Music (by KitKat22491)
"I prefer songs over genres."
Ich höre, finde bzw. suche Musik nur mehr selten über Genrebezeichnungen und -kategorisierungen. Sie sagen mir meistens nichts, Interpreten und Gruppen zuzuordnen, Abgrenzungen zwischen den einzelnen Stilrichtungen zu treffen, ist eine schwierige Angelegenheit und keine ungefährliche - Man versuche einmal jemandem, der sich für Imogen Heap interessiert, zu vermitteln, dass sie von einigen auch in das (Dream-)Pop-Genre gezählt oder aber Avril Lavinge in das Singer&Songwriter-Genre,
von der Wikipedia, die bekanntlich alles weiß, eingeordnet wird.
Die persönlichen Assoziationen, die Menschen mit Begriffen wie "Pop" (Britney Spears? Boybands? "Das, was alle im Radio hören?") oder "Singer&Songwriter" (Joan Baez? Bob Dylan? Flower Power und Hippies?) verbinden und die persönlichen Vorurteile untereinander (Punk - "Menschen, die gegen ihre Eltern rebellieren und ungepflegt, schreiend durch die Straßen laufen und ihre Instrumente zerstören!") bzw. Reduzierungen und Generalisierungen (Hip Hop - "Wo ist das Goldkettchen und die Knarre?") stellen für den geneigten Hörer ein Problem da, wenn er sich genrespezifisch orientieren möchte. Nicht so für mich.
Wenn ich einen Song höre, sind die ersten Gedanken: Ist der Song hörbar? Melodisch? Rhythmisch? Verführt er mich ihn wiederzuhören? Sind die Töne sanft, schräg, falsch? Ist die Instrumentalisierung angenehm für mein Gehör? Ist das Lied catchy, leicht bekömmlich? Kann ich diese Fragen mit Interesse beantworten - , weil ich intensiv zuhöre und den Song auch als diesen wahrnehme und nicht nur als Albumbestandteil und/oder Hintergrundmelodie - beschäftige ich mich mit der Stimme bzw. der Instrumentalisierung (Kann der/die Sänger/in "singen"? Trifft er/sie die Töne? Welchen Stil bevorzugt der Interpret - Rauchig? Glatt? Voller Ecken und Kanten? Enthält die Stimme Höhe (Sopran? Falsetto?) oder Tiefe (Bariton? Bass?)? bzw.: Welche Instrumente werden benutzt - Klavier (Eines meiner Favoriten.), Gitarren, eine ganze Orchesterbandbreite? Und wichtiger: WIE werden sie benutzt - Gezupft? Geschlagen? Lässt er oder sie die Violine "kreischen" als Bsp.?
Die Stimme ist - nach den Lyrics, s.u. - eines der wichtigsten Songbestandteile für mich. Ich tendiere zu Frauenstimmen im Sopran bzw. Alt, bei männlichen Stimmen zu Bass bzw. Bariton. Am Rande sei erwähnt: die häufige Verwendung des Falsettos (Von Matthew Bellamy, Leadsänger der Band Muse, bis Thomas Yorke, Leadsänger der Band Radiohead) hat bei mir zu Langeweile-Erscheinungen geführt und nicht nur das: Die Töne klingen eher falsch transponiert, "über das eigene Vokalregister hinaus gesungen", "zu hoch" oder aber nur "schief, falsch gesungen" bis "quietschig, kratzig". Nicht jeder sollte das Falsetto verwenden (oder aber immer verwenden, lieber Herr Yorke.), nicht jeder Song eignet sich für diese Art des Stimmregisters und nicht jeder Interpret hat das nötige Talent oder die stimmliche Kraft für einen drei-minütigen Gesang dieser Form. Gott sei Dank.
Was auch noch erwähnt sei: Wenn ich den Song an sich anhöre, ist die Produktion nicht unwichtig. Hört man die Instrumente klar? Ist die Stimme im Vorder- oder Hintergrund? Habe ich das Gefühl einer Studioaufnahme - Der Gesang wurde geglättet, schiefe Töne herausgeschnitten? Oder den Gedanken, ich stehe in der ersten Reihe eines Livekonzertes und höre den oder die Sänger/in wahrhaftig singen? (Nicht immer stellt sich diese Frage bzw. möchte ich sie mir nicht immer stellen. Nach
Rihannas Live Earth-Auftritt 2007 oder
Lana del Reys Auftritt bei Saturday Night Live [1] ist klar, dass nicht nur das Pop-Genre getragen ist von Auto-Tune und Pitch-Shifting.)
The trouble with life is: There's no background-music...
Einer der für mich wichtigsten Teile neben dem Gesang sind die Lyrics. Erreichen sie mich emotional? Welches Gefühl bzw. Thema beschreiben sie? Traurigkeit? Aggression? Hass? Liebe? Kann ich mich in diese Emotionen reinversetzen? Sind die Metaphern treffend, ist die Geschichte des Songs ansprechend? Ist das lyrische Ich mit Identifikationspotential ausgestattet? Passen die Lyrics zur Melodie oder gibt es eine "Lyrical Dissonance", und wenn ja, ist sie, wie bei David Bowie[2] z.B. beabsichtigt? Beschreiben die Lyrics ein Gefühl, welches ich kenne oder teile? Empfinde ich das lyrische Ich als ansprechend, die Beschreibungen "nachvollziehbar" oder aber lehne ich ihn ab, ist mir seine Art der Deskription zu fremd, zu unwahrscheinlich, unrealistisch oder abstoßend. Abstoßend nicht im Sinne des Themas - Florence Welchs' Song "Kiss with a Fist" ist über die - wenn auch in den Versen physisch ausgedrückte - eher zerstörerische Kraft einer Beziehung ("My black eye casts no shadow / Your red eye sees nothing / Your slaps don't stick / Your kicks don't hit / So we remain the same / Love sticks / Sweat drips / Break the lock if it don't fit") oder aber z.B. "Heavy in your Arms", die dann tatsächliche Eskalation dieser negativen Gefühle in einer "Tötung" (Vielleicht auch eine Metapher für eine Trennung, wer weiß: "I was a heavy heart to carry / My feet dragged across ground / And he took me to the river / Where he slowly let me drown"), eher in der Darstellung und Erläuterung des Themas oder aber in der stilistischen Untermalung: "Cause when the sun goes down / Someone's talking back / Yeah, they're talking back / At night when the stars / light up my room / I sit by myself" (Bruno Mars erneuter Versuch eine unerreichbare Liebe zu beschreiben... artet im schwersten Kitsch und Abgedroschenheit aus...)
Und, viel wichtiger, wie bringt der Sänger oder die Sängerin den Inhalt des Songes zum Ausdruck? Ist der Gesang schnell, schreiend, aggressiv - Wenn der Song von Wut und Hass z.B. handelt. - oder aber ruhig, beinahe sprechend, introvertiert bei einem traurigen Song? Ist der Sänger involviert, überzeugt von seinem Thema? Bringt er es auch emotional zur Geltung? Hat er Spaß am Gesang, ist er mit Passion bei der Sache? (z.B. von Therion hat mich nicht zuletzt
Martina Astners Performance begeistert, weil der Sound der Gruppe ansprechend ist, ihr Auftritt ist atmosphärisch und zeigt für den Zuhörer deutlich Leidenschaft und Liebe zur Musik und zu ihrem/ihrer Beruf/ung.) Ist der Sänger "authentisch" - Nicht damit gemeint, ist "echt", sondern arbeitet er oder sie mit Liebe an dem von ihm oder ihr gewählten Material, wie z.B. es für mich
Lissie oder
Nick Cave tun, oder aber ist es für den Sänger oder die Sängerin nicht mehr von Belang worüber er oder sie singt, thematisch, was leider als Trend bei Kelly Clarkson erkennbar ist, oder aber ähneln sich die Themen immer und immer wieder wie bei Beyoncé[3] oder aber verändert sich die Darstellungsweise der Themen nicht mehr wie bei Radiohead (... Trauer, Traurigkeit, Wut - Thomas Yorke klingt immer, als würde ihm jemand mit aller Gewalt auf den Kehlkopf drücken... Das lässt leider befürchten, dass er Freude genauso ausdrückt oder Liebe oder Leidenschaft.)
Kategorie, Thema, Performance, Gesang, Lyrics, Instrumentalisierung, Melodie - all das muss eine Einheit ergeben, ein Gefühl in mir auslösen. Ich muss einen Song WAHRnehmen können; eine dieser Typisierungen muss zutreffen, selbst für einen Guilty Pleasure-Song (Katy Perrys "Part of Me" hat eine mitreißende Melodie z.B.) oder eine Live-Aufnahme oder einen Albumtrack oder eine Single. Wenn ich den Song nicht wahrnehme, mich die Stimme nicht begeistert, mich das Thema langweilt, die Lyrics nicht ernstzunehmend oder gut-durchdacht sind oder aber die Melodie verkommt zu einer reinen Aneinanderreihung von Noten - Dann höre ich dieses Lied genau einmal. Und wende mich dann wieder etwas Gutem zu. Wie diesem Song z.B.: "It doesn't hurt me / You want to feel, how it feels? / You want to know, know that it doesn't hurt me? / You want to hear about the deal I'm making / You, you and me // And if I only could / Make a deal with God / Get him to swap our places / Be running up that road / Be running up that hill / Be running up that building / If I only could, oh..."
[1] Ich halte Lana del Rey für eine sehr talentierte Sängerin, die bei diesem Auftritt bzw. sehr allgemein, einfach ein "Opfer" ihrer Nervosität und ihres Nervenkostüms ist und des weiteren eines der "Glattproduzierung" und Genremarketings: Sie hat eine sehr untrainierte, unkonditionierte Stimme, sie schwankt zwischen den Tönen, nicht mehr und nicht weniger.
[2] "
Cygnet Committee" z.B. klingt wie ein Hippie-Song, man lese oder erhöre einmal die Lyrics: "Infiltrated business cesspools / Hating through our sleeves / Yeah, and we slit the Catholic throat / Stoned the poor / On slogans such as / 'Wish You Could Hear' / 'Love Is All We Need' / 'Kick Out The Jams' / 'Kick Out Your Mother' / 'Cut Up Your Friend' / 'Screw Up Your Brother or He'll Get You In the End' // And we know the flag of love is from above / And we can force you to be free / And we can force you to believe".
[3] Beyoncé ist für mich eine klare Vertreterin des
Misandry-Songs, nicht zuletzt mit "If I were a Boy" oder aber "(If you like it) You should put a Ring on it".