Класный Релоциус - герой нашего времени.

Dec 21, 2018 09:54

Все уже знают про немецкого репортера который сочинял репортажи не выходя из кабинета. Получал призы как выдающийся международнопризнанный молодой репортер.

Теперь я расскажу почему это герой нашего времени и без кавычек. Ну, приблизительно таже история, что и с гитлером: от огромной популярности до тотального оплевывания и навешивания всех собак. Это несмотря на то, что фотки с зигующими тысячами общедоступны. Причем зиговали не только в Германии...

Но для начала я покажу отрывок из репортажа Релоциуса о Майдане:
Bestechen verboten
Die Ukraine ersetzt korrupte Polizisten durch Amateure. Echte Reform oder Imagekampagne?

CLAAS RELOTIUS

Bevor die Nacht anbricht und ihr Dienst beginnt, an einem eisigen Frühjahrsabend in Kiew, kniet die Hoffnung der Ukraine vor brennenden Kerzen auf dem Maidan. Dimitri, ein junger Mann mit Vollbart und Gewichtheberschultern, und Valerya, eine junge Frau mit geflochtenen Haaren und Perlenohrringen, wie treue Kameraden sehen sie auf zu einem Altar für die Gefallenen, beten für deren Seelen und die Zukunft ihres Landes. Es ist ein Ritual wie vor einer Schlacht, sie bekreuzigen sich, schieben Schlagstock und Pistole unter ihre Jacken, dann skandieren sie den Kampfruf der Revolution: «Ruhm der Ukraine! Ruhm den Helden!»

Nacht um Nacht zieht es sie hierher, auf den Platz der Unabhängigkeit, wo vor zwei Jahren, auf denselben Pflastersteinen, die Gewalt losbrach. Dimitri und Valerya waren dabei, Schulter an Schulter demonstrierten sie mit denen, die bald danach getötet wurden. Sie sehen noch immer alles vor sich, Szenen wie im Krieg, brennende Häuser und blutüberströmte Gesichter, Bilder, die um die Welt gingen. Die Schreie ihrer Freunde und den Geruch der Leichen, nichts haben sie vergessen. Hier der alte Brunnen, an dem ein Vater mit Kind auf dem Arm erschossen wurde. Dort die zerstörte Mauer, vor der Dutzende zu Boden sanken, von Scharfschützen ermordet, von Armeepanzern überrollt.

«Die Revolution ist noch nicht vorbei, unser Kampf geht weiter», sagt Dimitri und startet den Motor des Streifenwagens. Ihr Kampf ist jetzt ein anderer geworden, er führt weg vom Maidan ins Ausgehviertel Bessarabka; in Bars und Diskotheken, Nachtclubs und Bordellzimmer, in Restaurants, Hinterhöfe, Altbauwohnungen, und vor allem, sagt Valerya, «in die Köpfe der Menschen».

Langsam rollt ihr Auto durch das Zentrum der Hauptstadt, über den sechsspurigen Kreschtschatik-Boulevard mit den alten Sowjetbauten rechts und modernen Einkaufszentren links, entlang goldener Zwiebelturmkirchen und stalinistischer Amtsgebäude bis in enge Gassen voller Leuchtreklamen wie in Disneyland. Technomusik aus dem Westen dröhnt aus den Hauseingängen. Imbissbuden und Sexshops drängen sich hier, und auf den Bordsteinen Menschenschlangen, flanierende Pärchen, betrunkene Gestalten.

Dimitri, 26, und Valerya, 27, eingepackt in dunkle Hosen und Jacken, fahren durch diese Gegend wie Soldaten auf Patrouille. Aber sie ziehen in keinen Krieg in dieser Nacht. Sie werden keine Schlachten schlagen, sondern Strafzettel schreiben. Sie werden Wohnungen durchsuchen, Schlägereien beenden, Diebe verhaften. Viele auf den Strassen von Kiew werden sie dafür als «Verräter» beschimpfen, oder, schlimmer noch, als «Musor», Abschaum, Müll, so werden Leute wie sie hier genannt.

Valerya sagt: «Meine Eltern schämen sich für mich und für das, was ich in diesen Nächten tue.» Dimitri sagt: «Wir müssen es tun, sonst wird das Land zugrunde gehen.» Er dreht sich vom Fahrersitz zur Seite und tippt wie zum Beweis auf den Schriftzug am Revers seiner Uniform: «Neue Polizei, Hoffnung der Ukraine».

Schon bevor Dimitri und Valerya sich beim Staat bewarben, hatten sie gewusst, dass sie sich viele Feinde machen würden und kaum Freunde. Sie hatten geahnt, die meisten ihrer Landsleute würden nichts als Verbrecher in ihnen sehen, Betrüger in Uniformen, verdorben vom Schmiergeld. Sie waren ihnen häufig genug selbst begegnet, jenen Beamten alten Schlags, die ihr Amt missbrauchten, Kommissaren wie Verkehrspolizisten, die ihre Macht und Marken vor allem zum Kassieren nutzten, die ihnen vorwarfen, über rote Ampeln gefahren zu sein, wo es keine Ampeln gab, die Verbrechen wie Einbrüche, Vergewaltigungen oder gar Morde behaupteten, mit schlimmen Strafen drohten und gleichzeitig die Hand aufhielten.

Weder Dimitri noch sie selbst, erzählt Valerya, hatten je geplant, Polizist zu werden. Sie wollten etwas anfangen mit ihrem Leben, ihren Familien Ehre machen. Dimitri, ein Hüne von Kraft und Statur, der bei seinen Eltern wohnt, in seinem alten Kinderzimmer jeden Tag Gewichte stemmt, träumte davon, Architekt zu werden. Valerya, eine kleine Frau mit weicher Stimme, wollte in die Wirtschaft gehen, als Anwältin. Beide studierten, fünf Jahre lang, aber als es um ihren Abschluss ging, gerieten sie an Professoren, die Geld von ihnen erpressten: 800 Euro für das Bestehen eines Examens, einen Preis, den sie nicht bezahlen konnten.

Ihre Träume zerplatzten ganz und gar vor zwei Wintern, zur gleichen Zeit, als die ersten Studenten auf den Maidan zogen, um gegen ein korruptes System und eine Regierung zu protestieren, die eher Geschäfte mit Russland machte als mit der Europäischen Union. Es waren Soldaten und Polizisten, die den Protest niederschlugen, und so demon­strierten bald immer mehr Menschen, Hunderttausende, gegen einen Staat, in dem weder Gerechtigkeit noch Recht etwas zu gelten schienen. Auch Dimitri und Valerya schlossen sich an in ihrer Wut, auch sie bauten Barrikaden aus Eisenstangen und Holz, warfen Steine auf die Uniformierten und harrten nächtelang in beissender Kälte aus, um einen Präsidenten aus dem Amt zu treiben, der, anstatt seinem Volk zu dienen, vor allem sich selbst bediente.

Nach Monaten, als bereits über hundert Menschen bei dem Aufstand getötet worden waren, floh Wiktor Janukowitsch, der verhasste Herrscher, ins russische Exil. Was er seinem Land zurückliess, waren mehrere Milliarden Schulden und ein prunkvoller Palast, in dem er gelebt hatte wie ein Pharao, mit Treppengeländern und Badewannen aus purem Gold. Das Volk, vielleicht blind vor Zorn, wählte bald einen neuen Präsidenten. Es wurde keiner der Führer vom Maidan, sondern ein milliardenschwerer Pralinenfabrikant aus Odessa, einer der reichsten Männer des Landes hatte Platz gemacht für einen noch reicheren.

Der «Schokoladenkönig», so nennen ihn die Leute, versprach den Menschen Wandel, er sprach von europäischen Werten, von Recht und Demokratie. Auf Plakaten, die seine Partei im ganzen Land kleben liess, prangte das Motto: «Auf neue Art leben». Es klang wie eine Verheissung, aber bald vergingen Monate, und die versprochenen Reformen, die erhofften Veränderungen, kamen nicht. Die Korruption überlebte, die Eliten in den Amtsstuben und Universitäten blieben dieselben. Statt einen Abschluss zu machen und Architekt zu werden, jobbte Dimitri als Türsteher vor einem Nachtclub, Valerya als Stewardess und Fotomodel. Die Revolution schien vorbei, alle Hoffnungen schienen erloschen.

Es war erst vor elf Monaten, die Proteste vom Maidan jährten sich zum ersten Mal, da hörten sie von einem Programm der Regierung, einem Angebot, sagt Dimitri, das anfangs klang «wie eine Lüge oder wie ein schlechter Scherz». Die Polizei von Kiew, berichtete das nationale Fernsehen, suche Tausende neue Polizisten, aber keine gewöhnlichen, keine mit Erfahrung oder Ausbildung. Das Einzige, was sie qualifizieren sollte, wäre: keine Nähe zum alten, verfilzten Apparat.

Für Dimitri und Valerya klang es wie eine Utopie. Sie zweifelten, ob die Regierung es ernst meine, aber bald meldeten auch Zeitungen und Radiosender, dass die alten Beamten entlassen werden sollten. Dass der Präsident keinen Vertrauten seiner Partei, sondern eine Expertin aus dem Ausland engagiert habe, eine neue, saubere Behörde aufzubauen. Dass die Polizei von Kiew nur der Beginn einer landesweiten, nie da gewesenen Reform sein würde, die Korruption in der ganzen Ukraine zu bekämpfen.

Es kam nicht über Nacht, erzählen Dimitri und Valerya, aber je mehr sie darüber lasen, je mehr sie erfuhren, desto bohrender wurde der Gedanke in ihnen, sich diesem Kampf anzuschliessen und selbst eine Uniform zu tragen.

«Die Polizei, das war immer der Feind», sagt Dimitri, aber jetzt malten sie sich aus, wie sich ihr Land verändern liesse, wenn es Polizisten wie sie darin gäbe, Beamte, denen die Menschen vertrauen könnten. Sie stellten sich auch vor, was mit diesem Land geschähe, wenn sich keine ehrlichen Polizisten finden liessen und die Revolution vergebens gewesen wäre. Vor allem, sagt Valerya, dachten sie an ihre toten Freunde, an die Opfer, die den Aufstand am Maidan mit dem Leben bezahlt hatten, und daran, dass sie diesen etwas schuldig waren. Dimitri und Valerya überlegten drei Wochen lang, ruhelos, ob sie bereit waren, die Seiten zu wechseln, um ihrer Heimat zu dienen. Dann schickten sie ihre Bewerbungen ab.

Das Büro, in dem ihre Unterlagen geprüft wurden, ist ein grosszügiges Arbeitszimmer im obersten Stock des Regierungsgebäudes, durch die Fenster geht der Blick weit über bunte Kirchen, Zuckerbäckertürme und die hügeligen Flussufer des Dnipro, der sich wie ein treuer Gefährte an die Seite einer in die Jahre gekommenen Schönheit schmiegt.

Die beauftragte Expertin, die hoch über Kiew die grösste Polizeireform Europas steuert, ist eine zierliche Frau mit feinen Zügen und langen braunen Haaren. Klatschreporter vergleichen sie gern mit Schauspielerinnen aus Hollywood, sie selbst zieht dann häufig ein Gesicht, als liege darin eine Beleidigung. Ekaterina Zguladze, 37, nicht in der Ukraine, sondern in Georgien geboren, hat in den USA studiert, sie besitzt zwei Diplome in Recht und Journalistik. Sie sagt: «Niemand hat mich engagiert, um hübsch auszusehen.»

Es war bald nach der Revolution, als der neue Präsident sie zur stellvertretenden Innenministerin ernannte. Zguladze hatte einen Job wie diesen schon einmal erledigt, vor langer Zeit, in ihrer Heimat. Sie war erst 26 gewesen, als Georgiens Regierung sie berufen hatte, den korrupten Polizeiapparat des Landes zu säubern. Zguladze, unerfahren, aber mutig, setzte auf einen radikalen Neuanfang, liess binnen Wochen Hunderte Polizisten feuern und Nachfolger rekrutieren, doch was nach einem naiven Experiment, nach der Idee einer Anfängerin klang, funktionierte. Die Korruptionsrate sank, das Vertrauen der Bürger wuchs, ein kaputter Staat erholte sich wie ein Patient von einer langen, schweren Krankheit.

«Auch die Ukraine braucht ein Gegengift», sagt Zguladze. Aber am Anfang, als sie neu in dieses Land gekommen sei, habe sie selbst kaum an Heilung geglaubt. In Georgien, einem Staat kleiner als Bayern, liess sich eine infizierte Behörde gezielt behandeln. Die Ukraine, das sei der grösste Staat Europas, dem Korruption wie ein Virus in allen Gliedern stecke, ein Land mit mehr als hunderttausend Polizisten, die sich über Jahre daran gewöhnt hätten, nicht von Gehältern, sondern vom Schwarzgeld zu leben. Wo sollte sie ansetzen?

Zguladze beugt sich über ihren Schreibtisch, fährt mit einem Finger und der Ruhe einer Generalin über meterbreite Abteilungspläne, tippt schliesslich auf eine rot umkreiste Einheit am untersten Rand. Das für die meisten Menschen sichtbarste Geschwür der Korruption, sagt sie, war die Streifenpolizei von Kiew, deren Beamte tagtäglich krumme Geschäfte machten. Würde dieses Geschwür beseitigt und ersetzt durch neue, unschuldige Polizisten - auf diesen Gedanken verfiel sie bald -, könnte auf den Strassen der Hauptstadt das Symbol einer gesetzestreuen Staatsmacht wachsen. «Das Herzstück eines Wandels, der das ganze Land ergreifen wird.»

Die Neuen, so ihre Idee, mussten vor allem junge Bürger sein, Menschen aus dem Volk, die weder den Kadergeist der Sowjetunion erlebt noch je zuvor für den Staat gearbeitet hatten, Künstler oder Büroangestellte, Postboten oder Akademiker. Nur auf ihren Charakter, sagt Zguladze, kam es an.

Dimitri und Valerya waren nicht die Einzigen, die dem Ruf der Ministerin folgten. Zehntausende Ukrainer bewarben sich, genau 2000 von ihnen wählte Zguladze aus, darunter jede Vierte eine Frau. Um das Vertrauen der Menschen zu gewinnen, sollte die Streifenpolizei neben einem weiblicheren Gesicht auch einen neuen Namen tragen. «Militsiya» hatte jahrelang auf den Schulterklappen und Tellermützen militärisch grüner Amtskleidung gestanden, aber das klang eher nach einer Bande von Verbrechern. Zguladze liess moderne Uniformen aus den USA beschaffen, wie die meisten Ukrainer sie durch Filme aus dem Westen kennen, und «Politsiya» in das Emblem einsticken.

Es war an einem Nachmittag im vergangenen Sommer, während ihrer Vereidigung auf dem Maidan, als Dimitri und Valerya die dunkelblaue Garnitur zum ersten Mal trugen. Sie salutierten darin, strammstehend, vor neuen, strahlend weissen Streifenwagen, die Zguladze, anders als ihre Vorgänger, nicht länger im verfeindeten Moskau, sondern bei Herstellern aus Japan bestellt hatte. «Die Ukraine von morgen», rief sie den Polizisten zu, «lässt sich von niemandem mehr kaufen.»

Sechs Monate später, in einer ihrer Nachtschichten, fahren Dimitri und Valerya durch das verschneite Zentrum der Hauptstadt, vorbei am zerstörten Lenindenkmal, dem ein wütender Mob während der Revolution den Kopf abschlug, und über den grell beleuchteten Schewtschenko-­Boulevard, der benannt ist nach Taras, dem Nationaldichter, nicht nach Andrij, dem berühmten Fussballspieler.

Im Radio läuft Smooth Criminal von Michael Jackson, Dimitri kaut zum Takt der Musik auf einem Kaugummi, während Valerya sich auf dem Beifahrersitz ein schwarzes rechteckiges Gerät an ihre Brusttasche heftet. Es ist eine Kamera, die neuerdings jeder Streifenpolizist an seiner Uniform trägt. Das Filmen ihrer Arbeit, so lautet die Begründung ihrer Behörde, solle dabei helfen, Bestechungsversuche aufzuklären, aber Valerya sagt: «Sie dient vor allem dazu, uns zu überwachen.»

Es ist nicht lange her, da bekam ein Streifenpolizist in Kiew 3000 Hrywna, keine 120 Euro Gehalt im Monat, nie genug, um in einer Plattenbauwohnung am Stadtrand zu überleben. Um nicht auch die neuen Beamten in die Korruption zu zwingen, verdreifachte das Ministerium ihren Lohn, aber mit dem Geld der Strasse liesse sich leicht das Zehnfache verdienen.

Um ihre Unschuld zu beweisen, legen Dimitri und Valerya die Videoaufnahmen einer Schicht jeden Morgen ihrer Dienststelle vor. Spulen Prüfer dann ihre Bänder ab, zeigen grobkörnige Bilder fast jedes Mal das Gleiche: Männer und Frauen jedes Milieus und jedes Alters, die ihnen Geldbündel wie Schweigezoll entgegenstrecken. Es ist immer dieselbe Geste, weit ausgestreckte Hände mit ein paar Scheinen. Zehn bieten Betrunkene am Steuer, 20 die, die auf offener Strasse ihre Kinder verprügeln, 50 nur jene, die sich bei Einbrüchen erwischen lassen. Manchmal, an frühen Feierabenden, wenn Dimitri und Valerya bei einem Wodka mit den Kollegen von ihrer Schicht erzählen, gleichen sie die Beträge ab wie Börsenkurse.

Die Kameras, sagt Dimitri, sollen sie davor bewahren, je zuzugreifen, je auch nur einen Schein zu nehmen. Aufrecht und standhaft zu bleiben, niemals schwach zu werden, das war das Erste, was man sie in ihrer Ausbildung gelehrt hatte.

In der Ukraine dauert die Schulung zum Polizisten eigentlich vier Jahre. Um die alten Beamten loszuwerden, verkürzte das Ministerium sie auf knapp elf Wochen. Wie die Autos und Uniformen kamen auch die Trainer aus dem Ausland. Amerikanische Spezialausbilder brachten Dimitri und Valerya Übungen bei, die sie bis dahin nur aus Kriminalfilmen gekannt hatten; Polizeitaktik, Nahkampf, das Feuern mit einer Waffe. Der grösste und schwierigste Teil, sagt Dimitri, sei die Theorie gewesen, die unzähligen Vorschriften und Gesetze, die es zu lernen galt wie Formeln.

Am Anfang, als sie zum ersten Mal mit Blaulicht und heulender Sirene auf Streife zogen, erzählt Valerya, durchfuhr sie ein Zittern in der Brust wie vor einem Sprung in kaltes Wasser. Sie kamen sich nicht vor wie echte Polizisten, nicht wie solche, die auf das, was sie erwarten würde, vorbereitet waren, eher wie Laiendarsteller auf einer riesigen Theaterbühne. Aber je mehr Schichten vergingen, je häufiger sie ihre dunkelblauen Uniformen und Pistolenhalfter überstreiften, desto vertrauter erschien ihnen ihre Rolle.

Mut verschaffte ihnen vor allem ein Ereignis, das schon bald nach ihrer Vereidigung für landesweites Aufsehen sorgte. Es ging um zwei ihrer neuen Kollegen, die eines Nachts gegen Ende des vergangenen Sommers, mitten in der Innenstadt von Kiew, einen verdächtig schlingernden Volvo stoppten. Der Mann am Steuer, stellte sich heraus, war ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft, er hatte zu viel Schnaps getrunken, und als sie ihn am Strassenrand stellten, stieg er aus dem Auto, wedelte mit einem Diplomatenausweis und beschimpfte die Beamten.

Es gab viele Zeugen, die mit Handykameras filmten, wie die Polizisten sich dagegen wehrten, wie sie den Mann nicht einfach laufen liessen, sondern dessen Personalien notierten. Videos davon landeten bald auf Youtube und in den nationalen Fernsehnachrichten, wo die Rede war von einer «Schande für Deutschland» und von «heldenhaften Männern», die sich dem Unrecht in den Weg stellten, die sich nicht länger einschüchtern liessen von Geldbündeln oder Dienstgraden. Es war, als hätte ein ganzes Land seit langer Zeit nach Selbstbewusstsein, nach Stolz auf seine Staatsdiener gelechzt.

Seither, sagt Valerya und dreht die Musik im Auto leiser, wandele sich ihr Bild bei den Menschen, langsam, aber spürbar. Nicht immer sei es ihr Kampf gegen Verbrechen, gegen Diebstahl und Gewalt, viel häufiger seien es kleine Dinge, die Vertrauen schafften; die sie in den Augen vieler Leute eher zu Freunden machten als zu Feinden.

Seit Anbruch des Winters besteht ihre Aufgabe oft nächtelang nur darin, Schnee zu schippen, Bürgersteige mit rotem Absperrband zu umkleben, um Passanten vor herunterfallenden Eiszapfen zu schützen. Aber manchmal, sagt Dimitri, sind es dann die gleichen Leute, die noch vor einiger Zeit auf sie gespuckt hätten und sie heute um ein gemeinsames Selfie bitten.

Vor ein paar Wochen, erzählt Valerya, wurden sie mit ihrer Arbeit für kurze Zeit berühmt: Eines Morgens, nach einer Zwölf-­Stunden-Schicht, entdeckten sie am Flussfer einen Storch, der mit einem Bein im Eis feststeckte. Sie befreiten das Tier, brachten es zu ihrer Dienststelle und umwickelten es mit einer blaugelben Decke, die aussah wie eine funkelnde Nationalflagge. Die Polizeibehörde postete ein Foto davon auf Facebook, es wurde bald mehr als 40 000-mal geliked. «Ein wichtiger Erfolg», sagt Valerya in einem Ton, als ginge es nicht um einen Vogel, sondern um einen lange ersehnten Schlag gegen die Mafia.

Als der Morgen anbricht und es Tag wird über Kiew, steuern Valerya und Dimitri wie müde Fremdenführer über aufgesprungenen Asphalt und durch dunkle, menschenleere Gassen. Erzählen sie dabei von ihrer Arbeit, sprechen sie viel von «Erfolgen». Es ist, als wollten sie sich daran festhalten. Als müssten sie sich versichern, dass das, was sie tun, einem höheren Ziel dient und auf keinen Fall umsonst sein könnte.

Seit einiger Zeit sind neue Polizisten nicht mehr nur in Kiew im Einsatz, zu Tausenden fahren sie jetzt auch Streife in anderen grossen Städten, in Charkiw und in Donezk, in Lwiw und in Odessa. Die Regierung verkauft die Reform schon heute als Triumph. In den vergangenen sechs Monaten, heisst es, hätten mehr Ukrainer die Polizei gerufen und mehr Polizisten Straftaten gemeldet als in den drei Jahren zuvor. Auch Dimitri und Valerya kennen diese Zahlen, auch sie stellen fest, dass sich in den Köpfen der Menschen etwas bewegt. Und doch kommen ihnen manchmal Zweifel, ob sie mit ihrer Arbeit wirklich etwas ändern.

Bitterkeit fährt in ihre Stimmen, als ihr Auto an einem barocken, vierstöckigen Gebäude vorbeirollt, bunt angestrahlt wie ein modernes Schloss. Es war hier, im Nachtclub Arena, erzählt Dimitri, wo sie vor ein paar Wochen einen der Betreiber in Handschellen abgeführt hatten. Der Mann hatte in seiner eigenen Diskothek mit Rauschgift gedealt, und eines Nachts waren zwei Mädchen, kaum volljährig, um ein Haar an einer Überdosis gestorben. Dimitri und Valerya liessen sich durch kein Geld bestechen, brachten den Betreiber auf ihr Revier und lieferten Zeugen und Beweise. Sie glaubten, ihrer Stadt einen Dienst zu erweisen, ihr Land ein wenig besser zu machen. Aber nur zwei Tage später, als sie den Mann längst im Gefängnis wähnten, sahen sie ihn wieder vor seinem Nachtclub stehen, genauso frei wie zuvor.

Es sind Momente wie diese, und sie werden immer häufiger, in denen Dimitri und Valerya sich fragen, wozu sie eigentlich Polizisten geworden sind, ob sie einen Unterschied machen oder ob sie ihrem Land nicht ebenso gut an der Ostfront dienten, «als Kanonenfutter», sagt Dimitri.

Was nützt es, Straftäter zu jagen, wenn ihre eigenen Vorgesetzten sie gegen Geld wieder laufen lassen? Welchen Sinn hat es, Schnee zu schippen und Störche zu retten, wenn der Rest ihrer Behörde nur weiter den alten, korrupten Regeln folgt?

Es gibt ein Sprichwort, das viele Ukrainer schon in der Schule lernen. «Die schwärzesten Seelen», sagt Dimitri, «tragen die weissesten Westen.» Er fürchtet, es habe keinen Zweck, ein guter Polizist zu sein, solange jeder Kommissar, jeder Richter oder Staatsanwalt seine eigenen Gesetze macht. Aber er will nicht klein beigeben, sondern beweisen, dass seine Heimat einen anderen Weg gehen kann. «Das grösste Problem an unserem Volk», sagt Valerya, «ist, dass wir uns daran gewöhnt haben, enttäuscht zu werden.»

Es war erst vor kurzem, als Dimitri und Valerya sich selbst dabei ertappten, wie gewöhnt sie daran sind, enttäuscht zu werden. Der Anlass war ein Gerücht, so ungeheuerlich, dass es sich binnen Stunden wie ein Lauffeuer im ganzen Land verbreitete. Es ging um Ekaterina Zguladze, ihre eigene Ministerin. Die Leiterin der Polizeireform, berichteten mehrere grosse Zeitungen, sei am Flughafen von Kiew verhaftet worden, mit einem Koffer voll Geld in der Hand, 4 Millionen Dollar in bar. Das Geld, so hiess es, stamme aus Fördermitteln der amerikanischen Regierung, und Zguladze sei bei dem Versuch gefasst worden, es aus dem Land zu schaffen, nach Paris, wo ihre Familie lebt.

Es sollte zwei Nächte und drei Tage dauern, bis klar wurde, dass dieses Gerücht Propaganda war, eine Lüge, gestreut von der Opposition, um die Reform zu torpedieren. Aber das konnten Dimitri und Valerya nicht wissen, als sie über das Radio im Streifenwagen von der angeblichen Verhaftung erfuhren und jeder Glaube in ihnen zerbrach. Stumm vor Entsetzen fuhren sie wie vor jeder ihrer Schichten auch an diesem Abend zum Maidan, knieten dort nieder und beteten für die Gefallenen. Aber später in dieser einen Nacht, als es darum ging, standhafte Polizisten zu sein, das sagen sie zu Boden sehend wie Verbrecher, schalteten sie ihre Kameras nicht ein.

Репортаж опубликован в июле 2016 года. И никого в европах не смущает, что:
1) СУГС сильно похоже на "зик хайль".
2) Что нет "старых колодцев" в центре Киева. (легко проверяется гуглокартами!)
3) никто не спрашивает об "отце с ребенком на руках" которые были здесь "застрелены".
4) никого не интересует какие такие ТАНКИ(?) на майдане.

Еще раз напомню: 2016й год. Релоциус еще 2 года получал призы.
Теперь его репортаж об Украине даже "шпигель" не вспоминает и напрасно. Потому, что...

Майдан скоро будет у нас, в Германии.
Не столько потому, что выпестованные укронацики начнут щипать сограждан, а потому, что Релоциусы размножаются. Именно Релоциусы нужны системе. Их страгают в гимназиях.
Перень сделал свою работу не так чисто как другие репортеры из "государственных" каналов, из "немецкой волны". Но он шел к успеху. Но именно они с госканалов существующих на наши "добровольные" пожертвования очистили для него поле - на наших каналах давно не представлена иная точка зрения. Никого не интересует мнение русских, украинцев.

Что будет дальше:
1) Разрушение медиа системы. (Люгенпрессе уже даже не обсуждается.)
2) Разрушение пропагандисткого стержня.
3) Хаос.

Как в СССР - "огонек", Карабах, "младодемократы".

диагноз, dw, пропаганда, прогноз, Германия

Previous post Next post
Up