So, dann wollen wir mal sehen, ob ich das noch hinbekomme. Nachdem ich mir den Song "Questions" von Jon McLaughlin (einen Post weiter unten) ein paar Mal angehört hatte, ist mir erst wirklich aufgefallen, worum es dabei geht. Daraufhin habe ich einen extrem langen Post gemacht, der aber bei Editier - Maßnahmen einem alten Draft zu, Opfer fiel. Danke dafür, LJ. Wir beide werden uns nie verstehen.
Inzwischen habe ich ein wenig Abstand zu der ganzen Sache - genug, um zu erklären, wie das alles zustande gekomme ist und warum Dinge wie dieser Song bei mir in so eine extreme Kerbe schlagen und mich wütend und traurig machen.
Denn dieser Song ist sehr gemein, wenn man genau hinhört.
Zu Anfang hört man nur, dass es um 2 scheinbar wahllos ausgewählte Leben geht, in die wir einen kurzen Einblick bekommen. Da wäre 1.) das junge Mädchen, dass einen Mann nach dem anderen hat, ständig verlassen wird und sich fragt, warum Männer so sind und was sie falsch macht.
2.) ist da der Kriegsveteran, der nach Hause kommt und nicht nur das Leben seiner Familie verpasst hat, sondern auch merkt, dass er den mit seiner inneren Wut den Krieg mit nach Hause gebracht hat - und scheinbar wird allen anderen vergeben, nur ihm nicht.
Beide stellen sich diese Fragen, bekommen aber auf den ersten Blick keine Antwort.
Genau diese Erkenntnis leitet dann über zur letzten, zweigeteilten Strophe, in der es ziemlich eindeutig um die Kreuzigung Jesu geht. Wirklich klar wird das erst im letzten Absatz, aber wenn man dann im Rückwärtsgang liest, kann man das eigentlich gar nicht mehr anders deuten.
Und HIER haben sich auf Youtube so einige Leute beschwert. Was wohl auch der Grund ist, warum der Song für ein Jon McLaughlin Song peinlich wenige Aufrufe hat. Die Menschen machen eben gerne einen Schritt weg von Dingen, die nicht wertfrei sind. ICH persönlich habe damit kein Problem. Gavin DeGraw's "Belief" ist einer meiner absoluten Lieblingssongs - und auch dem Song wird unterstellt, religiös zu sein.
Warum also hat mich dieser Song im Originalpost so traurig und wütend gemacht?
Nun, mein Aufhänger war die Darstellung/Behandlung von Jesus an sich in der katholischen Kirche, wie wir sie hier in Deutschland/Europa haben. Denn was würde Jesus sagen, wenn er einen Blick auf das werfen könnte, was wir aus seiner Geschichte gemacht haben? Wahr oder ausgeschmückt, ich glaube nicht, dass er DAS gewollt hat.
Denn während das Leben Jesu vielleicht mal in niedlichen Gleichnissen gestreift wird, zentriert sich ALLES im Katholizismus auf das LEIDEN Christi. Darauf, dass er für uns gestorben ist und wir demütig sein müssen, weil das passiert ist, um unsere Sünden zu tilgen.
Das Kreuz ist das Zentralmotiv der westlichen katholischen Kirche, es ist überall. Kinder haben das um den Hals, es steht in jeder Kirche und ist neben der klassichen Pieta (der STERBENDE/TOTE Jesus in den Armen von Maria) die am häufigsten benutzte Darstellung von Jesus. Alle anderen zentralen Figuren der Bibel bekommen wir lebend zu sehen, nur Jesus, um den es eigentlich gehen sollte, ist in 99% der Darstellungen entweder sterbend oder tot dargestellt. Mal abgesehen von Darstellungen des Kreuzgangs, aber das fällt für mich unter "sterbend".
Immer und immer wieder wird man hier daran erinnert, Demütig und Dankbar für das Leiden Christi zu sein. Sogar zu Himmelfahrt, obwohl das eigentlich ein fröhliches Kirchenfest sein sollte.
Vor ein paar Jahren war unser Partnerchor aus den USA da und die haben auch die alten Kirchen der umgebung besucht, einfach weil manche dieser Kirchen über 1000 Jahre alt sind und das macht schon Eindruck. Fast alle waren begeistert von den Gebäuden, aber nicht wirklich von der Atmosphäre. Eine Frau sagte sogar zu mir: "Meine Güte, die Architektur ist ja toll, aber es ist alles so traurig und bedrückend!" Ein Mann darunter brachte es auf den Punkt, als wir kurz über die verschiedenen Auffassungen des Katholizusmus gesprochen haben: "Ihr leidet mir zu viel." BAMM.
Ich selbst habe als Kind Jesus wie gesagt eher als fröhlichen Hippie gesehen, der durch die Gegend gezogen ist, gerne und viel gegessen und gelacht und Kranke geheilt hat. So wie es kleinen Kindern eben erzählt wird, um sie an den Glauben heranzuführen. Und damit kam ich wunderbar klar.
ALS KIND. Geändert hat sich das nicht viel später. Denn meine Wut auf diese demütige, trostlose katholische Kirche kommt nicht von ungefähr. Man könnte sagen ich bin ein gebranntes Kind. Das hab ich beim letzten Mal ausgelassen. Diesmal hau ichs mit rein.
Wie die meisten Kinder bin ich mit 12 zum Firmunterricht gegangen.
Den hat ein ehemaliger Pfarrer für unsere kleine Gruppe gemacht, der Mann war so um die 70. Blöderweise hatte vorher NIEMAND mal gecheckt, ob der Mann noch alle Zacken in der Krone hatte.
Was wir von ihm zu hören bekamen war: "Wer nicht jeden Sonntag in die Kirche geht und jeden Tag betet, kommt in die HÖLLE!!"
Ohne Scheiß. Das hat seine Geschichten von Fegefeuer und Höllenqualen ohne Ende in uns reingetrichtert und uns sogar Flyer gegeben, in denen dieser Unsinn stand.
Der hat ohne Ende dieses Zeug gepredigt, mit fanatischem Rumgebrülle und allem drum und dran, ihm fehlte nur eine Kanzel. Der war ein frustrierter Fanatiker und hat das an 12 und 13 jährigen ausgelassen und uns behandelt wie während der Inquisition. Und Kinder glauben sowas, oder wenn nicht, dann haben sie trotzdem Angst. Was wohl auch der Grund war, warum wir wochenlang davon zu Hause nichts erzählt haben. Irgendwann hab ich meiner Mutter einen der Flyer gegeben - und dann gings richtig los. Die Eltern haben Theater gemacht, die Gruppe wurde aufgelöst und wir haben den Firmunterricht in einer anderen Gruppe zu Ende gemacht.
Das krasseste daran war: der Mann hat später WIEDER Firmgruppen in seiner Obhut gehabt. Da hat sich die Gemeinde - im Sinne von Die Kirche - einen DRECK drum geschert! Dann ist der Mann eben ein wenig Ultra, schert ja keinen und schaden tuts auch nicht!
Ich krieg jetzt noch eine Gänsehaut, wenn ich an den Kerl denke. Mir hat noch nie ein Mensch wirklich Angst gemacht, aber dem Mann will ich heute noch nicht begegnen. Vermutlich ist er inzwischen tot. Nennt mich herzlos, aber es würde mich nicht mal kratzen, wenns so wäre. Ich wäre vermutlch sogar erleichtert. Was der Mann damals angerichtet hat, hat bei allen Kindern Spuren hinterlassen, die das miterlebt haben. Nicht nur bei mir.
So. Rückblick Ende. Jedenfalls.
Mein Post ging dann mit der Hypothese weiter, dass Jesus ja vielleicht wirklich gelebt hat. Ich stelle mir das gerne vor. Ich kann mir NICHT vorstellen, dass er die Wunder vollbracht hat. Diese netten Geschichten sind 70 Jahre später von 4 Kerlen geschrieben worden, die gar nicht dabei waren. Zwei der vier Evangelisten haben es nicht mal bis nah Rom geschafft, geschweige denn in die Nähe der Orte an denen Jesus gewirkt haben soll. Für mich hat das also eher den Stellenwert von Übertreibungen, um gewisse Standpunkte ohne Zweifel rüberzubringen.
Um zum Beispiel auszudrücken, dass man das, was man hat, mit den ärmeren Teilen soll, hätte man das auch einfach so schreiben können. Um es aber auch dem dümmsten klar zu machen, hat Jesus in der Geschichte endlos Brot und Fisch erschaffen. Fischbrötchen für alle! 8D Ich denke das Prinzip sollte klar sen.
Zieht man aber diesen Firlefanz ab, bekommt man einen jungen jüdischen Gelehrten, der nicht einmal in einem Tempel den Mund halten konnte und ganz eigene Ideen hatte. Er ging absolut nicht mit allen Regeln des Judentums konform und hat so einige Leute mit Sicherheit vor den Kopf gestoßen, auch in der jüdischen Gemeinde. Wenn er aber wirklich gelebt hat, war er mit Sicherheit ein toller Redner und die Tatsache, dass Abseits vom immer gleichen Alltag nicht viel passiert ist zu der Zeit, hat ihm da mit sicher geholfen.
Ich stelle ihn mir gerne als fröhlichen Menschen vor, der andere begeistern - aber auch wütend machen konnte. Und wenn man bedenkt, dass ihm zahllose Leute zwanglos gefolgt und wie Heurschrecken in den Orten am Wegrand eingefallen sind, sind wir wieder beim Hippie :)
Bleibt nun die Sache mit dem "Sohn Gottes". Das ist ja das zentrale Thema im Katholizismus, aber auch sein größter Reibungspunkt mit allen anderen Glaubensrichtungen. Die Protestanten hadern damit, die Juden glauben es schlicht nicht etc etc. Ich bin mir bei der Sache mit mir selbst nicht im Reinen.
Zum einen neige ich wie jeder Mensch dazu, an irgendetwas zu glauben. Das ist in unserem Gehirn so vorgesehen, damit wir nicht verrückt werden, wenn wir auf große Fragen des Lebens keine Antwort bekommen.
Im Grunde ist es mir egal. Letzten Endes hat das, was Jesus getan hat, große Kreise gezogen - ob er sich nun selbst zum König der Juden und Sohn Gottes ausgerufen hat oder ob es seine übereifrigen Jünger waren... geändert hats nichts daran, dass er am Ende gestorben ist. Ich halte ihn auch nicht für den Märtyrer, der das alles vorhergesehen hat. Ich glaube GAR NICHT, dass sein Ende am Kreuz Teil des Plans war. Es wurde immer wieder erwähnt, dass Jesus vor allem menschlich war - und kein Mensch will sterben. Denn sogar in der Bibel hatte er Angst und wollte nicht sterben. Er war enttäuscht und traurig, weil Gott ihn trotz allem nicht gerettet hat.
Wenn ich ganz ehrlich bin, halte ich es eher mit den zahlreichen Filmen und Geschichten über Jesus, als mit der leidenden Darstellung im Katholizismus.
- In "Dogma" sagte Jesus zum Metatron: "Das ist alles zu groß für mich."
Das fand ich schon eher glaubwürdig. Denn wenn Jesus wirklich gelebt hat, wurde ihm von klein an erzählt, wer er angeblich ist und was er tun soll. Und kein Kind sollte das auferlegt bekommen.
- In einem Buch, das ich vor langer Zeit mal gesehen hab, ging es um einen Jungen, der mit Jesus zusammen im Tempel zur Schule gegangen ist. In diesem Buch war Jesus im Grunde ein NERD, klein, nervig und mit bekloppten Ideen für die er dauernd verhauen wurde. Also musste ihn sein Kumpel immer retten. Ich liebe dieses Buch, weiß aber nicht einmal mehr, wie es heißt oder wo ich es gelassen habe.
- In dem Film "Stigma" geht es im Grunde um ein fünftes Evangelion, das von Jesus selbst geschrieben wurde. Darin erwähnt er unter anderem, dass man gar nicht in eine Kirche gehen muss, um gläubig zu sein. Ich glaube, das Zitat war ungefähr das hier: "Es braucht keine Häuser aus Holz und Stein. Heb einen Stock auf und ich bin da, dreh einen Stein um und du wirst mich finden." Diese Idee gefällt mir persönlich viel besser als "Wenn du nicht in die Kirche gehst und beichtest, liebt Gott dich nicht." Wenn Gott allmächtig ist, ist es total egal, wo ich mit ihm spreche.
Kirchen und Kathedralen haben schon immer Könige und hohe Geistliche für sich errichten lassen, um ihre Macht zu demonstrierenn und sich selbst unsterblich zu machen. Mit wirklichem Glauben hatte das eher selten was zu tun.
WOW. Ich könnte ewig so weitermachen. Jedenfalls.
Hat der Song "Questions" all das wieder losgetreten und mich erneut sehr traurig gemacht, dass ich seit damals nicht mehr wirklich einen Draht zum katholischen Glauben habe. Ich gehe so gut wie nie zur Kirche, selbst wenn zu Weihnachten nicht immer. Und wenn, dann in eine evangelische Messe. Was nicht heißt, dass ich nicht wie jeder andere in respektvolle Stille verfalle, wenn ich in einer katholischen Kathedrale bin. Nur springt der Funke nicht mehr so über.
Und dann stelle ich mir wieder den verrückten Hippie Jesus vor, der so viele tolle Ideen hatte und am Ende nur auf das große Leiden und Sterben reduziert wurde.
Und ich kann es nur wiederholen: ich glaube nicht, dass er DAS gewollt hat.