Dec 17, 2011 02:50
Ohne Titel
Sie war:
Ein unerwünschtes Kind, verstoßen
Auch aus der Mutter Nachtgebet,
Und ewig fern von jenem Großen,
Das gebend durch die Zeiten geht.
Sie wünschte wenig - und nur selten
Kam wie ein Weinen über sie
Nach einem Land mit Purpurzelten,
Nach einer fremden Melodie.
Nach weißen Wegen, die nicht stauben -
Dann bog sie Rosen sich ins Haar,
Und konnte doch nie Liebe glauben,
Auch wenn es tief im Frühling war.
Wenn ich dir ernst ins Auge schaute,
Klang oft dein Wort so kummerkrank
Wie eine leise Liebeslaute,
Die einsam einst ein Meister baute,
Als seine Seele Sehnsucht sang.
Sie lernte seither leichte Lieder
Und tönte gern zu Tag und Tanz, -
Da greift ein Träumer ihre Glieder:
Und wie erwachend weint sie wieder
Das Heimweh ihres Heimatlandes.
Ja, früher, wenn ich an dich dachte,
Wie Wunder war's: ein Mai erwachte
Um dich im Aureolenglanz,
Und meine Sehnsucht träumte sachte
Um deine Stirne einen Kranz.
Jetzt seh ich dich: du senkst dein Weinen
Ins Herz den herbstverhangnen Hainen,
Und dir zuseiten, wegentlang,
Schleicht an den bleichen Meilensteinen
Ein wunder Sonnenuntergang ...
- Rainer Maria Rilke -
musenkuss und skaldenmet,
rilke