Ich muss zwischen 11 und 12 Jahre alt gewesen sein als ich anfing nach dem Baden heimlich ins Schlafzimmer meiner Eltern zu gehen um mich dort vor der großen Spiegel nackt zu betrachten. Was ich genau sehen wollte? Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Wie weit mein Busen war? Wie meine Figur wirkte? War ich schlank? Sah ich akzeptabel aus? Einfach Dinge die jeden Teenager (auch wenn ich altersmäßig noch keiner war) interessieren.
Eines Tages erwischte mich meine Mutter dabei.
Erwischen hört sich jetzt sehr dramatisch an.
So war es nicht.
Sie kam rein und ich stand mal wieder vor dem Spiegel.
Aber das was sie dann zu mir sagte, vergesse ich nie.
Ihre Worte waren: "Du brauchst gar nicht so zu gucken. So besonders hübsch wirst du nicht werden."
Sollte man so etwas zu seiner Tochter sagen?
Zumal in so jungen Jahren?
Nein, sicherlich nicht.
Meine Mutter waren Äußerlichkeiten schon immer sehr wichtig.
Ich kann mich noch erinnern, es muß ein oder zwei Jahre vor diesem Vorfall gewesen sein, als sie von einem alten Mann im Supermarkt angesprochen worden war. Er meinte sie wäre doch viel zu jung für Kinder. Sie würde noch aussehen wie ein Teenager.
Sie hat danach noch tagelang diese Geschichte erzählt.
Nichts war wichtiger als das andere sie für jung und schön hielten.
Und nichts war wohl wichtiger als schöner zu sein als die anderen.
Selbst wenn diese anderen die eigenen Töchter waren.
Aber ich komme vom Thema ab. Das Thema sollte eigentlich nicht sein, was meine Mutter falsch gemacht hat.
Ich bin auch Mutter. Wir werden immer Dinge falsch machen. Das ist so und wird auch weiterhin so bleiben. Manchmal sind es große Fehler, aber meistens zum Glück nur Kleine.
Mein Punkt war eher der: Im Rückblick kann ich sagen das mich dieser Spruch von ihr sogar in gewisser Weise befreit hat.
Wenn man nicht erwartet schön zu werden, muß man sich deswegen auch nicht unter Druck setzen.
Es ist einfach wie es ist.
Natürlich mache ich mir auch immer wieder Sorgen um mein Äußeres.
Aber ich kann sagen das ich mich noch nie hineingesteigert habe und versucht habe etwas zu werden was ich nicht bin.
Schminke? Ist für andere. Warum soll ich mich maskieren?
Übergewicht?
Ja, ab und zu möchte ich auch ein paar Kilo weniger haben.
Ab und zu mache ich auch Diät.
Aber am Ende des Tages ist es mir wichtiger mich wohl zu fühlen, Spaß am Leben und auch am Essen zu haben als irgendeinem Schlankheitsideal nach zu hecheln.
So gesehen war damals dieser Satz meiner Mutter für mich gar nicht so schlecht.
Natürlich habe ich in meiner Teenagerzeit mit den üblichen Unsicherheiten gekämpft.
aber als ich auf der anderen Seite des Lebens herraus kam, hatte ich mich mit damit abgefunden das ich bin wie ich bin. Ich hatte gelernt das den meisten Menschen, wenn es um Freundschaft geht, das Innere wichtiger ist als das Äußere. Und wenn ich jemanden kennenlerne bei dem es umgekehrt ist - ich muß ja auch nicht jeden mögen. ;-)
Wie ich jetzt überhaupt auf diese Thema komme?
Ich habe gerade dieses Buch gelesen:
The Ministry of Thin Ich habe mich in diesem Buch an manchen Stellen wiedererkannt. Aber an vielen Stellen war ich nur sprachlos und fragte mich warum sich Frauen solche Dinge antun.
Um schön zu sein?
Aber die meisten die das tun sind schon schön und versuchen nur noch perfekter und perfekter zu werden....
Und da fiel es mir wieder ein:"...So besonders hübsch wirst du nicht werden."
Vielleicht war es gut so. Vielleicht hat mir gerade dieser kleine Vorfall vieles erleichtert.
Vielleicht wäre ich auf jeden Fall so geworden wie ich bin.
Wer weiß das schon.
Aber wenn dem so ist, hat mir das den Weg dorthin möglicherweise leichter gemacht.