Titel: Verspätete Fakten
Komplett!
Fandom: Harry Potter
Pairing: LM/RW
Warnungen: Oneshot, dark(ish), Romantik?
Sprache: Deutsch,
English here!Archive:
AnimexxDisclaimer: Nicht mir sondern JKR gehören die Figuren. Ich leihe sie mir nur kurz zum Spielen aus.
Story: Es gibt da etwas, das Ron seit Jahren vor seinen Freunden und seiner Familie geheim hält, und erst eine Gerichtsverhandlung bringt es ans Licht.
Pic: Hier gibt es ein Fanart zur Story:
Klick mich!Kommentar: Dachte, es ist mal wieder an der Zeit, dass ich hier was neues reinsetze ;)
~**~
Der Raum lag in einem schummrigen Licht, das gut zur Stimmung der Anwesenden passte, und nur der Sitz in der ovalen Mitte und die Plätze der hohen Richter waren erhellt, wenn auch nicht voll besetzt. Die Sitzreihen der Zuschauer waren fast leer. Von der Presse war seit Wochen nur noch der harte Kern übrig und dieser hoffte, dass der Wizengamot endlich das Urteil verkünden würde und diese Farce einer Verhandlung aufhören konnte. Denn wie konnte das Ergebnis schon anders lauten als Gefängnis, lebenslänglich?
Zwei verzierte Türen in gegenüberliegenden Steinwänden wurden gleichzeitig geöffnet und während der Vorsitzende Zaubererrichter langsam zu seinem Sitz glitt und der Angeklagte zu seinem Platz schräg hinter dem Befragungsstuhl geführt wurde, wurde leise durch die Reihen der Reporter genuschelt: „Hey, schon gehört? Heute spricht der jüngste Weasly. Der wird bestimmt für etwas Stimmung sorgen.“
„Na, wenigstens etwas. Also heute kein vorzeitiger Tod durch Langeweile...“
„Ich hab' gehört, er soll bei Potters Verhandlung einen Richter angegriffen haben.“
„Ist doch verständlich! Was die Potter alles anhängen wollten.“
„Hey Sigi, warst du da nicht dabei?“
„Ja! Das hättet ihr sehen müssen! Er ist-“
Ein lautes Klopfen, das von überall zu kommen schien, unterbrach das Gerede in den Reihen und augenblicklich richteten sich alle Blicke auf den Vorsitzenden des Wizengamots. Nun, nicht ganz alle. Der Angeklagte mit Eisenketten an Händen und Füßen blickte starr auf die Steinplatten vor ihm. Das blonde Haar hing leicht strähnig über Schultern und Kopf, die Ellbogen auf die Knie gelehnt saß er, bewacht von einem Auror zu seiner Linken, auf ebenso kalten Steinplatten, die als Bank dienten, wie die unter seinen fast nackten Füßen. Der Einleitung des Vorsitzenden hörte er schon seit Wochen nicht mehr zu. Er kannte die Anklagepunkte inzwischen auswendig und ein paar waren selbst ihm damals bei der Eröffnungsverhandlung neu gewesen.
Sein Sohn hatte in der untersten Reihe ihm gegenüber Platz genommen, Haar und Anzug saßen perfekt. Er war sehr erleichtert gewesen als er erfahren hatte, dass Draco von allen Anklagepunkten freigesprochen war - wenn auch nur mithilfe der Aussage von Potter und dem Testament Dumbledores.
Wieder ein lautes Klopfen. Der Zeuge von heute würde gleich aufgerufen werden.
Lucius Malfoy war sich nur allzu bewusst, wer hinter der Tür stand, die gleich geöffnet werden würde. Er wusste es, spürte seine Anwesenheit in jeder Zelle seit jenem Tag vor nun fast vier Jahren in Hogsmeade.
Das Kribbeln in seinen Fingerspitzen versuchte er wie immer zu ignorieren.
~oOo~
Ron musste seine Hände ständig über seine Robe wischen. Nicht weil sie feucht waren vor Nervosität - dabei hatte ein kleiner Zauber von Hermine geholfen, denn er wollte schließlich nicht, dass ihm das Veritaserum aus den Händen glitt. Und es würde sicherlich dazu kommen, dass er es trinken musste. Er wollte es trinken.
Nein, nicht feucht. Er versuchte nur das Kribbeln zu verscheuchen. Das Kribbeln, das, je näher sie waren, sich verstärkte, in den Fingerspitzen quellte, über Handinnenfläche sich verbreitete, ihm in Schauern über den Rücken wanderte.
Das Kribbeln, das er eigentlich nicht haben dürfte.
Das Buch hatte nichts über Schauer oder kribbelnde Fingerspitzen erzählt. Soviel er auch geblättert und gelesen hatte, er hatte keine Erklärung dafür gefunden.
Aber Recherche war noch nie seine Stärke gewesen und so hatte er wohl akzeptieren müssen, dass er bei dem Zauber geschlampt hatte. Nochmals.
Wieder strich er mit den Händen über die Robe. Sie war neu. Aus einem seltsamen Impuls heraus, der aus einem Minderwertigkeitsgefühl erwuchs, hatte seine Mutter entschieden, dass Ron nicht in einer alten Robe vor Malfoy treten konnte. Das Argument - dass Mr. Malfoy selbst sicherlich nicht seine beste Robe tragen würde wie Hermine zögerlich angemerkt hatte - hatte Mrs. Weasly nur kurz innehalten lassen. Gleich darauf hatte sich Ron knietief in einem Haufen neuer Roben befunden, während seine Mutter durch die Reihen des Ladens schritt und ihm ständig neue Kleidungsstücke brachte.
Ron musste etwas schmunzeln, als er daran dachte, wie nervös sie an seiner Kleidung heute Morgen gezupft hatte.
Ihm verging die Regung jedoch recht schnell wieder, als er sich ins Gedächtnis rief, dass auch seine Mutter und Hermine hinter der Tür warteten.
Es war ihnen aufgefallen.
Natürlich war es ihnen aufgefallen.
Wie konnten sie auch nicht merken, dass, je näher der Tag kam, an dem er vor dem Wizengamot sprechen musste, Ron immer nervöser wurde. Sie dachten, sie täten ihm einen Gefallen, wenn sie ihm stille Unterstützung aus den Zuschauerreihen geben würden. Wahrscheinlich dachten sie, dass er wie bei Harrys Verhandlung einen Aussetzer haben würde.
Wie überrascht sie sein werden.
Ron war nur froh, dass Harry nicht kommen konnte. Auch wenn das ja eigentlich egal war, denn erfahren wird er es so oder so. Sicherlich wird morgen alles in der Zeitung stehen. Ron konnte schon die Überschrift vor seinen Augen sehen. Wie sie ihn anprangern werden, beschimpfen werden.
Er wusste es.
Aber auch das war egal.
Er hatte die ganze Nacht wach gelegen und über all das nachgedacht. Er hatte überlegt, was er sagen würde, wie er auftreten würde. Noch weit nach Mitternacht war er auf dicken Socken in seinem Zimmer auf und ab gelaufen und zweifelte, ob er das Richtige tat. Der neue Tag fand ihn am Fenster in Gedanken an jenen lange zurückliegenden Tag.
Ron strich sich diesmal mit Bedacht über die Robe, um alle Falten, eingebildete oder echte, zu glätten, tätschelte seine Hosentasche mit seiner verkleinerten Truhe und atmete nocheinmal tief ein und aus. Dann schwenkte auch schon die Tür nach Innen und Ron trat mit erhobenem Kopf und unruhig zuckenden Fingerspitzen in den Gerichtssaal ein.
Mit ein paar Schritten war er neben dem Angeklagten und versuchte nicht auf den bedauernswerten Zustand von Mr. Malfoys Kleidung, den er aus den Augenwinkeln erhaschen konnte, zu reagieren. Ein paar Schritte weiter und er stand direkt neben dem Verhörplatz.
„Bitte setzen Sie sich, Mr. Weasly“, sagte der Vorsitzende mit väterlicher Stimme und wies auf den Stuhl.
Ron musste sich nicht umsehen, um zu wissen, wer alles anwesend war. Jemand von der Presse war immer da. Wenn sein Vater angeklagt war, war auch Malfoy Jr. nicht weit. Und natürlich seine Mutter und Hermine. Verwandte von Zeugen und Angeklagten durften dabei sein. Neugierige mit genügend Einfluss, um in den Gerichtssaal zu kommen, fehlten nie. Ein paar Richter und Schreiber saßen in den Reihen vor ihm und man sah ihnen ihre Müdigkeit an. Seit Monaten wurden nur Todesserfälle im Schnellverfahren verhandelt. Das Ministerium wollte so schnell wie möglich alle Bösen hinter Gittern wissen und seinen Wählern die heile Welt vorgaukeln.
Als Ron saß, sprach der Vorsitzende zu den Schreibern: „Für das Protokoll: Zeuge ist Ronald Bilius Weasly. Der Zeuge hat kein Veritaserum erhalten.“
'Noch nicht', zuckte kurz durch Rons Geist, aber bevor er noch länger diesem Gedanken nachhängen konnte, wandte sich der Vorsitzende schon direkt an Ron mit der Aufforderung, die er gefürchtet und herbeigesehnt hatte.
„Mr. Weasly, nennen Sie uns bitte ihren vollständigen Namen, Geburtstag und ihre Beziehung zum Angeklagten. Keine Sorge, das ist nur für das Protokoll. Sie kennen das ja.“ Ein kleines Zwinkern wurde diesen Worten nachgeschoben.
Ron jedoch schluckte nur, faltete seine ineinander geharkten Finger auseinander und legte seine Unterarme langsam auf die Armlehnen. Er musste sich zwingen es langsam zu tun.
Er hörte irgendwo aus dem Halbdunkel der Reihen ein Hüsteln.
Seine Fingerspitzen kribbelten immer noch.
Ron atmete ein und konzentrierte sich nur auf das linke Auge des Vorsitzenden. Kleine Fältchen hatten sich darum gebildet, eine ordentlich getrimmte graue Augenbraue wölbte sich leicht darüber, jedoch konnte er noch nicht die Farbe bestimmten. Alles andere wollte er ausblenden, alles andere verschwamm.
In seinen Ohren rauschte es.
Ron öffnete den Mund, um den Satz zu sagen, den er sich seit Wochen vorsagte.
„Mein Name ist Ronald Bilius Weasly. Ich bin am 1. März 1980 geboren und ich“ (er musste schlucken, sein Mund war plötzlich trocken, das Auge vor ihm zuckte noch nicht einmal) „Ich bin der Verlobte des Angeklagten, Lucius Malfoy.“
Es war still. Ron schluckte wieder. Er war sich sicher, dass Lucius ihn anstarrte. Genau wie der ganze Raum ihn jetzt anstarrte.
Er atmete langsam und gedehnt aus. Er hatte es sich leichter vorgestellt. Er hatte gedacht, dass sie alle ganz aufgeregt sein würden und ihn anschreien würden und er hätte dann ganz ruhig auf seinem Platz gesessen und hätte ihnen souverän die ganze Geschichte erzählt und Lucius hätte nur genickt.
Er hatte nicht mit dieser Stille gerechnet.
Sie drückte gegen seine äußere Ruhe.
Ron starrte immer noch das linke Auge des Richters an und hätte beinahe die Frage überhört, von der er nur deswegen Notiz nahm, da sich das Auge leicht verschmälerte.
Er schreckte kurz hoch und ohne es zu wollen, huschten seine Augen über die Zauberer vor ihm. Überraschung sah er, halb erhobene Federn und offene Münder. Beinahe wären seine Augen weitergewandert zu den Zuschauern, zu seiner Mutter und Hermine, aber die wiederholte Frage des Vorsitzenden riss ihn von dem Anblick los. Er zwang sich, sich wieder auf das Auge zu konzentrieren, denn so sah er nichts anderes mehr. Aber das war nun schwerer mit seinem flatternden Atem und hämmernden Herzen in der Brust. Im selben Takt wie sein Herz wollten seine Augen die Reaktionen erhaschen. Er wollte sich zu seiner Mutter und Hermine drehen.
Er wollte sich zu Lucius drehen.
„J-ja, Herr Vorsitzender. Ich, also weiß“, fing Ron zuerst leise und stotternd an und dann sprudelte es heraus, wollte er alles sagen bevor sie ihm das Wort verboten, musste er alles sagen, „Ich lüge nicht, Herr Vorsitzender. Ich weiß, dass Meineid strafbar ist und ich stehe nicht unter Imperius oder einem anderen Zauber oder so was ähnlichem und Sie müssen mir glauben, denn ich bin wirklich sein Verlobter und die Geschichte ist sehr kompliziert, aber nicht lang, aber bitte lassen Sie mich sie erzählen und da Sie mir wahrscheinlich nicht glauben, auch wenn alles wahr ist, aber ich verstehe das, etwas seltsam ist es ja schon, nur... Vielleicht sollte ich Veritaserum nehmen?“
Gut. Es war zwar nicht ganz die Rede, wie Ron sie sich vorgestellt hatte, aber gut. Und wenigstens war er bei der Bitte nach Veritaserum angekommen.
Jetzt musste er nur noch seine Atmung unter Kontrolle bekommen. Er hatte das Gefühl zehn Meilen gerannt zu sein.
Er hatte auf jeden Fall mehr Zusammenhängendes gesagt seit... seit überhaupt.
Das Auge war immer noch unfreiwilliger Fokus seiner Konzentration. Ihm fiel auf, dass es kein Braun war, wie er zuerst geschätzt hatte. Von seiner Position sah es eher nach einem sehr dunklem Grün mit braunen Splittern und Rand aus. Ron hatte gute Augen, solange das, was er ansah, sich nicht bewegte wie Quidditchbälle es leider normalerweise taten. Und der Vorsitzende hatte die kleinen Fältchen, die sich um seine Augen legten, offensichtlich nicht nur vom Lachen, denn gerade legten sich Denkfalten um seine verschmälerten Augen. Er verlor sich in der Betrachtung und bemerkte nicht wie die Zeit verstrich oder das hektische Kratzen der Federn in der Pressereihe, aber irgendwann sah er aus den Augenwinkeln einen Wizengamotangestellten mit Tablett auf sich zutreten und im selben Augenblick, als er der Ampulle darauf gewahr wurde, sagte der Vorsitzende: „Mr. Weasly, in der Ampulle befinden sich zwei Tropfen Veritaserum. Lesen und unterschreiben Sie bitte das beiligende Formular, dass sie auf eigenen Antrag das Serum verlangt und eingenommen haben und dass Ihnen die Folgen bewusst sind. Danach nehmen Sie die Tropfen ein. Haben Sie das verstanden, Mr. Weasly?“
Ron nickte. Er hatte nicht nur das verstanden. Er verstand auch, warum der großväterliche Ton von anfangs nun nicht mehr in der Stimme des Vorsitzenden auftauchte.
Schnell nahm er die Feder zur Hand und nachdem er ohne zu lesen das Formular unterschrieben hatte, griff er eilig, als ob sie sonst verschwinden würde, zur Ampulle. Ron wollte nicht darüber nachdenken, was gleich gefragt werden würde - er ahnte es ja aber doch irgendwo - und wartete auch nicht bis die Tropfen den Weg überwanden und sich vom Rand lösten, sondern saugte sie gehetzt aus dem Röhrchen; was seine Lunge anscheinend nicht mochte.
Unter Husten versuchte er die Ampulle zurück zu legen, nur schüttelte sich sein ganzer Körper derart, dass er keine ruhige Hand hatte, und so fiel sie scheppernd auf das Metalltablett zurück. Der Laut hallte lange in dem scheinbar stillem Saal wider, aber Ron bemerkte das noch nicht einmal, er rutschte auf seinem Stuhl hin und her, kämpfte mit seiner Lunge und versuchte den aufkommenden Tränenschleier wegzuzwinkern.
Der Vorsitzende wartete still und zurückgelehnt bis Ron sich wieder beruhigt hatte und bat ihn dann nochmal: „Nennen Sie mir Ihren vollständigen Namen, Geburtsdatum und Ihre Beziehung zum Angeklagten.“
Kurz überfiel ihn nocheinmal der Husten, aber kaum war dieser vorbei, antwortete er ohne Stocken: „Ronald Bilius Weasly, 1. März 1980, Verlobter von Lucius Malfoy.“
„Welche Farbe hat heute Ihre Unterwäsche?“
„Gelb“ war schneller aus seinem Mund wie Ron die Frage überhaupt überdenken konnte und schlagartig wurde er Rot. Verlegen und wegen dem Rest Halskratzen räusperte er sich während der Vorsitzende fortfuhr.
„Nehmen Sie ins Protokoll auf: Der Zeuge steht ab nun unter Veritaserum. Nun Mr. Weasly“, hier lehnte sich der Vorsitzende nach vorn und verschränkte seine dürren Finger, seine Augen auf die Person im Verhörstuhl gerichtet, „dies war eine... unerwartete Neuigkeit. Seit wann sind Sie mit dem Angeklagten verlobt?“
„Seit ich vierzehn bin.“
Gemurmel huschte durch die Reihen und Überraschung zeigte sich in dem einem oder anderen Gesicht. Der Vorsitzende blieb ruhig, fragte aber gleich darauf: „Wissen Ihre Eltern davon?“
„Nein.“
„Normalerweise ist dies in dem Alter eine Straftat, das ist Ihnen bewusst, nicht wahr? Noch dazu wo Ihre Eltern nicht Ihr Einverständnis dazu gaben. Außerdem war der Angeklagte nach Zaubererrecht verheiratet zu jenem Zeitpunkt. Korrekt?“
„Ja.“
„Einzige Ausnahme, dass dieser Punkt nicht zu den Anklagepunkten hinzu kommt, wäre die Tatsache, dass es ein Zauber gewesen ist. Ist es einer?“
„Ja.“
„Freiwillig?“, fragte sofort darauf der Wizengamotvorstitzende.
Auch wenn das Veritaserum Ron zwang die Wahrheit zu sagen, konnte es ihm bei nicht eindeutig beantwortbaren Fragen nicht helfen und so stotterte er ein paar 'Ähm's heraus, bevor ein Kreischen aus den Zuschauerreihen ihn unterbrach. Obwohl er nicht wirklich geantwortet hatte - oder gerade deswegen - zog Rons Mutter ihre eigenen Schlüsse und fing an, Malfoy aufs derbste zu beschimpfen. Ron versuchte sich, nachdem die ersten Aussprüche von 'Monster' und 'Perverser' gefallen waren, Gehör zu verschaffen. Zuerst reagierte Mrs. Weasly gar nicht auf ihn und schrie wütend weiter. Doch als er aufgebracht ausrief, er habe den Zauber ausgeführt, war es augenblicklich wieder still.
Schon wieder eine unerwartete Neuigkeit für Zuschauer und Zaubererrichter, Presse und Familie. Letztere schwamm, egal ob von Zeugen- oder Angeklagtenseite, schon seit Rons erster Aussage in einer Schlacke aus unterschiedlichen Gefühlen. Während Mrs. Weasly neben Schock und Empörung, vor allen Dingen auch von Wut beherrscht wurde - jedoch nur gegenüber Mr. Malfoy, denn dass ihr Sohn nichts für diese Umstände konnte entgegen seiner Aussage gerade eben, da war sie sich sicher - war Hermine auch traurig über diesen Beweis des Nichtvertrauens. Sie war sich nun nicht mehr so sicher, ob Harry wirklich nichts davon gewusst hatte, wie sie anfangs angenommen hatte, da diese beiden schon öfter die Köpfe zusammen gesteckt hatten ohne ihr von den Dingen zu erzählen, die besprochen wurden. Ähnlich sah es beim Sohn des Angeklagten aus: Draco war geschockt, wütend und gleichzeitig traurig darüber, dass er noch nie davon gehört hatte. Doch er spürte bereits kurz darauf Ärger auf sich selbst in sich hochsteigen, schließlich musste sein Vater nicht seine ganzen Geheimnisse vor Draco ausbreiten und ihm war dies durch die Lehren Lucius' mehr als nur bewusst. Ein Malfoy behandelte Geheimnisse wie einen wertvollen Mantel: man pflegte und hegte ihn, zeigte anderen seinen Glanz und doch durfte nur der Träger sich in ihn hüllen.
„Mr. Weasly, um das Ganze nun etwas abzukürzen und voran zu bringen, erzählen Sie uns genau, wie es zu dieser Verlobung kam. Wir sind alle, nun, erpicht darauf von diesen Geschehnissen zu hören.“
„Es war kurz vor dem Trimagischen Turnier. Die Champions waren gerade gezogen worden...“
~*O*~
Harry hatte ihn verraten.
Das stand für Ron fest. Und Hermine - wie konnte es auch anders sein? - war auf Harrys Seite. Ein unschönes Knäuel aus vielen negativen Empfindungen, das sich tief in seinen Bauch eingenistet hatte, begleitete Ron auf seinem stampfenden Weg Richtung Hogsmead und es schien, als ob auch alle anderen die dunkle Wolke über ihm sahen, denn unauffällig auffällig tuschelte es häufig in seiner Nähe.
Doch Ron bekam das gar nicht mit. Er sah nicht den neuen Limbus im Schaufenster oder die kurze Zauberin, die kostenlose rosa Proben vor Honeydukes anbot; die schimpfende Ziege, die in die drei Zauberbesen eintrat, bemerkte er genaus so wenig wie das herumlungernde Crabble-Goyle-Duo an der Straßenecke. Nichts davon konnte ihn aus seinen Gedanken reisen, die sich seit Tagen nur darum drehten, wie Harry ihm das metaphorische Messer in den Rücken gejagt hatte, wie Hermine - wie jedes verdammte Mal - gegen Ron war, wie er wie ein Idiot gedacht hatte, in alles eingeweiht gewesen zu sein, wie er Hermine sagen konnte...
Es wurde langsam dunkel, doch er stiefelte weiter durch die Stadt dem kalten Wind entgegen. Das Papier und das zugehörige Pulver in seiner Hosentasche wogen mehrere Kilo - jedenfalls hatte Ron das Gefühl. Wahrscheinlich würde er noch nicht einmal seine eigene Handschrift entziffern können, so schnell wie er es aus dem Buch geschmiert hatte, damit die Bibliothekarin es nicht sah. Aber das war egal, denn er konnte es auswendig. Es war auch nur ein Wort. Noch nicht einmal besonders lang und heute würde er es tun. Das hatte er sich vorgenommen, es bot sich an. Es war der richtige Mond am Himmel und das Pulver war ein Klacks gewesen und nun bereit. Es wäre eine richtige Verschwendung, es nicht heute zutun.
Es war keine Rache, nicht wirklich.
Ron wollte nur endlich einmal der sein, der … er konnte nicht genau in Worte fassen, wer er sein wollte. Auf jeden Fall jemand anderes. Jemand, der nicht verraten wurde. Jemand, der klug und stark war. Jemand, der sein Mädchen bekam. Jemand, auf dessen Seite man war.
Sicherlich würde Hermine zuerst etwas sauer sein, aber er liebte sie, und sie würde ihn irgendwann auch mögen. Da war er sich sicher. Auf jeden Fall wäre sie dann auf seiner Seite und nicht mehr auf Harrys. Er brauchte nur einen Tropfen und musste ein bisschen Pulver verstreuen.
Das Laub war so feucht, es knisterte noch nicht einmal unter seinen Stiefeln als Ron kurz aufblickte und verspätet bemerkte, dass er schon aus Hogsmeade heraus und ein paar Meter tief im umgebenden Wald war.
Er seufzte tief und sah sich um. Hinter ihm war der feuchte, in Zwielicht getauchte Wald, vor ihm das Dorf, in dem allmählich die Lichter angingen, und dahinter konnte man die Schule erkennen mit ihren vielen Türmen, mit den Fenstern, die wie tausende von wirren Augen wirkten, mit den hunderten von Schülern, mit Harry Potter und Hermine Granger. Er musste schon wieder daran denken. Oder besser: wieder verstärkt daran denken, denn Ron dachte die ganze Zeit daran. Mal schwillte es im Hintergrund, mal brach es wie eine Sturmflut hervor, und immer sah er es bildlich vor sich. Er sah sich dort in der Halle sitzen, neben seinem - neben Harry, hörte die Worte, fühlte sie in sich sickern, reagierte und immer stellte er sich vor, wie er hätte anders reagieren können, cooler, lässiger, mit weniger Gefühl.
Jetzt war er wieder unruhig und er fing an zu laufen, um dieses erdrückende Bauchgefühl los zu werden.
Gedanken kreisten und kreisten wie ein Drehkreisel um seine eigene Achse. Harrys verlogenes Gesicht tauchte fast so häufig auf wie Hermines und mit jedem Schritt hörte er andere Worte, stellte sich andere Ausgänge vor, bessere. Seine Laune hob sich jedoch nicht an, denn so schön seine Vorstellungen auch waren, so fern waren sie der Realität und alle Einbildung half nicht dabei es zu ändern. Es brachte ihn nur dazu im Kreis zu denken. Immer und immer wieder die gleichen realen Gefühle zu erleben, wachzurufen.
So schwankte Ron zwischen Triumph und Trauer, Wut und eingebildetem würdevollen Abgang und achtete weder auf den Weg, noch auf all die Zauberer, die wegen ihm zur Seite sprangen und ihn dann beschimpften, bis er wahllos um eine Ecke bog und mit der Gestalt dahinter schwunghaft zusammenstieß.
Ruckartig schnellte Rons Kopf hoch und ohne zu realisieren wer dort vor ihm stand, rief er noch immer wütend aus: „Pass doch auf!“
„Das sollte ja wohl eher ich sagen, Junge“, kam es trocken, mit Abscheu versetzt von seinem Gegenüber.
Die Stimme, wohl akzentuiert und härter als die seines Sohnes, brauchte nicht lange um erkannt zu werden und bei Ron machte es Klick. Nicht nur, dass er angelogen wurde von seinen besten Freunden und dass ein Teil seiner Geschwister ihn abwechselnd neckte und beschuldigte, einen geheimen Zaubertrick vor ihnen zu verbergen, der andere Teil ihm eingeschnappt aus dem Weg ging, auch Draco Malfoy kam nicht umhin Ron immer und immer wieder vor Augen zu halten wie unwichtig er für 'diese beiden' war - „Hey, Wiesel! Wie ist Potters Name da reingekommen? Ach, Verzeihung, du warst ja nicht dabei.“ - „Habt ihr eigentlich all eure Namen reingeschmissen? Oh, ups, du warst ja nicht eingeweiht.“ - „Na, Blutverräter. Wie fühlt es sich an, endlich dort zu sein wo man hingehört?“ - „Hey, ich hab' diese beiden Turteltauben gerade in einem Zimmer verschwinden sehen. Willst du nicht hinterher?“
Und nun stand er vor ihm; Lucius Malfoy, derjenige, von dem Malfoy Jr. seine spitze Zunge lernte, der ihm beibrachte, welche Säure in der Wunde am meisten schmerzte. Wie wünschte sich Ron dieses Gesicht zertreten zu können, damit es in tausend Stücke zerfiel und Draco vor Furcht vor Ron sich still in seine Ecke kauerte. Er wollte die Überheblichkeit aus diesem Gesicht und dieser Stimme schlagen und jenem Gesicht, das ihm so ähnlich sah, und allen anderen Gesichtern, die ihn belächelt, gefragt, bemitleidet und angestarrt hatten! Er brauchte kein Mitleid! Er war verdammt noch mal nicht schwach!
Mit einem Mal zischte Rons geschlossene Faust nach oben, traf Malfoy unter dem Kinn, ließ seinen Kopf zurück schnellen, ein paar Schritte nach hinten weichen.
Und dann ging alles ganz schnell.
Das Zucken eines elfenbeinfarbenen Zauberstabs wurde mit Expelliamus gestoppt, in Seide gehülltes Knie traf einen ungeschützten Bauch, Ron spuckte, Malfoy stürzte sich auf ihn. Wie eine tote Maus, die von Katzenpranken hin und her geschleudert wird, schossen sie als Knäul über den feuchten Boden und tränkten dabei ihre Mäntel in Dreck und Morast, hefteten sich Blätter an ihre Sachen. Doch Ron war viel zu jung und in Kämpfen unerfahren um Malfoy lange einen Gegner zu stellen und zu seiner Wut gesellte sich Panik als er immer seltener blocken konnte. Er merkte, wie seine Arme schwerer wurden, sein Atem pfeifend kam und als er auf dem Rücken mit Malfoys wutverzerrtem und blutendem Gesicht direkt über sich zu liegen kam, steigerte sich dieses kehlenzudrückende Gefühl noch mehr.
Wieso lag er hier? Wieso hatte er überhaupt zugeschlagen?
In der kleinen Ewigkeit, die Ron hochblickte, schossen ihm alle mögliche Gedanken durch den Kopf. Wer wusste schon, was Malfoy nun mit ihm machen würde? Er kannte so viele dunkle Zauber, hatte so viel Einfluss. Man würde es wahrscheinlich noch nicht einmal auf ihn zurückverfolgen können. Während Ron auf der feuchten Erde lag, deren Nässe sich in seinen Rücken fraß, einen Ausschnitt des Himmels in den Augenwinkeln und mit Malfoys Blut auf den Lippen, wusste er, dass er nicht ohne seine besten Freunde noch einmal gesehen zu haben gehen wollte.
Er schrie den erstbesten Zauber, der ihm einfiel.
~*O*~
„...und dann hatten wir Sex.“
Stille.
Schon wieder.
Der Vorsitzende räusperte sich.
„Verzeihen Sie, Mr. Weasly, aber ich glaube, Sie haben uns verloren.Warum hatten Sie nach Ihrer Schlägerei mit Mr. Malfoy mit ihm Sex?“
„Wegen dem Zauber. Verzeihung, ich dachte, er wäre bekannt.“
„Nun, vielleicht sollten Sie ihn erläutern.“
„Oh, ähm, ja, natürlich. Also, in dem Buch stand-“
„Welches?“
„Das weiß ich nicht mehr. Es war grün und stand in der Schulbibliothek“, kam es verzeihungheischend von Ron. Leider half das Veritaserum seinem Gedächtnis nicht auf die Sprünge.
„Nun gut. Weiter.“
„Äh, ja, also in dem Buch stand, dass man nur den Zauberspruch bei einer bestimmten Mondstellung sagen brauch', nachdem man, ähm, Körperflüssigkeiten ausgetauscht hat und ein Pulver über beide verstreut hat, und er würde einen aneinander binden. Da stand nicht genau welche Flüssigkeiten gemeint waren und ich hatte nicht gedacht, dass es auch bei zufällig ausgetauschten geht. Und das Pulver hatte ich bei mir. Während der Prügelei ging meine Hose kaputt und das Pulver verteilte sich. Naja, danach, also nachdem man ihn ausgesprochen hat, zwingt der Zauber die beiden Personen miteinander Sex zu haben um ihn zu vervollständigen.“
„Das war sehr dumm von Ihnen, Mr. Weasly.“
„Ich weiß. Ich dachte, dass man ihn wieder ganz leicht brechen könnte, aber, naja...“, sagte Ron und zuckte hilflos ob seines früheren Ichs die Schultern. Auch als der Vorsitzende ihn fragte, wie er Ms. Granger zu diesem Zauber hatte überreden wollen, konnte Ron nur betrübt erklären, dass er es sich damals ganz leicht vorgestellt hatte, Hermine dazu zu überreden ihm etwas Blut zu geben ohne groß erläutern zu müssen, wozu er es denn bräuchte. Das Auskippen des Zaubermittels hätte er als Versehen tarnen können.
Ron war sich der verschiedenen Blicke bewusst, die von allen Seiten auf ihm ruhten und er meinte still für sich, dass dieser Saal wahrscheinlich noch nie so viel Aufmerksamkeit in sich gesammelt hatte wie in diesen Momenten, wo alle Zauberer des Wizengamots und die Zuschauer an seinen Lippen hingen - jedenfalls seit Grindewalds Aussage und seit Dumbledores und dann Harrys-
„Welche Auswirkungen hat der Zauber?“
Vom Kribbeln in seinen Fingerspitzen brauchte Ron nicht erzählen, da das eigentlich nicht zum Zauber gehörte und so antwortete er: „Nur eine, Herr Vorsitzender. Nämlich dass man immer weiß, wenn der andere in der Nähe ist.“
Erst einer, dann zwei, dann immer mehr verstanden, was dies bedeutete und ungläubige Blicke huschten von Ron zu Lucius und zurück.
Ron wollte endlich von diesem Stuhl runter, wollte seine Arme von der Lehne nehmen und diesen Augen entkommen. Entgegen dem, was sicherlich alle dachten, wollte Ron nicht dauernd im Mittelpunkt stehen. Ein paar Sekunden Ruhm pro Jahrzehnt waren genug für ihn. Er beneidete Harry nicht um die Horden von Journalisten, die sich gleich nach dem Sieg über Voldemort an seine Fersen gehängt hatten, und seitdem jeden Schritt des Retters-der-Zaubererwelt aufzeichneten. Sie verfielen bei jedem kleinsten Stolpern in hysterischen Schreibwahn - damit der Rest der Zaubererwelt dies auch erfahren konnte. Nein, Ron brauchte das wirklich nicht. Er hatte jedoch die starke Vermutung, dass nach dem heutigen Tag auch ein paar Pseudoschreiberlinge ihn verfolgen werden. Zumindest für eine - hoffentlich kurze - Weile.
„Wie nah muss man sein, bis Sie die Anwesenheit des anderen bemerken und können Sie die Richtung feststellen aus der er kommt?“, fragte der Vorsitzende mit einer immer noch ruhigen Stimme trotz der neuerlichen Überraschung.
„Ungefähr fünf Meilen und ja, die Richtung, naja, erfühlt man.“
„Was wollten Sie mit dieser Fähigkeit erreichen?“
„Gar nichts“, nuschelte Ron verlegen hervor.
Der Vorsitzende war sichtlich überrascht und wiederholte erstaunt: „'Gar nichts', Mr. Weasly?“
Unruhig wand sich Ron auf dem Stuhl, während er kleinlaut entgegnete: „Ich hatte nur gelesen, dass die Wahrnehmung vom Partner steigt und dass es eine Zauberverlobung ist. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass mit 'Wahrnehmung' gemeint war, dass man dann immer weiß, wo im Haus der Partner ist.“
Eine graue Augenbraue wanderte in die Höhe, aber kein Kommentar zu Rons Rechercheunfähigkeit folgte. Stattdessen ging der Vorsitzende auf das vorherige Thema zurück.
„War der Angeklagte während der Zeit, in der Sie mit Harry Potter und Hermine Granger nach den Horcruxen gesucht haben, in diesem fünf-Meilen-Umkreis?“
„Ja.“
„Zu einem anderen Zeitpunkt als Ihrer Gefangennahme und folgendem Aufenthalt in Malfoy Manor?“
„Ja. Er - Mr. Malfoy war mehrmals in der Nähe gewesen ohne uns anzugreifen oder Todesser nach uns zu schicken.“
„Das ist eine mutige Aussage. Sind Sie sich sicher Mr. Weasly?“
Ron musste nicht über die Antwort nachdenken, denn das hatte er schon lange genug getan. Als er Lucius' Anwesenheit das erste Mal gespürt hatte in jenem Jahr, war er vor Schreck wie erstarrt gewesen. Erst als die Spitzen seiner Finger aufhörten zu kribbeln, konnte er wieder atmen und ihm wurden schlagartig mehrere Dinge gleichzeitig klar. Nicht nur, dass Malfoy ihn und somit auch Harry und Hermine gefunden hatte, er war gleich darauf wieder verschwunden - sicherlich um Du-weißt-wer ihre Position zu verraten. Und nur weil Ron den beiden anderen nie von ihrem Treffen erzählt hatte, waren sie nun unnötig in Gefahr. Ron hätte nie mitkommen sollen. Wie konnte er nur vergessen, dass er wie so ein Mugglepeilsender war? Er versuchte Hermine und Harry zum Gehen zu bewegen, jedoch konnte und wollte er nicht mehr sagen, als dass er ein schlechtes Gefühl hatte und das war für beide kein wirkliches Argument gewesen. Ron hatte schließlich noch nie mit guter Intuition geglänzt. Er wusste, dass selbst, wenn er ihnen erklärte, warum er wusste, dass Malfoy in der Nähe war, sie nicht sofort abreisen würden sondern noch kostbare Zeit mit Fragen verstreichen lassen würden. Außerdem wollte Ron Hermine nicht gegenüber stehen, wenn sie jemals von seinem damaligen Vorhaben erfahren sollte. Es war nach seinem Zusammenstoß mit Lucius Malfoy für ihn schon schwer genug gewesen, Hermine anzusehen, denn Ron war klar geworden, was er da beinahe getan hätte. Hermine hätte ihm so etwas niemals verziehen, egal wie gutmütig sie sonst war.
Nur tauchten niemals Todesser auf und während sie sich am nächsten Tag doch entschlossen ihr Lager zu wechseln, kreisten Rons übernächtigte Gedanken um den blonden Todesser. Er wusste genau, dass Malfoy mindestens fünf Meilen von ihrer Position gewesen war und wenn Ron ihn spüren konnte, dann hielt kein Zauber von Hermine Malfoy auf Ron zu erspüren. Es geschah noch weitere Male an anderen Orten, doch nie wurden sie angegriffen und Ron fand seine eigene Antwort auf dieses Rätsel.
„Ja, Herr Vorsitzender. Ich bin mir sicher.“
„Haben Sie während der Zeit Mr. Malfoy getroffen?“
„Ja.“
Gemurmel.
„Wann?“
„Zwei Tage vor Weihnachten.“
Kurz wurde mit Papier geraschelt, dann blickte der Vorsitzende wieder auf. „Mr. Malfoy hat dies in seinen Aussagen nicht erwähnt.“
„Konnte er auch nicht - er erinnert sich nicht mehr daran.“
Was für ein Gesicht Lucius wohl gerade machte?
„Sind Sie sich bewusst, was Sie da andeuten?“
„Ja“, antwortete Ron und damit lehnte sich der Vorsitzende wieder zurück.
„Schildern Sie uns das Treffen in allen Einzelheiten, Mr. Weasly.“
~*O*~
Es war kalt und nass. Er war kalt und nass. Der Schweiß auf seiner Haut ließ ihn nur noch mehr frieren und das Zimmer war nicht nur nicht beheizt, sondern auch so zugig wie ein Bahnhof ohne Überdachung. Ron schlang seine Arme um seine Mitte, aber auch das half nicht. Er würde gerne in das warme Bett zurück.
Aber das ging nicht.
Er schlief darin.
Friedlich, ruhig, unbekümmert. Interessanterweise auf dem Bauch, ein Arm vor dem Gesicht angewinkelt, den anderen unter dem Kissen versteckt, schlief er ohne an Ron zu denken, der auf dem Stuhl gegenüber das Bett und seinen Insassen beobachtete.
Ron wusste nicht genau, wie es zu der jetzigen Situation gekommen war. Schon wieder.
Wie damals. Oder nein, eigentlich nicht. Damals war er wütend gewesen, war panisch geworden und hatte nicht nachgedacht. Und hatte einen Zauber angewendet, der ihn und Malfoy dazu gebracht hatte. Dieses Mal...
Dieses Mal war er auch wütend gewesen. Auf die Todesser, auf seine Verfolger, aber am meisten auf sich selber. Panisch - nein, panisch war er nicht gewesen. Und war es jetzt auch noch nicht. Überraschenderweise.
Dieses Mal hatte er nachgedacht. Etwas.
Kurz nach dem Apparieren hatte er Malfoy gespürt, ganz in der Nähe, und war ihm auf das Zimmer gefolgt. Wer hätte gedacht, dass es so eine alte Kaschemme in Hogsmeade gab? Und anscheinend war sie nicht unter der Würde eines Malfoys.
Malfoy hatte sich nicht umgedreht und auch als Ron in den Raum gestürmt kam mit gezücktem Zauberstab, hatter sich Lucius Malfoy nicht in Abwehrhaltung begeben. Schließlich hatte er die ganze Zeit schon gespürt, dass Ron da war.
Schweigend hatten sie sich gegenüber gestanden. Den anderen abwartend ansehend, ohne sich zu bewegen. Bis Ron es nicht mehr hatte aushalten können - er mochte Schweigen nicht und Malfoy hätte, das ahnte Ron, sowieso nicht angefangen. Noch bevor seine erste Frage im Raum verklungen war, kam auch schon seine nächste und die nächste und die nächste, bis Ron all das gefragt hatte, was ihm durch den Kopf ging, und all das gesagt hatte, was er niemandem sagen konnte. Irgendwann hatte er gar nicht mehr gewusst was er sagte, was er fragte, aber das war egal. Er hatte keine Antworten gewollt, er wollte nur die Fragen stellen.
Er hatte viel zu schnell geredet, seine Stimme hatte sich überschlagen, war immer lauter geworden, und Malfoy hatte nur still und stumm da gestanden.
„Ich will nicht mehr!“ hatte Ron irgendwann herausgespien.
Sein Atem war stoßweise gegangen und kleine weiße Wölkchen hatten sich immer sofort daraus gebildet, während Malfoy ihn angesehen hatte mit einem Ausdruck, den Ron nicht hatte deuten können.
„Dann sind wir schon zwei.“
Nur zwei Schritte hatten sie getrennt und durch die Kühle im Zimmer hatte Ron Malfoys Hände wie Brenneisen empfunden. Malfoy hatte an diesem Tag nichts mehr gesagt.
Jetzt saß Ron hier. Auf einem alten Stuhl in einem altem Raum einem altem Bett gegenüber.
Mit einem alten Familienfeind darin.
Und ihm war immer noch kalt. Seufzend stand er auf und sammelte seine Sachen vom Boden auf. Es wurde Zeit, dass er wieder ging. Jedoch konnte er Malfoy nicht mit dem Wissen zurück lassen, dass Ron Harry suchte - dann wüssten die Todesser, dass sie getrennt waren und würden vielleicht versuchen Ron zu befragen oder ihm schlimmeres antun.
Schon wieder musste er seufzen. Ron wollte zwar nicht mehr Teil dieses Kampfes sein, aber noch weniger wollte er Harry in Gefahr bringen.
Seine Schritte lenkten ihn unbewusst zum Bett und kurz betrachtete er das entspannte Profil darin. Malfoy lag so ruhig da, als ob er nichts zu befürchten hätte. Vielleicht glaubte er das auch. Mit diesem Gedanken hob Ron seinen Zauberstab und sprach zum zweiten Mal einen Zauber über Malfoy aus, der ihn stark beeinflussen würde.
Draußen zog Ron seinen Schal enger um sich, um der Kälte etwas entgegen zu setzen und um nicht sofort erkannt zu werden und ging die Straße hinunter. Heute hatte Ron viele Fragen gestellt, aber nicht die wichtigste. Die Antwort würde er wahrscheinlich erst nach dem Krieg bekommen, sofern Malfoy und er überleben werden. Für heute musste er ohne Lösung gehen.
~*O*~
"Ist Ihnen bewusst, dass Oblivieren, das nicht von einer befugten Person ausgeführt wird, strafbar ist?“
„Ja, Herr Vorsitzender,“
„Mr. Malfoy, möchten Sie Mr. Weasly anzeigen?“
„Nein.“
Das war das erste Mal seit der Schlacht von Hogwarts, dass Ron Lucius Stimme hörte und obwohl diese eine Silbe brüchig und unbenutzt klang, hatte sie noch immer diese Spur malfoyscher Erhabenheit. Ron hatte in den Monaten seit Kriegsende viel Zeit gehabt und über vieles nachgedacht. In einem dieser Momente kurz vor dem Einschlafen, wo man keine Kontrolle mehr über seine Gedanken hat, hatte sich Ron gefragt, ob dieser Ton wohl jedem Malfoy Sprößling anerzogen wird oder ob er vererbt wurde, denn sie verloren ihn in keiner Situation. Nicht als Malfoy und er sich damals auf der Erde gewälzt hatten - „Was glaubst du, was du hier tust, Kind?“ - als sie sich auf der Straße gesehen hatten, im Ministerium; als Ron einen kurzen Blick auf ihn in seinem Manor erhascht hatte; nicht in diesem einen Gang in Hogwarts als die Luft von den vielen Zaubern geflirrt hatte und er Panik bekommen hatte und fragen wollte bevor sie vielleicht beide starben, aber nicht konnte. Nicht wenn Lucius mit öligem Haar und seit Wochen ungewaschen in einem Raum voller Zauberer saß, die ihn gerne unter der Erde sahen oder dem, was dem am nächsten kam, nämlich weggesperrt für den Rest seines Lebens. Und trotzdem war dieser Ton noch da und nicht nur damit zeigte Lucius seine Meinung.
Ron war nicht der einzige, der bemerkte, dass das respektvolle 'Herr Vorsitzender' fehlte, einige ließen sich zu einer gewisperten Verwünschung hinreißen, aber der Wizengamotvorsitzender quittierte es nur mit einem Blick in Lucius' Richtung und drehte sich wieder zu Ron.
„Gab es nach diesem noch weitere Treffen zwischen Ihnen und Mr. Malfoy?“
„Nein, das nächste Mal sah ich Mr. Malfoy für einen kurzen Augenblick während unserer Flucht aus Malfoy Manor und danach während der Schlacht von Hogwarts.“
„Sie haben Ihn während Ihrer Gefangenschaft nicht gesehen?“, fragte der Vorsitzende weiter und weiter, verlangte alle Details, an die sich Ron erinnern konnte, die Lucius betrafen, all die kleinen Dinge, die man für unwichtig hält in dem Moment wo sie passieren, versuchte Ron aus seinem Gedächtnis zu fischen, denn es war wichtig. Wichtig, denn sonst würde Lucius vielleicht nie wieder frei sein, wichtig, denn sonst würden sie vielleicht nur nach ihren Vorurteilen urteilen, wichtig, denn sonst würde er vielleicht nie wieder dieses Kribbeln spüren.
Der Vorsitzende raschelte mit seinen Unterlagen und räusperte sich nervös. Anscheinend bedrückte ihn Rons letzte Antwort zu dem Zauber, den Ron und Lucius verband. Er ging nicht zu lösen.
„Das tut mir leid für Sie“, sagte er, der eigentlich Unparteiische.
„Das muss es nicht. So schlimm ist es gar nicht.“
Einen ungläubigen Blick später, ein Seufzen und Ron war entlassen. Endlich durfte er dem Raum und den Blicken entfliehen.
~oOo~
Es roch nicht vermodert, es war nicht dunkel und erfüllte auch sonst keine weiteren Klischees, aber trotzdem merkte man sofort, dass man hier in einem Gefängnistrakt war. Offiziell hieß es 'Aufberwahrungsbereich der Angeklagten für Wizengamotverhandlungen', aber das war nur ein gefälligerer Name für Gefängnis im Ministerium. Zellen waren überall Zellen.
Der Zutritt war allen Unbeteiligten verwährt und nur die Tatsache, dass Ron nun offiziel der Verlobte eines der Angeklagten war, erlaubte ihm hier zu sein. Seine Nervösität hatte Ron wieder auf den Beinen gehalten wie in der vorherhigen Nacht und er hatte sich wieder seine Worte zurecht gelegt, doch als Lucius endlich gebracht wurde von zwei Auroren, deren Blicke Ron geflissentlich nicht beachtete, verlor er leider wiederholt seine aufgesetzte Ruhe und konnte erst einmal nur schweigen.
Minuten vegingen, in denen Ron nach Worten suchte und Lucius still in seiner Zelle saß, bis es wieder an Ron war, ihr Schweigen zu brechen.
„Du kommst bestimmt frei“, wagte Ron mit soviel Zuversicht wie möglich in die Stille zu sagen.
Doch Lucius antwortete nicht sondern lehnte sich mit einem Seufzen an die kalte Steinwand der Zelle an. Ron befürchtete schon, dass Lucius nicht mit ihm sprechen wollte und wegschicken würde. Dann hätte er aber wenigstens noch Zeit nach einer Unterkunft zu suchen, versuchte sich Ron selber Mut zu machen. Aber noch bevor er diesen Gedanken zu Ende denken konnte, fing Lucius an zu sprechen.
„Du hättest lügen können.“
Diesmal war es an Ron zu seufzen.
„Ich wollte nicht mehr lügen. Ich habe schon viel zu lange gelogen.“
„Niemand hat es auch nur geahnt.“
„Ja, noch nicht einmal deine Ex-Frau“, antwortete Ron und konnte dabei ein verzerrtes Grinsen nicht zurück halten. Ja, keiner hätte es je erfahren müssen und Ron hätte dieses Geheimnis weiter für sich behalten können. Doch was wäre passiert, wenn durch seine Falschaussage, Lucius eingesperrt werden würde? Was wäre in zehn, zwanzig Jahren, wenn er wieder jemanden durch sein Schweigen in Gefahr bringen würde? Wie hätte er sein langes Zögern dann erklären können? Wie hätte er Hermine dann sagen können, dass er in jungen Jahren vorgehabt hatte sie zu-
Nein, den Gedanken durfte er nicht weiterverfolgen. Er hatte lange genug darüber nachgedacht und hatte sich entschieden es ihnen zu sagen . Nun war es zu spät. Nun wussten es alle. Auch Hermine und seine Familie.
Er hatte sich nicht zurückhalten können und hatte beim Verlassen des Anhörungssaales in ihre Richtung geschielt. Seine Mutter hatte ihn entsetzt und blicklos angestarrt und Hermine- Hermine hatte geweint. Ron hatte Hermine nicht sehr häufig weinen sehen in den Jahren, in denen sie sich nun kannten, und es jetzt zu sehen, hatte ihn schwer getroffen. Ihm war schon früh bewusst gewesen, als alle anderen noch dachten, sie würden zusammen ein gutes Paar abgeben, dass Hermine und ihn nur Freundschaft verband, und nun sah es so aus, als ob er diese verlieren würde.
„Was wirst du nun tun?“
Mit den Schultern zuckend sagte Ron: „Ich weiß noch nicht genau. Ich gehe ihnen aber am besten ersteinmal aus dem Weg.“ und tätschelte dabei seine Hosentasche.
Ron musste nicht sagen, wem genau er nicht begegnen wollte für die nächste Zeit; das war Lucius auch ohne genaue Erklärung klar und er nickte.
„Mein Sohn ist letzten Monat nach London gezogen.“
Auf diese Bemerkung wusste Ron zuerst nicht wie er antworten sollte und als Lucius seufzend anfügte, dass er dadurch ein Zimmer frei habe, konnte Ron ihn nur anstarren. Erst verspätet fragte er nach dem Warum.
„Ich kümmere mich um Familienmitglieder“, war alles, was Lucius dazu sagte und trotz der unwirklich scheinenden Situation, die er sich noch gestern nicht hätte vorstellen können, musste Ron grinsen. Er wusste, dass das nur eine Ausrede war, aber er würde sie trotzdem nutzen.
In den Augen der anderen waren sie vielleicht nicht gut füreinander, aber …
The End