Language: German
Title: Amicus Draconis: 2nd Cycle - Cycle of the Snake
Rating: R
Warnings: Het, Slash, Character Death
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Hauptseite Trailer14. Sprung From My Only Hate I:
/Part A/ /Part B/ /Part C/ /Part D /Part E/15. Sprung From My Only Hate II - Prodigius Birth of Love it is to me:
/Part A/ /Part B/ /Part C/ /Part D/ /Part E/ /Part F/ /Part G/ January 1999, Gegenwart
Bald schon werde ich ihm gegenüberstehen...
Der Wind pfeift mir um die Ohren, aber dennoch scheint es mir, ich könne noch immer die Triumphschreie der Ghost Riders in meinen Ohren gellen hören, auch wenn sie schon längst hinter uns verstummt sind. Wir fliegen so hoch, dass ich die Welt unter mir nicht mehr sehe. Diese Welt, die ich jetzt verlasse, die Welt meiner Freunde, meines ganzen bisherigen Lebens.
Bald schon werde ich in einer anderen Welt sein. In seiner Welt.
Haben Ron und Hermione die anderen rechtzeitig in Sicherheit bringen können? Es muss wohl so gewesen sein, denn niemand außer mir wurde gefangen genommen. Zumindest dieser Teil des Plans hat funktioniert. Das ist doch schon mal ein gutes Zeichen, oder?
Oder?
Was, wenn der Plan nicht funktioniert? Was, wenn er ihn durchschaut hat? Und was, wenn Ron, Hermione, Sirius und die anderen nicht schnell genug reagieren?
Oder ich ihnen nicht wichtig genug bin?
Nein. Nein, das darf ich nicht einmal denken. Ich darf mich nicht von dieser Verzweiflung einfangen lassen. Das ist doch das Einzige, was ich ihm voraus habe, die Tatsache, dass es Menschen gibt, die mich lieben und denen ich vertrauen kann. Ich würde alles riskieren, um meine Freunde zu retten, und sie würden dasselbe für mich tun.
Sie werden dasselbe für mich tun.
Ich wünschte, ich hätte sie vorher in den Plan einweihen können. Es fühlt sich wie Verrat an, dass ich es nicht getan habe. Aber sie hätten es doch niemals zugelassen, dass ich mich in solche Gefahr begebe. Sie hätten nicht verstanden, dass es der einzige Weg ist.
Auch du willst nicht zulassen, dass ich mich in Gefahr bringe. Ich kann deine Angst und deinen Schmerz spüren, auch wenn du versuchst, diese Gefühle zu verbergen. Ihn magst du damit täuschen können, aber mich nicht. Ich kenne dich zu gut.
Aber ich empfinde verdammt noch mal kein Mitgefühl mit dir. Ich brauche dich, um das wieder in Ordnung zu bringen, was ich in meiner Dummheit angerichtet habe. Du selbst hast dafür gesorgt, dass du mir unentbehrlich bist, und dein Plan ist aufgegangen. Im Pläne schmieden warst du immer schon gut. Aber wenn du glaubst, es würde irgendwas zwischen uns ändern, dann hast du dich gründlich getäuscht.
Tja... das war’s dann wohl, Draco Malfoy. Kein besonders toller Abschied, aber was hast du denn erwartet? Dass ich dir alles verzeihe und dir um den Hals falle?
Aber wahrscheinlich ist es ohnehin besser so. Wenn es noch Gefühle zwischen uns gäbe, würde er sie mit Sicherheit bemerken und das würde dich in große Gefahr bringen. So hast du, selbst wenn alles schiefläuft, eine ganz gute Chance, heil aus der Sache rauszukommen. Alles, was du tun musst ist, ihn weiter zu täuschen und ihm deine Loyalität vorzuheucheln.
Und was das Täuschen und das Vorheucheln von Gefühlen angeht, das sollte für dich ja kein Problem sein, nicht wahr? Da bist du schließlich Experte drin.
Gut, lass uns das Ganze nicht noch schwerer machen, als es ist. Falls wir uns nicht wiedersehen, wünsche ich dir, dass du den Krieg überlebst. Und dass es dir ernst ist mit deinen Vorsätzen, dich zu ändern und deine Fehler wieder gut zu machen. Die anderen werden jede Hilfe brauchen, die sie kriegen können.
So long, Draco.
Pass auf dich auf.
*
Opening Credits:
Author’s Note: Nach der Doppelfolge über Draco wenden wir uns in diesem Kapitel Harry zu. Was empfindet er für Draco und wie kommt er mit diesen Gefühlen klar? Was bedeutet die Prophezeiung für sein Leben? Snape und Dumbledore versuchen, mehr darüber herauszufinden und werden mit einer schweren Entscheidung konfrontiert.
Warnings: Yaoi. Viel Yaoi. Harry x Draco Fans, dies ist definitiv euer Kapitel. Allen Lesern, die sich weniger für prickelnde Erotik zwischen zwei heißen Jungs interessieren und lieber Story wollen, kann ich daher nur den Rat geben, die H/D Szenen zu überfliegen und sich stattdessen auf den Handlungsbogen um Snape und Dumbledore zu konzentrieren. Dort passieren nämlich die wirklich plotrelevanten Dinge. Ich kann euch versprechen, dass einiges an Rätseln gelöst wird. Aber wie man AD so kennt, kommen für jedes gelöste Rätsel drei neue dazu. Mindestens.
Updates: Die sicherste Möglichkeit etwas über Updates zu erfahren, ist nach wie vor die
Yahoo!Group zu Amicus Draconis Die zweitsicherste ist die Favouriten-Liste auf Animexx, da Animexx auch sehr kleine Updates anzeigt, und ich bei größeren Updates auch ENS verschicke. In anderen Archiven wie FFde oder FFnet update ich auch regelmäßig, aber es werden immer nur größere Updates angezeigt. Auch auf LJ werde ich wieder regelmäßig updaten, allerdings immer nur dann, wenn ich einen kompletten Post voll bekomme, das sind dann etwa 16-20 Seiten Text.
*
*
Oh, nie sollst Du mich falsch von Herzen heißen,
Schien schwach auch, da ich fern war, meine Glut.
So leicht könnt ich vom eignen Selbst mich reißen,
Als von der Seele, die in deiner ruht.
Dort ist der Liebe Heim. Irrt ich auch weit,
Getrieben hat mich’s doch, zurückzueilen
Zu rechter Zeit, nicht anders durch die Zeit;
Selbst bring ich Tropfen, die mein Arges heilen.
Beherrschen alle Fehler auch mein Ich,
In deren Bann jedwedes Menschenblut,
Doch für so urteilslos nicht halte mich,
Für Nichts zu opfern dich, das höchste Gut.
Nichts ist dies weite Weltall meinem Sinn,
Du, meine Rose, bist mein Alles drin.
*
*
Amicus Draconis
*
Second Cycle: Cycle of the Snake
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Part 16: That I Must Love a Loathéd Enemy
Hogwarts, January 23rd 1995
Malfoy’s Zähne in seinem Nacken. Malfoy’s Atem, der über seine Haut strich.
Ein Feuer, das sie beide zu verschlingen drohte...
Wasser lief in Strömen über sein Gesicht, seine Arme, seinen ganzen Körper aber dennoch konnte es die Flammen nicht löschen und Malfoy’s Berührungen nicht von ihm abwaschen. Die Erinnerung an die letzten Stunden stand ihm so klar und deutlich vor Augen, als würde er die ganze Kette der Ereignisse noch einmal durchleben. Zuerst das heimliche Treffen gefolgt von dem Weg durch die Tunnel, danach das Duell in der Kammer der Mysterien, welches er hätte gewinnen können, wenn nicht plötzlich alles aus dem Ruder gelaufen wäre. Und schließlich...
Nein, Harry dachte den Gedanken nicht zuende.
Stattdessen griff er nach dem Schwamm, um sich ein weiteres Mal abzuschrubben.
Hogwarts, January 23rd 1995
Ein anderer Ort zur selben Zeit
In dieser Nacht beugte er sich über seine Vergangenheit und blickte tief in sie hinein.
Rauchige Nebelfetzen... wabernde Schwaden... weiß schimmernde Wirbel...
Verzerrte Stimmen... tanzende Bilder...
Stückchen von Leben...
Begonnen hatte es in Hogwarts, so wie immer alles in Hogwarts begann.
March 1969
Seine Hände zupften die Krawatte zurecht; er war jetzt Zweitklässler und es tat gut, nicht mehr zu den Kleinsten, den Neulingen zu gehören. Schon immer hatte er sich um so vieles erwachsener gefühlt, als seine Schulkameraden, hatte versucht bei den Älteren Aufnahme zu finden. Er wurde kaum beachtet, aber es hatte auch Vorteile. So konnte er seine Augen und Ohren überall haben, und Informationen waren das Wichtigste, wenn man dazugehören wollte.
Immer noch erschien ihm Hogwarts wie eine eigene fremde Welt, die nichts mit seinem vorherigen Leben zu tun hatte. Ihre Mauern bargen Geheimnisse, die er nicht einmal erahnen konnte. Und doch wollte er sie alle herausfinden, alles erfahren. Ebenso wie er die Geheimnisse der schimmernden Flüssigkeiten in den mächtigen Kupferkesseln ergründen wollte. Sein altes Leben war jetzt nicht mehr als ein böser Traum und die Zukunft gehörte ihm.
Trotzdem musste er verdammt vorsichtig sein, was die Vergangenheit anging. Das mit seinem Muggle-Vater brauchten sie nicht zu erfahren. Niemals. Was würden sie sagen...
January 23rd 1995
…wenn sie es herausfinden würden? Die Schande wäre unvorstellbar. Alle seine Freunde würden sich von ihm abwenden. Selbst Ron und Hermione würden es nicht verstehen. Wie denn auch? Er verstand es ja selbst nicht.
Warum hast du nicht energischer protestiert? Warum hast du dich nicht zur Wehr gesetzt? Du hast dich diesem verdammten Bastard ja regelrecht hingegeben.
Was, wenn Malfoy morgen in der Schule damit prahlen würde? Harry konnte sich gut vorstellen, wie er im Slytherin-Gemeinschaftsraum herumstolzierte. “Stellt euch vor, ich hab’ letzte Nacht Harry Potter flachgelegt...“ Bei einem miesen Typen wie Malfoy war das durchaus vorstellbar. Und noch Schlimmeres.
Sein Herz krampfte sich zusammen. Bei Merlin, wie sehr er ihn hasste...
September 1971
...wie sehr er ihn hasste, diesen verdammte Potter!
Sie waren immer schon die Pest gewesen, Potter und seine Bande. Unerträgliche Angeber, die keine Gelegenheit verstreichen ließen, sich vor anderen zu profilieren. Sie mischten sich überall ein, stolzierten herum, als gehöre die gesamte Schule ihnen. Er verstand nicht, wie die anderen so blind sein konnten, auf diese Sprücheklopfer hereinzufallen.
Er verstand nicht, wie Lucius so blind sein konnte.
Ein Zweig knackte unter seinem Fuß und er hielt mitten in der Bewegung inne. Hatten sie etwas bemerkt? Offenbar nicht, sie waren zu sehr in ihr Gespräch vertieft. Leider war er zu weit weg, um etwas Konkretes zu verstehen, nur den Namen Evans glaubte er aufgeschnappt zu haben. Redeten sie etwa über Lily? Was hatte Lily mit der ganzen Sache zu tun.
Lucius schien Potter irgendetwas zu erklären und legte dabei wie beiläufig eine Hand auf seine Schulter. Aber Lucius tat niemals etwas ohne Grund, soviel war sicher. Versuchte er gerade Potter’s Vertrauen zu gewinnen? Was bezweckte er damit?
Es war besser, so schnell wie möglich zu verschwinden. Vielleicht hatte Lucius das Knacken doch gehört und wusste, dass er beobachtet wurde. Und wirklich, sein Blick hob sich, ging über Potter hinweg und traf auf seinen eigenen. Er lächelte ihm zu, freundlich, so wie man einem guten Freund eben zulächelt.
Und seine Hand lag immer noch auf Potter’s Schulter. Sicher, es war nur eine Hand...
January 23rd 1995
...eine Hand, die auf seinem Körper spielte, als sei dieser ein Instrument. Immer genau wusste, wann sie behutsam vorgehen musste, und wann sie so richtig zudrücken konnte.
Eine Hand, die wilde Schauer durch seinen Körper jagte, die ihn willenlos machte. Ihn an den Rand der Ekstase trieb, nur um ihn anschließend grausam fallen zu lassen.
Und doch hatte er jeden Augenblick davon genossen, hatte sich nach diesen Berührungen gesehnt. Berührungen, die er vorher nie gekannt, nie erfahren hatte. Oh, wie sehr...
June 1974
...er auf diesen Tag gewartet hatte. Es war an der Zeit, endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Heute Nacht würde er der Dunklen Bruderschaft seine Loyalität darlegen und seinen Wert beweisen. Sie hatten große Ziele und er würde ihnen helfen, sie zu erreichen. Er würde ein Teil der neuen glorreichen Ära sein, die bald über die Zaubererwelt hereinbrach.
Gemeinsam mit Lucius...
Fast zärtlich strichen seine Hände über die Maske, deren fahler Schein von Tod und Untergang kündete. Tod für die Feinde, Untergang für die alte Welt. Aus ihrer Asche würde eine neue, eine bessere Welt entstehen.
Lucius hatte recht behalten, der Meister war der mächtigste Magier aller Zeiten. Er hätte Lucius von Anfang an vertrauen und nicht an ihm zweifeln dürfen. Aber Lucius hatte ihn nicht aufgegeben, sondern ihn auf den richtigen Weg zurückgebracht. Lucius und Florence waren die einzigen, die ihn niemals aufgegeben hatten. Selbst Lily... aber nein, das war jetzt nicht mehr wichtig. Die Vergangenheit zählte nicht.
Nur die Zukunft zählte. Und sie begann...
January 23rd 1995
...heute Nacht hatte sich alles verändert. Wie konnte er jetzt zurückkehren, zu seinem normalen Leben? Sollte er so tun, als wäre nichts passiert? Einfach weitermachen, morgen aufstehen, frühstücken, zum Unterricht gehen?
Normales Leben? Lächerlich! Dein Leben war nie auch nur ansatzweise normal.
Nein, er konnte sich nichts vormachen. Zu all den Absonderlichkeiten, die ohne jede Vorwarnung in sein Leben einbrachen und über die er keine Kontrolle hatte, war nun eine weitere dazugekommen. Na schön, er hatte Basilisken, dreiköpfige Hunde, Spinnen und Lord Voldemort überlebt. Da sollte Malfoy doch...
February 19th, 1979
...das geringste Problem darstellen. Die Musik und die Lichter waren fern, aber dennoch schmerzten sie ihm in den Augen und Ohren. Was immer hier heute gefeiert wurde, er hatte keinen Anteil daran.
Oh, natürlich hatte er eine Einladung erhalten, die Lestranges wollten es sich schließlich nicht nehmen lassen, Lucius einen Verbündeten auszuspannen. Er könnte einfach hinein gehen in die Welt des Geldes und des Glanzes und der reinblütigen Zaubererfamilien, könnte ein Teil dieser Welt sein, so wie er es sich immer gewünscht hatte. Mit der allergrößten Selbstverständlichkeit.
Warum war er also nicht zufrieden? Warum war er nicht glücklich?
Er versuchte sich einzureden, dass es mit Florence zusammenhing, aber er wusste, dass das nicht der alleinige Grund war. Natürlich hatte die Demütigung tief in seinem Herzen gebrannt, als ein anderer sie zum Altar führte. Aber es gab noch andere, weitaus tieferliegende Gründe.
Er zweifelte. Er zweifelte an Lucius, er zweifelte am Dunklen Lord, er zweifelte an allem, was er über die letzten Jahre hinweg zu verinnerlichen versucht hatte. Um einer Ideologie zu folgen, brauchte es einen festen Glauben, und dieser Glaube fehlte ihm im Moment. Würde er ihn wiederfinden? War es nur eine vorrübergehende Krise?
Oder gab es schon...
January 23rd 1995
...kein Zurück mehr? Welcher Zauber konnte Malfoy’s Präsenz wieder aus seinem Körper brennen? Ungeschehen machen, was geschehen war. Seine Seele reinwaschen und ihm seine verlorene Unschuld wiedergeben?
Sein eigener Körper war der Feind gewesen, der ihn verraten hatte. Lust, Erregung, und pure Begierde hatten ihn in Besitz genommen, ihn gefügig gemacht. Ihn so lange brennen lassen, bis jede einzelne Faser davon nach Linderung schrie. Bis selbst sein Geist keinen anderen Gedanken mehr kannte, als die Sehnsucht nach Erlösung.
Und letztendlich hast du den Preis dafür bezahlt, nicht wahr? Egal wie hoch er auch sein mochte. Du hast zugelassen, dass Malfoy über dich kam, deinen Körper in Besitz nahm, mit dir gemeinsam in Flammen aufging. Alles nur, um dieses Verlangen zu stillen, diesen furchtbaren Schmerz. Stechend wie ein Giftpfeil...
April 30th,1979
...raste der Schmerz durch seinen Arm, er zuckte zusammen, ballte die Hand zur Faust und unterdrückte einen Schrei. Zwar hatte er damit gerechnet, dass sein ehemaliger Meister bald nach ihm verlangen würde, denn seit der letzten Versammlung war schon zu viel Zeit verstrichen. Aber nichts konnte einen Mann auf diesen kurzen Moment äußersten Schmerzes vorbereiten und noch weniger auf die Panik, die ihm folgte.
Er ruft mich ... was soll ich diesmal für ihn tun? Welche Verbrechen in seinem Namen begehen?
Nein, keine Mission. Die Hochzeit von Lucius und der Lestrange-Tochter. Er hatte nicht geglaubt, dass sie schon heute Nacht stattfinden würde, andererseits war die Beltane-Nacht doch wie geschaffen für eine Hochzeit.
Narcissa Lestrange wirkte blass und zerbrechlich in dem weißen Kleid, sie erinnerte ihn an Florence unter dem Schleier. Lucius sah aus wie immer, aalglatt und stolz.
Das Ritual begann. Auf dem Altar lag bereits der Lederriemen, mit dem der Dunkle Lord die Hände des Brautpaares aneinander binden würde. Neben dem Altar stand die Schwester der Braut und hielt den goldenen Sonnenkelch, aus dem das Brautpaar trinken würde. Doch es war der dritte der heiligen Gegenstände, von dem sein Blick nicht wich, der gekrümmte Dolch in Form einer Mondsichel. Dies war die beste Gelegenheit. Eine andere würde so schnell nicht kommen.
Und Regulus Black war unaufmerksam...
Falls der Dunkle Lord den Diebstahl des Dolches bemerkte, würde er mit Sicherheit Black für den Verlust verantwortlich machen. Ein Todesser weniger, wie bedauerlich.
Er Apparierte nicht weit, nur bis zum vereinbarten Treffpunkt.
“Ich hatte schon befürchtet, Sie würden es nicht schaffen.“ Sein Gesprächspartner stand im Schatten einer mächtigen Eiche, die Kapuze seiner schwarzen Robe tief ins Gesicht gezogen.
“Ich bin hier, wie Sie sehen.“ Als er nähertrat, konnte er erkennen, dass die Robe nicht schwarz, sondern mitternachtsblau war. Der andere Zauberer sah ihm mit prüfendem Blick entgegen.
“Und? War Ihrer Mission Erfolg beschieden?“
“Allerdings.“ Er holte den Dolch hervor, an dem noch das Blut klebte. “Das Blut des Dunklen Lords, genau wie Sie es verlangt haben. Ich gehe nicht davon aus, dass Sie mir verraten werden, was Sie damit vorhaben.“
Natürlich hatte er es nicht getan. Dieser Zauberer verriet nie jemandem seine Pläne, daran hatte sich bis heute nichts geändert. Bruchstücke vielleicht. Oder grobe Abläufe ohne Einzelheiten. Aber niemals das Gesamtbild.
Nein, Albus Dumbledore ließ sich nicht gerne in die Karten schauen. Diese Eigenschaft hatte er mit dem Dunklen Lord gemeinsam. Ein Meister der Magie verbarg...
January 23rd 1995
...seine wahren Absichten tief in seinem Geist. Er trug sein Herz nicht auf der Zunge, schrie seine Gefühle nicht in die Dunkelheit hinaus.
Aber du bist noch weit entfernt davon, die Magie zu meistern, nicht wahr? Wenn du nicht einmal die Kontrolle über dich selbst hast. Haben die Dursleys dich so ausgehungert, dass dir selbst die Berührung eines Feindes wie ein Segen erscheint?
Oder ist etwas nicht Ordnung mit dir? Bist du nicht normal? (Mal abgesehen von Narben und bösen Schwarzmagiern und ähnlichem Blödsinn) Bist du irgendwie verdreht oder krank im Kopf? Andere suchen nach Liebe, du dagegen schläfst mit deinem Feind. Wie kaputt muss man eigentlich sein, Harry Potter?
Nein, er brauchte jetzt keine verdammten Schuldgefühle. Er konnte schließlich nichts dafür! Es war alles Malfoy’s Schuld. Malfoy hatte...
December 21st, 1979
...ihn manipuliert. Und er hatte sich blenden lassen.
Nein, er hatte sich alles, was geschehen war, selbst zuzuschreiben.
Das Buch, das Buch der Geheimnisse. Die Seiten wirbelten in den Händen seines ehemaligen Meisters. Seiten, die der Sage nach mit Blut beschrieben sein sollten.
Ein Verräter hatte versucht, es zu stehlen. Das Herz pochte in seiner Brust; es gab einen weiteren Verräter in den Reihen des Lords. Ein Verräter, der nicht er selbst war. Oh, was hätte dieser Verräter für ein mächtiger Verbündeter sein können. Zu zweit hätten sie so vieles mehr an Möglichkeiten gehabt.
Aber, er wusste nicht, wer dieser Mann oder diese Frau war und mit größter Wahrscheinlichkeit würde die Person bald tot sein. Wenn der Dunkle Lord einen Verräter entlarvte, dann würde es keine Gnade geben.
Das Buch der Geheimnisse. Einer der vielen Schlüssel zur Macht des Dunklen Lords. Auch er selbst hätte es stehlen sollen, in Dumbledore’s Auftrag. Aber es war nicht möglich gewesen und jetzt, wo es diese beiden Kopien gab, noch unmöglicher als unmöglich. Selbst wenn er herausfinden konnte, wo sich alle drei Exemplare befanden, selbst wenn er alle Rätsel, Fallen und Schutzmechanismen umgehen konnte, so wusste doch niemand außer dem Lord selbst, welches das echte Buch war.
Nein, das war nicht wichtig. Dumbledore wollte das Buch schließlich nicht verwenden, er wollte nur dem Feind eine Waffe nehmen. Der alte Mann hatte seinen gewissen Ehrenkodex. Schließlich war er ein Zauberer des Lichts, wenn auch ein wenig zu strahlend, zu uneigennützig, und zu aalglatt. Er spielte gern die Rolle des freundlichen weisen Großvaters, aber das war nur die eine Seite. Darunter lauerten Dinge, die man sich nicht ausmalen wollte.
Er hob die Lider, blickte auf das Ritual, das inzwischen begonnen hatte. Ein Ritual, um Lucius’ Erstgeborenen in die Dunkle Bruderschaft aufzunehmen. Das Kind war gerade mal ein paar Monate alt, aber sein Weg war schon vorgezeichnet. Eine vorherbestimmte Zukunft ohne jegliche Entscheidungsfreiheit. Sollte es unter der Herrschaft des Dunklen Lords allen Kindern so ergehen?
Aber was wollte Dumbledore dagegen tun? Das Ritual verlieh seinem ehemaligen Meister Macht über diese Kinder. Worin diese Macht genau bestand, konnte er nicht sagen, aber sie war bestimmt stärker, als bei denen, die sich ihm als Jugendliche oder Erwachsene mehr oder minder freiwillig anschlossen.
Ein heiliger Bund, geschmiedet aus den drei ältesten und mächtigsten Buchstaben des Alphabets. Ein heiliger Bund, missbraucht und korrumpiert durch schwarze Magie, ebenso wie der Dunkle Lord die alten Riten des Ehegelübdes missbraucht und korrumpiert hatte. Ein heiliger Bund von Feuer, Erde und Luft...
January 23rd 1995
...chymische Hochzeit in einer Feuersbrunst, einem Erdbeben, im Mittelpunkt des Sturms. Leo rubeus, Draco viridis. Roter Löwe, Grüner Drache. Zwei kosmische Prinzipien in ewigem, alles verschlingendem Kampf. Zwei Körper, zwei Seelen, die miteinander eins wurden, als die Grenzen zwischen ihnen fielen, die Welt um sie herum verblasste. Ein Ringen ohne Anfang und ohne Ende, ein Moment, als die Zeit vollkommen stillzustehen schien. Ein niemals endender Kreislauf, der aus sich selbst heraus entstand, in sich selbst verging, und dröhnend im Universum widerhallte, von den mächtigen Glockentönen der ewigen Galaxien bis hinunter ins kleinste, flüchtige Elektron.
Und du glaubst tatsächlich, es geht hier um Schuld oder Nicht-Schuld?
Warum? Weil er das arme Opfer spielen wollte? Wer die Schuld bei einem anderen sucht...
November 1981
“...erhebt Anklage. Den Vorsitz führt unser hochgeschätzter Minister für Justiz und Einhaltung magischer Gesetze, Bartemius Crouch.“
“In den letzten vier Stunden, werte Hexen und Zauberer mussten wir uns eine Auflistung von Verbrechen anhören, die selbst die Hartgesottensten unter uns zum Schaudern gebracht hat. Mord, Folter, Erpressung - und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Keiner von Ihnen kann noch daran zweifeln, dass Severus Snape ein Todesser der schlimmsten Sorte ist, und dass er die Höchststrafe verdient.“
Kein Mitglied des Wizengamots hätte es je gewagt, Crouch bei einer seiner flammenden Reden zu unterbrechen, aber etwas an ihren Augen war anders als sonst. Normalerweise hingen sie förmlich an seinen Lippen und verfolgten jedes seiner Worte mit einer Art grimmiger Begeisterung. Heute aber lag in einigen dieser Augen Zweifel. Dumbledore hatte seine Verteidigung gründlich vorbereitet, hatte hieb- und stichfeste Beweise für seine, Snape’s Tätigkeit als Spion. Selbst feurige Hetzreden konnten diese kleinen logischen Details nicht vollkommen außer Kraft setzen.
Heute würde sich zeigen, wessen Wort dem Wizengamot mehr galt, das von Bartemius Crouch oder von Albus Dumbledore. Täter oder...
January 23rd 1995
Opfer? Nein, er hatte sich schon viel zu oft von anderen zum Opfer stempeln lassen. Damit war jetzt Schluss, verdammt noch mal! Und sich feige hinter Schuldzuweisungen verstecken? Nein, auf so etwas Armseliges würde er sich gar nicht erst einlassen.
Es war passiert, sie hatten es getan, und sie hatten es beide gewollt. Zwar hatte Malfoy ihn fast bis zum Wahnsinn gereizt, aber er hatte ihn auch nicht von sich weggestoßen oder war fortgegangen. Ganz im Gegenteil, als Malfoy ihn endlich losließ, hatte er nichts Besseres zu tun gehabt, als ihn schleunigst wieder zu sich herzuzerren. Er hatte die Schenkel um ihn geschlossen, hatte sich in seine Hüften gekrallt, hatte nach mehr verlangt.
Jetzt, hinterher, mochte ihm das unglaublich peinlich sein, denn die Scham in ihm brannte fast ebenso schlimm wie zuvor die Leidenschaft. Aber es ändert nichts an der Tatsache, dass er es verdammt noch mal getan hatte. Auch wenn sich alles...
December 21st 1981
... in ihm dagegen sträubte. Es war vorbei, der Dunkle Lord tot, seine Anhängerschaft zerschlagen, und er selbst hatte seine Aufgabe erfüllt. Er war den schmalen Pfad des Verrats gegangen, hatte hundertfach sein Leben riskiert und tausendfach für seine Fehler der Vergangenheit gebüßt. Innerlich konnte er es noch gar nicht richtig begreifen, dass er jetzt ein freier Mann war.
Frei, aber verachtet...
Er würde fortgehen. Irgendwohin, wo ihn niemand kannte. Weit weg von England, weit weg von Europa würde er einen Neuanfang wagen. Selbst wenn es bedeuten würde, unter Muggles zu leben, es war ihm gleichgültig, wenn es nur die Schatten der Toten bannen konnte, die jede Nacht in der Dunkelheit seines Geistes aufstiegen.
Zurück nach Hogwarts? Weiterhin in dieser Gesellschaft leben, die ihm so zuwider war? Weiterhin unter Dumbledore’s Fuchtel stehen?
Nein, niemals...
Dumbledore konnte ihn zwingen, den Job als Lehrer anzunehmen, wenn er das wollte. Immerhin hing seine Freiheit allein an Dumbledore’s Aussage, in Dumbledore’s Händen. Aber so weit würde der alte Mann nicht gehen, das wusste er genau. Er würde ihn ziehen lassen, denn er stand in seiner Schuld.
Schnee bedeckte die nächtliche Landschaft. Weiß und unschuldig. Im Ministerium in London feierten sie heute Weihnachten. Seltsam, wie schnell die Zaubererwelt zur Normalität zurückgekehrt war...
Aber das alles ging ihn jetzt nichts mehr an. Es war...
January 23rd 1995
…vorbei. Es war geschehen und es war vorbei. Vor wem musst du dich auch rechtfertigen? Du bist ein Teenager, bei dem gerade eben die Hormone durchgedreht sind. Nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste.
Wetten, dass Malfoy, dieser Trottel, noch nicht mal weiß, was Hormone überhaupt sind? So was gibt’s wahrscheinlich gar nicht in seiner beschränkten Reinblütlerwelt. Da sind bestimmt irgendwelche kosmischen Energien dafür verantwortlich oder Magie. In der Zaubererwelt wird doch alles mit Magie erklärt.
Magie?
Was, wenn Malfoy ihn verhext hatte? Wenn es irgendein fieser Zauber war, um sich an ihm, Harry, zu rächen. Wenn diese ganze Aufforderung zum Duell nichts war, als eine große Falle, in die er blindlings hineingetappt war. Malfoy war so etwas durchaus zuzutrauen, er steckte schließlich voller...
January 23rd, 1982
“...Intrigen. Mir ist bewusst, dass Sie die Wahrheit über Lucius Malfoy kennen, und dass es Ihnen ein Bedürfnis sein muss, sie offen auszusprechen. Dennoch rate ich Ihnen, sich zurückzuhalten und sich nicht in die Angelegenheit verwickeln zu lassen. Es steht zu viel auf dem Spiel. Voldemort ist möglicherweise nicht tot, sondern wird zurückkehren, und dann braucht die Zaubererwelt ihre Hilfe. Wenn Sie jetzt öffentlich Ihre ehemaligen Gefährten angreifen, zerstören Sie vielleicht Ihre letzten Verbindungen zu den Todessern. Das sollten Sie nicht riskieren, zumal Ihre Aussage vor Gericht nur wenige überzeugen wird...“
Dumbledore’s Worte. Wie immer hatte er recht und wie immer konnte es einen vernünftigen Menschen in den Wahnsinn treiben. Lucius Malfoy war schuldig, soviel stand fest. Und die Chancen standen gut, dass er seinen Hals wieder einmal aus der Schlinge ziehen würde.
Aber wie Dumbledore es so treffend gesagt hatte, er konnte nicht viel ausrichten, also war es besser zu schweigen. Wie allerdings seine ehemalige Freundschaft zu Lucius für Dumbledore nützlich sein sollte, war ihm im Moment noch vollkommen schleierhaft. Sie waren sich längst fremd geworden. Und jetzt, nachdem es öffentlich bekannt war, dass er für die andere Seite spioniert hatte, galt er bei den Todessern ohnehin als Verräter.
Und was, wenn es Lucius nicht gelang? Würde es ihm Befriedigung verschaffen, ihn in Azkaban zu sehen? Oder gar als Opfer der Dementoren, entseelt durch ihren Kuss?
Noch eine zerstörte Familie, noch ein Kind, das ohne Vater aufwuchs. Wie man es drehen und wenden wollte, es gab einfach kein Schwarz oder Weiß mehr.
Die ganze Welt versank in...
January 23rd 1995
...düsterem nebligem Grau. Nichts war mehr klar, nichts war mehr sicher. Nichts, so wie es vorher war. Alles drehte sich im Kreis und verursachte ihm Kopfschmerzen.
Natürlich hatte er diese Dinge irgendwann kennenlernen wollen. Sich verlieben, sich mit jemandem verabreden, der erste Kuss, und dann vielleicht jemand anderem auch körperlich nahe sein. Aber doch nicht so. Doch nicht aus heiterem Himmel übereinander herfallen und schon gar nicht mit jemandem, den er nicht ausstehen konnte.
Bisher hatte er immer geglaubt, dass so etwas aus Liebe geschehen müsste, oder doch zumindest aus Zuneigung. Dass es schön sein würde und zumindest mit einem Hauch von Romantik. Aber alle diese poetischen Vorstellungen hatten sich in einer einzigen Nacht zerschlagen.
Es hatte sich gut angefühlt. Malfoy zu spüren, hatte sich gut angefühlt. So verdammt gut, dass es nichts anderes gab, was sich damit vergleichen ließ, außer vielleicht Quidditch. Aber mehr konnte er darüber nicht sagen. Er mochte den Kerl nicht, und ob er ihn attraktiv fand, darüber hatte er noch nie wirklich nachgedacht. Und das wollte er auch nicht. Diese ganze Situation war...
November 1988
...schon haarsträubend genug. “Grünwurz, Mr. Diggory, Grünwurz. Habe ich Ihnen nicht klar und deutlich gesagt, dass der Grünwurz vor der Puffskein Galle in den Trank gegeben werden muss? Wie oft muss ich mich noch wiederholen, dass Sie mich verstehen, Diggory!“
Es war hoffnungslos mit diesen Schülern. Sie hatten weder das Interesse noch die Befähigung, sich mit der komplexen Kunst des Zaubertränkebrauens auseinander zu setzen. Wenn es nach ihm ginge, so würde nur ein kleiner Kreis von ihnen in diesem Fach überhaupt unterrichtet werden.
Aber als Lehrer hatte er diese Wahl nun mal nicht. Erst nach dem fünften Schuljahr konnte er diese Idioten aussieben und sich auf die wenigen Auserwählten unter ihnen konzentrieren.
Einen Abend, einen glorreichen Abend lang, hatte er sich den Träumereien hingegeben, an einem anderen Ort ein neues Leben anzufangen. Ein Leben ohne den Dunklen Lord, ohne Dumbledore, ohne die Vergangenheit, die schmerzvoll auf seiner Seele lastete. Doch noch am selben Abend war eine Gruppe Todesser ins Haus der Longbottoms eingedrungen, auf der Suche nach dem verschwundenen Meister. Wie Dumbledore glaubten auch sie, dass das letzte Kapitel in Voldemort’s Herrschaft noch nicht geschrieben war. Wie Dumbledore glaubten auch sie an seine Rückkehr.
Nein, es würde niemals wirklich vorbei sein. Wer einmal von der Dunkelheit des Lords berührt wurde, dessen Seele konnte nie wieder Frieden finden.
’Aber er wurde besiegt,’ dachte er mit grimmiger Miene, ’er wurde besiegt, und so wird es ein weiteres Mal geschehen. Egal wie hoch der Preis sein wird, den wir bezahlen müssen.’
Aber vielleicht würde es das Kind sein, das den Preis bezahlen musste. Dieser kleine Junge namens...
January 23rd 1995
... Harry Potter. Was brachte Draco Malfoy dazu, ausgerechnet Harry Potter zu verführen. War es Rache? Demütigung? Lust? War es einfach nur aus der Situation heraus entstanden oder war es von vornherein sein Plan gewesen?
Nein, einen solch perfiden Plan konnte sich nicht einmal Draco Malfoy ausdenken. Oder doch?
Er ist dir jahrelang hinterher gerannt. Hat dir in den Gängen und der Großen Halle aufgelauert. Wusste deinen Stundenplan auswendig, hat sich wegen dir ins Quidditch Team eingekauft. Ist seinen Freunden und seiner Familie mit seinen ewigen Geschichten über dich auf die Nerven gefallen. Sieh es ein, er ist total besessen von dir.
Aber warum das alles? Nur weil er Malfoy damals zurückgewiesen hatte, als dieser ihm die Hand zur Freundschaft hinstreckte. Das war doch schon viel...
May 1991
...zu lang her. Es mochte gut zehn Jahre her sein, dass er das Anwesen zum letzten Mal betreten hatte, aber alles war noch genauso wie in seiner Erinnerung. Das schmiedeeiserne Tor, die riesigen Parkanlagen, die Allee aus Magnolienbäumen, welche die Straße zum Haupthaus säumte. Um diese Jahreszeit blühten sie noch nicht, aber winzige schimmernde Knospen verbargen sich bereits zwischen ihren grünen Blättern.
“Ah, Severus. Ich freue mich, dass du meiner Einladung Folge leisten konntest. Möchtest du deinen Tee hier nehmen, oder lieber im Salon?“
“Wie es dir beliebt, Lucius.“
Seine Stimme - seine ganze Art, war immer noch diejenige eines Mannes, der sich nichts anmerken ließ. Die Aurori hätten ihn inmitten einer ganzen Stadt toter Muggles aufgreifen können, den rauchenden Zauberstab noch in den Händen, und er hätte nichts weiter getan, als seine Augenbrauen zu heben und ihnen zu versichern, er habe keine Ahnung, was er hier tue und wie er überhaupt hierher gekommen war.
Und sie hätten es ihm geglaubt. Ja, das hätten sie.
Es war die richtige Entscheidung gewesen, nicht gegen diesen Mann auszusagen. Seltsam, dass es ihm ausgerechnet in diesem Moment klar wurde, wo Lucius doch nichts weiter tat als ihn zu begrüßen wie einen alten Freund.
Und nur gut, dass es Dumbledore schon zehn Jahre früher klar gewesen war. In vielen Situationen war es das Wichtigste...
January 23rd 1995
...einfach die Nerven zu behalten. Selbst wenn Malfoy irgendwelche Gerüchte verbreitete, wer würde ihm Glauben schenken außer den Slytherins? Und die konnten ihn sowieso nicht leiden. Er wäre doch dumm, sich von ihnen ins Bockshorn jagen zu lassen.
Damals, vor zwei Jahren, als sie alle geglaubt hatten, er wäre Slytherin’s Erbe, das war wirklich schlimm gewesen. Oder zu Jahresanfang, als sein Name plötzlich im Gral des Feuers auftauchte und selbst Ron ihm nicht glauben wollte, dass es nicht seine Schuld war.
Ganz ehrlich, schlimmer als das konnten ein paar haltlose Gerüchte über irgendwelche nächtliche Affairen nicht sein. Schließlich tauchten solche Gerüchte in Hogwarts jede Woche auf und verschwanden ebenso schnell auch wieder. Er würde am besten überhaupt nichts dazu sagen, sondern sich einfach auf den Unterricht und die zweite Aufgabe konzentrieren, bis der Klatsch und Tratsch verstummt waren.
Aber was, wenn Malfoy ihn vor den anderen damit konfrontierte? Sollte er es abstreiten oder die Wahrheit sagen?
Notfalls konnte er ihn immer noch verwünschen, wenn gerade kein Lehrer in der Nähe war. Dazu genügte lediglich der Wink eines...
July 31st, 1991
...Zauberstabes, der das Feuer wieder zum Brennen brachte, doch die Reste des Tees waren selbstverständlich kalt geworden. Er würde sich einen neuen aufbrühen müssen.
Fröstelnd rieb er sich die Hände. Obwohl kühle Sommer in den albanischen Gebirgsregionen nichts Ungewöhnliches darstellten, war es ihm unbegreiflich wie es in einer Sommernacht dermaßen kalt sein konnte.
Doch es wäre übertrieben zu glauben, dass irgendwelche schwarzmagischen Kräfte für diese Temperaturen verantwortlich waren. In den drei Wochen, in denen er diese Wälder durchforstet hatte, hatte er nichts, aber auch gar nichts gefunden, was diese Gerüchte in irgendeiner Form bestätigen konnte. Keine seltsam verdorrten Pflanzen, keine auf ungewöhnliche Weise zu Tode gekommenen Tiere. Nur eine wildnatürliche Landschaft aus Wäldern und einsamen Bergkuppen, in der sich Wölfe, allerlei Rotwild und sogar die scheuen Wildkatzen tummelten, während sich die Valbona malerisch ihren Weg durch die zerklüfteten Felsen bahnte.
Es war, als würde man nach einer Stecknadel im Heuhaufen suchen. Er wusste ja nicht einmal in welcher Form oder welchem Zustand der Dunkle Lord sein würde - zumindest das, was von ihm noch übrig war. Ein Dämon, ein Geistwesen, oder am Ende gar eine Art Inferius? Er mochte es sich nicht ausmalen. Gerüchte und noch mehr Gerüchte waren alles, womit sie im Moment arbeiten konnten. Kein vernünftiger Mensch maß ihnen irgendeine Bedeutung bei.
Aber Dumbledore und er hatten den Status vernünftiger Menschen schon vor langer Zeit hinter sich gelassen.
Dumbledore würde vermutlich noch nicht einmal enttäuscht sein, wenn er unverrichteter Dinge zurückkehrte. Sie wussten beide wie unwahrscheinlich es war, hier irgendeinen Hinweis zu finden. Dennoch gab die Suche ihm etwas zu tun, etwas anderes als das sinnlose Herumwarten, bis der Schulalltag wieder begann. Eine Möglichkeit, sich abzulenken.
Manche Wunden können durch Zeit nicht geschlossen werden. Manche Erinnerungen...
January 23rd 1995
.... können durch den Willen nicht begraben werden. Und manche Flammen können durch Wasser nicht gelöscht werden.
Malfoy’s Zähne in deinem Nacken. Malfoy’s Atem, der über deine Haut streicht.
Harry hörte sein eigenes Keuchen, das sich mit dem Geräusch des herabströmenden Wassers vermischte, atemlose Versuche, nach Luft zu ringen, kehlige Laute des Verlangens. Seine eigenen Hände waren nicht so geübt wie die von Malfoy, aber nach einigen Minuten hatte er seinen Rhythmus gefunden.
Sein Körper, der dich niederdrückt. Seine Hände, die dich umfassen. Sein pochender Herzschlag zwischen deinen Schenkeln.
Zitternd lehnte Harry an der Wand und wollte einfach nur vergessen.
* * *
January 23rd 1995
Ein anderer Ort zur selben Zeit
Professor Severus Snape hob seinem Kopf aus dem Pensieve und verschloss es danach sorgfältig. Es war nicht seine Absicht gewesen, sich in Erinnerungen zu verlieren, vielmehr wollte er nach Informationen sammeln, die ihm dabei helfen konnten, die Zusammenhänge zwischen den seltsamen Ereignissen der letzten Wochen und Monate zu begreifen.
Angefangen hatte alles mit dem Zwischenfall bei der Quidditch Weltmeisterschaft, wobei es nicht so sehr der Angriff auf die Muggles war, der bei ihm der Alarmglocken schrillen ließ. Dafür waren mit Sicherheit ein paar rassistische Reinblütler verantwortlich, doch es hatte nichts mit dem Dunklen Lord selbst zu tun. Er wäre darauf bedacht, sich im Hintergrund zu halten, bis er zu seiner vollen Stärke zurückgefunden hätte. Einen solchen Trubel zu veranstalten, würde ihn zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht weiterbringen.
Auch für das Dunkle Mal am Himmel war er mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht verantwortlich gewesen. Trotzdem, derjenige, der es in den Himmel geschrieben hatte, musste ein Todesser sein, der noch an seinen Meister glaubte. Jemand, den sie keinesfalls unterschätzen durften.
Möglicherweise hatten auch das Verschwinden von Bertha Jorkins und der Tod des Muggles Frank Bryce damit zu tun. Bertha Jorkins war in Albanien verschwunden und Frank Bryce war der Hausmeister des ehemaligen Riddle Hauses gewesen. Konnte das alles Zufall sein? Lächerlich.
Und wer hatte Potter’s Namen in den Gral des Feuers geworfen? Natürlich konnte der Junge selbst dafür verantwortlich sein, auf der Suche nach noch mehr und noch größerem Ruhm. Potter war ja geradezu süchtig danach; er war genau derselbe hochmütige Angeber wie sein Vater vor ihm.
Aber besaß ein Viertklässler wirklich das Wissen, um ein solch mächtiges Artefakt nach seinem Willen zu manipulieren?
Schritte und ein Klopfen an der Tür rissen Severus aus seinen Gedanken. “Treten Sie ein, Schuldirektor,“ entgegnete er beinahe automatisch. Es gab nicht viele Menschen, die ihn um diese Zeit noch zu stören gewagt hätten und er war sich ziemlich sicher, Dumbledore’s Schritt erkannt zu haben.
“Entschuldigen Sie die späte Störung, Severus. Als ich das Licht sah, vermutete ich, Sie wären noch wach.“
“Wie Sie sehen...“ Severus bot Dumbledore einen Platz an, doch dieser schüttelte nachdenklich den Kopf. Er zog es vor, auf- und abzuwandern, wenn er sich über etwas Gedanken machte, diese Eigenschaft hatte er mit Lucius gemeinsam. “Ich habe noch einmal über die Sache mit Bertha Jorkins nachgedacht. Wir verfolgen ja immer noch die Theorie, dass Voldemort durch sie von der Veranstaltung des Trimagischen Turniers erfahren hat, und dass daraufhin einer seiner Diener den Gral manipuliert hat, um Harry’s Teilnahme an diesem Turnier zu garantieren. Bisher haben wir immer vermutet, dass Voldemort Harry dadurch in eine Falle locken will, um ihn zu töten. Aber was, wenn er Harry benötigt, um - nennen wir es mal, zu seiner alten Stärke zurückzufinden?“
“Worauf wollen Sie hinaus, Schuldirektor?“ Snape wusste im ersten Moment nicht, ob er Dumbledore’s Gedankengang folgen konnte.
“Sie erinnern sich doch an die Prophezeiung, nicht wahr, Severus?“
Natürlich tat er das. Wie oft hatten Dumbledore und er über dieser Prophezeiung gebrütet, waren sie Wort für Wort durchgegangen, hatten versucht, das gesamte Ausmaß ihrer Bedeutung zu erfassen, hatten Theorie um Theorie aufgebaut und doch wieder verworfen.
In den letzten Jahren hatten sie allerdings nicht mehr viel darüber gesprochen, da so ziemlich alles darauf hinwies, dass sich die Prophezeiung mit der Vernichtung Voldemort’s durch Harry Potter erfüllt hatte. Severus hatte wirklich kein Interesse daran, ein weiteres Mal alles durchzukauen, aber er würde es wohl müssen, wenn er Dumbledore’s Gedanken verstehen wollte.
Also gut, so würden sie noch einmal von vorne anfangen. Nicht bei Bertha Jorkins, nicht beim Quidditch World Cup, sondern bei jenem Juniabend im Jahr 1974, als diese seltsamen Worte über Trelawny’s Lippen kamen.
Sonne und Mond, Gold und Silber, Merlin und Morgana,
Seid am heutigen Tage Zeugen meiner Worte:
Der Schatten des geflügelten Todes liegt über uns,
Um unsere Welt in den Abgrund zu stürzen.
“Als wir das letzte Mal darüber sprachen, sagten Sie, mit den ersten beiden Zeilen benennt die Seherin möglicherweise die beiden kosmischen Prinzipien als Zeugen,“ begann Severus. “Das würde bedeuten, dass Sonne, Gold und Merlin für das helle Prinzip stehen und Mond, Silber, Morgana für das dunkle. Diese beiden Prinzipien können auch durch Yang und Yin repräsentiert werden, oder durch weiße und schwarze Magie, durch Tag und Nacht, männlich und weiblich, und viele weitere Gegensätze. Sie meinten, die Anrufung dieser Prinzipien bedeutet in vielen Fällen eine Art Stellungnahme des Sprechers, also der Seherin, dass sie selbst eine neutrale Position einnimmt. Tag und Nacht, Licht und Dunkel oder Gut und Böse sind vor ihr gleich. Sie steht nicht auf einer der beiden Seiten, sondern übermittelt nur das Wissen, welches ihr zuteil wurde.“
“Ja, Severus, das waren meine Worte.“ Dumbledore rieb die Handflächen aneinander, was auch kein Wunder war, denn in den Kerkern war es um diese Jahreszeit ziemlich kalt. “Aber was wäre, wenn diese sogenannten Zeugen sehr viel wörtlicher zu verstehen wären, als das. Vielleicht sind es symbolische Umschreibungen für die Personen, die an jenem Tag zugegen waren?“
“Mit allem Respekt, Schuldirektor, der Vergleich zwischen Ihnen und Merlin scheint mir doch ein wenig weit hergeholt...“
“Ja, das schien mir auch so, deshalb hatte ich diesen Gedanken auch ursprünglich wieder verworfen.“ Dumbledore blickte durch das Fenster in den nachtschwarzen See hinaus. “Aber vergessen wir nicht, dass Merlin nicht nur eine einzelne Person, sondern Jahrhunderte lang auch der Titel des obersten Druiden war. Und der oberste Druide war vor allen Dingen eins, ein Lehrer, der weitere Druiden in den Wegen der Natur und der Götter unterwies. Diese Position ist der eines Schuldirektors gar nicht so unähnlich.“
Trotzdem ergab diese Theorie keinen Sinn. Wenn mit Merlin Dumbledore gemeint war, wer sollte dann Morgana sein? Etwa Narcissa? Oder gar Trelawny selbst, die am Ende doch keine neutrale Seherinnenposition einnahm, sondern selbst kräftig mitmischte?
“Lassen wir das einfach so stehen und kommen zum nächsten Teil,“ setzte Dumbledore seine Überlegungen fort. “Was fällt Ihnen zum geflügelten Tod ein?“
“Eine der vielen Bedeutungen des Namen Voldemort ist geflügelter Tod.“ Auch jetzt, nach so vielen Jahren konnte Snape den Namen seines ehemaligen Meisters nicht aussprechen, ohne dabei zu schaudern. “Und er hat versucht, unsere Welt, die Welt der Hexen und Zauberer in den Abgrund seiner tyrannischen Herrschaft zu stürzen.“
“Was genau er mit der Welt vorhatte, werden wir hoffentlich nie erfahren müssen,“ murmelte Dumbledore düster, “aber gut, dieser Teil der Prophezeiung ist in meinen Augen ziemlich einleuchtend. Kommen wir zum nächsten Teil.“
Geboren im Zeichen des Löwen, behütet durch die Liebe von Mutter und Vater,
Erblickt ein Kind das Licht dieser Welt.
Ein Funke, ein leuchtendes Schwert,
Das seine dunkle Macht bedroht.
“Auch dieser Teil scheint mir einleuchtend,“ erklärte Snape. “Das Kind ist Harry Potter. Er wurde im Zeichen des Löwen geboren und hatte zwei Eltern, die ihn liebten. Und er war derjenige, der den Dunklen Lord letztendlich besiegte.“
“Ja, Severus, doch finden Sie es nicht interessant, dass er mit Feuer und Schwert assoziiert wird?“
“Warum?“ wunderte sich Severus. “Das Element Feuer und das Artefakt Schwert sind zwei eindeutige Gryffindor Symbole. Und da Harry Potter in vielen Augen als der typische Gryffindor gilt...“
“Aber wenn ich mich nicht irre,“ setzte Dumbledore nach,“ gibt es in der Welt der Muggles noch andere Bedeutungen von Feuer und Schwert?“
Allerdings. Etwas mit Feuer und Schwert verbreiten, das bedeutete, es mit Gewalt durchzusetzen. Aber selbst wenn er Potter nicht ausstehen konnte, so glaubte er nicht, dass die Prophezeiung ihn als gewalttätigen Tyrannen darstellen wollte.
Etwas von diesen Gedanken musste sich wohl in seiner Mimik gezeigt haben, aber vielleicht riet Dumbledore auch einfach nur ins Blaue hinein, als er sagte: “Sie haben wohl doch eine höhere Meinung von dem Jungen, als Sie zugeben wollen, Severus.“ Dumbledore schmunzelte leicht, aber Snape zog es vor, diese Aussage unkommentiert zu lassen.
Geschmiedet in den Feuern Merlin’s, geführt vom Drachen Morgana’s
wird es die Macht erlangen, ihn zu vernichten.
Eine Flamme, ein brennendes Schwert,
Das sein dunkles Herz durchstößt.
“Und das ist nun der Teil in dem es wirklich kompliziert wird, denn es gibt so viele Möglichkeiten, diese Passage auszulegen,“ begann Dumbledore. “Wenn wir die alten Gedankengänge weiter verfolgen, so könnten die Feuer Merlin’s für Gryffindor stehen und der Drache Morgana’s für Slytherin. Durchaus zutreffend, wenn man bedenkt, dass Harry zwar in Gryffindor ist, der Auswahlhut ihn aber ursprünglich nach Slytherin schicken wollte.“
“Zumindest hat der Junge es behauptet.“ Severus war nicht wirklich überzeugt davon. Er konnte keinerlei Eigenschaften an Potter entdecken, die seine Ernennung zum Slytherin gerechtfertigt hätten.
“Und er hätte keinen Grund, mich anzulügen,“ antwortete Dumbledore bestimmt. “Die nächste Frage, die sich uns stellt ist, wie die Sache mit dem dunklen Herzen zu verstehen ist. Ist es einfach nur eine symbolische Deutung dafür, dass Harry Voldemort vernichten wird, oder in gewisser Weise schon vernichtet hat, oder steht das Herz für etwas anderes? Das menschliche Herz war immer schon etwas sehr Symbolträchtiges. Im alten Ägypten war das Herz der Sitz von Gut und Böse, die alten Griechen glaubten, es wäre der Sitz der Seele und in vielen östlichen Kulturen wird es eher mit dem Geist assoziiert.“
“Wie auch immer man es interpretiert, es läuft darauf hinaus, dass Harry Potter den Dunklen Lord besiegt und so ist es ja auch geschehen,“ stellte Severus fest. “Wenn dieser Sieg auch möglicherweise nicht von Dauer sein wird.“
“Und das ist genau der Grund, weshalb ich der Ansicht bin, dass sich die Prophezeiung noch nicht erfüllt hat.“ Zum ersten Mal während dieses Gesprächs schien Dumbledore tatsächlich nervös zu sein. Er strich sich mit fahrigen Bewegungen über den Bart und verschränkte schließlich die Hände ineinander.
“Aber es ist doch alles eingetroffen,“ wunderte sich Severus. “Harry Potter wurde geboren und er hat den Dunklen Lord besiegt. Wo sehen Sie denn im Text den Beweis, dass dies ein endgültiger Sieg zu sein hat? Vielleicht sollten wir diese närrische Prophezeiung endlich ad acta legen und nach anderen Möglichkeiten suchen, mit dem Dunklen Lord fertig zu werden, nach vernünftigen Möglichkeiten, die ausnahmsweise mal etwas mit dem Verstand zu tun haben, und nicht mit dem kryptischen Geschwätz von Seherinnen.“
Er wusste, dass er ein wenig die Beherrschung verloren hatte, doch seltsamerweise tadelte Dumbledore ihn nicht dafür. Er blickte ihn nur nachdenklich an und murmelte: “Sie wissen gar nicht, wie Recht Sie damit haben, Severus. Wir werden nach anderen Möglichkeiten suchen müssen. Wir müssen Harry da raushalten.“
Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
Der Schatten weicht dem Licht, das Feuer verglüht zu Asche und unsere Welt wird frei sein...
Die Welt war nicht frei.
Natürlich war die Welt der Hexen und Zauberer in den letzten dreizehn Jahren mehr oder minder optimistisch gewesen. Die Bedrohung war vorüber, alles wurde endlich besser und alle konnten aufatmen. Aber dieser Friede war trügerisch und nicht von Dauer. Der Dunkle Lord würde zurückkehren, ja, er hatte es schon getan, als er mit Hilfe von Quirrell versucht hatte, an den Stein der Weisen zu gelangen. Und solange er nicht besiegt war und zwar endgültig, konnte die Welt nicht frei sein.
Dumbledore hatte wie immer Recht behalten, die Prophezeiung hatte sich noch nicht erfüllt. Und damit war noch immer alles offen - nein eben nicht alles. Die Welt war nicht frei, der Schatten war nicht dem Licht gewichen und auch das Feuer war nicht verglüht.
“Was Sie also damit andeuten wollen, Schuldirektor, ist, dass sich die Prophezeiung erst dann erfüllt hat, wenn beide, sowohl der Dunkle Lord, als auch Harry Potter wahrhaftig und entgültig tot sind.“ Severus wusste, dass seine Worte gefühllos und in gewisser Weise auch provozierend klangen, aber für einen winzigen Moment lang, konnte er sich des kalten Triumphs nicht erwehren, dass auch Dumbledore nicht perfekt war. All die schlauen Pläne, all die sorgfältig gesponnenen Intrigen und am Ende standen sie doch am selben Punkt wie zuvor.
Harry Potter lebte. Dumbledore hatte geglaubt, er habe der Prophezeiung damit ein Schnippchen geschlagen. Aber in Wirklichkeit hatte er ihre Erfüllung lediglich hinausgezögert.
“Ist es nicht eine seltsame Ironie,“ begann Severus, als Dumbledore ihm nicht antwortete. “Damals haben Sie alles dafür getan, damit die Prophezeiung sich erfüllt und heute wollen Sie alles tun, um genau das zu verhindern?“
Aber er hatte seine Grenzen jetzt entgültig überschritten. Dumbledore fuhr herum und trat auf ihn zu, und Severus musste unwillkürlich einen Schritt zurückweichen, als er den Blick in den Augen des alten Mannes bemerkte. “Damals wie heute war nur eins von Bedeutung: Voldemort zu vernichten und das mit so wenigen Opfern wie möglich. Und deshalb werde ich heute ebenso wie damals alles in meiner Macht Stehende tun, um Harry Potter’s Leben zu schützen. Wir werden eine andere Möglichkeit finden.“
’Und was für eine Möglichkeit soll das sein,’ dachte Severus bitter, als er Dumbledore’s aufgebrachtes Gesicht betrachtete. ’Lehrt uns die Geschichte nicht genau das, nämlich das man mit dem Schicksal nicht verhandeln kann? Harry Potter lebt, aber zu welchem Preis? Der Dunkle Lord wird zurückkehren und viele weitere Opfer fordern. Werden wir das verhindern können? Und werden wir den Jungen immer noch beschützen können?’
“Noch ist es nicht soweit.“ Snape war sich sicher, dass sein Gesicht seine Gedanken nicht verraten hatten, aber Dumbledore hatte offenbar trotzdem etwas in der Richtung vermutet. “Noch haben wir Zeit herauszufinden, was Voldemort plant. Wir werden sie nutzen. Und auch Prophezeiungen sind nicht in Stein gemeißelt. Wir wissen ja nicht einmal, ob das Feuer, das zu Asche verglüht, wirklich den Tod bedeuten muss. Selbst wenn das Feuer für Harry steht, so kann ’zu Asche verglühen’ doch auch etwas völlig anderes symbolisieren.“
Dumbledore wandte sich ab und versuchte durchs Fenster in das schwarze Wasser des Sees hinaus zu sehen. Aber eigentlich starrte er nur sein Spiegelbild an, welches ihm geisterhaft aus der Scheibe entgegenblickte. “Wir werden einen Weg finden, Severus, wir werden einen Weg finden. Und wenn wir keinen finden, so werden wir ihn schaffen.“
Tsuzuku...