Buchbesprechung "Wrong about Japan" und "Die Axt im Chrysanthemenwald"

Aug 20, 2012 23:07




Schönes Gif, oder? Leider habe ich keinen blassen Schimmer, aus welchem Anime es stammt und bin auch viel zu Faul es nachzugoogeln. Eigentlich ist es nur dafür gedacht, die Aufmerksamkeit auf diese Buchbesprechung zu lenken. Schon wieder eine Buchbesprechung? Nicht ganz, dieses Mal ist es eher eine Bücherbesprechung, denn ich habe mich dazu entschlossen gleich zwei Bücher gleichzeitig vorzustellen. Da sie thematisch zusammenpassen, dürfte das kein Problem sein, denke ich.

Es geht um Japan, nicht direkt um das Land selbst, sondern um die Kultur, die Unterschiede, das Andersartige, das Faszinierende daran. Das war es wohl auch, was mich in der Bibliothek - mal wieder - in die Reise- und Erdkundeabteilung trieb, wo ich gerne verweile und bevorzugt Reiseberichte von und über Großbritannien ausleihe. Wie ich auf Japan komme? Es lag näher als man denken könnte, immerhin lese ich Manga und schaue mir Anime an, und das nicht erst seit gestern, sondern schon seit sage und schreibe 15 Jahren... eine wirklich lange Zeit in der ich mich schon hier und da mit der Kultur Japans auseinander gesetzt habe um bestimmte Dinge in Anime und Manga besser zu verstehen. Denn auch hier gilt, wie in jeder Literatur oder jeden Medien, die aus bestimmten Kulturkreisen stammen: Wenn man sich nicht wenigstens ein kleines bisschen mit der kulturellen Tragweite auseinander setzt, versteht man am Ende nur Bahnhof und alles kommt einem seltsam und fremdartig vor. Oder man versteht absolut nicht, was gemeint ist und es entstehen Verständigungsprobleme die sich hochschaukeln können zu sehr klaffenden Vorurteilen, die sich nur mühsam wieder aus den Köpfen der Menschen entfernen lassen. Nichts ist schwerer zu entfernen, als ein Vorurteil. Genau deshalb sollte man sich mit Kulturen, aus denen bestimmte Medien konsumiert werden, eingehend beschäftigen, dann treten auch keine Vorurteile auf, weil man dann mit einem "Aha!" davor sitzt und nicht mit einem "Hä?"

Aber wieso ich ausgerechnet von der Großbritannienecke zur Japanecke gekommen bin, hat genau zwei Gründe: Einmal wollte ich mich näher mit den Symboliken beschäftigen, die in den Mangas und Animes verstreut sind (und ich habe bei weitem nicht die gesamte Tragweite erfasst, vielleicht einen kleinen Hauch dessen auf der Haut gespürt, das wars aber auch schon) und das zweite war, dass mich die "Anime Abandon"-Reviews von "The Sage" auf der "that guy with the glasses"-Website jedes mal facepalmen lassen. Er benimmt sich in seinen Reviews wie jemand, der ungebeten und mit völlig verdreckten Schuhen ein japanisches Haus betritt, sich in allen Zimmern umsieht, alles kritisiert, was er nicht versteht und sich dann mit seiner fettigen McDonalds Tüte direkt ins Bett legt, dort die Sachen verspeist, den Kissenbezug als Serviertte benutzt und dann behauptet, zuhause wäre doch alle wesentlich schöner und man würde ja hier überhaupt nichts verstehen, während die eingeschüchterten Hausherren betreten daneben stehen und sich nicht trauen etwas zu sagen.

Ich habe deswegen ein japanisches Haus als Beispiel genommen, weil er sich über Anime auslässt. Zugegeben, er mag Anime, aber er versteht sie nicht. Warum? Er setzt sich nicht damit auseinander, WARUM etwas so gezeigt wird wie es gezeigt wird. Das Problem, dass dabei entsteht, ist offensichtlich. So kommen ihm die Szenen aus dem X-Movie natürlich befremdlich vor, wenn eine Frau ein Schwert direkt aus ihrem Unterleib gebährt oder er die Erklärung im Akira-Movie nicht versteht... wobei ich da das Gefühl hatte, dass er es nicht einmal versucht. Er möchte alles auf einem Silbertablett serviert bekommen, doch so funktioniert es nicht. Geschmäcker sind natürlich verschieden und ich bin selbst kein Fan vom X-Movie, das hat aber andere Gründe. Ich lehne den Film nicht ab, weil ich die Symboliken darin nicht verstehe oder verstehen will, sondern weil er ein vorläufiges Ende des Mangas bietet, der absolut nichts mit dem Manga zu tun hat. Es fühlt sich an wie ein Umschiffen der endgültigen Vollendung des Mangas, vor dem sich Clamp anscheinend mehr als drücken (wenn man sich das Ende ihrer anderen Mangas ansieht, sollte man hoffen, dass der Manga lieber nicht vollendet wird).

Natürlich will ich nicht den subjektiven Kritiker ins bodenlose kritisieren, aber man sollte doch analysieren, in wie weit eine Kritik wirklich eine Kritik ist, und nicht nur eine Ansammlung von subjektiven Vorurteilen, die bedient werden, Marke: "Ha, ich habs doch gewusst, ich habs doch gleich gesagt!", ob man merkt, dass sich der Kritiker eingehend beschäftigt hat, und das ist häufig zu vermissen beim "Sage". Natürlich ist mir klar, dass "Abandon" auf deutsch "stehenlassen, abschaffen, beenden" heisst, was ihm trotzdem nicht legitimiert ohne Hintergrundwissen zu urteilen. Das ist so als würde man sagen: "Das ist schlääächt, weil es schlääächt ist! BASTA!"

Da ich nicht nur "ranten" will, möchte ich jetzt mit der Vorstellung der zwei Bücher beginnen, die ich wärmstens Empfehlen kann.


Titel: "Die Axt im Chrysanthemenwald - 50 Wege sich in Japan zu blamieren"
Autor: Kerstin und Andreas Fels
Verlag: conbook
Rückentext:
Eigentlich ist es völlig unmöglich nach Japan zu reisen, ohne sich dabei unsäglich zu blamieren.
Diese Erfahrung muss auch Herr Hoffmann machen: vom Tragen der falschen Schuhe auf der Toilette bis zum ketzerischen Verstoß, die Ess-Stäbchen in den Reis zu stecken - Herr Hoffmann lässt keine Möglichkeit aus, sich als unwissender Ausländer zu outen.
Lernen Sie von diesem Meister der fachgerechten Blamage und begleiten Sie ihn auf seiner faszinierenden Reise durch das Minenfeld der japanischen Etikette. Aber Vorsicht: es kann sein, dass Sie beim Lesen dieses Ratgebers mehr über Japan und seine Kultur erfahren, als Sie eigentlich dachten...

Der fiktive Herr Hoffmann steht stellvertretend für Menschen, die blauäugig in ein Land reisen und keine Ahnung von ihrer Kultur, Gebräuchen oder Umgangsformen haben und meinen, alles sei dort wie Zuhause. Erschaffen wurde Herr Hoffmann von Kerstin und Andreas Fels, die beide Japanologie studierten - okay Andreas Fels studierte Japanologie, seine Frau ließ sich davon "anstecken" wie es in einer kleinen Randnotiz heißt. Ich nehme mal an, dass ein paar der Patzer, die in dem Buch beschrieben werden, den beiden wirklich während ihren Japantouren passiert sind, aber manche sind offensichtlich fiktiv um zu warnen, was man auf keinen Fall machen sollte.

So stellt sich dieses Buch als eine Art "Knigge für Japan" heraus, in denen die 50 häufigsten Patzer beschrieben werden und am Ende eines blamagen Ereignisses mit der Überschrift "Was ist diesmal schiefgelaufen?" erklärt wird um anschließend von den tröstenden Worten "Was können Sie besser machen?" begleitende Erklärungen geliefert werden, warum so und nicht so.

Ein paar der Dinge, die dort vorgestellt wurden, kannte ich bereits, wie z.B. dass es für jeden Raum in einem japanischen Haus verschiedene Schuhe gibt, dass man sich am Eingang die Schuhe auszieht, die Tatamimatten nur mit Socken betritt, dass man sich gründlich wäscht, bevor man sich in die Badewanne legt oder entsprechend eine heiße Quelle betritt, bis hin zum horizontalen reinstecken der Essstäbchen in die Reisschüssel.

Neu waren mir hingegen die verschiedenen Gesten, die ich mir sogar aus dem Buch kopiert habe und die ich eingehend studieren will. In Animes gab es z.B. die für mich immer nur teilweise erschließbaren Bewegungen der Hand, wenn eine Figur vor einer anderen stand, kniff derjenige, der vorbei wollte, die Augen zusammen, senkte den Kopf leicht und hält sich eine Hand, seitlich (Handkante zeigt auf das Gegenüber), vors Gesicht. Dies bedeutet, dass er gerne vorbei möchte und teilt dies auf sanfte weise mit. Oder dass das japanische direkte Nein fast nie zum Ausdruck kommt, sondern sich die Japaner immer in verschiedenen Abstufungen bewegen. Wenn sie auf einen Vorschlag antworten: "Ich will darüber nachdenken." kann es schon heissen, dass sie es eigentlich ablehnen, es aber nicht direkt sagen wollen, weil die Harmonie nicht gestört werden soll. Auch ist das Individuum in einer Gruppe nicht tragend, sondern die Gruppe ist das entscheidende. Individuen haben sich der Gruppe unterzuordnen. Wer aus der Reihe tanzt und sich hervorhebt, fällt negativ auf.

Gewürzt wird das Ganze noch durch eine lockere Sprache und vielen geschichtlichen Hintergrundinformationen, die Wissenswertes vermitteln und Patzer im Umgang mit Japaner im Vorfeld vermeiden. Zum Beispiel wird erklärt, warum Japaner die Chinesen und Koreaner nicht so gern mögen und auf keinen Fall mit ihnen verglichen werden wollen.

Ich jedenfalls fand das Buch sehr amüsant und auch sehr informativ und kann es an dieser Stelle weiterempfehlen, auch wenn man nicht so schnell eine Reise nach Japan antreten will, lesenswert ist es. Durch die teilweise etwas flapsige, teilweise mit norddeutschen Ausdrücken gespickte Sprachgestaltung, sollte man beflissentlich hinweg sehen, sie sind nur vereinzelt und stören den Leseverlauf nicht.

- Empfehlenswert -

Titel: "Wrong about Japan - Eine Tokyoreise"
Autor: Peter Carey
Verlag: S. Fischer
Rückentext:
Tokyo - next exit.
Eine Reise nach Japan: das ist Sushi zum Frühstück und Samura, aber auch neongrelle Mangas und Animes. Eine Begegnung mit den Erfindern der gezeichneten Geschichten wird für Peter Carey und seinen Sohn Charley zur Entdeckung einer Kultur, in der nichts wahr ist ohne sein Gegenteil. Überraschend, verwirrend und sagenhaft spannend.

Dieses Buch zu beschreiben ist etwas schwerer und zugleich einfacher. Es war mein erster Griff in der Japanecke und das "nur", weil ich auf dem Cover die Mangaversion von Vash the Stampede wiedererkannte... ja ich weiss, ein lahmer Grund sich ein Buch auszuleihen, aber ich dachte mir, wenn Vash drauf ist, der ja nun nicht gerade überragend populär ist in der westlichen Hemisphäre, dann kann der Inhalt ja gar nicht so schlecht sein.

Als ich das Buch dann schließlich anfing zu lesen, wollte ich es am liebsten gleich gegen die nächste Wand knallen, weil der Schreibstil so dermaßen durcheinander war, dass ich fast Aggressionsschübe bekommen habe. Warum ich es letztendlich weitergelesen habe, weiss ich selbst nicht so genau, aber spätestens ab Seite 20 ging es auf einmal, ich hatte mich wohl daran gewöhnt, dass alles so durcheinander beschrieben wurde. Und irgendwann störte es mich nicht mehr, ich las einfach nur noch.

Beschrieben wird die Vater-Sohn-Beziehung, die im gemeinsamen Interesse in Mangas und Animes liegt und in einer Reise nach Tokyo gipfelt. Da der Vater Peter Carey wohl ein erfolgreicher Autor ist, wird diese Reise ermöglicht und sie bekommen Einblicke und Interview-Gelegenheiten mit den Machern von Gundam Wing, einem Schwertmeister und sogar Hayao Miyazaki höchstpersönlich. Die im Vorfeld vom Autor eingereichten Fragenkataloge werden zwar lt. Autor abgearbeitet, aber nicht alle im Buch wiedergegeben. An manche Fragen kann er sich dann nicht einmal mehr erinnern und von einem Interview hat er sich zwar Notizen gemacht, kann aber hinterher seine eigene Schrift nicht mehr lesen. Einerseits empfinde ich ein wenig Fremdschämen, andererseits ist es menschlich so etwas frei heraus zu schreiben.

Und dann ist da noch die Bandbreite an Informationen und Symboliken, die man aus dem Buch ziehen kann. Geschichtliche Informationen gibt es ja quasi in so gut wie jedem Buch, aber hier werden auch erklärungen abgeliefert, wie zum Beispiel das Adresssystem in Japan. So sind die Häusernummern nicht chronologisch, sondern durcheinander. Das Haus mit der Nummer 1 kann neben 15 stehen und daneben Nummer 6 usw.
Ein japanischer Einheimischer vergleicht das System mit eine Art "Zoom-Aufnahme", man fängt in der Totalen an und zoomt sich so an das Haus heran. Eine seltsame Art es zu erklären. Es macht Sinn, wenn man es erklärt bekommt, doch wenn man darüber nachdenkt, Japaner sind doch keine Vögel und steuern Häuser nicht von oben herab an. So eine Zoom-Aufnahme macht nur Sinn, wenn sie von oben erfolgt. Doch diese Frage konnte nicht geklärt werden und bedarf weiterer Recherchen.
So regt das Buch auch zu eigenen Nachforschungen an.

Im Grunde genommen geht es in dem Buch auch gar nicht vorangig um einen Reisebericht, sondern eher um die herausgefundenen Symboliken in Anime und Manga, die dort sehr schön geschildert und nachvollziehbar erklärt werden. Dadurch wirkt das ganze Buch natürlich Manga- und Animelastig, wen es jedoch interessiert, der ist hier goldrichtig.

So wird zum Beispiel auf die Funktion der Mechas in Animes und Mangas eingegangen. So kommt es den westlichen "gaijin" (japanisch für Fremde) seltsam vor, dass Kinder in den mechanischen Robotern sitzen und kämpfen. In der japanischen Kultur ist dies jedoch nicht so ungewöhnlich wie gedacht. Es gab sogar 13jährige Samurai, somit ist es für die japanischen Anime-Zeichner nichts ungewöhnliches, dass junge Menschen an Kriegen teilnehmen und auch keineswegs verwerflich.
So argumentieren sie noch weiter, dass die jungen Menschen, die sich im inneren der Mechas befinden, wie im Bauch der Mutter geschützt sind. Die Mechas werden also nicht als reine Kampfmaschinen gesehen, sondern als sicherer Ort, von dem aus man mit der Welt agieren kann. Das was die Mutter spürt, stößt auch dem Kind zu, genauso geht es auch in den Mecha-Anime. Mich persönlich erinnert es an "Neon Genesis Evangelion", wodurch der Anime eine weitaus größere Bandbreite erhält, als noch zuvor. Zwar wurde das Interview mit den Machern von Gundam geführt, doch man kann es auf alle möglichen Mecha-Anime beziehen.

Wobei sich in dem Interview auch herauskristallisierte, dass die Macher von Gundam eigentlich nur die Serie erschufen, weil sie Spielzeugroboter verkaufen wollten und der Anspruch sich auf die Herausschneidung von kulturellen Bestandteilen beschränkte. Hier ist ein deutlicher Widerspruch zu sehen und ich werde mich hüten es zu beurteilen, dennoch sollte man es mit einem gewissen kritischen Blick bedenken, wenn sich zwei so offensichtliche Gegensätze ergänzen sollen.

Dies erstmal als grobe Übersicht, der Autor ist mir während des lesens ans Herz gewachsen, er ist ein bisschen durcheinander beim schreiben, aber keineswegs unsymphatisch. Wenn man sich erstmal darauf eingelassen hat, kann man das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Mit knapp 141 sehr groß geschriebenen Seiten ist das Buch auch schnell durchgelesen.

Es gibt noch mehr Symboliken in dem Buch, aber ich möchte nicht alles vorwegnehmen, sondern hiermit eine Leseempfehlung aussprechen.

- Empfehlenswert -

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