Abenteuerlich.
Es ist lang her, dass ich mit der Deutschen Bahn gefahren bin. Aber soeben wurde mir lebhaft in Erinnerung gerufen, wie schön das doch sein kann.
"Die Bahn bewegt."
8:25. Abfahrt Bonn. Nächster Planmäßiger halt 8:48 in Köln.
Ich sitze auf meinem reservierten Platz, habe Stöpsel in den Ohren und schaue aufmerksam dem Spielfilm zu.
Ich bemerke erst spät, dass der Wagen ungewöhnlich lange hält. Ein Blick aus dem Fenster verrät mir, dass ich gerade in Köln-Hürth bin. Seltsam. Da sollte er doch garnicht halten. Egal, wird schon schiefgehen.
Später löse ich mich erneut vom Film und schaue raus. Nanu? Immernoch hier? Es ist doch schon 9:05. Meine Handy-App sagt, dass der Zug nun 30 Minuten verspätung hat. Aber egal. Ich hab ja einen Zug zu früh genommen, das passt schon.
"Die bahn bewegt" ... sich nicht mehr.
9:15 Durchsage. Dieser Zug kann nicht weiterfahren. Taxis wurden gerufen. Bitte verlassen Sie den zug. Sowas in der Art.
Also Laptop aus. Kram einpacken. Gepäck unter den Arm. Raus. Ewigen Bahnsteig entlang. Treppe runter. Treppe rauf. Gang. Treppe runter. Unterführung. Treppe rauf. Menschenauflauf. Keine Taxis.
Kälte.
Sonst nichts. Alles wartet. Ungedulgige Reisende rufen bei der Taxigesellschaft an. Irgendwann kommt ein Taxi. Hält 10 Meter entfernt und nimmt ein paar wenige Reisende mit.
Die Bahnführer kommen.
Es hat sich kurz vor Köln jemand vor den Zug geschmissen. Tot.
Ein Fahrgast kommentiert "da hab ich ja grundsätzlich nichts gegen", ein Mädchen fragt "macht denen das spaß?".
Ich denke mir, dass "bewegen" offenbar nicht das einzige ist, wozu die Bahn fähig ist.
Mein Handy verrät mir, dass der nächste Zug in Köln um 9:48 fährt. Der Schaffner sagt jedoch, er würde nicht auf uns warten.
Es ist 9:35. Keine Taxis weit und breit.
Minuten ziehen sich in die Ewigkeit.
9:41. Ein Taxi kommt. Ich renne hin. Stelle meinen Koffer hinein. Drehe mich um, um vom Schaffner den versprochenen Gutschein zu bekommen, doch da steht niemand mehr.
Eine Mitreisende bittet mich, hinterher zu rennen und ihn zu suchen. Also sprinte ich los. Die eisige Luft wird durch meine Atemwege gepumpt. Treppe runter. Treppe rauf. Da ist ein Menschenpulk. Aber keine Schaffner. Was ist los? Frage ich. Der Zug fährt wieder. Aha.
Ich laufe zurück. Treppe runter. Unterführung. Treppe hoch.
Gut. Mein Taxi, und somit mein Gepäck ist noch da.
Ich hole meine Sachen, gebe bescheid, und laufe wieder die gesamte Strecke zurück. Diesmal im Lauftempo. Was mit dem Koffer nicht ganz so einfach ist.
Jetzt verstehe ich das "Bahn bewegt" Motto endlich!
Ich erreiche das Bahngleis. Dort steht der Zug! Aber warum kommen denn die Leute alle zurückgelaufen?!
Der fährt doch nicht. Sollen die Regionalbahn nehmen. Gleis 51. Etwas in der Art schnappe ich auf. Sehe über die Gleise, sehe den Zug dort bereits einfahren, und haste abermals los.
Runter. Rauf. Runter. Rauf. Da steht er. Ich kann nicht mehr! Aber ich muss!! Lauf lauf lauf. Erreicht! Ich stehe drin. Die Tür fällt zu. Ich lasse mich auf einen Sitz fallen.
Als ich wieder zu Atem komme schaue ich auf die Uhr. 9:51. Das wars dann mit meinem Anschluss-Zug.
Die Regionalbahn wartet noch ein paar Minuten, dann fährt sie gemächlich los.
Eine viel zu leise Durchsage entschuldigt sich für die Verzögerung, und quasselt irgnedwas von einer Baustelle und dass der Zug deshalb dort und dort nicht halten kann. Ich bete inständig, dass er es wenigstens bis Köln Hbf schafft.
Wie sich dann rausstellte, hält der Zug dort garnicht. Aber nun außerplanmäßig doch. Na das ist doch mal was.
Wir rollen am Hbf ein. Ich schaue aus dem Fenster und sehe verstohlen zum verlassenen Gleis 2 herüber, wo erst vor wenigen Minuten mein Anschluss-Zug ausgerollt sein musste. Planmäßig! - wie mir meine App ganz stolz präsentiert.
Ich gehe wieder Treppen hinunter und hinauf, jedoch entspannter, schließlich muss ich ja nun noch fast ne Stunde warten, bis der nächste Zug kommt.
Doch als ich Gleis 2 erreiche steht dort wahrhaftig etwas von meinem ICE555 angeschlagen - 90 Minuten verspätung - der aber just in diesem Moment einfährt. Ja richtig: Mein Zug. Wo ich vorhin noch bequem drin saß und an nichts Böses dachte!
Fassungslos steige ich ein. Und kann eigentlich nur noch lachen. Hier sitze ich nun wieder. Wenigstens ist mein Platz auch noch frei.
Welch "bewegender" Moment!