BigBang 2013 - Herzrasen (Prolog)

Sep 28, 2013 10:14


Titel: Herzrasen
Künstler/in: baggeli
Beta: josl, jolli
Fandom: Tatort Münster
Genre: ein Hauch von Humor, Romanze, h/c, Angst, Drama
Pairing: Boerne/Alberich
Wortanzahl: ~35.000
Warnungen: ooc, cd. Loser Bezug zur Episode Eine Leiche zuviel, es ist von Vorteil, die Folge zu kennen!
Rating: Ab 12
Bingo-Prompt: in Ohnmacht fallen/ohnmächtig

Zusammenfassung: Gedankenverloren sah sie ihm nach, als er den Raum verließ. In den letzten Wochen hatte sich ihre Beziehung irgendwie verändert... doch sie konnte nicht einmal genau sagen, wie, warum und vor allem, in welche Richtung.
Wenige Stunden später allerdings war das ihre geringste Sorge.

A.N.: Jetzt wird's lang, da müsst ihr durch.
Als erstes: vielen vielen Dank an meine Betas, Jo für ihre Geduld beim Anfang und den ersten Kapiteln, und Jolli für ihr extrem kurzfristiges Einspringen bei allen restlichen Kapiteln. Ich könnte euch beide knutschen!
So, nun zu meinen Warnungen:
An alle, die sich mit Medizin auskennen: seht es nicht so eng, ok?
An alle, die auf Thiel/Boerne stehen: hier dreht sich ein Großteil um Alberich und Boerne, Thiel ist wichtig, aber wenig präsent.
An alle, die mich kennen: ihr wisst, worauf ihr euch einlasst. Seid hiermit gewarnt, ich bin wie immer.
An alle, die mich nicht kennen: ihr werdet mich kennenlernen. *lol*

Fanart Masterpost: hier

Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Epilog


Manchmal war Thiel so genervt.
Das konnte doch nicht wahr sein! Da standen zwei erwachsene Menschen vor ihm, beide überdurchschnittlich intelligent und mit reichlich Selbstbewusstsein ausgestattet  - nur was ihre Gefühle füreinander anging, verhielten sie sich zweifelnd und verunsichert, trauten sich selbst nicht über den Weg. Dabei war gerade das vollständig unnötig. Die beiden gehörten schlicht und einfach zusammen, und das war so ziemlich jeder Person in ihrem Umfeld schon seit Ewigkeiten sonnenklar… nur ihnen selbst offenbar nicht.
Dabei hätten spätestens die Ereignisse der letzten Stunde sogar einem tauben, blinden und stummen Menschen die Augen öffnen müssen.



„HÄNDE WEG VON BOERNE, ODER ES PASSIERT WAS!!“
Als Silke Hallers Angst um ihren Vorgesetzten sie so unbedacht aus ihrer Deckung springen ließ, biss Thiel frustriert die Zähne zusammen und wünschte sich für einen Moment, er hätte die kleine Frau nicht mitgenommen. Einen unglücklicheren Zeitpunkt, um die Nerven zu verlieren, hätte die Rechtsmedizinerin weiß Gott nicht wählen können, und doch konnte Thiel ihr keinen Vorwurf machen. Auch ihm war ganz anders geworden, als er Boerne entdeckt hatte - schwer angeschlagen, zusammengesunken, an einen alten Stuhl gefesselt. Seine erschlaffte Haltung und die aschfahle Gesichtsfarbe waren wohl zweifellos auf die großflächige, blutverkrustete Verletzung zurückzuführen, die auf seiner Stirn prangte.
Sein Kollege war hilflos Frau Dr. Hanke ausgeliefert, die mit einer bedrohlich aussehenden Spritze in der Hand über ihn gebeugt stand; um zu wissen, dass in deren Kolben dasselbe tödliche Medikament aufgezogen war, mit dem die gewissenlose Ärztin schon zwei Menschen umgebracht hatte, musste Thiel kein Hellseher sein. Und Boernes Assistentin war das sicherlich ebenso klar.

Als die Köpfe der beiden Mediziner nach Frau Hallers Aufschrei zu ihnen herumruckten, trat Thiel mit einem schnellen Schritt vor und dirigierte seine aufregte Begleiterin hinter sich. Während sich Carla Hankes zuvor noch ruhiger, siegessicherer Ausdruck in Unglauben wandelte, huschte für eine Sekunde ein erleichtertes Lächeln über Boernes angespanntes Gesicht. Doch diese Erleichterung währte nur kurz, denn seine ehemalige Kollegin scherte sich nicht um Thiels Aufforderung, von ihm abzulassen, sondern setzte in einer schnellen Bewegung die Nadel an seine Kehle.

Thiel versuchte, sich seine Unruhe in keiner Weise anmerken zu lassen, als er ihr nachdrücklich befahl, die Spritze wegzulegen. Doch statt dass sie auf ihn hörte, stach sie die Kanüle zu seinem Entsetzen ganz langsam in Boernes Hals.
Warum er trotz dieser dramatischen Entwicklung weiterhin seine Waffe in der Tasche gelassen hatte, konnte er im Nachhinein nicht ganz genau sagen - jeder andere hätte vermutlich das Feuer eröffnet, der Professor schwebte eindeutig in Lebensgefahr. Doch irgendetwas hielt ihn zurück; irgendetwas lag da in dem flackernden Blick von Dr. Hanke; er war überzeugt, dass sie diesmal nicht zum Äußersten schreiten würde. Vielmehr hatte er das Gefühl, sie wartete sie darauf, dass er es tat.

Frau Haller blieb nun glücklicherweise im Hintergrund. Sie war nicht dumm und wusste wohl ganz genau, dass ihr vorheriger Ausbruch zu unüberlegt gewesen war. Und auch Boerne hielt ganz gegen seine übliche Art den Mund, nur seine hektischen Atemzüge waren zu hören. Er saß verkrampft in seinem Stuhl, die Hände zu Fäusten geballt und den Kopf nach hinten überstreckt, so weit von der verstörten Frau weggelehnt wie nur irgend möglich. Schweißperlen rannen an seiner Schläfe herab; irgendwann schloss er die Augen.
Thiel selbst fixierte die Mörderin einfach nur stumm. Sogar, als sie schließlich die Nerven verlor und ihn anschrie, er solle endlich schießen, bewegte er sich keinen Millimeter. Und seine Taktik hatte Erfolg; letztendlich ließ sie ungläubig von Boerne ab und zog die Spritze aus seinem Hals.

Beunruhigt beobachtete Thiel, wie der Kopf seines Kollegen im gleichen Augenblick schwer in den Nacken kippte. Boernes Zustand bereitete ihm Sorge, er schien mit seinen Kräften am Ende zu sein. Doch nach einem zittrigen Atemzug richtete er sich zum Glück ein wenig auf und unmittelbar konzentrierte Thiel sich wieder auf Dr. Hanke.

Die großgewachsene Frau hatte sich inzwischen wie abwesend umgewandt und steuerte nun mit langsamen Schritten auf den Nebenraum zu. Sie reagierte wiederum in keiner Weise auf seine Aufforderung, stehen zu bleiben. Doch in dem Augenblick, in dem sie die Hand mit der Spritze hob, riss Thiel seine Waffe aus der Tasche. Er wollte nicht riskieren, dass Carla Hanke das tödliche Medikament gegen sich selbst zum Einsatz brachte.

Sein Schuss kam für die anderen Anwesenden völlig unerwartet. Dr. Hanke zuckte zusammen wie von einem Peitschenhieb getroffen, als der Glaskolben in ihren Fingern zerplatzte, Frau Haller schrie leise auf.
Dass er ihnen einen Schrecken einjagen würde, war Thiel klar gewesen in dem Moment, in dem er den Finger um den Abzug krümmte; geradezu alarmiert jedoch war er über die Tatsache, dass Boerne, dessen Kopf bei dem ohrenbetäubenden Knall mit Gewalt herumgeruckt war, nun mit geschlossenen Augen in sich zusammensackte, soweit seine strammen Fesseln es zuließen. Ob das aus Erleichterung geschah oder ob er vielleicht aufgrund seiner Kopfverletzung oder vor Schreck das Bewusstsein verloren hatte, vermochte Thiel nicht zu sagen.

Er konnte sich allerdings nicht um Boerne kümmern, sondern musste zunächst sicherstellen, dass Frau Hanke keine Gefahr mehr darstellte. Mit erhobener Waffe legte er die letzten Meter zu der nun reglos verharrenden Mörderin zurück  und legte ihr mit ein paar schnellen Griffen Handschellen an.
Frau Hanke wehrte sich nicht dagegen; sie hatte ihr Spiel verloren und sie wusste es.

Während er sie in Gewahrsam nahm, sah er aus dem Augenwinkel,  dass der beunruhigend reglose Professor versorgt war, seine Assistentin war sogleich auf ihn zugestürzt.
Frau Hallers Sorge war fast greifbar, als sie Boernes Gesicht behutsam umfasste und seinen vornüber gesunkenen Kopf von seiner Brust hob, ihre Angst nicht zu überhören, als sie immer hektischer auf seine Wange schlug und dabei mit bangen Worten versuchte, eine Reaktion zu bekommen.
Es dauerte allerdings einige Sekunden, bis Boerne sich endlich rührte und ihre Besorgnis mit einem mürrischen Kommentar zerstreute. Er klang noch ziemlich mitgenommen, aber definitiv wach und klar.
Die Erleichterung darüber stand der erschreckten Frau Haller deutlich ins Gesicht geschrieben und Thiel atmete ebenfalls tief durch, als er sein Telefon aus der Tasche zog und seine Kollegen anforderte, um die Mörderin abführen zu lassen.



Eine gute Viertelstunde später war Nadeshda mit einer Streifenwagenbesatzung eingetroffen.
Kurz und knapp brachte Thiel sie über den Verlauf der Nacht auf den neuesten Stand und nach wenigen Minuten führte sie Dr. Hanke mit Hilfe eines Kollegen der Schutzpolizei ab.

Frau Haller hatte sich inzwischen der Verletzung ihres Chefs angenommen. Sie stand so nah vor ihm, dass sie seine Beine berührte und stützte mit einer Hand seinen Nacken, während sie mit der anderen behutsam die Wunde an seiner Stirn reinigte.
Die Geschehnisse der letzten Stunde hatten ihr definitiv mächtig zugesetzt, ein Blinder hätte erkennen können, wie angespannt sie immer noch war. Sicherlich machte sie sich Vorwürfe.

Aus Boerne dagegen schien jegliche Spannung gewichen zu sein. Er saß erschlafft und für seine Verhältnisse ungewöhnlich schweigsam auf dem Stuhl, an den er gefesselt gewesen war, und ließ seine Verletzung versorgen, ohne sich zu regen.
Thiel musterte den bleichen Mann und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob er vielleicht doch besser einen Notarzt hätte rufen sollen. Boerne hatte diesen Vorschlag eine Weile zuvor natürlich vehement abgelehnt und sogleich klargemacht, dass die Idee blanker Unsinn sei, aber Thiel hätte sich nicht im Geringsten um den Protest des eindeutig angegriffenen Professors geschert, wenn Frau Haller ihm nicht durch ein kurzes Kopfschütteln ebenfalls bedeutet hätte, dass ein Krankenwagen nicht notwendig sei.
Thiel vertraute ihr und ließ Boerne also seinen Willen, doch sah der Rechtsmediziner nach seiner  - zugegeben laienhaften - Ansicht verdammt mitgenommen aus.

Als Frau Haller schließlich mit ihrer Arbeit fertig war, richtete Boerne sich mühsam auf, schloss mit einem kaum hörbaren Stöhnen die Augen und lehnte sich nach vorn in die Hand, die sie noch für einen Moment fast liebevoll auf seiner Stirn ruhen ließ. 
Es tat Thiel leid, diesen beinah intimen Moment zu zerstören, doch er wollte nur noch nach Hause. Und der Professor gehörte ebenfalls dringend ins Bett, bevor er hier am Ende noch zusammenklappte.
Er räusperte sich. „Na kommen Sie, verschwinden wir.“
Boerne blickte auf und nickte müde. Dann ließ er sich bereitwillig auf die Füße ziehen und von Frau Haller Richtung Ausgang dirigieren.

Thiel folgte den beiden durch die verwinkelten Gänge des weitläufigen anatomischen Instituts, und obwohl Boerne jetzt auf dem Weg nach oben wieder etwas lebendiger wirkte, sah Thiel recht deutlich, dass die Finger, mit denen er sich an der Schulter seiner Kollegin festhielt, weiterhin zitterten. Der Schreck saß wohl doch tiefer, als Boerne das jemals zugeben würde. Aber er riss sich sichtbar zusammen, straffte sich im Laufe von ein paar tiefen Atemzügen, und als sie letztendlich am Eingang ankamen, hatte er sich wieder vollständig im Griff.
Thiel wunderte sich nicht zum ersten Mal darüber, wie sehr der Mann sich kontrollieren konnte.

Nachdem Frau Haller sie nach draußen ins Sonnenlicht geführt und ihrem Chef, der aufgrund seiner Kurzsichtigkeit unsicher hinter ihr her stolperte, die Treppenstufen hinuntergeholfen hatte, ergriff Boerne schließlich das Wort. „Sagen Sie Alberich, habe ich da eben den Satz gehört: Hände weg von Boerne?“
Ein Lächeln breitete sich auf Thiels Gesicht aus. Trotz seiner prekären Lage schienen Boerne die vielen Emotionen, die in diesem einen Aufschrei durchgeklungen waren, nicht entgangen zu sein. Dass er diese Tatsache jetzt sogar ansprach, obwohl Thiel daneben stand, hatte er dem in dieser Beziehung ansonsten so verschlossenen Professor gar nicht zugetraut; ein deutliches Zeichen, wie aufgewühlt er noch sein musste. Und gleichzeitig endlich mal ein Schritt in die richtige Richtung.
Das Lächeln verschwand aber gleich wieder aus seinem Gesicht, als die Rechtsmedizinerin abwiegelte: „Ist mir so rausgerutscht, Chef.“
Boerne ließ sich nicht anmerken, ob er auf eine andere Reaktion gehofft hatte, sondern erklärte nur im Brustton der Überzeugung: „Das war das Schönste, was Sie je gesagt haben.“
Thiel zog die Augenbrauen hoch. Einen solch ehrlich gefühlvollen Tonfall hatte er Boerne seiner Kollegin gegenüber ja noch nie anschlagen hören. Und deutlicher würde er nicht werden, da war Thiel sich sicher; aber das war ja wohl deutlich genug.
Doch ihre Antwort fiel anders aus, als er erwartet hatte. Ganz anders.
„Wird nicht wieder vorkommen!“ Mit einem verlegenen Lächeln wandte Frau Haller sich ab.

Das war doch nicht zu fassen! Thiel starrte sie nur ungläubig an. Sie war so selbstbewusst, aber den Gedanken, dass ihr Vorgesetzter tatsächlich etwas für sie empfinden könnte, schien sie sich immer noch nicht zu gestatten.
Und Boerne? Boerne verlor kein weiteres Wort über die Sache und zog sich zurück in sein Schneckenhaus. Das war doch erst recht nicht zu fassen!
Die beiden waren sich so nah, seit Jahren schon, sie vertrauten einander bedingungslos. Sie zankten sich, sie vertrugen sich, sie lachten miteinander, kannten den anderen und seine Marotten besser als sich selbst; sie waren mehr als nur Kollegen, mehr als nur ein Team.
Es war so offensichtlich, dass sie etwas füreinander empfanden - und jetzt, in diesem Moment, nach den Emotionen, die diese Extremsituation ans Tageslicht gebracht hatte, wäre es doch so leicht gewesen… und dennoch redete keiner von beiden endlich Klartext.
Stattdessen standen sie nebeneinander, als wäre nichts Außergewöhnliches geschehen, und begannen, über Thiels verknacksten Fuß zu sprechen.
Thiel konnte nur gerade so den Drang beherrschen, aus Verzweiflung seine Stirn auf das Dach des Taxis zu schlagen; aber selbst ein großzügiger Akt der Selbstverstümmelung würde diesen mit Blindheit geschlagenen Menschen mit Sicherheit nicht die Augen öffnen.

Was musste passieren, damit die zwei endlich realisierten, dass sie ganz einfach zusammengehörten?

Kapitel 1>>

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