Note des Auswärtigen Amtes an die Sowjetregierung vom 21. Juni 1941

Jun 13, 2014 20:56

Als die Reichsregierung, bestimmt von dem Wunsche, zwischen Deutschland und der UdSSR. einen Ausgleich der Interessen zu finden, sich im Sommer 1939 an die Sowjetregierung wandte, war sie sich darüber im klaren, daß die Verständigung mit einem Staate, der einerseits seine Zugehörigkeit zu der Gesellschaft der Nationalstaaten mit den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten vertrat, der aber andererseits von einer Partei beherrscht wurde, die als Sektion der Komintern die Verbreitung der Weltrevolution, also die Auflösung dieser Nationalstaaten anstrebte, keine leichte Aufgabe sein würde. Unter Zurückstellung der schwerwiegenden Bedenken, die sich aus dieser grundsätzlichen Verschiedenheit in der politischen Zielsetzung Deutschlands und Sowjetrußlands und aus dem scharfen Gegensatz der sich diametral gegenüberstehenden Weltauffassungen des Nationalsozialismus und des Bolschewismus ergaben, hat die Deutsche Reichsregierung diesen Versuch unternommen. Sie ließ sich hierbei leiten von dem Gedanken, daß die durch eine Verständigung zwischen Deutschland und Rußland bedingte Ausschaltung eines Krieges und die damit zu erreichende Sicherstellung der realen Lebensbedürfnisse der beiden sich von jeher freundschaftlich gegenüberstehenden Völker die beste Gewähr gegen eine weitere Ausbreitung der kommunistischen Doktrinen des internationalen Judentums nach Europa bieten würden. Sie wurde in dieser Annahme dadurch bestärkt, daß gewisse Vorgänge in Rußland selbst und gewisse Maßnahmen der Russischen Regierung auf internationalem Gebiet eine Abkehr von diesen Doktrinen und von der bisherigen Methode der Zersetzung fremder Völker zumindest als möglich erscheinen ließen. Die Aufnahme, die der deutsche Schritt in Moskau erfuhr, und die Bereitschaft der Sowjetrussischen Regierung, einen Freundschaftspakt mit Deutschland zu schließen, schienen diesen Wandel zu bestätigen. So kam es am 23. August 1939 zum Abschluß des Nichtangriffspaktes) und am 28. September 1939 zur Unterzeichnung des Grenz- und Freundschaftsabkommens zwischen den beiden Staaten.
Der Kern dieser Verträge bestand,

in der gegenseitigen Verpflichtung der beiden Staaten, sich nicht anzugreifen und in friedlicher Nachbarschaft zu leben, und
    in einer Abgrenzung der Interessensphären durch einen Verzicht des Deutschen Reichs auf jede Einflußnahme in Finnland, Lettland, Estland, Litauen und Bessarabien, während die Gebiete des ehemaligen polnischen Staates bis zur Linie Narew-Bug-San auf Wunsch der Sowjets Rußland eingegliedert werden sollten. 4)

Tatsächlich hat die Reichsregierung mit dem Abschluß des Nichtangriffspaktes mit Rußland auch sofort eine grundsätzliche Umstellung ihrer Politik gegenüber der UdSSR. durchgeführt und seit diesem Tage eine freundschaftliche Haltung zur Sowjetunion eingenommen.

Sie hat die mit der Sowjetunion geschlossenen Verträge sowohl dem Buchstaben als auch dem Geiste nach getreulich erfüllt. Aber auch darüber hinaus hat sie durch die Niederwerfung Polens, d. h. also durch Einsatz deutschen Blutes, der Sowjetunion zu dem seit ihrem Bestehen größten außenpolitischen Erfolge verholfen. Nur durch diese wohlwollende deutsche Politik gegenüber Rußland und durch die überwältigenden Siege der deutschen Wehrmacht ist dies möglich gewesen.
Mit Recht glaubte daher die Reichsregierung annehmen zu dürfen, daß auch die Haltung der Sowjetunion dem Deutschen Reich gegenüber eine gleiche sein würde, zumal während der Verhandlungen, die der Reichsaußenminister von Ribbentrop in Moskau führte”, und auch bei anderen Gelegenheiten von der Sowjetregierung wiederholt zum Ausdruck gebracht wurde, daß diese Verträge die Grundlage für einen dauernden Ausgleich der beiderseitigen deutsch-sowjetrussischen Interessen bilden und daß beide Völker unter Respektierung der gegenseitigen Regime und gewillt, sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Partners einzumischen, zu einer guten, dauernden Nachbarschaft kommen würden. Daß die Reichsregierung sich in dieser Annahme gründlich getäuscht hat, sollte sich leider schnell herausstellen.

II.
Tatsächlich ist die Komintern schon bald nach Abschluß der deutsch-russischen Verträge wieder auf allen Gebieten aktiv geworden. Dies trifft nicht nur auf Deutschland allein, sondern auch auf die mit Deutschland befreundeten oder neutralen Staaten und die von den deutschen Truppen besetzten Gebiete Europas zu. Um nicht offen gegen die Verträge zu verstoßen, wurden nur die Methoden gewechselt und die Tarnung sorgfältiger und raffinierter gestaltet. Durch ständige Anprangerung des angeblichen “imperialistischen Krieges Deutschlands” 6) glaubte man in Moskau offenbar, die Wirkung des Paktabschlusses mit dem nationalsozialistischen Deutschland ausgleichen zu müssen. Die starke und wirksame polizeiliche Abwehrtätigkeit zwang dabei die Komintern dazu, ihre zersetzende und nachrichtendienstliche Tätigkeit nach Deutschland auf Umwegen über Einsatzzentren in den Deutschland benachbarten Ländern zu versuchen. Man bediente sich dabei ehemaliger deutscher kommunistischer Funktionäre, die in Deutschland Zersetzungsarbeit und Sabotagevorbereitung zu betreiben hatten. Der GPU.-Kommissar Krylow leitete eine systematische Schulungsarbeit zu diesem Zweck7). Daneben wurde eine intensive Zersetzungsarbeit nach den von Deutschland besetzten Gebieten, insbesondere nach dem Protektorat und dem besetzten Frankreich, aber auch nach Norwegen, Holland, Belgien usw. betrieben. Die sowjetrussischen Vertretungen, so besonders das Generalkonsulat in Prag, leisteten hierbei wertvolle Hilfestellung. Mit funktechnischen Sende- und Empfangsanlagen wurde ein eifriger Nachrichtendienst unterhalten, der den vollendeten Beweis für die gegen das Deutsche Reich gerichtete Arbeit der Komintern lieferte8). Auch über die gesamte sonstige Zersetzungs- und Ausspäharbeit der Komintern liegt ein umfangreiches dokumentarisches Zeugen- und Schriftenmaterial vor. Ferner wurden Sabotagegruppen gebildet, die ihre eigenen Laboratorien unterhielten, in denen sie Brand- und Sprengbomben zur Verübung der Sabotageaktionen herstellten. Solche Anschläge wurden beispielsweise auf nicht weniger als 16 deutsche Schiffe verübt9).
Neben dieser Zersetzungs- und Sabotagearbeit stand die Spionage. So wurde die Rückführung der Deutschen aus Sowjetrußland dazu ausgenutzt, um diese deutschen Menschen mit den verwerflichsten Mitteln für die Zwecke der GPU. zu gewinnen. Nicht nur Männer, sondern auch Frauen wurden in schamloser Weise zu Verpflichtungserklärungen für den Dienst der GPU. erpreßt10). Selbst die Sowjetrussische Botschaft in Berlin mit dem Botschaftsrat Kobulow11) an der Spitze scheute nicht vor rücksichtsloser Ausbeutung der Rechte der Exterritorialität zu Spionagezwecken zurück. Des weiteren bildete das russische Konsulatsmitglied Mochow12) in Prag den Kopf eines russischen Spionagenetzes, das das ganze Protektorat überzog. Weitere Fälle, in denen der Polizei ein rechtzeitiger Zugriff gelang, lieferten ein klares und eindeutiges Bild über diese umfangreichen sowjetrussischen Machenschaften. Das Gesamtbild zeigt einwandfrei, daß von Sowjetrußland in großem Umfang gegen Deutschland illegale Zersetzung, Sabotage, Terror und kriegsvorbereitende Spionage in politischer, militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht betrieben wurde13).

Was die außerhalb Deutschlands in Europa betriebene Zersetzungsarbeit Sowjetrußlands betrifft, so erstreckte sich diese auf fast alle mit Deutschland befreundeten oder von ihm besetzten Staaten Europas14). So wurde beispielsweise in Rumänien von der kommunistischen Propaganda durch aus Rußland kommende Flugblätter Deutschland als für alle Schwierigkeiten verantwortlich hingestellt, um so eine antideutsche Stimmung wachzurufen. Das gleiche tritt seit dem Sommer 1940 in Jugoslawien deutlich in Erscheinung. Die Flugblätter riefen dort zum Protest auf gegen das Paktieren des Regimes Zwetkowitsch15) mit den imperialistischen Regierungen von Berlin und Rom. Auf einer Versammlung von kommunistischen Parteifunktionären in Agram wurde der ganze Südosten Europas von der Slowakei bis nach Bulgarien als russisches Protektorat bezeichnet, das nach der von ihnen erhofften militärischen Schwächung Deutschlands kommen werde16). In der Belgrader17) Sowjetgesandtschaft ist den deutschen Truppen der dokumentarische Nachweis für den sowjetrussischen Ursprung dieser Propaganda in die Hand gefallen. Während die kommunistische Propaganda in Jugoslawien sich nationalsozialistischer Parolen zu bedienen suchte, wirkte sie in Ungarn vor allem unter der ruthenischen Bevölkerung, der sie die kommende Befreiung durch Sowjetrußland vorspiegelte. Besonders lebhaft war die antideutsche Hetze in der Slowakei, wo offen für eine Angliederung an Sowjetrußland geworben wurde.

In Finnland betätigte sich die berüchtigte “Vereinigung für Frieden und Freundschaft mit der Sowjetunion”, die im Zusammenwirken mit dem Sender Petroskoi18) dieses Land zu zersetzen suchte und dabei in durchaus deutschfeindlichem Sinne arbeitete. In Frankreich, Belgien und Holland wurde gegen die deutsche Besatzungsmacht gehetzt. In nationaler und panslawistischer Verbrämung wurde die gleiche Hetze im Generalgouvernement betrieben. Kaum war Griechenland von den deutschen und italienischen Truppen besetzt worden19), so machte sich auch dort die sowjetrussische Propaganda ans Werk. Das Gesamtbild zeigt eine in allen Ländern systematisch betriebene Kampagne der UdSSR. gegen den Versuch Deutschlands, eine stabile Ordnung in Europa aufzurichten.
Nebenher geht die direkte propagandistische Gegenaktion gegen die Maßnahmen der deutschen Politik, die diese Maßnahmen als antirussisch zu denunzieren und die verschiedenen Länder für Sowjetrußland gegen Deutschland zu gewinnen sucht. In Bulgarien wurde gegen den Beitritt zum Dreierpakt20) und für einen Garantiepakt mit Rußland21) agitiert, in Rumänien durch Infiltration in die Eiserne Garde und Mißbrauch ihrer Führer, u. a. des Rumänen Groza, der Putschversuch vom 23. Januar 1941²²) inszeniert, hinter dem als Drahtzieher die bolschewistischen Agenten Moskaus standen. Einwandfreie Beweise liegen der Reichsregierung hierüber vor.

Was Jugoslawien23) anbetrifft, so ist die Reichsregierung in den Besitz von Unterlagen24) gelangt, wonach der jugoslawische Delegierte Georgiewitsch schon im Mai 1940 in Moskau aus einer Unterredung mit Herrn Molotow die Überzeugung gewann, daß man dort Deutschland als den “mächtigen Feind von morgen” ansah. Noch eindeutiger war das Verhalten Sowjetrußlands zu den von den serbischen Militärs vorgebrachten Waffenwünschen. Im November 1940 erklärte der sowjetrussische Generalstabschef dem jugoslawischen Militärattache´26): “Wir geben alles Angeforderte, und zwar sofort”. Preise und Zahlungsweise wurden der Belgrader Regierung freigestellt, und nur eine Bedingung wurde gestellt: Geheimhaltung gegenüber Deutschland27). Als die Regierung Zwetkowitsch später sich den Achsenmächten näherte28) begann man in Moskau die Waffenlieferungen zu verschleppen; kurz und bündig wurde dies im sowjetrussischen Kriegsministerium dem jugoslawischen Militärattaché erklärt. Die Inszenierung des Belgrader Putsches29) vom 27. März des Jahres bildete den Höhepunkt dieser konspirativen Tätigkeit serbischer Verschwörer und englisch-russischer Agenten gegen das Reich. Der serbische Leiter dieses Putsches und Führer der “Schwarzen Hand” 30) Herr Simitsch befindet sich noch heute in Moskau und entfaltet dort auch jetzt in engster Verbindung mit den sowjetrussischen Propagandastellen eine aktive Tätigkeit gegen das Reich. Die obigen Feststellungen sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der ungeheuer umfangreichen Propagandatätigkeit der UdSSR. in Europa gegen Deutschland. Um daher der Außenwelt einen Gesamtüberblick über die Tätigkeit der sowjetrussischen Stellen in dieser Richtung seit Abschluß der deutsch-russischen Verträge zu geben und ihr ein Urteil zu ermöglichen, wird die Reichsregierung das ihr zur Verfügung stehende umfangreiche Material der Öffentlichkeit unterbreiten31). Insgesamt muß die Reichsregierung feststellen:

Die Sowjetregierung hatte bei Abschluß der Verträge mit Deutschland wiederholt die unmißverständliche Erklärung abgegeben, daß sie nicht die Absicht habe, sich direkt oder indirekt in deutsche Angelegenheiten zu mischen. Sie hatte beim Abschluß des Freundschaftsvertrages in feierlicher Form zum Ausdruck gebracht, daß sie mit Deutschland zusammenarbeiten werde, um den wahren Interessen aller Völker entsprechend dem zwischen Deutschland einerseits und England und Frankreich andererseits bestehenden Kriegszustand ein Ende zu machen und dieses Ziel so bald als möglich zu erreichen31). Diese sowjetrussischen Abmachungen und Erklärungen haben sich, im Lichte der oben erwähnten, im weiteren Verlaufe des Krieges immer klarer zutage getretenen Tatsachen gesehen, als eine bewußte Irreführung und Täuschung herausgestellt. Auch alle nur infolge der deutschen freundschaftlichen Haltung erreichten Vorteile haben es nicht vermocht, die Sowjetregierung zu einer loyalen Haltung gegenüber Deutschland zu veranlassen. Die Reichsregierung hat sich vielmehr davon überzeugen müssen, daß die These Lenins, wie sie in den “Richtlinien für die Kommunistische Partei in der Slowakei” vom Oktober 1939 ausdrücklich nochmals niedergelegt wurde und wonach “mit einigen anderen Ländern Pakte abgeschlossen werden können, wenn sie den Interessen der Sowjetregierung und der Unschädlichmachung des Gegners dienen”, auch beim Abschluß der Verträge vom Jahre 1939 Pate gestanden hat. Der Abschluß dieser Verträge der Freundschaft war somit für die Sowjetregierung nur ein taktisches Manöver. Das eigentliche Ziel bestand darin, für Rußland vorteilhafte Abmachungen zu erreichen und damit gleichzeitig ein weiteres Machtmäßiges Vorgehen der Sowjetunion vorzubereiten. Der Leitgedanke blieb die Schwächung der nicht-bolschewistischen Staaten, um sie leichter zersetzen und zur gegebenen Zeit niederschlagen zu können. Mit brutaler Deutlichkeit wird dies in einem nach der Besetzung Belgrads 33) in der dortigen Sowjetgesandtschaft aufgefundenen russischen Schriftstück34) mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht:
“Die UdSSR. wird erst im gegebenen Moment reagieren. Die Achsenmächte haben ihre Streitkräfte weiter verzettelt, und deshalb wird die UdSSR plötzlich gegen Deutschland losschlagen”.
Die Sowjetregierung in Moskau ist der Stimme des russischen Volkes, das mit dem deutschen Volke ehrlich in Frieden und Freundschaft leben wollte, nicht gefolgt, sondern hat die alte bolschewistische Politik des Zweierlei-Gesichts fortgesetzt und damit eine schwere Verantwortung auf sich geladen.

III.
Wenn schon die propagandistische Zersetzungsarbeit der Sowjetunion in Deutschland und im übrigen Europa keinen Zweifel an ihrer Einstellung gegenüber Deutschland aufkommen lassen kann, so spricht die Haltung der Sowjetregierung gegenüber Deutschland auf außenpolitischem und militärischem Gebiet seit Abschluß der deutsch-russischen Verträge eine noch deutlichere Sprache. In Moskau hatte bei Abgrenzung der Interessensphäre35) die Sowjetrussische Regierung dem Reichsminister des Auswärtigen36) erklärt, daß sie mit Ausnahme der sich damals in einem Zustand der Zersetzung befindlichen Gebiete des ehemaligen polnischen Staates nicht die Absicht habe, die in ihrer Interessensphäre liegenden Staaten zu besetzen, zu bolschewisieren oder zu annektieren. In Wahrheit ist aber, wie der Verlauf der Ereignisse gezeigt hat, die Politik der Sowjetunion in dieser Zeit ausschließlich auf ein Ziel gerichtet gewesen, nämlich darauf, die militärische Macht Moskaus in dem Raum zwischen Eismeer und Schwarzem Meer überall, wo es ihr möglich erschien, nach Westen vorzuschieben und die Bolschewisierung weiter nach Europa hineinzutragen. Die Entwicklung dieser Politik ist durch folgende Etappen gekennzeichnet:

Eingeleitet wurde die Entwicklung durch den Abschluß der sogenannten Hilfeleistungspakte mit Estland37), Lettland38) und Litauen39) im Oktober und November 1939 und durch Errichtung militärischer Stützpunkte in diesen Ländern.
    Der nächste sowjetrussische Schachzug galt Finnland. Als die sowjetrussischen Forderungen, deren Annahme die Souveränität eines freien finnischen Staates beseitigt hätte, von der Finnischen Regierung abgelehnt wurden, veranlaßte die Sowjetregierung die Bildung der kommunistischen Pseudoregierung Kuusinen, und als das finnische Volk jede Verbindung mit dieser Regierung zurückwies, kam es zu dem Ultimatum an Finnland40) und Ende November 1939 zum Einmarsch der Roten Armee. In dem im März41) abgeschlossenen finnisch-russischen Frieden mußte Finnland einen Teil seiner südöstlichen Provinzen abtreten, die sofort der Bolschewisierung anheimfielen.
    Wenige Monate später, d. h. im Juni 1940, ging die Sowjetunion gegen die baltischen Staaten vor. Litauen hatte nach dem ersten Moskauer Vertrag42) zur deutschen Interessensphäre gehört. Auf Wunsch der Sowjetunion verzichtete die Reichsregierung im zweiten Vertrag43) auf ihre Interessen in dem überwiegenden Teil dieses Landes, wenn auch schweren Herzens, um des lieben Friedens wegen zugunsten der Sowjetunion, während ein Streifen des Gebietes noch in der deutschen Interessensphäre verblieb. Nach einem Ultimatum vom 15. Juni wurde das gesamte Litauen, d. h. also auch der in der deutschen Interessensphäre verbliebene Teil Litauens ohne jede Benachrichtigung der Reichsregierung von der Sowjetunion besetzt, so daß nunmehr die UdSSR. sich unmittelbar an die ganze östliche Grenze Ostpreußens heranschob44). Als dann später an Deutschland dieser halb herangetreten wurde, überließ die Reichsregierung nach schwierigen Verhandlungen und um für eine freundschaftliche Regelung ein weiteres zu tun, auch diesen Teil Litauens der Sowjetunion. Kurze Zeit darauf wurden in gleicher Weise unter Mißbrauch der mit diesen Staaten abgeschlossenen Beistandspakte auch Lettland und Estland militärisch besetzt45)). Das ganze Baltikum wurde nunmehr entgegen den ausdrücklichen Moskauer Zusicherungen bolschewisiert und wenige Wochen nach der Besetzung kurzerhand von der Sowjetregierung annektiert46)). Gleichzeitig mit der Annexion erfolgten auf dem ganzen nördlichen Sektor der sowjetrussischen Machtposition gegen Europa die ersten starken Massierungen der Roten Armee).
    Daß die wirtschaftlichen Abmachungen Deutschlands mit diesen Staaten, die nach den Moskauer Vereinbarungen nicht beeinträchtigt werden sollten, von der Sowjetregierung einseitig aufgehoben wurden, sei hier nur nebenbei erwähnt.
    In den Verträgen von Moskau wurde bei der Interessenabgrenzung im ehemaligen polnischen Staatsgebiet ausdrücklich vereinbart, daß keinerlei politische Agitation über diese Interessengrenzen erfolgen, sondern die Tätigkeit der beiderseitigen Okkupationsbehörden sich ausschließlich auf den friedlichen Aufbau dieser Gebiete beschränken sollte. Die Reichsregierung hat die unwiderleglichen Beweise dafür, daß trotz dieser Abmachungen die Sowjetunion schon bald nach der Besetzung dieses Gebietes eine deutschfeindliche Agitation nach dem Generalgouvernement Polen nicht nur gestattete, sondern sie gleichlaufend mit einer bolschewistischen Propaganda nach dem Generalgouvernement unterstützte. Auch in diese Gebiete wurden unmittelbar nach der Besetzung starke russische Garnisonen verlegt.
    Noch während die deutsche Armee im Westen im Kampf gegen Frankreich und England stand, erfolgte der Vorstoß der Sowjetunion gegen den Balkan. Während die Sowjetregierung bei den Moskauer Verhandlungen erklärt hatte, daß sie ihrerseits niemals den Anstoß zur Lösung der bessarabischen Frage von sich aus geben würde, erhielt die Reichsregierung am 24. Juni 1940 von der Sowjetregierung die Mitteilung, diese sei nunmehr entschlossen, die bessarabische Frage mit Gewalt zu lösen. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, daß der Sowjetanspruch sich auch auf die Bukowina erstrecke, also auf ein Gebiet, das altes österreichisches Kronland war, niemals zu Rußland gehört hatte und über das in Moskau seinerzeit überhaupt nicht gesprochen worden war. Der deutsche Botschafter in Moskau48) erklärte der Sowjetregierung, daß ihr Entschluß der Reichsregierung völlig unerwartet komme und zu einer schweren Beeinträchtigung der deutschen Wirtschaftsinteressen in Rumänien sowie zu einer Störung des Lebens der dortigen starken deutschen Siedlung sowie des Deutschtums in der Bukowina führen müsse. Herr Molotow erwiderte dagegen, daß die Angelegenheit außerordentlich dränge und daß die Sowjetunion eine Stellungnahme der Reichsregierung zu dieser Frage innerhalb 24 Stunden erwarte. Trotz dieses brüsken Vorgehens gegen Rumänien hat die Reichsregierung auch dieses Mal wieder zur Erhaltung des Friedens und ihrer Freundschaft mit der Sowjetunion zu deren Gunsten eingegriffen. Sie hat der rumänischen Regierung49), die sich um Hilfe an Deutschland gewandt hatte, zum Nachgeben geraten und ihr die Überlassung Bessarabiens und der Nordbukowina an Sowjetrußland empfohlen. Mit der zustimmenden Antwort der rumänischen Regierung50) wurde der Sowjetregierung von Deutschland die Bitte der rumänischen Regierung übermittelt, ihr genügend Zeit zur Evakuierung dieser großen Gebiete und zur Sicherstellung von Leben und von Hab und Gut der dortigen Einwohner zu lassen. Wiederum jedoch stellte die Sowjetregierung Rumänien ein Ultimatum51) und begann bereits vor Ablauf desselben am 28. Juni mit der Besetzung von Teilen der Bukowina und anschließend des gesamten Bessarabiens bis an die Donau. Auch diese Gebiete wurden von der Sowjetunion sofort annektiert52), bolschewisiert und damit tatsächlich ruiniert. Mit der Besetzung und Bolschewisierung der gesamten der UdSSR. von der Reichsregierung in Moskau überlassenen Interessensphäre in Osteuropa und auf dem Balkan hat die Sowjetregierung klar und eindeutig entgegen den Moskauer Vereinbarungen gehandelt. Trotzdem hat die Reichsregierung der UdSSR. gegenüber auch dann noch eine mehr als loyale Haltung eingenommen. Sie hat sich im finnischen Kriege53) und in der baltischen Frage völlig zurückgehalten, sie hat in der bessarabischen Frage den Standpunkt der Sowjetregierung der rumänischen Regierung gegenüber unterstützt und hat sich mit den von der Sowjetregierung geschaffenen Tatsachen, wenn auch schweren Herzens, abgefunden. Darüber hinaus aber hat sie, um Divergenzen zwischen den beiden Staaten von vornherein möglichst auszuschalten, eine großzügige Umsiedlungsaktion unternommen, durch die sie sämtliche Deutschen aus den von der UdSSR. besetzten Gebieten nach Deutschland zurückführte54). Die Reichsregierung ist der Auffassung, daß ein besserer Beweis für ihren Wunsch, zu einer dauernden Befriedung mit der UdSSR. zu kommen, wohl kaum erbracht werden konnte.

IV.
Durch das Vordringen Rußlands nach dem Balkan kamen die territorialen Probleme in diesem Raum ins Rollen. Rumänien und Ungarn wandten sich im Sommer 1940 an Deutschland, um einen Ausgleich ihrer territorialen Streitfragen herbeizuführen, nachdem durch diese Divergenzen, geschürt durch englische Agenten, Ende August eine scharfe Krise entstanden war. Ein unmittelbarer Kriegsausbruch zwischen Rumänien und Ungarn stand bevor. Deutschland, das von Ungarn und Rumänien wiederholt um Vermittlung in ihrem Streit gebeten worden war, rief in dem Wunsch, den Frieden auf dem Balkan zu erhalten, gemeinsam mit Italien die beiden Staaten zu einer Konferenz nach Wien und fällte dort auf deren Bitten am 30. August 1940 den Wiener Schiedsspruch55). Die neue ungarisch - rumänische Grenze wurde dadurch festgelegt und, um der rumänischen Regierung zu ermöglichen, die von ihr gebrachten territorialen Opfer gegenüber ihrem Volke zu vertreten und jeden Streit in diesem Raum für die Zukunft auszuschließen, übernahmen Deutschland und Italien die Garantie des noch verbleibenden rumänischen Staates56). Da die russischen Aspirationen in diesem Raum befriedigt waren, konnte sich diese Garantie in keiner Weise gegen Rußland richten. Trotzdem erhob die Sowjetunion Beschwerde und erklärte entgegen ihren früheren Erklärungen, wonach mit der Gewinnung Bessarabiens und der Nordbukowina ihre Aspirationen auf dem Balkan befriedigt waren, ihr weiteres Interesse an den Fragen des Balkans, die zunächst nicht näher definiert wurden.

Von diesem Zeitpunkt an zeichnet sich die gegen Deutschland gerichtete Politik Sowjetrußlands immer deutlicher ab. Die Reichsregierung erhält nunmehr immer konkretere Nachrichten, wonach die bereits seit langer Zeit schwebenden Verhandlungen des englischen Botschafters Cripps in Moskau56) sich in günstiger Weise entwickeln. Gleichzeitig gelangt die Reichsregierung in den Besitz von Unterlagen über intensive militärische Vorbereitungen der Sowjetunion auf allen Gebieten. Diese Unterlagen werden unter anderem bestätigt durch einen neuerdings in Belgrad aufgefundenen Bericht des jugoslawischen Militärattachés in Moskau57) vom 17. Dezember 1940, in dem es u. a. wörtlich heißt:
“Nach Angaben aus Sowjetkreisen ist die Aufrüstung der Luftwaffe, der Panzerwaffe und der Artillerie auf Grund der Erfahrungen des gegenwärtigen Krieges in vollem Gange und wird in der Hauptsache bis zum August 1941 abgeschlossen sein. Dies ist wahrscheinlich auch die äußerste (zeitliche) Grenze, bis zu der man keine fühlbaren Veränderungen in der sowjetischen Außenpolitik zu erwarten braucht.”
Trotz der unfreundlichen Haltung der Sowjetunion in der Balkanfrage macht Deutschland nunmehr eine erneute Anstrengung zur Verständigung mit der UdSSR., indem der Reichsaußenminister in einem Brief an Herrn Stalin eine umfassende Darstellung der Politik der Reichsregierung seit den Moskauer Verhandlungen gibt. In dem Brief wird besonders auf folgendes hingewiesen:
„Bei dem Abschluß des Dreimächtepaktes59) von Deutschland, Italien und Japan sei übereinstimmend die Auffassung vertreten worden, daß dieser Pakt sich in keiner Weise gegen die Sowjetunion richte, sondern daß die freundschaftlichen Beziehungen der drei Mächte und ihre Verträge mit der UdSSR. durch diese Vereinbarung völlig unberührt bleiben sollten. Im Dreimächtepakt von Berlin sei dies auch dokumentarisch zum Ausdruck gebracht worden60). Gleichzeitig wird in dem Brief der Wunsch und die Hoffnung ausgedrückt, daß es gelingen möge, das von den Dreierpaktmächten gewünschte freundschaftliche Verhältnis zur Sowjetunion gemeinsam weiter zu klären und in eine konkrete Form zu bringen. Um diese Fragen weiter zu behandeln, lädt der Reichsaußenminister Herrn Molotow nach Berlin ein.“

Während des Besuchs von Herrn Molotow in Berlin61) muß die Reichsregierung feststellen, daß Rußland zu einer wirklichen freundschaftlichen Zusammenarbeit mit den Dreierpaktmächten und mit Deutschland im besonderen nur gewillt ist, wenn dieses bereit ist, den hierfür von der Sowjetunion geforderten Preis zu zahlen. Dieser Preis besteht in einem weiteren Vordringen der Sowjetunion im Norden und Südosten Europas. Folgende Forderungen wurden von Herrn Molotow in Berlin und in den anschließenden diplomatischen Besprechungen mit dem Deutschen Botschafter in Moskau gestellt62):

Die Sowjetunion wünscht, Bulgarien eine Garantie zu geben und darüber hinaus mit diesem Staat einen Beistandspakt nach dem Muster der Beistandspakte im Baltikum63), d. h. also mit militärischen Stützpunkten, abzuschließen, während Herr Molotow erklärt, an dem inneren Regime Bulgariens nicht rühren zu wollen. Auch der Besuch des russischen Kommissars Sobolew64) in Sofia in dieser Zeit galt der Verwirklichung dieses Zieles.
    Die Sowjetunion verlangt eine vertragliche Abmachung mit der Türkei zum Zweck der Schaffung einer Basis für Land- und Seestreitkräfte der UdSSR. am Bosporus und den Dardanellen auf der Grundlage einer langfristigen Pacht65). Für den Fall, daß die Türkei sich hiermit nicht einverstanden erklären sollte, sollen Deutschland und Italien sich den russischen diplomatischen Maßnahmen zur Erzwingung dieser Forderung anschließen. Diese Forderungen laufen auf eine Beherrschung des Balkans durch die UdSSR. Hinaus.
    Die Sowjetunion erklärt, sich abermals66) von Finnland bedroht zu fühlen, und fordert deshalb die völlige Preisgabe Finnlands durch Deutschland, was praktisch die Besetzung dieses Staates und Ausrottung des finnischen Volkes bedeutet.
    Deutschland konnte diese russischen Forderungen, die von der Sowjetregierung als Vorbedingung für den Zusammenschluß mit den Dreierpaktmächten bezeichnet wurden, selbstverständlich nicht annehmen. Damit waren die Bemühungen der Dreierpaktmächte um eine Verständigung mit der Sowjetunion gescheitert. Die Folge dieser deutschen Haltung war, daß Rußland seine nun bereits immer offener gegen Deutschland gerichtete Politik intensivierte und daß seine immer engere Zusammenarbeit mit England67) klar zutage trat. Im Januar 1941 kam diese ablehnende russische Haltung zum ersten Male auch auf dem diplomatischen Gebiet zum Durchbruch. Als nämlich Deutschland in diesem Monat in Bulgarien gewisse Sicherungsmaßnahmen gegen die Landung britischer Truppen in Griechenland traf, hat der russische Botschafter in Berlin68) in einer offiziellen Demarche darauf hingewiesen, daß die Sowjetunion das Territorium Bulgariens und der beiden Meerengen als Sicherheitszone der UdSSR. ansehe und daß sie den Ereignissen in diesen Gebieten, die die Interessen dieser Sicherheit bedrohten, nicht teilnahmslos gegenüberstehen könne. Aus diesem Grunde warne die Sowjetregierung vor dem Erscheinen deutscher Truppen in dem Territorium Bulgariens und der beiden Meerengen.

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Die Reichsregierung hat daraufhin der Sowjetregierung erschöpfend Aufschluß über die Gründe und Ziele ihrer militärischen Maßnahmen auf dem Balkan gegeben. Sie hat darauf hingewiesen, daß Deutschland jeden Versuch Englands, in Griechenland Fuß zu fassen, mit allen Mitteln verhindern werde, daß es aber nicht die Absicht habe, die Meerengen zu besetzen, sondern daß es das türkische Hoheitsgebiet respektieren werde. Der Durchmarsch deutscher Truppen durch Bulgarien könne nicht als eine Verletzung der Sicherheitsinteressen der Sowjetunion angesehen werden, die Reichsregierung glaube vielmehr, mit diesen Operationen auch den sowjetischen Interessen zu dienen. Nach Durchführung der Operationen auf dem Balkan werde Deutschland seine Truppen von dort wieder zurückziehen.
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Trotz dieser Erklärung der Reichsregierung hat die Sowjetregierung ihrerseits unmittelbar nach dem Einmarsch deutscher Truppen69) an die bulgarische Adresse eine Erklärung veröffentlicht, die einen direkt feindseligen Charakter gegen das Deutsche Reich hatte und die darauf hinauslief, daß die Anwesenheit deutscher Truppen in Bulgarien nicht dem Frieden auf dem Balkan, sondern dem Kriege diene. Die Erklärung für diese Haltung gaben der Reichsregierung die sich zu dieser Zeit verdichtenden Nachrichten über eine immer enger werdende Zusammenarbeit zwischen Sowjetrußland und England. Trotzdem hat Deutschland auch hierzu geschwiegen.
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Auf derselben Linie liegt die im März 1941 von der Sowjetregierung der Türkei gegebene Rückendeckung für den Fall, daß diese in den Krieg auf dem Balkan eintreten würde70). Dies war, wie der Reichsregierung bekannt, das Ergebnis englisch-russischer Verhandlungen während des Besuches des britischen Außenministers71) in Ankara72), dessen Berlin, den 21. Juni 1941.Bemühungen darauf gerichtet waren, auf diesem Wege Rußland immer enger in die englische Kombination einzubeziehen.
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V.
Die sich seit dieser Zeit immer steigernde aggressive Politik der Sowjetregierung gegenüber dem Deutschen Reich und die bisher noch einigermaßen verschleiert durchgeführte politische Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und England wird aber mit dem Ausbruch der Balkankrise Anfang April dieses Jahres vor aller Welt offenbar. Es steht heute einwandfrei fest, daß der nach dem Beitritt Jugoslawiens zum Dreierpakt73) in Belgrad angestiftete Putsch74) von England im Einvernehmen mit Sowjetrußland inszeniert wurde. Schon seit langem, nämlich seit dem 14. November 1940, hatte Rußland im geheimen die Aufrüstung Jugoslawiens gegen die Achsenmächte betrieben. Dokumente, die der Reichsregierung nach der Besetzung Belgrads75) in die Hände gefallen sind und die über jede Phase dieser russischen Waffenlieferung an Jugoslawien76) Aufschluß geben, beweisen dies eindeutig. Als dann der Belgrader Putsch gelungen war, schließt Rußland am 5. April mit der illegalen serbischen Regierung Simowitsch einen Freundschaftspakt77), der den Putschisten den Rücken stärken und dessen Gewicht der gemeinsamen englisch-jugoslawisch-griechischen Front zugute kommen sollte. Mit sichtbarer Genugtuung stellt hierzu der amerikanische Unterstaatssekretär, Herr Sumner Welles, nachdem er vorher mehrere Besprechungen mit dem Sowjetbotschafter in Washington78) gehabt hatte, am 6. April 1941 fest:
Der russisch-jugoslawische Pakt könne unter Umständen von größter Bedeutung sein, er stoße auf vielseitiges Interesse, und es lägen Gründe für die Annahme vor, daß er mehr als lediglich ein Freundschafts- und Nichtangriffspakt sei.
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Zur selben Zeit also, in der deutsche Truppen gegen die sich massierenden englischen Landungen in Griechenland auf rumänischem und bulgarischem Gebiet zusammengezogen wurden79), versucht die Sowjetunion, nun schon im klaren Einvernehmen mit England, Deutschland in den Rücken zu fallen, indem es

Jugoslawien politisch offen und militärisch im geheimen unterstützt,
    versucht, die Türkei durch die Zusicherung der Rückendeckung zu einer aggressiven Haltung gegen Bulgarien und Deutschland zu bewegen und zu einem Aufmarsch der türkischen Armeen in sehr ungünstiger militärischer Position in Thrazien zu veranlassen,
    selbst eine starke Truppenmacht an der rumänischen Grenze in Bessarabien und an der Moldau konzentriert80) und
    indem plötzlich Anfang April der Stellvertretende Volkskommissar im Außenkommissariat81) Wyschinski den Versuch unternimmt, in Gesprächen mit dem rumänischen Gesandten Gafencu in Moskau eine Politik der schnellen Annäherung an Rumänien einzuleiten, um dieses Land zum Abfall von Deutschland zu veranlassen.
    Die englische Diplomatie macht durch die Vermittlung der Amerikaner in Bukarest82) Anstrengungen in gleicher Richtung.

Die aufmarschierten deutschen Truppen in Rumänien und Bulgarien sollten also nach dem englisch-russischen Plan hier von drei Seiten, nämlich aus Bessarabien, aus Thrazien und aus Serbien-Griechenland angegriffen werden. Nur der Loyalität des Generals Antonescu, der realistischen Einstellung der Türkischen Regierung und vor allem dem schnellen deutschen Zupacken und den entscheidenden Siegen der deutschen Armee83) ist es zuzuschreiben, daß dieser englisch-russische Plan vereitelt wurde. Wie der Reichsregierung aus Meldungen bekannt geworden ist, sind fast 200 jugoslawische Flugzeuge, besetzt mit sowjetrussischen und englischen Agenten sowie serbischen Putschisten, unter Anführung des Herrn Simitsch84) teils nach Rußland, wo diese Offiziere heute in der russischen Armee Dienst tun, teils nach Ägypten geflogen. Schon diese Einzelheit wirft ein besonders charakteristisches Licht auf die enge Zusammenarbeit Englands und Rußlands mit Jugoslawien.
Vergeblich hat die Sowjetregierung verschiedentlich versucht, die wirklichen Absichten ihrer Politik zu verschleiern. Ebenso wie sie noch in der letzten Periode den Wirtschaftsverkehr mit Deutschland aufrecht erhielt, so hat sie auch eine Reihe von Einzelaktionen gemacht, um der Welt ein normales oder gar freundschaftliches Verhältnis zu Deutschland vorzutäuschen. Dahin gehört z.B. die von ihr vor einigen Wochen85) vorgenommene Abschiebung des norwegischen, belgischen, griechischen und jugoslawischen Gesandten, das durch den britischen Botschafter Cripps im Einvernehmen mit ihr veranlaßte Stillschweigen der britischen Presse über das deutsch-russische Verhältnis und endlich auch das vor kurzem erschienene Tass-Dementi86), das die Beziehungen zwischen Deutschland und Sowjetrußland als völlig korrekt hinzustellen suchte. Diese Tarnungsmanöver, die in so krassem Gegensatz zu der wirklichen Politik der Sowjetregierung stehen, haben selbstverständlich die Reichsregierung nicht irreführen können.
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VI.
Die deutschfeindliche Politik der Sowjetregierung wurde auf militärischem Gebiete begleitet von einer ständig zunehmenden Konzentrierung der gesamten verfügbaren russischen Streitkräfte auf einer langen Front von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer87). Schon zu einer Zeit, als Deutschland im Westen im französischen Feldzug stark engagiert war und als sich im Osten nur ganz geringe deutsche Truppenteile befanden, begann das russische Oberkommando mit der systematischen Verlegung größerer Truppenkontingente an die östliche Reichsgrenze, wobei besondere Massierungen gegenüber Ostpreußen und dem Generalgouvernement, ferner in der Bukowina und in Bessarabien gegenüber Rumänien festgestellt wurden.
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Auch gegenüber Finnland wurden die russischen Garnisonen ständig verstärkt. Die Verschiebung von immer neuen russischen Divisionen aus Ostasien und dem Kaukasus nach dem europäischen Rußland waren weitere Maßnahmen auf diesem Gebiete. Nachdem die Sowjetregierung seinerzeit erklärt hatte, daß z.B. das Baltikum mit nur ganz geringen Truppen belegt werden würde, erfolgte allein in diesem Raume nach Durchführung der Besetzungsaktion eine sich immer steigernde Konzentration von russischen Truppenmassen, die heute auf 22 Divisionen geschätzt werden. Es ergibt sich somit das Bild, daß die russischen Truppen sich immer näher an die deutsche Grenze heranschoben, obwohl von deutscher Seite keine militärischen Maßnahmen getroffen wurden, mit denen eine solche russische Aktion hätte begründet werden können. Erst dieses russische Verhalten hat die deutsche Wehrmacht zu Gegenmaßnahmen gezwungen. Ferner haben sich die einzelnen Verbände des russischen Heeres und der Luftwaffe nach vorn aufgeschlossen, und die Flugplätze entlang der deutschen Grenze sind mit starken Verbänden der Luftwaffe belegt. Seit Anfang April sind ebenfalls vermehrte Grenzverletzungen und sich immer steigernde Überfliegungen des deutschen Reichsgebietes durch russische Flugzeuge festzustellen88). Dasselbe trifft laut Mitteilungen der rumänischen Regierung auch für das rumänische Grenzgebiet der Bukowina, der Moldau und der Donau zu. Das Oberkommando der Wehrmacht hat die außenpolitische Leitung des Reiches seit Anfang d. J. wiederholt auf diese immer zunehmende Bedrohung des Reichsgebietes durch die russische Armee hingewiesen und dabei betont, daß diesem Aufmarsch nur aggressive Absichten zugrunde liegen könnten. Diese Mitteilungen des Oberkommandos der Wehrmacht werden mit allen darin enthaltenen Einzelheiten der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden89).
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Wenn aber noch die geringsten Zweifel über die Aggressivität des russischen Aufmarsches bestehen konnten, so sind diese durch die Nachrichten, die dem Oberkommando der Wehrmacht in den letzten Tagen zugegangen sind, restlos beseitigt. Nach Durchführung der russischen Generalmobilmachung sind heute nicht weniger als 160 Divisionen gegen Deutschland aufmarschiert. Die Beobachtungsergebnisse der letzten Tage zeigen, daß die Gruppierung der russischen Truppen und insbesondere der motorisierten und Panzerverbände in einer Weise erfolgt ist, daß das russische Oberkommando zu einem aggressiven Vorgehen gegen die deutsche Grenze an verschiedenen Stellen jederzeit in der Lage ist. Die Meldungen über vermehrte Aufklärungs- und Patrouillentätigkeit sowie täglich eingehende Meldungen über Zwischenfälle an der Grenze und Vorpostengefechte zwischen den beiden Armeen vervollständigen das Bild einer aufs äußerste gespannten militärischen Lage, die jederzeit zur Entladung kommen kann.
Die heute aus England kommenden Nachrichten über die Verhandlungen des englischen Botschafters Cripps über eine noch engere Zusammenarbeit zwischen der politischen und militärischen Leitung Englands und Sowjetrußlands sowie der Aufruf des früher immer sowjetfeindlich eingestellten Lord Beaverbrook90) zur Unterstützung Rußlands mit allen zur Verfügung stehenden Kräften in seinem kommenden Kampf und die Aufforderung an die Vereinigten Staaten, ein gleiches zu tun, beweist eindeutig, welches Schicksal man dem deutschen Volk bereiten möchte.
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Zusammenfassend hat die Reichsregierung daher folgende Erklärung abzugeben:
Entgegen allen von ihr übernommenen Verpflichtungen und in krassem Widerspruch zu ihren feierlichen Erklärungen hat die Sowjetregierung sich gegen Deutschland gewandt:
Sie hat:

ihre gegen Deutschland und Europa gerichteten Zersetzungsversuche nicht nur fortgesetzt, sondern seit Kriegsausbruch noch verstärkt; sie hat
    in sich immer steigerndem Maße ihre Außenpolitik gegen Deutschland feindlich eingestellt, und sie ist
    mit ihren gesamten Streitkräften an der deutschen Grenze sprungbereit aufmarschiert.

Damit hat die Sowjetregierung die Verträge und Vereinbarungen mit Deutschland verraten und gebrochen. Der Haß des bolschewistischen Moskau gegen den Nationalsozialismus war stärker als die politische Vernunft. In Todfeindschaft steht der Bolschewismus dem Nationalsozialismus gegenüber. Das bolschewistische Moskau ist im Begriff, dem nationalsozialistischen Deutschland in seinem Existenzkampf in den Rücken zu fallen. Deutschland ist nicht gewillt, dieser ernsten Bedrohung seiner Ostgrenze tatenlos zuzusehen. Der Führer hat daher nunmehr der deutschen Wehrmacht den Befehl erteilt, dieser Bedrohung mit allen zur Verfügung stehenden Machtmitteln entgegenzutreten. In dem kommenden Kampf ist sich das deutsche Volk bewußt, daß es nicht nur zum Schutz der Heimat antritt, sondern daß es dazu berufen ist, die gesamte Kulturwelt vor den tödlichen Gefahren des Bolschewismus zu retten und den Weg für einen wahren sozialen Aufstieg in Europa frei zu machen.

Berlin, den 21. Juni 1941.

1941, deu

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