Sôlarliôth

Mar 08, 2008 17:30

Sôlarliôth, das Sonnenlied

32 Freundlichen Rath und weise geflochtnen
Sagt' ich dir siebenfach:
Vernimm ihn wohl und vergiß ihn nie,
Er ist wohl werth zu wißen. 33 Erst will ich dir sagen wie selig ich war
In dieser Welt des Wehs.
Das ist das andre: daß alle Menschen
Wider Willen Leichen werden. 34 Wollust und Stolz betrügt die Sterblichen,
Daß sie nach Schätzen schielen.
Zu langem Leide wird das lichte Gold;
Manchen bethören Thaler. 35 Munter meist erschien ich den Menschen,
Denn wenig wust ich voraus:
Die zeitliche Welt hat wollustreich
Der Schöpfer geschaffen. 36 Mit Neigen saß ich und nickte lange;
Doch groß war die Lust zu leben.
Aber des Waltenden Willen entschied,
Zum Tode führen Wege viel. 37 Die Tage der Krankheit fühlt' ich unsanft
Mir um die Hüfte geheftet;
Zerreißen wollt ich sie; aber sie waren stärker:
Leichter geht sichs lose. 38 Allein wust ich, wie überall
Mir die Schmerzen schwollen.
Heim luden mich der Hölle Töchter
Graunvoll alle Abend.. 39 Die Sonne sah ich, das schöne Tagsgestirn,
Sinken in die Welt des Schreiens,
Und der Hölle Gitter hört ich mir zur Linken
Schaurig erschallen. 40 Die Sonne sah ich blutroth scheinen,
Wie ich von der Welt mich wandte;
Doch heller schien sie mir und herlicher
Als ich sie noch je gesehen. 41 Die Sonne sah ich, sie war so schön
Als säh ich Gott den Schöpfer selbst.
Ich neigte der herlichen heut zum letzten Mal
In dieser Welt des Wehs. 42 Die Sonne sah ich, so war ihr Glanz
Daß sonst mir nichts bewust mehr war.
Die Höllenflüße hallten zur Linken mir
Gemischt mit manches Menschen Blut. 43 Die Sonne sah ich bebenden Angesichts.
Der Schrecken voll und Schmerzen,
Denn mein Herz, das hart bedrängte,
Zerging in Angst und Ohnmacht. 44 Die Sonne sah ich noch selten verzagter;
Ich war der Welt schier halb entwandt;
Die Zunge stand mir starr im Munde,
So fühlt' ich sie von Frost erfaßt. 45 Die Sonne sollt ich nicht wiedersehn
Nach jenem trüben Tage;
Der blaue Himmel verbarg sich mir,
In Schmerzen entschwand die Besinnung. 46 Der Stern der Hoffnung (die Seele) in der Stunde der Neugeburt
Entflog der bangen Brust.
Er schwang sich hoch empor und setzte sich nirgends,
Daß er zur Ruhe kommen konnte. 47 Aber am ängstlichsten war mir die eine Nacht,
Wo ich starr lag auf dem Stroh:
Da verstand ich erst ganz das göttliche Wort:
Vom Staube stammen die Sterblichen.
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