#123 Music-Meme 3/?: (Anti-)Christmas Music.

Dec 11, 2012 01:53




Nein, ich hasse Weihnachten nicht, wie man dem Titel vielleicht entnehmen könnte.
Ich habe keine persönliche Abneigung gegen Lametta, Weihnachtsbäume oder Geschenke und auch nichts einzuwenden gegen einen köstlichen Weihnachtsbraten, Gebete oder ein friedliches Beisammensein im Lichterglanz von Girlanden und Kerzenschein. Warum also diese Abneigung?
Mir liegen familiäre Festivitäten nur nicht; Anlässe, die dazu geeignet sind sich vielleicht einmal pro Jahr (abgesehen von Geburtstagen) daran zu erinnern, wie wertvoll, wie herzlich, wie schön es ist eine Familie zu haben. Zumal es mir mein Leben erschwerte, eine positive Bindung zu dem Thema "(biologische) Familie" aufzubauen.
Ich liebe Menschen oder ich liebe sie nicht, ich nutze keine festen Kalenderdaten um mitzuteilen, wie sehr ich jemandem zugeneigt bin. Ich brauche als Erinnerung auch weder Geschenke noch große Verzierung oder Lichterspiele.
Der zweite, vielleicht entscheidendere Grund ist: der Hintergrund von Weihnachten - trotz enormer Kommerziallisierung - bleibt weiterhin ein religiöser bzw. christlich orientierter und ich bin weder das eine noch das andere. Ich bin ich, auch ohne Gott oder, in diesem Fall, Gottes Sohn.

Der dritte Grund, der Anlass dieses Postings ist: Es gibt sie, Weihnachtsmusik, die mich erreicht, positiv stimmt, mich bewegt auch einmal einen Christkindlmarkt aufzusuchen, um die herrlichen Gerüche einzuatmen (Bratapfel, Zimt, Grog oder Glühwein, Schnee). Die mich erreicht und einen Moment inne halten lässt. Beispiele?



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"O Holy Night" ("Cantique de Noël", geschrieben von Placide Cappeau, Melodie nach John Sullivan Dwight, 1847) gehört zu den für mich schönsten, existierenden Weihnachtsliedern. Von der großen Soul-Diva bis zu Tenor-Gruppen aus dem Bereich der klassischen Musik haben schon viele Interpreten diesem Song ihre persönliche Ehre erwiesen. Die Celtic Women haben 2011 eine Weihnachtsplatte produziert - "A Celtic Christmas" - auf der dieser Song veröffentlicht wurde und ich genieße jede Minute davon. Nicht pompös-orchestral interpretiert, allzu dramatisch oder überitonierend vorgetragen, sondern: ruhig, dem Anlass angemessen, beschwingt dennoch und federleicht klingt der Gesang der fünf irischen Damen. Einfach nur schön... (Eine andere sehr schöne Version ist die von "Hark! The Herald Angels Sing".)

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Ich habe einen Faible für "Christmas Carols"; auch für mich haben diese Melodien - in diesem Fall "O Come All Ye Faithful", vorgetragen von den Celtic Women - etwas Erhabenes, Schönes. In mir löst es kein Gefühl der Religiösität aus, ich fühle auch keinen Bezug zu Gott, es ist eher ein Zufriedensein mit dem Leben, mit den Menschen, mit den Liebsten um mich herum, oder, um aus den Versen zu zitieren: "[I feel] Joyful and Triumphant".

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Ich bin mit klassicher Musik aufgewachsen, kann bzw. konnte Klavier spielen und so ist es nicht verwunderlich, dass Teile meiner Erinnerung an frühere Weihnachtsfeste weniger mit Interpreten wie Nat King Cole, Frank Sinatra oder Bing Crosby geschmückt sind, sondern viel mehr mit Bach ("Das Weihnachtsoratorium", BWV 248, 1734/1735) oder Tschaikowskis Ballett "Der Nussknacker" (Op.61, 1892) - Meine Mutter hat mir sehr wenige positive Dinge hinterlassen, die Liebe zur klassichen Musik (Beethoven, Mozart, Chopin, sogar Schostakowitch) gehört dazu. Woran mich diese Musik vor allem erinnert? An ruhige Adventsnachmittage, an Lebkuchen, Kerzen, Kartenspiele, das Aufstellen des Weihnachtsbaumes, die Frage, welche Farbkombination wir das Jahr wählen (Rot/Gold oder doch Violett/Silber?), das Schreiben von Wunschzetteln oder Stiefelputzen für den Nikolaus bzw. das Üben von Weihnachtsliedern auf dem Klavier ("We wish you a Merry Christmas" war mein heimlicher Favorit, obwohl eines der einfachsten Stücke).

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Ich bin kein Fan des "sexualisierten Weihnachtsliedes"; Weihnachten mag ein Fest der Liebe sein, Erotisches verbinde ich damit kaum, nicht aus Angst (religiöse oder soziale) Gefühle zu verletzen, eher weil diese Sexualisierung sich auf eine Person wie Santa Clause zumeist bezieht. Santa Clause, ein älterer, weißhaariger, dickbäuchiger Mann, mit langem Bart und roter Kleidung. Nichts bringt mein Lustzentrum weniger in Wallung als diese Vorstellung. Vielleicht bin ich noch zu sehr Kind? Noch zu unschuldig?
Eartha Kitt hat einen eher humorvollen, witzigen Zugang; sie wünscht sich extravagante Geschenke, einen Mann, viel Geld und formuliert ihre Wünsche geradzu ironisch, im Engl. "tongue in cheek": "Santa honey, I wanna yacht and really that's / Not a lot / I've been an angel all year / Santa baby, and hurry down the chimney tonight". Und obwohl sie Santa weniger als übernatürliche Gestalt denn als Mann sieht, ist doch ihre Darstellung weniger auf Liebe und Erotik aus, als viel mehr als witzige, augenzwinkernde Hommage an den materialistischen Gedanken des Weihnachtsfestes gedacht.

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... Wir haben die Kategorie "Guilty Pleasures" erreicht. Diese Platte "Weihnachten in Familie" von Frank Schöbel und Aurora Lacasa, produziert 1985, gehörte in der Familie Wiesemann/Becker (Mein Stiefvater war zu der Zeit sehr präsent und noch existent in unserem Leben.), schon in meinen frühesten Kindheitserinnerungen zum Standardrepetoire zu jedem Weihnachtsfest dazu. Diese in deutscher Sprache gesungenen Weihnachtslieder begleiteten uns durch den Tag des Heiligen Abends - beim Geschenke einpacken am Nachmittag, dem Schmücken des Baumes durch meine Frau Mutter, beim nachmittäglichen Kaffee, Kuchen und Kakao, beim Kerzen anzünden, beim Erklingen der Glocke, die uns in die Stube rief, beim Auspacken der Geschenke, beim Weihnachtsbraten. Diese Platte, später CD - zu der sich erst Jahre später "These are the Sepcial Times" von Céline Dion und "Christmas in Vienna" von Placido Domingo und Dionne Warwick gesellten sollten - begleiteten mich sehr sehr lange, bis zum 17.Lebensjahr wenigstens. Diese Songs haben sich sehr tief in mein Gedächtnis gegraben, sie lassen meine Kindheit zumindest ansatzweise schön, ruhig und voller Glück erscheinen, egal wie kitschig, unlogisch, seltsam formuliert, ohne jede Reimstruktur und voller kurioser Tempiwechsel die Lieder erscheinen mögen. Oder wie sehr auch die Stimmen der beiden Kinder - Dominique und Odette - in der Qualität schwanken oder wie schwer erträglich ab und an die fehlende, professionelle Produktion der Lieder ist, so bleibt es doch ein Stück, den ich nicht missen will.

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Apropos, "Guilty Pleasures". Es gibt ein alljährliches Weihnachtsprogramm an Filmen, seit 2003 sind es drei Filme, vorher waren es zwei: "Love... Actually" ("Christmas all around Me" gefällig?), "Das letzte Einhorn" und "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" (1973, Tři oříšky pro Popelku, mit einer liebreizenden Libuše Šafránková als Aschenbrödel). Ja, es ist ein alter Märchenfilm. Ja, er ist kitschig, Diabetes-gefährdend-zuckersüß-kitschig sogar; die Musik ist plakativ, vier oder fünf Melodien ziehen sich durch den gesamten Film und doch hat es bisher kaum eine andere Filmmusik geschafft, mich so sehr mitzureißen und mich gleichzeitig zum Lachen und Weinen zu bringen wie diese.

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