Heute habe ich mal entschieden, euch ein wenig zu necken. Und zwar mit einem oder auch zwei Schnippsel meines momentanen WiPs.
Bedenkt aber, dass ich noch immer an dieser Story arbeite. Sie ist also noch nicht fertig -auch wenn ich mich so langsam dem Ende nähere und das obwohl ich heute zum Beispil kaum ein Wort habe schreiben können.
Und sie ist auch noch nicht überarbeitet, geschweige denn gebetat. Ich hoffe, es gefällt euch trotzdem.
Titel: Long Way Home
Fandom: Stargate Atlantis (AU)
Pairing: John/Rodney
Genre: Romance, Humor, Slash
Rating: NC-17
Warnungen: Das ist eine AU-Story die auf der Erde, ohne Atlantis und ohne das Stargate spielt. John ist ein Geschäftsmann, lediglich Rodney blieb der Physik treu.
Kurzinhalt: Weihnachten mit der Familie. Für den einen Mann ein Gräuel, für den anderen eine willkommene Ablenkung. Doch es ist der Weg, der die beiden aufeinander treffen lässt …
19. Dezember - Flughafen Los Angeles, Kalifornien
Es war früh am Morgen, als Rodneys Maschine aus Denver landete. Da es nur ein kurzer Aufenthalt im sonst sonnigen Kalifornien sein sollte und er auch nicht viel Gepäck bei sich hatte, abgesehen von dem sperrigen Teddybär, der sich schwer tat durch die Röhre des Röntgenapparates zu passen, war ihm das stundenlange Anstehen an der Gepäckausgabe erspart geblieben und so konnte er sich bis zum nächsten Check-In für die Maschine nach Vancouver noch in die hinterste Ecke eines Starbucks setzen und an seinem Laptop arbeiten.
Dumm war nur, dass Rodneys Hoffnung an ein wenig Abgeschiedenheit in dieser kleinen Ecke sich schnell in Luft auflöste als sowohl das Handy seines Tischnachbarn, als auch dieser selbst einfach nicht zur Ruhe kommen wollten. Der andauernde schrille Klingelton konnte einen ja schon zum Wahnsinn treiben, aber die Stimme des Mannes selbst war einfach unerträglich und störte seine Konzentration ungemein.
Gerade als Rodneys Geduld endgültig am Ende zu sein schien, stand sein Tischnachbar auf und ging. Endlich konnte er sich nach einem Blick auf seine Uhr wieder seinen Berechnungen widmen. Zunächst fiel es ihm auch leicht, die Gespräche und den Trouble um sich herum auszublenden und sich auf das wesentliche zu konzentrieren. So hatte er hier und da ein paar Notizen in seine Berechnungen eingefügt und neue Notizen angehängt. Zwar machte er nur kleine Fortschritte in seiner Theorie, aber Rodney war dennoch zufrieden.
Es würde ein Meisterwerk werden, sein Meisterwerk. Es würde die größte Errungenschaft der Menschheit werden und ja, der Nobelpreis wäre ihm sicher. Bliebe nur noch das Problem, seine Theorie auch in die Praxis umsetzen zu können. Diese Theorie alleine war ja schon gewagt, aber das Ganze in die Praxis umsetzen zu wollen, wäre ein gigantisches Unterfangen, an das sich wohl nur die wenigsten Investoren und Forschungslabore heranwagen würden. Aber das wäre ein Problem, das noch gut und gerne ein Jahr oder länger auf die lange Bank geschoben werden konnte.
Ein Blick auf die Abflugstafel in der Halle verriet ihm, dass sein Flug über eine Stunde Verspätung haben sollte. Großartig, das hatte gerade noch gefehlt. Rodney spürte, wie seine mühselig aufrecht gehaltene gute Stimmung langsam in den Keller rutschen sollte. Erst konnte dieser unfähige Typ hinter dem Ticketschalter seine Reservierung für seinen Flug nicht finden, und ließ ihn doch tatsächlich fast zwanzig Minuten warten, dann wurde er durch die grölende Stimme und das penetrante Klingeln des Handy-Man mürbe gemacht und nun das. Das war wirklich nicht sein Tag. Das war noch nicht einmal seine Woche.
Rodney hatte gerade selbst sein Handy am Ohr und informierte seine Schwester über seine verspätete Ankunft, als er seinen Blick durch das Cafe schweifen ließ und an einem großgewachsenen, dunkelhaarigen Mann hängen blieb, der gerade am Tresen stand und auf seinen bestellten Kaffee wartete.
Rodney schenkte seiner Umgebung normalerweise recht wenig Beachtung, schon gar nicht, wenn er mit seiner Arbeit beschäftigt war. Daher verstand er zunächst nicht so recht, warum er gerade bei dem Anblick dieses Mannes hängen blieb.
„Äh … ja, Jeannie. Ich melde mich am besten nochmal kurz vor dem definitiven Abflug … bis dann.“
Rodney klappte sein Handy zu, steckte es wieder zurück in seine Jackentasche und sah, wie dieser gutaussehende Mann, der Bedienung eines jener Lächeln zeigte, das die üblichen Frauenschwärmer drauf hatten. Dann nahm er seine Tasche wieder auf, griff nach seinem Becher, drehte sich um und … Himmel, war der Kerl gut aussehend. Groß, schlank und muskulös, aber nicht zu sehr, wie es seine dunkle Jeans und sein helles Hemd verrieten, die sich bei jeder Bewegung sanft an seinen Körper schmiegten. Das dunkle Haar, dass an seinem Oberkopf wild in alle Richtungen abstand, wobei ihm immer noch einige Strähnen in die Stirn fielen. Richtig verwegen. Und die Augen …
Es war aber auch zu schade, dass dieser Kerl offenbar ein Kirk zu sein schien. Mit diesem frechen Grinsen und diesem Blick konnte nur ein Frauenschwarm flirten und somit spielte er nicht in Rodneys Liga. Schade, schade. Vor allem wegen der Augen … Rodney versank geradezu in diesen Haselnussfarbenen Augen in denen er sich zu gerne verlieren würde. Und nun kamen sie geradewegs auf ihn zu.
Rodney schluckte, ließ seinen Blick schnell wieder auf die Tastatur seines Laptops sinken und hoffte und betete. Hoffte, der Mann würde zu ihm kommen, betete er würde es nicht, dann betete er, er möge zu ihm kommen und hoffte, er würde es doch wieder nicht.
Rodney beobachtete aus dem Augenwinkel, wie der Mann sich neben ihn an den freien Tisch setzte und als erstes sein Handy aus der hinteren Hosentasche nahm. Kein besonders sicherer Ort für ein solch teures Gerät, dachte sich Rodney. Aber es war ja schließlich nicht sein Problem. Dennoch fragte er sich, ob sich das Theater von vorhin wiederholen würde und er wieder der Folter eines Handy-Psychopathen ausgesetzt wäre.
Überraschenderweise besaß der Mann jedoch eine angenehme Stimme. Eine sehr angenehme sogar und Rodney ertappte sich selbst beim belauschen. Dummerweise verstand er den Großteil des Gesprächs nicht, denn just in diesem Moment musste dem Service-Personal ein Tablett mit Geschirr runterfallen, was die Anwesenden als Aufforderung zum Klatschen auffassten.
„Ja … ja, ist gut, Dave. Ich kümmere mich noch schnell darum und kann ihm dann die Berichte selbst geben, wenn ich da bin … ja, ich melde mich wieder.“
Ein wenig enttäuscht widmete sich Rodney wieder seiner Arbeit, doch er ertappte sich immer wieder selbst dabei, wieder er zur Seite schielte. Beruhigt stellte er fest, dass der Mann offensichtlich ebenfalls Wert auf Ruhe und Ungestörtheit legte, denn er konnte sehen, wie er das Handy ausschaltete und wieder in seine Tasche steckte. Dann widmete er sich seinem Aktenkoffer, der sogar nicht nach dem klassischen Modell eines Koffers entsprach.
Rodney konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieser Kerl in seiner Tätigkeit zur Riege der Aktenkofferträger gehörte, doch die Listen und Dokumente mit den vielen Zahlen sprachen eine andere Sprache. Besonders überraschte ihn jedoch die Tatsache, dass der Mann seine Berechnungen ohne irgendein Hilfsmittel wie Taschenrechner oder sonstiges ausführte. Zugegeben, es waren keine komplexe mathematische Formeln, soviel konnte Rodney erkennen, aber die Zahlen waren nicht gerade klein. Hier musste es sich offenbar um ein kleines Mathe-Genie handeln.
Rodney zog die Augenbrauen kraus und kümmerte sich lieber wieder um seine eigenen Zahlen und Formeln.
„Was dagegen?“, ertönte eine Stimme.
Rodney sah zur Seite, von der die Stimme zu kommen schien und verschluckte sich fast an seinem Kaffee, als ihn die haselnussfarbenen Augen erwartungsvoll anblickten. Sein Blick folgte den Augen hin zur Schulter, herüber zum Arm und der Hand die den Zuckerstreuer auf seinem Tisch hielt.
„Ich hatte zwar mit Zucker bestellt, aber offenbar muss etwas schief gelaufen sein“, lautete die genauere Erklärung des dunkelhaarigen Mannes.
„Hm? Oh, ja … nein, nein … bitte, bedienen Sie sich.“
Dankbar lächelnd widmete sich der Mann sich der Zuckerung seines Kaffees und stellte den Zuckerstreuer gleich wieder zurück auf Rodneys Tisch.
„Wow, das sieht ziemlich kompliziert aus …“, fuhr der Tischnachbar fort, als er eine Blick auf Rodneys Laptop erhaschen konnte und Rodneys musternder Blick ihn traf. „Entschuldigung. Ich wollte Sie nicht bespitzeln.“
„Hm? Oh das … ja, das ist nur so ein kleines … Projekt. Nichts wichtiges. Überhaupt nicht wichtig.“
Ein Nicken, gefolgt von einem Lächeln brachte wieder ein Schweigen zwischen die beiden Männer und Rodney war es fortan nicht mehr möglich, sich auf irgendetwas anderes als auf diese verwuschelte Frisur des Mannes neben ihm zu konzentrieren.
So etwas war ihm schon lange nicht mehr passiert. Zumindest nicht in diesem Ausmaß. Rodney traf schon oft auf Männer, die er zwar attraktiv fand, was hin und wieder auch auf Gegenseitig beruhte. Aber es reichte niemals zu mehr. Vielleicht ein kurzer Small-Talk, manchmal auch kleiner unschuldiger Flirt, wenn das Gefallen doch etwas offensichtlicher war, aber dabei blieb es zumeist und die letzte nennenswerte Beziehung lag auch schon eine halbe Ewigkeit zurück.
Aber wieso bei allen Physikern, irritierte ihn dieser Schönling neben ihm derart? Zumal die Interaktion gerade mal einige Momente andauerte und die gesprochenen Worte an zehn Fingern abgezählt werden konnten. Rodney glaubte auch nicht an Liebe auf den ersten Blick und doch ließ ihn der Gedanke daran plötzlich keine Ruhe mehr. Was, wenn es so etwas wie Karma oder Schicksal wirklich gäbe? Saß dort sein Schicksal? War er vielleicht doch kein Kirk? Und wenn doch, wäre er sein Kirk?
Seit seinem Outing wusste Rodney, es konnte böse enden, einfach anzunehmen, das Interesse sei von Gegenseitigkeit. Er wusste nichts über diesen Mann. Himmel, er könnte sogar ein Verbrecher sein!
Aber da war wieder diese Stimme in seinem Inneren, die ihn einen Narren schallte und ihn kaum merklich mit dem Kopf schütteln ließ. Da war sie wieder, seine Angst. Angst vor dem Gelächter und als kompletter Narr da zustehen, Angst vor Zurückweisung, Angst vor verletzten Gefühlen … Angst vor etwas, dass er vermutlich selbst nicht einmal benennen konnte.
Aber verdammt! Sollte es denn für den Rest seines Lebens so weiter gehen? Es musste ja nicht die große Liebe sein, ein One-Night-Stand stand auch nicht gerade auf seiner To-do-Liste, obwohl …bei diesem Augenschmaus könnte man doch eine Ausnahme machen, oder? Und selbst wenn es bei aller Vorsicht noch nicht einmal zu einem Flirt kommen sollte, so könnte es doch einfach nur ein netter Small-Talk werden.
„Inventur?“, fragte Rodney nach unzählig erscheinenden Minuten.
„Sowas in der Art, ja. Jahresabschlussbericht“, antwortete `Kirk´. „Bin ein bisschen spät dran damit, aber so läuft es jedes Jahr. Man kommt einfach nicht dazu.“
„Und der Boss schiebt Ärger, hm?“
„Nein, eigentlich nicht“, antwortete der dunkelhaarige Kirk lächelnd. „Aber Geduld ist auch nicht gerade eine Tugend in dieser Familie.“
„Ein Familienbetrieb also“, spekulierte Rodney und hoffte das Gespräch so lange wie möglich führen zu können. Je mehr er herausfand um so besser.
„Ein Unternehmen.“
„Und Sie sind … Manager?“, fragte Rodney weiter und hoffte nicht zu aufdringlich zu sein. Das wurde ihm schon früher oft zum Verhängnis. Auf ein weiteres Mal konnte er gut verzichten.
„Geschäftsführer … Stellvertretender Geschäftsführer einer Zweigstelle.“
„Ah“, brachte Rodney hervor und das war vorerst alles, was ihm in den Sinn kam.
Stellvertretender Geschäftsführer einer Zweigstelle in einem Familienunternehmen … und den Zahlen nach, war es offensichtlich nicht gerade ein kleines Unternehmen. Soviel hatte Rodney erkennen können. Und wenn man bedachte, dass dieser Mann offenbar alles im Kopf errechnete, schien er entweder äußerst fähig zu sein, weshalb man ihm diesen Posten gab und nicht irgendeinem Familienmitglied, oder er war selbst ein Mitglied dieser scheinbar erfolgreichen Familie. Was wohl nahe lag. Auf jeden Fall hatte er was im Kopf und Intelligenz war schon immer eine Eigenschaft, die anziehend auf ihn wirkte.
Zu gerne würde Rodney dem weiter auf den Grund gehen, aber das wäre wohl ein Tick Neugier zu viel und so entstand wieder ein langes Schweigen.
Rodney fluchte innerlich. Es hatte doch so gut angefangen und der Mann machte mittlere auch nicht mehr den Eindruck eines Verrückten oder gewalttätigen Soziopathen. Aber es waren immer noch zu wenig Infos, um seine Hoffnung zu einer Annahme zu machen und einen Schritt weiter zu gehen. Seine nicht vorhandene Begabung zum Small-Talk machten ihm schon wieder einen Strich durch die Rechnung.
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John hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit den blauesten Augen, die er seit langem gesehen hatte.
Eigentlich hatte John seine Wartezeit bis zu seinem Flug nur mit einem Kaffee und dem Abschluss seines viel zu späten Jahresberichts verbringen wollen. Doch das Starbucks war ein recht gut besuchtes Cafe und John konnte froh sein, diesen einen Sitzplatz neben einem ebenfalls beschäftigt wirkenden Mann zu erhaschen.
Doch dann hatte er einen genaueren Blick zu dem Mann riskiert. Schlagartig hatte er wieder Lyle vor sich gesehen und musste gegen den enormen Kloß schlucken, der in seiner Kehle festsaß. Auch Lyles Augen erstrahlten einst in einem stahlblau, doch die seines Tischnachbarn … sie waren geradezu hypnotisierend. Dann noch das dunkelblonde Haar, die breiten Schultern und wenn er sich nicht verguckt hatte, schien er weder rappeldürr noch bullig-muskulös, eher ganz leicht untersetzt zu sein. Nicht schlecht. Ganz und gar nicht schlecht. Wenn er recht bedachte, entsprach er schon seinem eigentlichen Beuteschema. Wenn er denn auf Beutezug wäre.
John suchte nicht wirklich nach einer neuen Partnerschaft, geschweige denn nach einem Partner. Der Verlust saß einfach noch zu tief und John hatte keinerlei Interesse, das Wohl eines Mannes und einer Beziehung durch seine Trauer und den Versuch, Lyle irgendwie zu ersetzen, zu riskieren oder gar zu schädigen. Das hätte keiner der beiden verdient.
Aber verdammt, dieser Mann puschte seine Trigger schon ganz schön.
„Ingenieur?“, fragte John, um die Konversation wieder anzufachen. Er wollte mehr über diesem Mann wissen und hatte irgendwie das Gefühl, dass dieser Mann sich sonst eher nicht so zurückhaltend verhielt.
„Wie bitte?“, fragte seien Tischnachbar und wirkte aufgeschreckt.
„Sind Sie Ingenieur?“, wiederholte John und wies auf den Laptop mit den vielen komplizierten Formeln.
„Ja, nein … Ja, ich bin auch Ingenieur. Aber mein Haupttätigkeitsfeld ist die Physik und Astrophysik.“ Oder sie war es wohl eher -, führte Rodney im Geiste fort.
Johns Augenbrauen wanderten bewundernd nach oben. Nicht nur gut aussehend, sondern auch noch intelligent. Noch mehr anziehende Eigenschaften. Wären da doch bloß nicht seine Zweifel und seine Zurückhaltung und seine Angst vor einer schmerzhaften Wiederholung der Vergangenheit.
Wie so oft in der Vergangenheit musste John sich selbst ermahnen. Seine Vergangenheit mochte vielleicht vergangen sein und er führte nun ein anderes Leben, dass so manches Risiko minimierte, aber wer wusste schon, wie dieser Mann gestrickt war. Die Sorge, jemanden ins Unheil zu stürzen rumorte noch immer tief in ihm. Aber gegen einen netten unverbindlichen Plausch sollte jedoch nichts einzuwenden sein.
„Und … gehört Ihr Boss auch zu den weniger geduldigen oder warum tippen Sie so eifrig auf ihrem Computer herum? Man könnte meinen, Ihr Leben hinge davon ab.“
„Weder noch und doch beides“, antwortete Rodney und bemerkte sofort den stutzenden Gesichtsausdruck seines Nachbarn. „Mein Boss gehörte sicherlich zu der Sorte, die unter anderem auch nicht mit Geduld gesegnet waren, aber das hier … das ist mein eigenes kleines Projekt.“
„Gehörte?“, harkte John nach.
„Ja. Sagen wir einfach, unsere Vorstellungen über die Einbringung meines Wissens und Könnens, ganz zu schweigen meiner persönlichen Projekte und Rechte stimmten nicht überein, also … kümmere ich mich von nun an um mein eigenes Leben, dass ich mir über Weihnachten zurecht rechnen und schmieden werde.“
„Klingt nach einem guten Plan.“
„Ja. Aber so wie ich meine Schwester kenne, hat sie ganz andere Pläne, die ebenfalls meist nicht mit den meinen übereinstimmen. Hach … das wird wieder eines dieser aufreibenden Feste … hätte ich bloß nicht zugesagt“, murmelte Rodney zum Schluss gedankenverloren, was John abermals schmunzeln ließ.
„Weihnachten mit der Familie, hm? Bei Ihnen klingt es, als würde es in einem Desaster enden. Haben Sie deswegen dieses Ungetüm dabei?“, brachte John hervor, und wies auf den Riesen-Teddy, kurz bevor seine Gedanken zu seiner eigenen Familie und den damit behaftenden Probleme wanderten.
„Der ist für meine kleine Nichte. Vielleicht besteht bei ihr ja noch Hoffnung, nun wo meine Schwester alles hingeschmissen hat. Mal ehrlich. Sie hatte eine Zukunft. Sie hätte einiges erreichen können in der Physik. Gut, vielleicht nicht in meiner Liga. Aber so dumm war sie auch wieder nicht, bis sie auf diesen English-Mann-Lehrer trifft und sich von ihm schwängern ließ und ihn dann auch noch heiratete. Einige teure Jahre am MIT und ein akzeptabler Verstand vergeudet … einfach so … für die Illusion einer Familie.“
Wieder musste John lächeln und unterdrückte ein Kopfschütteln. Der Mann zeigte zwar teils arrogante Züge, war sehr von sich eingenommen und auch nicht gerade auf den Mund gefallen und doch war da noch etwas anderes an ihm, das John immer mehr faszinierte. Vielleicht war es diese plötzliche Offenheit, die er zeigte.„Tja, die Menschen haben unterschiedliche Vorstellungen vom Leben und dem Glück und dem ganzen Rest.“
„Die Vorstellung meiner Schwester kenne ich nur zu gut. Neulich meinte sie doch glatt, dass sie sich noch ein Kind wünscht. Mal ehrlich. Maddie ist mittlerweile alt genug um in eine Kindergrippe oder in eine Ganztagsbetreuung zu gehen und Jeannie könnte wieder studieren oder einen guten Job in einem Labor oder sowas annehmen.“
„Warum sollte sie? Wenn sie mit diesem Leben doch glücklich ist … „ gab John achselzuckend zurück und Rodney wurde mit einem mal bewusst, dass er mal wieder viel zu viel aus dem Nähkästchen geplaudert hatte. Einfach so!
Warum, wusste er selbst nicht so recht, aber es war bestimmt nicht gut, auch wenn er sich in der Gegenwart dieses Fremden doch recht wohl zu fühlen schien. Das war schon ein kleines Mysterium, wenn man bedachte, dass er diesen Mann im Grunde gar nicht kannte. Vielleicht lag es an seiner lockeren Einstellung. Er schien ein Mann zu sein, der die Dinge nicht allzu ernst nahm und doch schwang in allem diese Verwegenheit mit.
Ein Jammer, aber es wäre wohl besser, den Mund zu halten und so schnell wie möglich das Weite zu suchen, wenn er nicht von dem kleinen Fettnäpfchen ins nächstgrößere oder womöglich das größte, das natürlich nur mal wieder er finden konnte, hineintrat. Außerdem, warum sollte er sich noch weiter mit diesem Mann unterhalten, wenn er höchstwahrscheinlich doch nicht seiner Kragenweite entsprach und ihn wohl auch niemals wieder sehen würde?
„Ja … ja, schon möglich. Es war nett, mit Ihnen zu plaudern. Ich … ich muss nun zusehen, dass ich meinen Flug bekomme, bevor sie ihn wieder verschieben oder … oder schlimmeres“, stotterte Rodney vor sich hin und packte in Windeseile seine sieben Sachen zusammen.
Ehe John sich versah, war sein Tischnachbar aufgesprungen, stieß sich das Knie an einem der Stühle, sodass John nur gerade mitfühlend das Gesicht verziehen konnte, als er die Flüche des Mannes hörte und schon war er hinaus gerauscht. Er hatte ihm nicht einmal eine gute Reise wünschen können.
John sah auf die Uhr und bemerkte, dass ihm noch gut und gerne eine dreiviertel Stunde blieb, bevor er zu seinem Check-In musste. Dabei fragte er sich aber auch, welchen Flug sein Tischnachbar wohl erwischen wollte, denn so bald würde kein Flug gehen. John seufzte und zuckte kaum merklich mit den Achseln. Schade, er hätte sich zu gerne noch ein wenig länger mit diesem Mann unterhalten.
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