Beta:
josl,
jolliGenre: ein Hauch von Humor, Romanze, h/c, Angst, Drama
Pairing: Boerne/Alberich
Wortanzahl: ~35.000
Warnungen: ooc, cd. Loser Bezug zur Episode Eine Leiche zuviel, es ist von Vorteil, die Folge zu kennen!
Rating: Ab 12
Bingo-Prompt: in Ohnmacht fallen/ohnmächtig
Zusammenfassung: Gedankenverloren sah sie ihm nach, als er den Raum verließ. In den letzten Wochen hatte sich ihre Beziehung irgendwie verändert... doch sie konnte nicht einmal genau sagen, wie, warum und vor allem, in welche Richtung.
Wenige Stunden später allerdings war das ihre geringste Sorge.
Es ging auf fünf Uhr zu, als Nowak aufstand und einmal mehr ins Büro trat. Silke war so auf Boerne konzentriert, sie hatte es nur aus dem Augenwinkel wahrgenommen und dem im ersten Moment keine Bedeutung beigemessen. Doch sie zuckte vor Schreck zusammen, als er in den Sektionsraum zurückkehrte und Kern ihn begleitete.
Instinktiv hielt sie Boerne noch fester und beugte sich schützend über ihn, ließ den narbigen Mann keine Sekunde aus den Augen - wütend auf sich selbst, weil sie dabei vor Angst zitterte, aber gleichzeitig wild entschlossen, sie beide mit aller Kraft zu verteidigen.
Doch Kern streifte sie mit keinem Blick. Er fing lediglich wortlos damit an, Waffen, Taschen und alle Sachen, die er und seine Komplizen mit in die Rechtsmedizin gebracht hatten, zusammenzusuchen und sie aus dem Raum zu transportieren; vermutlich belud er den Wagen.
Nowak weckte seinen Bruder und wies ihn an, sich vorsichtig aufzusetzen, um zu sehen, wie es seinem Kreislauf ginge. Dann ließ er sich von ihr erklären, wie er die Infusionsnadel zu ziehen hatte und erledigte das in wenigen schnellen Griffen.
In diesem Moment verwandelte sich Silkes Beklemmung zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit in Hoffnung - Nowak rüstete zum Aufbruch, daran gab es keinen Zweifel!
Endlich würde Boerne die medizinische Versorgung bekommen, die er dringender denn je brauchte; er hatte vor allem in der letzten Stunde massiv abgebaut.
Hatte sie im Laufe der Nacht immer wieder einmal den Verband des jungen Nowak überprüft, sich um seine Medikamente und Infusionen gekümmert, war sie zuletzt keine Sekunde mehr von Boernes Seite gewichen. Und sie war der Verzweiflung nah, denn egal was sie für ihn getan hatte, sein Zustand hatte sich unaufhaltsam verschlechtert - sie war inzwischen überzeugt, dass er in die Bauchhöhle blutete und, all ihren verzweifelten Gegenmaßnahmen zum Trotz, langsam aber sicher in einen hypovolämischen Schock rutschte.
Zumindest hatte sie das bis jetzt gerade gedacht. Doch als er nun, in einem halbwegs wachen Moment, gequält flüsterte: "M-mir ist s-so k-kalt", wurde ihr klar, dass keine inneren Blutungen der Grund für seinen desolaten Zustand waren, sondern etwas ganz anderes.
Zu Tode erschrocken nahm sie die Hand von seiner Stirn und legte sie in seinen Nacken; was sie befürchtet hatte, bewahrheitete sich: er hatte Fieber.
Silke konnte im ersten Moment gar nicht fassen, dass ihr das nicht schon früher aufgefallen war, dass sie sich von seinen eiskalten Händen und seiner kühlen, klammen Stirn vollständig in die Irre hatte führen lassen.
Sein Nacken war ganz heiß, da gab es keinen Zweifel. Seine Temperatur war schon deutlich erhöht und bei dem Schüttelfrost, unter dem er jetzt litt, war klar, dass sie noch ein ganzes Stück höher steigen würde.
Fassungslos schloss sie für einen Moment die Augen. Das konnte nur eines bedeuten.
Sie erkannte ihre eigene Stimme kaum, als sie flüsterte: „Ich muss mir deinen Bauch ansehen.“
Boerne antwortete ihr nicht. Sie war nicht sicher, ob er sie überhaupt gehört hatte. Dessen ungeachtet kniete sie sich aufrecht neben ihn, schlug mit bebenden Händen die Decke und sein blutiges Hemd zurück und versuchte dann, seinen Unterleib abzutasten. Sie brauchte Gewissheit.
In dem Moment, in dem sie vorsichtigen Druck ausübte, bäumte er sich auf und krümmte sich mit einem Aufschrei zusammen, fiel dann mit einem ersterbenden Wimmern zurück auf den harten Boden, bevor sie ihn halten konnte. So still wie er liegenblieb, schien er einmal mehr das Bewusstsein verloren zu haben.
Silke war schockiert über seine heftige Reaktion; aber fast noch mehr bestürzt war sie darüber, dass ihre Sorge sich bewahrheitet hatte. Die kurze Berührung hatte gereicht, um zu bestätigen, dass Boernes Bauchdecke extrem angespannt war, so hart wie ein Brett. Und das war alles, was sie wissen musste.
Ihr Kopf flog hoch. „Nowak, bitte, er muss sofort ins Krankenhaus!“
Der junge Mann auf dem Sektionstisch war bei Boernes plötzlichem Aufschrei erschreckt zusammengefahren und blickte jetzt sichtbar bestürzt zwischen dem ehemaligen Kommissar und dem Professor hin und her. Nowak selber hatte die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst und fixierte den reglosen Rechtsmediziner für einen langen Moment, bevor er brummte: „Wir fahren in einer Stunde. Sie werden bald gefunden werden, so lange muss er noch durchhalten.“
Er hatte ruhig, ja, beinah mitfühlend gesprochen, doch Silke wollte nicht glauben, was sie da hörte. „Was soll das heißen, bald gefunden?“ Aufgewühlt sprang sie auf die Füße. „Niemand findet uns hier, keiner wird uns suchen!“
Nowak, der sich gerade wieder seinem Bruder zugewandt hatte, um ihm beim Anziehen zu helfen, fuhr nochmals herum und zum ersten Mal seit Beginn dieses Dramas verlor er die Geduld mit ihr. Silke zuckte erschrocken zurück, als er bellte: „Nun versuchen Sie nicht, mich plump zu täuschen! Jeden Freitag um acht ist Besprechung mit der Staatsanwaltschaft und dem Leiter des Kriminalkommissariats! Das ist immer noch so, ich habe es gerade noch in Ihrem Kalender überprüft!“
Schon während seiner energischen Worte hatte sie hektisch begonnen mit dem Kopf zu schütteln. „Nein! Nein, glauben Sie mir doch! Heute Morgen kommt niemand, alle denken, wir fliegen nach London! Sie müssen es doch auf der Intensivstation bemerkt haben, Jaschke wusste Bescheid! Die Kölner Kollegen werden uns vier Tage vertreten, hier ist bis Montagabend geschlossen!“
Sie rang in ihrer Verzweiflung die Hände, so heftig, dass ihre Knöchel weiß hervortraten, doch Nowak sah sie nur abschätzig an. „Silke, ich bin nicht blind. Flug, Hotel, alles ist nur für eine Person gebucht. Sämtliche Papiere liegen auf Boernes Schreibtisch, sie sind nicht zu übersehen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Staatsanwältin Klemm wird in drei Stunden hierher kommen, und so lange werden Sie ausharren müssen.“
Er wollte sich wieder abwenden, aber sie gab noch nicht auf, eilte auf ihn zu, hielt ihn in ihrer Not am Ärmel fest. „Nein, ich sage die Wahrheit! Die Entscheidung, dass ich mitkomme, ist ganz kurzfristig gefallen! Schauen Sie auf Boernes Monitor… er hat noch gestern Nachmittag ein Hotelzimmer für mich gebucht, die Bestätigungsmail ist wahrscheinlich immer noch auf seinem Bildschirm! Und mein Ticket ist am Flughafen für mich hinterlegt!“
Nowak hatte während ihrer Rede in seiner Drehung innegehalten und ihren Wortschwall nicht unterbrochen, sah sie nun für einen Augenblick überlegend an. Doch dann zog er in einer ruhigen Bewegung seinen Arm aus ihren zitternden Händen und bemerkte leise: „Selbst wenn es so ist wie Sie sagen, ich kann trotzdem nichts für Sie tun.“
Er warf Kern einen kurzen Befehl zu: „Hol die Handschellen aus dem Wagen. Mach Silke damit an der Heizung fest, aber nur am Fuß. Ich will, dass sie Boerne weiterhin helfen kann.“
Noch einmal drehte er sich zurück zu ihr. „Spätestens am Nachmittag kommt die Putzfrau, dann werden Sie gefunden.“
Auch wenn er damit recht hatte, Silkes rationaler Verstand hatte sich bei seinen Worten vollständig verabschiedet, sie begann zu schreien. „Großer Gott, sehen Sie ihn doch an! Er wird niemals bis heute Nachmittag durchhalten! Er hat eine Bauchfellentzündung, er stirbt mir hier weg, begreifen Sie das??“
Wie so oft an diesem Tag liefen wieder Tränen über ihre Wangen, doch sie spürte sie kaum; das einzige, was sie im Moment spürte, war ihre schlicht unbeschreibliche Angst um Boerne, unbändiger Zorn gegen Nowak und Kern - und ihre Hilflosigkeit, die schlimmer wog, als alles andere zusammen.
Leiser, regelrecht flehend, fuhr sie fort: „Bringen Sie ihn hier raus, legen Sie ihn irgendwo hin, wo man ihn schnell findet. An den Haupteingang der Klinik, ans Schwesternwohnheim, ganz egal! Er ist todkrank, er wird sofort in den OP kommen!“
Sebastian Nowak war bei ihrem Ausbruch heftig zusammenfahren, der ehemalige Kommissar hatte sie im Gegensatz zu seinem Bruder gänzlich unbewegt beobachtet. Nun schüttelte er den Kopf. „Silke, denken Sie nach. Selbst wenn er nicht in der Lage ist zu sprechen, man wird ihn sofort erkennen. Die ersten Streifenwagen werden Minuten, nachdem er gefunden wird, losgeschickt. Zu seiner Wohnung, hier zur Rechtsmedizin... und dann werden Sie uns verraten. Noch bevor wir aus der Stadt sind, ist der gesamte Polizeiapparat auf der Straße und sucht uns. Es muss Ihnen klar sein, dass ich mich darauf nicht einlassen kann.“
Silke hatte während seiner Erklärung für einen Moment verzweifelt die Augen geschlossen, umklammerte nun wiederum seinen Arm, ihre Stimme nur noch ein Wispern. „Nehmen Sie mich mit, dann kann ich Sie nicht verraten! Es ist mir egal, was mit mir passiert, aber helfen Sie ihm um Gottes Willen!“
Nowak biss sich auf die Lippen, schien für einen Moment unentschlossen; doch schließlich zuckte er mit den Schultern. „Wo soll ich mit Ihnen hin, Silke? Es tut mir leid.“ Er löste sich erneut aus ihrem Griff und drehte sich um. „Uwe, wenn du an der Küche vorbeikommst, schau mal in den Kühlschrank. Sebastian ist ziemlich wackelig, es wäre gut, wenn er ein wenig isst.“
Damit wandte er sich wieder seinem Bruder zu, der blass und still auf der Kante des Tisches saß.
Fassungslos und zitternd starrte Silke seinen Rücken an, dachte daran zurück, wie sie nach seinem Verhalten auf der Intensivstation noch gehofft hatte, Boerne und sie könnten vielleicht einigermaßen ungeschoren aus dieser Geschichte herauskommen.
Ihr entrang sich eine Mischung aus einem Schnauben und einem Schluchzen.
Wie hatte sie so naiv sein können?
< ---------- Kapitel 13>>