Die Marionette

Jun 03, 2008 10:28

Titel: Die Marionette
Fandom: Das letzte Einhorn/The last Unicorn
Charaktere: Lir, Schmendrick (Gen)
Wordcount: 1.184
Rating: G
Warnungen: Keine. Außer dass es ungebetat ist.
Disclaimer:
Anmerkungen: Für den " Gen vs. Kink"-Battle auf ficathon_de (Gen-Prompt: Schmendrick, Lir; Marionette) und für mich eher so etwas wie eine kurze Schreibübung nach zu langer Schreibenthaltung, bevor ich mich wieder an ernstere Fics wagen kann.



Die Säle waren in Dunkelheit getaucht, die kalten Steinmauern und scharfen Konturen der Schatten, jedesmal wenn ein Blitz hinter den verregneten Fensterscheiben aufleuchtete, ließen das Schloss in Lirs Augen noch abweisender erscheinen als es an normalen Tagen und Nächten schon war, und in der Ferne vermischten sich der grollende Donner und das Brüllen des Roten Stiers auf der Jagd. Nur aus dem schmalen Gang, wo sich die Küche hinter einer scharfen Biegung versteckte, drang ein schwacher Lichtschimmer hervor, doch das reichte Lir aus um diesen Ort als den einladendsten Teil des gesamten Schlosses zu betrachten, und dankbar schlug er diese Richtung ein, sein schwächlich im Durchzug aufflackernden Kerzenstumpf in der Hand.

Zu seiner Überraschung war es Schmendrick, der am Küchentisch saß und ihn mit großen Augen und offenem Mund begrüßte, als er ihn eintreten sah.

„Ist Molly nicht da?“ Lir blinzelte ein wenig geblendet in den vom Feuer im Kamin hellen und warmen Raum hinein, als erwarte er dass die Magd sich irgendwo in der ansonsten winzigen Küche versteckte.

„Ah, nein! Sie ist schon zu Bett gegangen.“ Der Zauberer sprang sofort auf seine Füße und verlagerte unsicher sein Gleichgewicht von einem Bein zum anderen, als wäre er nicht sicher was er für seinen hohen Gast tun solle. „Braucht ihr etwas, Eure Hoheit? Ich gehe sie wecken wenn Ihr wollt...“

„Nein nein, das ist nicht nötig“, versicherte Lir ihm mit einer beschwichtigenden Handbewegung, seinerseits nun ein wenig peinlich berührt. „Nein, ich wollte nur schauen, ob es noch etwas von der Suppe gibt“, deutete er mit einem Finger auf dem großen Kessel über dem Feuer. Und als Schmendrick ihn noch immer ein wenig hilflos betrachtete:

„...und vielleicht habe ich einfach nach ein bisschen Gesellschaft gesucht“, gab er schließlich mit einem verlegenen Grinsen und einem leichten Schulternzucken zu. „Falls ich dich nicht störe, heißt das...“

„Nein, natürlich nicht!“ Der schmächtige Zauberer entspannte sich sichtbar und zauberte selbst ein Lächeln auf seine Züge, das neben seiner charakteristischen Unsicherheit auch Verständnis zeigte. Und bevor Lir sich selbst an der Suppe bedienen konnte, hatte Schmendrick schon eine Holzschale in der Hand und tauchte den großen Schöpflöffel in den Topf. Ergeben ließ er sich deshalb auf den zweiten Schemel am großen Eichentisch sinken und mit einem weiteren unsicheren Lächeln Schmendricks die Schale mit dem dampfenden Inhalt, begleitet von einem schlichten Holzlöffel und einem Stück Brot, vor sich hinstellen.

„Lasst es Euch schmecken!“, wünschte der Zauberer herzlich, während er an seinen eigenen Platz zurückkehrte und sich wieder über das Bündel beugte, an dem er schon bei Lirs Eintreten gearbeitet hatte.

„Was ist das?“, beäugte Lir es neugierig, ein Löffel mit heißer Suppe schwebte zum Abkühlen dicht vor seinen Lippen.

Schmendrick sah auf und hielt das Bündel an beiden Schultern hoch, sodass Lir erkennen konnte um was es sich handelte:

„Eine alte Marionette, die ich auf dem Dachboden gefunden habe. Ich versuche sie zu reparieren.“

Sie sah in der Tat alt und an mehreren Stellen beschädigt aus, und die verblasste Farbe und das fehlende Glasauge im Gesicht verliehen ihr ein unangenehmes, gruseliges Aussehen.

„Kannst du sie bewegen?“, hörte sich Lir sagen, obwohl ihn das Aussehen der Puppe zugleich faszinierte und abstieß.

Schmendrick lächelte als Antwort darauf nur, nicht sein übliches unsicheres Lächeln, sondern verheißungsvoll und mit einem versprechenden Zwinkern in den Augen. Und die Puppe begann sich im Gleichklang mit seinen Händen zu bewegen, obwohl Lir keine Fäden zwischen ihr und ihrem Spieler erkennen konnte und sich Schmendricks flinke Finger nun in einem unmöglichen Rhythmus zu dem Tanz seiner Marionette zu winden schienen. Immer schneller tanzte der kleine Clown auf dem Tisch, während sich aus dem Kaminfeuer bunte Irrfeuer zu lösen schienen, die mal grün, mal rot, mal gelb mal blau um ihre Köpfe hüpften und aus dem Nirgendwo eine fröhliche Jahrmarktsmusik erklang. Bunte Bälle erschienen aus dem Nichts und begannen in mehreren perfekten Reihen ihre beiden Jongleure zu umschwirren, und trotz dem fehlenden Auge und abgeschabtem Äußeren war das stumme, doch fröhliche Lachen der Puppe so mitreißend, dass Lir nicht anders konnte als mit verzücktem Gesichtsausdruck ihrem Tanz zuzuschauen.

„Du bist wirklich ein großer Zauberer!“, verkündete er noch immer mit einem hingerissenen Lächeln auf den Lippen, als die schwebenden Feuer langsam verlöschten und die Marionette gemeinsam mit Schmendricks Fingern zur Ruhe kam und schließlich wieder leblos auf der Tischplatte in sich zusammensackte.

„Ich wünschte es wäre so“, antwortete der jedoch seufzend, während er wieder nach einem schmalen Schraubenschlüssel griff und sich wieder über seine Arbeit beugte, „aber das waren nur billige Taschenspielertricks. Ich befürchte das kann jeder drittklassige Jahrmarktsgaukler.“

Lir erwiderte nichts und löffelte stumm seine Suppe, die heitere Stimmung verflogen wie die Magie, die für einen kurzen Moment diesen Raum erhellt hatte.

„Kennst du das Gefühl manchmal wie diese Marionette geführt zu werden, dich völlig hilflos von deinem Schicksal führen zu lassen?“, unterbrach er mit einem Mal nachdenklich das Schweigen.

Schmendrick sah überrascht auf.

„Sehr wohl sogar“, antwortete er ohne zu zögern. Dann verzog er leidvoll das Gesicht zu einer Grimasse:

„Manchmal lasse ich mich sogar freiwillig wie eine Puppe führen wenn ich nicht weiterweiß, statt wie ein anständiger Zauberer selbst für etwas sorgen. Aber selbst das hilft mir selten weiter...“

Seine Züge entspannten sich, sein Blick nun sanft, beinahe gütig, als er Lir betrachtete:

„...aber ich dachte bisher immer, dass Leute von hohem Adel wie Ihr nicht mit solchen Problemen zu kämpfen habt. Offensichtlich scheine ich mich geirrt zu haben...?“

Lir erwiderte seinen Blick nicht, seine eigenen Augen ruhten melancholisch auf der Marionette, die mit schiefem Kopf und hängenden Schultern ohne Leben, ohne eigene Kraft in Schmendricks Händen hing.

„Man... hat mich bei meiner Geburt nicht gefragt, ob ich Bauern- oder Königssohn sein wollte. Meine Herkunft hat mich zu dem einen gemacht, und doch hatte das Schicksal etwas anderes mit mir vor. Und jetzt bin ich mir nicht sicher, ob das andere nicht gnädiger gewesen wäre...“

Das schiefe Lächeln, das Schmendrick ihm dieses Mal zuwarf, wirkte in dem warmen Schein des Feuers nicht wie sein übliches unsicheres Grinsen, sondern behaglich warm, verheißungsvoll, weise. Und es war Lir, als erkannte er in dem Moment ein wenig von dem großen Zauberer, der sich unbewusst hinter dem tollpatschigen jungen Mann ohne Selbstbewusstsein in seinem Inneren verbarg und geduldig auf seinen großen Tag wartete:

„Ich träume jede Nacht davon, dass ich eines Tages richtige Magie beherrschen können werde, auch wenn dieser Tag noch weit weg sein mag. Ihr, Eure Hoheit, seid nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt wie ich, was auch immer eure Herkunft sein mag. Warum zweifelt Ihr daran, dass Ihr dem Schicksal nicht trotzen könntet, wenn Ihr doch all die Stärke und den Mut habt um Eure eigene Zukunft zu bestimmen?“

Lir erwiderte sein Lächeln endlich nach einem längeren, nachdenklichen Zögern, dann schob er während er aufstand gleichzeitig seine leere Suppenschale und den Schemel vom Tisch.

„Du hast recht. Es bringt nichts zu jammern, wenn man handeln sollte um sein Schicksal zu ändern. Und ich freue mich dich eines Tages wiederzusehen, wenn auch du der große Zauberer geworden bist von dem du träumst.“ Und Lir verließ den Raum, ein Lächeln auf den Lippen als er Schmendricks verwirrten Blick in seinem Nacken spürte.

das letzte einhorn, lir, schmendrick

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