch mitkommen?“
„Ich fürchte nicht.“
Für eine Weile schweigen sie beide. Dann schiebt Wendora ihre Decke ein bisschen zur Seite.
„Mama?“, fragt sie, und diesmal klingt sie doch ganz wie ein Kind.
„Kannst du heute Nacht hier schlafen?“
Emmit betrachtet das schmale Kinderbett und wiegt den Kopf hin und her.
„Nein“, sagt sie schließlich.
„Aber du kannst zu mir ins Bett kommen. Wenn du willst.“