Фильм ВОЗВРАЩЕНИЕ. Нем. яз.

Nov 01, 2015 01:02

Der verlorene Vater. Die Rückkehr.

Der Film führt das Seminar in die Themen des Patriarchats, der männlichen Identität und des Vatertums ein. Um einen ausgewogenen Blick auf die inhaltliche Dimension von „Die Rückkehr“ zu verschaffen, soll parallel noch ein anderer Film, „Vater und Sohn“ von Aleksander Sokurov, gezeigt werden. Sokurov stellt eine andere Version des Vatertums dar - eine symbiotische, die dem Vatertum aus „Die Rückkehr“ komplett konträr gegenübersteht.

Zur Vorbereitung des Seminars sollen die Studierenden in Kulturenzyklopädien Artikel zu folgenden Begriffen finden:
1. Turm
2. Wasser
3. Feuer
4. Insel
5. Boot
6. Geheimer Schatz
Diese Symbole sind sog. „semiotische Schlüssel“ zu dem Film.
7. Zum Verständnis des Films ist es hilfreich, das Genre „Road Movie“ zu kennen.
8. Um ein volles Verständnis des Filmes zu erreichen, sollen die Studierenden Freuds Artikel „Dostojevskij und Vatersmord“ lesen und diskutieren. Die „Lücke“ zwischen tatsächlicher und symbolischer Bedeutung der Konfliktschemata bei Freud wird dabei thematisiert.
9. Die Studierenden sollen die Abbildungen von Andrea Mantegnas „Toter Christus“ und „Die Toteninsel“ von Arnold Böcklin mitbringen.
10. Außerdem bitte ich die Studierenden, aus einer dekonstruktivistischen Perspektive heraus, folgende Begriffe zu recherchieren: „Archiv“, „Dokument“, „Spiegel“.

Sobald die Studenten und Studentinnen die „symbolischen Schlüssel“ der bildhaften Filmsprache verinnerlicht haben, schauen wir uns gemeinsam den Film an.

Nach der Filmvorführung soll der doppelte Sinncode entschlüsselt werden: der bibelmythologische und der freudsche. Dabei lassen sich beispielsweise folgende symbolische Sprachebenen ausmachen:

Der Turm - ein männliches Phallussymbol. Das Wasser hat unter anderem eine Tauffunktion. So veranstalten Jugendliche ein Ritual - sie springen vom Turm ins Wasser und fühlen sich nach dieser Mutprobe als erwachsene Männer. Wer sich nicht traut, wird aus der Gemeinschaft ausgestoßen: „Wer nicht springt, ist ein Trottel und ein Dummkopf“. Der Kleinste springt nicht. Er bleibt somit aus der „Männergemeinschaft“ ausgeschlossen. Er zählt noch nicht zu der phallischen Männerkultur, die auf dem Kult der Kraft und der Überwindung beruht. Er bleibt noch im Mutterschoß. Die Mutter holt ihn von dem phallischen Turm herunter, aber er weiß bereits, dass er die „Prüfung zum Mann“ nicht bestanden hat.
Die zweite Episode spielt auf dem Dachboden, wo das Treffen des „Männerbundes“ stattfindet, in diesem Fall das Treffen einer Jugendclique. Nach den Regeln der phallischen Gesellschaft soll Ivan von seinem älteren Bruder Andrej bestraft werden. Der Kampf zwischen zwei Brüdern - eine biblische Anspielung auf den Kampf zwischen Jakob und Isaav: „Die Brüder stritten im Schoß Rebekkas“.
Die Brüder laufen zur Mutter, in ein seltsames mystisches Haus. Hier ist es die Mutter, welche die Brüder mit der „Rückkehr“ konfrontiert: Die Kinder laufen an der schweigenden mumienartigen Großmutter vorbei, hinter deren Rücken ein Schaltplattenspieler und eine Schaltplatte mit klassischer Musik zu sehen ist. Die Kamera zeigt eine Großaufnahme von glühender Kohle im Ofen. Die Großmutter ist die Wärterin des heimlichen Feuers, die alte Hexe, die an die alten „besseren“ Zeiten erinnert, als in ihrem Haus noch schöne Musik zu hören war....

Der schlafende Vater ist eine Nachbildung von Andrea Mantegnas Christi Darstellung. Diese liefert somit auch Aufschluss über sein Schicksal. Bereits jetzt ist klar, dass der Vater sterben wird, aber nicht einfach so, sondern als Opfer - wiederum eine Parallele zur Bibel.

Doch die Kinder kennen ihren Vater nicht. Er verirrte sich und die Geschichte des verlorenen Sohnes ist somit durcheinandergeraten. Es bedarf einer Verifizierung seines Vatertums. Das Thema der Verifizierung bildet ein Leitmotiv des Filmes und durchzieht wie ein roter Faden den gesamten Film. Doch in dieser ersten Phase geschieht die Verifizierung durch ein Archiv. Dieses befindet sich außerhalb des alltäglichen Umfeldes der Kinder, nämlich auf einem Dachboden. Trotzdem finden die Kinder das Familiendokument ohne weitere Schwierigkeiten. Das Foto ist in den Kontext der „Bibelerzählungen“ der Menschheitsgeschichte eingebettet. Die individuelle Geschichte einer Familie wird somit Teil der Menschheitsgeschichte. Dabei liegt das Familienfoto mit dem Vater vor dem Bild „Die Opferung Isaaks“. Das Bild zeigt den kritischen Augenblick, als Abraham das Messer über seinen erstgeborenen Sohn erhebt. (Diese Szene soll möglichst genau betrachtet werden, da sie in einer weiteren Kampfesszene zwischen Vater und Sohn auf der Insel nochmals auftaucht).

Anschließend folgt die Darstellung des geheimen Abendmahls. Hier vollzieht sich eine Umstrukturierung der häuslichen Hierarchie: das Matriarchat wird durch das Patriarchat ersetzt. Der Vater sitzt als Oberhaupt am Tisch, verteilt seine Jagdbeute (er verteilt mit bloßen Händen ein Huhn) und gießt den Wein ein. Nach dieser Episode von der letzten Nacht im Haus endet dieser Exkurs. Es folgt die Phase des Road Movies.

Folglich lassen sich in dem Film zwei Hauptachsen erkennen: die biblische und die freudsche. Auch im Hinblick auf die Komposition ist der Film zweiachsig aufgebaut. Erstens lassen sich drei Settings definieren: das Haus, der Weg und die Insel. Diese entsprechen der Einleitung, dem Hauptteil und dem Finale. Zweitens dauert Handlung von Sonntag bis Samstag, und entspricht somit der Karwoche, die ebenfalls nicht bis zum Sonntag reicht.

Der mittlere Filmteil, der als Road Movie konzipiert ist, ist primär didaktischer Art. Auf dem Weg „formt“ der Vater seine Söhne zu „echten Männer“, nachdem er genau das über zwölf Jahre lang versäumt hatte. Eine „erzieherische Episode“ folgt der anderen. Dabei lehrt der Vater seine Söhne nicht nach Gesetzen sondern nach „Begrifflichkeiten“: wenig Alkohol zu trinken wenn man am Steuer sitzt, in einem unbekannten Städtchen Nahrungsquellen ausfindig zu machen, in einem Restaurant eine Bestellung aufzugeben, die Kellnerin zu rufen, zu zahlen und sich zu verabschieden; - eine gestohlene Geldbörse zurückzuholen und die Diebe zu bestrafen; einen steckengebliebenen Wagen herauszuziehen; ein Boot zu teeren; ein Zelt aufzubauen; ein Feuer zu machen; eine Holzschüssel selber herzustellen usw. Die Söhne beobachten, wie ihr Vater seine Geschäfte erledigt: wie er telefoniert, Entscheidungen trifft, einen Motor kauft etc. Dadurch erleben sie ihre Sozialisierung außerhalb ihres Zuhauses. Hier herrschen neue Spielregeln. In einer einzigen Episode wird das Thema Sexualität angesprochen: während Ivan im Auto sitzt, beobachtet er durch den Seitenspiegel den typisch männlichen Blick seines Vaters, der den Körper einer vorbeilaufenden Frau betrachtet. Die gesichtslose Frauenfigur ist durch den Spiegel in mehrere Fragmente geteilt.

Dieser Road Movie endet an einem Donnerstag an einem Ufer: „Wir sind hier allein. Wir werden hinüberfahren zur Insel“. Die Geschichte nähert sich ihrem tragischen Ende. Am Anfang des Filmes gab es ein Vorzeichen dafür, dass der Vater nicht mehr von der Insel zurückkehren wird. In einer Kapuzenjacke, vom Regen durchnässt, geht der Vater allein ins Exil. Er ist nun selber Charon. Denn so ist der Lauf der Dinge: nachdem er seine Lehrmission gegenüber den Söhnen vollendet hat, wird er auf dieser Welt nicht mehr gebraucht.

Die unbewohnte Insel ist von Wasser umgeben und ähnelt einem Grab. Wenn das Boot kaputtgeht, ist man dort buchstäblich begraben. Zugleich ist die Insel eine Welt der Geheimnisse, der wilden Natur, ein idealer Platz für Rituale... „Ein Ausflug in das dichte und undurchdringliche Reich der wilden Tier- und Pflanzenwelt stellt in der westlichen Ideentradition kein allzu seltenes Phänomen dar. Es ist in Märchen und Epen zu finden, insbesondere in der Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Der Bereich des Wilden und der unzivilisierten Welt grenzt hier an eine politische Ordnung und bedroht sie somit. ... In dieser literarischen Tradition lässt sich diese Wildnis mit männlichen Abenteuern vergleichen, und mit dem Bereich männlicher Leidenschaften.“ Dies ist ein Zitat aus dem Artikel von Angelika Ebrecht „Macht wilder Kerle: Über die Wildnis, die Macht und die Gewalt in zwischengeschlechtlichen Beziehungen“.

Was passiert in der Zwischenzeit auf der Insel? Der Vater hackt Holz, baut das Zelt mit Andrej zusammen auf und dann sitzen sie zu dritt vor dem Lagerfeuer. Ivan lehnt zum dritten Mal den vom Vater angebotenen Wodka ab und bleibt somit aus dem symbolischen Männerkreis ausgeschlossen. Nachts im Zelt schwört Ivan seinen Vater umzubringen. Dies alles findet donnerstags statt. Karfreitag ist der Sterbetag Jesus. Im Film übernimmt der Vater diese Rolle. Ivan klaut ihm sein Messer. Indem er außerdem noch die Schüssel seines Vaters im Wasser versenkt, „streicht“ er diesen völlig von der Liste der Lebenden. Ivan folgt seinem Vater nur ungern zu einem Spaziergang über die Insel, als nun sich alle drei - wie denn auch sonst - plötzlich vor dem Turm wiederfinden. Nun bestimmt der Vater den phallischen Aufstieg auf den Turm. Aber auch hier lehnt Ivan das Einführungsritual ab. Nur der Vater und Andrej besteigen den Turm. Der Vater zeigt seinem Sohn den weiten Blick, der sich von der Turmspitze aus eröffnet. Zu allen Seiten nichts als Wasser. Demnach erhebt die phallische Macht einen in die Höhe, gleichzeitig aber stürzt sie ihn in die Einsamkeit und Isolation. Die Männerwelt ist wunderschön, aber auch in sich geschlossen.

Andrej, der die männliche Initiation damit bereits hinter sich hat, leitet die erste gemeinsame Fahrt der Brüder auf den Wellen des Lebens. Aber in Wirklichkeit ist es Ivan, der hier befehlt. Andrej lässt sich von ihm überreden und am Ende verstoßen beide gegen alle auf sich genommenen Verpflichtungen. Die Bestrafung durch Vater ist unabwendbar. Er verprügelt Andrej, der davor auch seinen jüngeren Bruder verraten und zum ersten Mal gegen seinen Vater rebelliert hat. Nach der Initiation sind beide gleichrangige Rivalen. Der Vater schnappt sich eine Axt. Er schubst Andrej zu Boden und holt mit dem Messer aus. Dabei handelt es sich um eine Parallelisierung des Bildes „Die Opferung Abrahams“, dessen Kopie zwischen alten Fotos lag, die den Vater mit seinen Söhnen zeigten. Seinerseits greift auch Ivan zum Messer. Anschließend wird die Verfolgung gezeigt, bis zum Turm. Ivan besteigt den Turm - dies ist der Transzendenzpunkt. „Ich habe keine Angst! Ich werde springen!“.
Der Vater hat seine Mission erfüllt. Sein Auftrag ist erledigt. Er wird nicht mehr gebraucht. Und nach den Regeln des Mythos stirbt der Vater in dem Moment, in dem beide seine Söhne zu Männern werden. Die Söhne ihrerseits erfüllen ihre Pflicht gegenüber ihrem Vater: sie begraben ihn. Dabei halten sie sich an die Regel, die der Vater sie gelehrt hat. Nun ist Andrej, dem Alter nach, der Charon. Und er hält nun das Ruder in der Hand und steuert das Trauerboot zum Ufer. Unter der Bank, auf dem sein toter Vater liegt, ist ein Kästchen versteckt, mit einem geheimen Schatz, den der Vater auf der geheimnisvollen Insel gehoben hat. Es ist klar - darin ist etwas, das er für seine Söhne aufbewahrte und hütete; das, wofür er vielleicht im Gefängnis gesessen hat, die gesamten zwölf langen Jahre. Doch die Söhne haben keine Ahnung von diesem Schatzkästchen. Es verschwindet in dem Meeresschlund zusammen mit dem Boot und dem toten Vater.

Das aus dem Wasser schimmernde Gerüst des versunkenen Bootes ist zu sehen. Das zu Beginn des Filmes gezeigte künstliche Wasserbecken in welches die Jugendlichen vom Turm aus hinein springen, steht symbolisch für das Wasser als Naturgewalt. Als Akt der Initiation tauchen die Jugendlichen in das Totenreich hinab, um dann wieder ins Leben zurückzukehren. Als Symbol ist das Wasser ambivalent. Es ist zugleich lebendig und tot. Es bildet eine horizontale/senkrechte Grenze zwischen zwei Welten - der irdischen und der unterirdischen Welt, der Welt der Toten. Die Unterwasserwelt hütet eigene Geheimnisse.

Es gibt verschiedene Interpretationsmöglichkeiten für diesen Film als Kulturtext, die durch das Bewusstsein des „Lesenden“ bestimmt werden. Ich kann nur die symbolische Sprache „lesen“, die ich verstehe. Ein anderer „liest“ diesen Text in Grenzen seines eigenen Interpretationspotentials. Ich versuche hier meine eigene De- und Rekonstruktion des Sinnes zusammenzufassen. Welche Botschaft vermittelt uns die Bibelgeschichte vom verlorenen Vater?

In der symbolischen Struktur des Kinotextes lassen sich eindeutig zwei Vektoren der Transgression erkennen: nach unten (der Vater stürzt von dem phallischen Turm und versinkt dann im Wasserschlund) und nach oben (die Söhne klettern auf den Turm). Ein weiterer entscheidender Aspekt ist der Weg der Söhne nach Hause und zurück. Das Haus als solches gehört den Frauen: der Mutter und der Großmutter. In der Hausmitte ist der Ofen, das gezähmte, das „weibliche“ Feuer. Es ist rein symbolischer Natur. Denn die Handlung findet im Sommer statt, alle tragen leichte Kleidung, Kinder schwimmen im Wasserbecken. Aber drinnen im Haus, neben der starren alten Großmutter, glüht schwach die Kohle... Das Haus ist ein Symbol für den mütterlichen Schoß und die Zivilisation. Das Weggehen der Kinder aus dem Haus/Schoß, steht symbolisch für eine Neugeburt, für das Verlassen des Inneren und Aufbrechen in die Außenwelt.
Aber auch die Insel, in deren Mitte ein alter phallischer Turm steht (ein Symbol für die männliche Welt), ist ein in sich geschlossener Raum. Wildnis ist - wie oben bereits erwähnt wurde - ein für die westliche Kultur traditioneller Ort der männlichen Initiation. Das Feuer symbolisiert den männlichen Bund - kein wildes Feuer, gezähmt durch den Ofen, sondern ein Feuer, das direkt in den Himmel steigt, wie ein heiliges Feuer uralter Angler und Jäger. Das heißt also, die Männer durchlaufen die Initiation, um danach in der Wildnis und in einer primitiven, ursprünglichen Welt zu leben. Doch tatsächlich müssen sie in der Zivilisation leben. Sie kehren in das mütterliche Haus zurück. Die Kamera wird lange auf eine alte Fahrrinne gerichtet - ein alter „Volga“ mit Andrej am Steuer, fährt auf seinen eigenen Spuren zurück.
Der Film zeigt also zwei Arten der Rückkehr - beide geschehen in ein und demselben Haus. Zunächst der Vater, dann die Söhne. Auf einer befahrenen Bahn. In einem Teufelskreis. Die Söhne gehen als Kinder weg, und kehren als erwachsene Männer zurück. Als Vertreter ihres Vaters.

In dem Film passiert kein umfassender Durchbruch zu neuen Horizonten. Nach der väterlichen Schulung sind Söhne die Neuerungen nicht gewöhnt. Zwar vermittelte der konservative Vater ihnen sein Know-How, erstellte dabei aus ihnen aber sein Ebenbild. So kennen sie letztlich nur seine Lebenstechniken: Gewalt, „Arbeit“ mit Naturkräften und Substanzen, ein Leben nach „Begriffen“... Diese Kenntnisse werden nur zu einem Leben in einer traditionellen Gesellschaft, im Gefängnis oder in einem wilden Dorf ausreichen. Doch wer wird den Jungen beibringen Konflikte zu lösen, sich mit Mitmenschen zu verständigen, Kompromisse einzugehen? Welche Berufe werden sie wählen? Wie werden sie letztendlich ihre Beziehungen mit Frauen aufbauen? Der Film zeigt Frauen ausschließlich im Haus. Zwischen dem Vater und der Mutter gibt es keine Nähe. Die Mutter ist eine schöne Frau, sie ist allein in ihrem Schlafzimmer. Auch der Vater ist allein.
Der Vater vermittelt seinen Söhnen keine Kenntnisse für das Leben in einer Gesellschaft. Die Werte, welche der Vater predigt, lassen sich weder mit dem Kulturfortschritt vereinbaren, noch mit Computern oder mit der Suche nach eigener Identität. Sein männlicher Archaismus, voll einer poetischen Mythologie, ist zum Aussterben verurteilt. Der phallische Turm verfault. Er ist nicht mehr in der Lage, seine Protagonisten zu tragen. Auch der mystische väterliche Schatz versinkt zusammen mit dem toten Vater ins Totenreich. Das Erbe des phallischen Vaters ist der Ödipuskomplex, ein unentbehrliches Attribut der westlichen Zivilisation. Der Vater selbst wird dabei Geschichte. Er bewegt sich in den Bereich des Kulturarchivs der Menschheit: den Reisefotos mit ihm folgen frühere Familienbilder. Als letztes steht ein Foto ohne konkrete Figuren, das nur eine kleine Kinderhand zeigt, die sich nach oben ausgestreckt und von einer starken männlichen Hand festgehalten wird.

Ich gebe nun noch mal eine Zusammenfassung meines Urteils: obwohl dieser Film von einer religiösen Symbolik durchdrungen ist, trägt er keine religiöse Botschaft. Die christliche Symbolik dient hier als Universalsprache der Kultur, die wichtige Begriffe enthält wie Heiliger Vater, Adam, Christus als Opfer, Wasser als Symbol für die Taufe und die Kommunion usw. Die Freudsche Symbolik ergänzt dabei die christliche. Die Verwendung von Inhalten wie das Archiv, die Falte oder die Spur gehören zu einem postmodernen Kulturlexikon dazu.
Zum ersten Mal habe ich mir diesen Film mit einer Freundin angeschaut, die kurz davor tiefgläubig und strengorthodox geworden war. Sie bezeichnete den Film als „satanisch“. Das ist noch eine Bestätigung dafür, dass jeder den Kulturtext persönlich, mittels eines eigenen „Alphabets“ liest. Ich sehe darin die Geschichte vom Untergang der phallischen Kultur und von der Unfähigkeit einer Gesellschaft neue Kulturmodelle zu entwickeln. Es geht um den Zusammenbruch der männlichen Identität, um die schmerzhafte Rückkehr zu den eigenen Wurzeln... Andrej verwandelt sich komplett in den Vater, handelt nach dessen Regeln, spricht dessen Sprache, mit einer Stimme, die sogar der des Vaters ähnelt. Auf der anderen Seite steht Ivan, der die ganze Zeit über ein Anführer und Rebell gewesen ist und der plötzlich wieder zum kleinen Jungen wird und sich bedingungslos seinem Bruder unterwirft. Warum? Verweigert er endgültig die Initiation, die der Vater eingeleitet hat? Wird er einen anderen Weg wählen? Steckt in ihm vielleicht der gnostische Johannes, der sich den drei synoptischen Versionen der heiligen Schrift nicht anpassen will...

(Übersetzung von Ruth Pingen und Inna Bochulya)

ДИСКУРСИВНОЕ, ГЕНДЕР, КИНО

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