German Version:
BLAM!
Die Beretta trat aus wie ein Esel, der Rückstoß größer, als er es erwartet hatte - und sein Partner auf dem Schießstand hielt dieses Monster von einer Kanone, das er Desert Eagle nannte, einhändig, und versenkte Schuß um Schuß in den Kopf der Zielscheibe.
James war froh, daß er überhaupt die schwarze Fläche traf.
Es war die Idee des Chiefs gewesen - der auf seine Frau verwies, aber irgendwie bezweifelte James, daß Miho Destine das so wörtlich gesagt hatte - und so lernte James Tong den vorsichtigen Umgang mit einer Schußwaffe. Er war eigentlch zu jung für einen Waffenschein, aber dank seines Status als emanzipierter Minderjähriger und einiger Gefallen hatte sich das als kein Problem erwiesen.
Also stand er hier, durch Ohrschützer gedämpftes Feuer hörend, den Rückstoß immer mehr erwartend, die Waffe nicht zu verkrampft haltend, in beiden Händen, und versuchte verzweifelt, so auszusehen, als ob er wüßte, was er da tat.
Das neben ihm Detective Schneider, *der* Scharfschütze des Reviers stand, und grade dabei war, Trickschüsse zu vollführen, und dabei immer noch besser war als er, half seinem Selbstbewußtsein ungemein.
Ja, in Ordnung, es war das erste Mal, das er wirklich eine Waffe in der Hand hielt; das letzte Treffen hatte nur dazu gedient, ihm die Sicherheitsregeln und die verschiedenen Gesetze einzubläuen - das änderte nichts an seiner Frustration.
Egal, es half nichts. Er atmete tief durch, sah sich seine Treffer an - 2,3,3,4,5,1 - und lud die Waffe erneut.
Auf ein neues.
Nur noch zwei Wochen, nur noch die eine Prüfung, nur noch acht Treffen....
Bald würde er in der Lage sein, Ziyi besser zu schützen.
Und, wenn er es sich so richtig überlegte, auch Tsi. Und Reiko. Besonders Reiko, die angesichts ihres Vaters garantiert Probleme bekommen würde. Und Ziyi würde ihm den Marsch blasen, wenn er zuließe. daß ihrer besten Freundin etwas zustoßen würde.
Die Pistole, erinnerte er sich, während er wieder nachlud und versuchte, die einfach nur peinlichen Ergebnisse zu verdrängen, war eine niegelnagelneue Beretta 92FS, frisch aus der Fabrik. Er hatte sich gewundert, daß ihm diese Waffe für die Dauer des Trainings 'zugewiesen' wurde, was bedeutete, daß er nur mit dieser Waffe trainieren würde. Aber da sie immer noch vom Waffenmeister des 13. verwaltet wurde, machte James sich da keine großen Gedanken.
Schneider war anscheinend mit seinem Training fertig, da er zu James trat, und ihm kurz ein paar Ratschläge gab. Wie er sich zu stellen hatte, seine Positur, daß er nicht überreagieren sollte, um den Rückstoß zu kompensieren.
Es half; wenigstens trafen seine Schüsse jetzt das Ziel.
"Und, Kleiner? Ich weiß zwar nicht, warum der Commisioner so'n Jungspund wie dich durch das Programm schleift, aber glaub mir: Aller Anfang ist schwer. Beim ersten Mal auf dem Stand hab ich auch nicht besser abgeschnitten."
Dann gab der großgewachsene Engländer ihm noch einen Klaps auf die Schulter, der wahrscheinlich als tätlicher Angriff hätte gewertet werden können, und ging.
Zwei Magazine später reinigte James seine Waffe, ging entsprechend der Regeln vorsichtig mit ihr um, und gab sie dem Waffenmeister zurück. Seine Arme schmerzten, sein Kopf dröhnte - die Ohrschützer hatten nicht alles abgehalten - und er war müde.
Oh. Heute war Donnerstag. Tsung wollte ihn nachher noch treffen. Nahkampftraining. Wenigstens würde er heute nacht gut schlafen.
Wir sitzen auf der Couch, und der Fernseher zeigt auf seiner ganzen Pracht von 70 cm Bildschirmdiagonale Alien, und James verkriecht sich quasi in mir, schmiegt sich an mich, so eng, daß ich selbst meine Zigarette ausdrücke, weil ich sonst befürchten müsste, daß er sie abbekommt, und ich halte ihn - nicht wie sonst, wenn er mich hält - und es fühlt sich verdammt gut und richtig an, ihm etwas Geborgenheit zurückgeben zu können, auch wenn ich etwas kleiner bin als er. Reiko schläft in einem der beiden großen Sessel zur linken der Couch, und schnarcht sanft vor sich hin. Sie behauptet, der Film könne sie nicht schocken - sie habe im Mutterleib schon Schlimmeres mitbekommen. Wieder diese Anspielungen, daß ihre Mutter eine große, böse Auftragskillerin ist. Ja, sie kann einschüchternd wirken, aber dieses Hemd von einer Frau soll mehr Tote verursacht haben, als die Pest? Klar, Reiko-chan. Ganz ruhig bleiben, Darling.
Oh, das Alien hat grade wieder jemanden geschnappt, und ich spüre, wie James mich näher an sich drückt. Hach, das ist gut. Ich weiß, ich bin gemein - mein Vater hat auf meinen Vorschlag hin den Film ausgeliehen - aber ich liebe dieses Gefühl, seine Wärme um meine Hüften geschlungen, wie sein Kopf sich panisch in meiner Brust versenkt.
Mein Vater? Der sitzt in dem anderen Sessel, auch ruhig, entspannt geradezu, und futtert gemächlich Popcorn, als ob der Bildschirm nicht in aller Ausführlichkeit das grausige Ableben verschiedener Menschen zeigt. Er hat wahrscheinlich schon Heftigeres gesehen; oder befohlen; oder durchgeführt.
James hatte kurz die Augen wieder auf, hat diese Szene gesehen, und langsam aber sicher wird es schwierig für mich, Luft zu bekommen. Es ist schon lustig, wie ein Sechzehnjähriger, der keinerlei Probleme damit hat, mein Gesicht ganz zu sehen - oder das zumindest wunderbar spielen kann - oder Brandwunden zu behandeln, die mit ihrem Gestank und ihrer Textur und ihre Deutlichkeit tausendfach schlimmer sind, als alles, was im Fernseher kommt, Panik schiebt, nur weil er nicht sehen kann, wer oder was diese Wunden zugeführt hat.
Nicht, daß ich mich beschwere. Ich mag dieses Gefühl, aber das habe ich ja schon mal gesagt. Sanft streichle ich über sein kurzes, schwarzes Haar und murmele beruhigende Worte in sein Ohr.
Er weiß noch nichts von dem Geschenk, das in seinem Raum auf ihn wartet, aber ich glaube, es wird ihm gefallen.
Ich hab ihm eine CD von Suzanne Vega besorgt, Solitude Standing; nicht mein Stil, aber ihm gefällt's, und irgendwie muss ich mich ja bedanken. Und überanstrengen will ich ihn ja nicht.
Außerdem, Tsung hat langsam Rot als Hautfarbe. Unpassend.
Als ich über James' Arm fahre, merke ich wieder einmal die Muskeln, die sich in seinem ehemals schmächtigen Körper verbergen. Zu Beginn war er schmal; gut geformt, aber schmal. Jetzt sieht er aus wie David. Michelangelos David. Und ja, er ist besser bestückt. Reiko war in diesem Bezug ziemlich neugierig.
Wenn er wollte, wenn er sich besser kleiden würde, könnte wahrscheinlich einen Harem haben, der sich ihm zu Füßen wirft.
Da er das nicht tut, muß ich das wohl alles alleine machen.
Das macht mir wirklich nichts aus. Kann ich gerne noch 'ne Zeitlang weitermachen.
So, mein Leben lang.
Wieder zuckt er zusammen, aber das ist gleichgültig, denn ich hoffe, er weiß, daß ich ihn vor allem beschützen werde.
Mea Culpa.
Ja, es ist meine Schuld, daß er hier ist, jetzt Angst hat, aber ich beschütze ihn zugleich, versuche auch, ihn zu stärken.
Es gelingt mir, meine Schuldgefühle auf morgen zu verschieben.
Vielleicht werde ich sie morgen auf übermorgen verschieben können.
Und übermorgen... wer weiß?
English Version:
BLAM!
The Beretta kicked like a mule, the recoil bigger than he imagined - and the other guy on the shooting range held this monstrous Desert Eagle one-handed and put bullet after bullet into the target's head.
James was happy he was hitting the black surface at all.
It had been the Chief's idea - who had pointed at his wife, but somehow James doubted that Miho Destine had vocalized this idea - and so James Tong was learning the careful handling of a firearm. Theoretically, he was too young for a gun permit, but since he was an emancipated minor and some favours had been collected, there had been no real problem.
So he was standing here, with mufflers dampening the gunfire, getting better acquainted with the recoil, holding the gun in both hands, not too tense and tried desperately to look as if he knew what he was doing.
That Detective Schneider, *the* sharpshooter in the 13th precinct was doing trick shots - and he was still better than him! - helped his ego extremely.
Yes, okay, this was his first time, really firing a gun. The first meeting had only served to tell him about the security guidelines with a weapon and the different gun laws of HK. That didn't change a thing about his frustration, however.
Never mind, he couldn't change it. He breathed deep, looked at his score - 2,3,3,4,5,1 - and reloaded the gun.
Once again, into the fray.
Only two weeks to go, and he'd be able to protect Ziyi.
And, if he thought about it, Tsi too. And Reiko. Especially Reiko, since she was bound to get problems due to her father. And Ziyi would chew him out if he let somebody harm her best friend.
He remembered, while he reloaded again and tried to repress the embarrassing results, that the pistol was brand new Beretta 92FS, fresh from the factory. He had wondered about this, when he had been told that he'd been assigned to this weapon, which meant he'd train only with it. But since it was arranged by the 13th's quarter master he didn't worry too much about it.
Schneider was apparently finished with his training, as he stepped over to James and gave him some advice. How to posture oneself, how not to overreact to compensate the recoil.
It helped; at least his shots hit the target.
"And, kiddo? I don't know why the Commissioner is putting a kid like you through the training, but trust me: All beginnings are difficult. My first time on the range, I wasn't any better than you are now."
Then the big Englishman gave him a pat on the shoulder - that probably could be counted as aggravated assault - and went hime.
Two magazines later James was cleaning his gun, carefully according to the rules, and gave it back to the quarter master. His arms ached, his head buzzed - the mufflers hadn't been totally effective - and he was tired.
Oh. Today was Thursday. Tsung wanted to meet up with him, close quarter combat training. At least he'd be able to sleep well tonight.
lafen.
We're sitting on the couch and the TV is showing in all of its 70cm glory Alien and James is pressing himself into me, nestles himself into me, so close that I put out my cigarette for fear of hitting him with it, and I hold him - which is a role inversion - and it feels so damned good and right to be giving him comfort, even if I'm smaller than him. Reiko is sleeping in one of the two big armchairs to the left of the sofa, snoring softly. She claims the movie can't shock her - she had seen worse things in the womb. Once again these allusions of her mother as a big, bad assassin. Yeah, sure, she can be intimidating, but this linnet of a woman should have a bigger body count than the bubonic plague? Sure, Reiko-chan. Everybody be cool.
Oh, the Alien has caught another unlucky victim and I can feel James getting closer to me. This is so good. I know I'm evil - my father borrowed this movie because I told him about it - but I love it, his warmth around my hips, his head panicking pressed against my chest.
My father? He's sitting in the other armchair, calm, collected, relaxed, and guzzles popcorn as if the screen wasn't showing the gruesome demise of several people. He probably has seen worse; or ordered; or executed.
James has opened his eyes shortly, saw this scene, and slowly it's getting difficult to breathe. It's funny, somehow, that this sixteen-year old, who has no trouble with my face - or is at least very adept at pretending he has none - or with treating burn wounds, which in their stink and their texture and their clarity a thousand times worse than everything on the tube, is panicking only because he cannot see who or what did these cruel things to these movie characters.
I'm not complaining. I like this feeling, I've said it before.
I stroke gently his short black hair and whisper soothing words in his ear. He doesn't know about his gift in his room, but I think he'll like it.
I got him a CD by Suzanne Vega, Solitude Standing; not my taste, but his, and somehow, I have to thank him. And I don't want him to overexert himself. Besides, Tsung's skin colour is starting to become red. Not fitting.
As I'm touching over his arm I can sense the muscles of his formerly lanky body. He was skinny; well-formed, yes, but thin. Now he's looking like David. Michelangelo's David. And yes, he's better equipped. Reiko was pretty curious considering that.
If he wanted, with a little better taste in clothes, he could have a harem of girls throwing themselves to his feet.
Since he doesn't, it's up to me.
That's no problem, really. I can do that for some time, sure.
So, the rest of my life.
He jerks again, but it's okay, 'cause I hope he knows I'll protect him from everything.
Mea culpa.
Yes, it's my fault that he's here, he's scared, but I protect him, too, try to strengthen him.
I repress my guilty conscience till tomorrow.
Maybe tomorrow I'll be able to repress them until the day after tomorrow.
And the day after tomorrow? Who knows?