Als Kinder haben wir manchmal folgendes Spiel gespielt: Wir stellten uns auf, möglichst viele, manchmal die ganze Klasse und schauten auf einen Punkt. Irgendwo auf einem Dach oder in einem Baum. Flugs standen auch andere Leute da und schauten ebenfalls.
Allen, also uns und den Fremden gemeinsam war, daß wir alle dasselbe sahen, nämlich NICHTS. Nun waren wir 20 Kinder noch keine Masse, aber in größerem Stil nennt man sowas Massenpsychose.
Die ist gerade um einen Karikaturisten namens Dieter Hanitzsch ausgebrochen. Der hat erstmal was Vernünftiges gelernt, nämlich Brauer, dann Betriebswirtschaft studiert und seit 1985 nutzt er sein Talent und zeichnet Karikaturen. Bisher sehr erfolgreich und üppig, für zahlreiche Magazine, Zeitungen, die Presse landauf, landab. Jedenfalls so gut, daß er das Bundesverdienstkreuz bekommen hat und einen feuchten Händedruck vom Bundespräsidenten und lobende Worte dazu.
Ich habe mir seine Karikaturen auf Google-Bilder angeschaut. Man kann was erkennen. Meistens jedenfalls. Die Karikaturen haben eine Aussage. Meistens. Er macht das was Karikaturisten machen um das Wiedererkennen bei Prominenten zu steigern, er überspitzt und vergrößert ihre körperlichen Merkmale. Sie heben bewusst auf Klischees ab. Daran erkennt man Karikatur, sonst wäre es Porträtmalerei. Längst nicht alles reißt mich vom Hocker, aber bei Karikaturen bin ich ohnehin überpingelig, der Süddeutschen jedenfalls war Hanitzsch Jahrzehnte gut genug, übrigens ein Blatt, mit dem ich nicht mal meine feuchten Schuhe ausstopfen würde.
Wenn der Mann seit 1985 zeichnet hat er bestimmt auch schon mal was zu Israel oder den Juden gezeichnet, habe zwar nichts gefunden, aber auch nicht richtig explizit danach gesucht. Bisher ist er in den 33 Jahren nicht durch eine antisemitische Haltung aufgefallen. Alles das spielt jetzt keine Rolle, er hat Bibi Netandingsbums, den derzeitigen israelischen Häuptling (dessen Politik ich als Außenstehender gar nicht so schlecht finde) so gemalt wie Karikaturisten malen: Also mit großen Ohren und anderen körperlichen Wiedererkennungsmerkmalen. Und außerdem in dem Kostüm der Netta, dieser bunten Jodel-Träne die so perfekt in den Zeitgeist paßt und die natürlich aus den heute üblichen 64 oder mehr sexuellen Identitäten ihre Claqueure generiert.
Dann hat Bibi noch eine Rakete in der Hand, mit einem Davidstern, also dem Symbol des jüdischen Staates wie der ihn auch in seiner Flagge hat. Es würde mich sehr wundern wenn der Davidstern NICHT auf einer Rakete zu finden wäre, diesem großartigen Verteidigungsinstrument gegen die muslimisch-arabische Aggression. Oder so: Wenn israelische Selbstverteidigungsraketen im Iran einschlagen hoffe ich sehr, daß man den Absender Israel erkennt. Außerdem hofft Bibi daß das Gedudel nächstes Jahr in Jerusalem stattfindet. Unter uns: Es gab da schon gehaltvollere Veranstaltungen.
Die gleichen Kritiker die jetzt auf Hanitzsch, statt auf die Süddeutsche einschlagen finden vermutlich den „Karikaturisten“ Klaus Stuttmann vom SPÜGEL ganz toll, dabei sind seine Bildaussagen so vorhersehbar wie sie die Speisefolgen in einem MITROPA-Restaurant waren. Und Trump kann er nur mit Entenfresse malen, abgekupfert bei Disney und den Ducks. Denn auf Trump rumhacken ist a.) total in und b.) völlig gefahrlos. Also ist Stuttmann der Böhmermann des Stiftes, völlig überbewertet, nicht komisch, allenfalls dummfrech.
Stefan Klinkigtt kann Karikaturen. Man kann sie minutenlang anschauen und in jedem einzelnen Strich verbirgt sich eine Interpretation, meistens eine kritische. Das ist Kunst, da sieht ein geschultes Auge und da ist eine politische Haltung. Allerdings keine zeitgeisttypische, die Fahrt mit diesem Zug überläßt
Stefan Klinkigt anderen. Kann man Claudia Roth, die Künast oder Merkel besser karikieren als Klinkigt?
Ich habe leider keine Möglichkeit Sarah oder Reuven Normalo zu fragen ob sie die Hanitzsch-Karikatur antisemitisch finden oder ob sie souveränerweise zur Tagesordnung übergehen und die Hype ebenfalls kopfschüttelnd betrachten. Denn, wer sich bisher geäußert hat, auch von jüdischer Seite und ANTISEMITISMUS schrie, rechne ich dem Berufsjudentum zu. Also so der Gegenpart zu dem Dauerbeleidigten Aiman Mazyek der mit seinem Dauergenöle der islamischen Sache ebenfalls keinen Gefallen tut. Wir sehen gerade einen Wettkampf der Beleidigten und Empörten.
Antisemitismus ist mir zuwider. Zutiefst. Und ich bin der Meinung, daß jeder Schüler das Buch von Broder „Der ewige Antisemit“ gelesen haben sollte. Hätte Hanitzsch Bibi mit Hakennase und tanzend auf den Schädeln erschossener Palis gezeichnet, wäre er ein Antisemit übelster Sorte gewesen. Dann hätte der Vergleich mit dem Stürmer auch gepaßt.
Aber all das ist es nicht. Es ist nur die übliche Aufrege von Leuten die ihre edle Haltung noch einmal so richtig unter das Volk streuen wollen und zeigen möchten wie mutig sie 70 Jahre später gegen den braunen Ungeist kämpfen. Es ist so durchsichtig und albern es ist Folge 899 in einer Soapopera.
Und es ist ein weiteres Kapitel in dem Buch von der deutschen Beklopptheit:
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/antisemitismus-vorwuerfe-sueddeutsche-zeitung-trennt-sich-von-karikaturist-a-1208322.html