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FFde Fandom: Teen Wolf
Relationships: Stiles Stilinski x Derek Hale, Stiles Stilinski & Scott McCall
Projekt:
cassis angel & das
another universe 2-wichteln
Prompt: steam punk | stiles, derek | hitze, buch, glas
chapter
one | two
Anmerkung:
visualisierung:
thermoakustischer drehmotor CN: Alkoholkonsum (erwähnt) & Essen
Als Stiles den Wells vom Boden aufhebt und ihn auf den Schreibtisch legt, knistern die Nervenenden in seinen Fingern immer noch. Alles fühlt sich unwirklich an, als er die Depressomaschine ausschaltet, die ihn eigentlich durch die Abendstunden hätte bringen sollen, aber ihn schändlich im Stich gelassen hat.
Hat er gerade wirklich Zugang zu Bauteilen von Hale Industries bekommen? Für seine privaten Projekte? Er hat schon oft für Argent mit ähnlich hochwertigen Materialien gearbeitet und er weiß genau, dass er für seinen thermoakustischen Drehmotor und die Kronrädermechaniken seiner neusten Maschine einen reibungsloseren Ablauf erzielen könnte, wenn er nur an ausgewogener gearbeitete Multiplex-Platten und genormte Muttern käme. (Die Teile, mit denen er arbeiten muss, kommen von Schrottplätzen, abgelegten Maschinen befreundeter Fahrer, manchmal abgelegten Maschinen unwissender Konkurrenten und aus dem Geldbeutel seines Vaters, weil er sich mit seinem geringen Gehalt nicht einmal über Wasser halten kann. Obwohl er sich durch die Rennen nebenbei noch etwas dazu verdient.)
Während er sich seinen Mantel überwirft und seine Schweißerbrille in die Tasche steckt, wirft er noch einen letzten Blick in sein (Argents) Arbeitszimmer, bevor er die Tür hinter sich zuzieht, mit einem seiner viel zu vielen Schlüssel abschließt und sich dann in den Innenhof aufmacht, um von dort aus auf den Marktplatz zu gehen, wo er vielleicht noch etwas zu Essen für sich und Scott besorgen kann.
Er denkt, dass er sich die Identität des Typen irgendwie hätte bestätigen lassen müssen; dass er zumindest hätte nach seinem Namen fragen müssen, um zuhause sicherzustellen, dass er sich nicht einem völlig Fremden ausgeliefert hat. Einem völlig Fremden, der weiß, wo er arbeitet, und ihn am Freitagabend wer-weiß-wohin mitnehmen möchte. - Stiles hat das nicht gut durchdacht. Eigentlich hat er das sogar gar nicht durchdacht. Er hat geredet, bevor er auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwenden konnte, was Scott in seiner Situation getan hätte. (Denn, ganz ehrlich, Scott ist seine einzige Impulskontrolle.)
So richtig realisiert, dass er Essen bestellt, bezahlt und eingepackt hat, hat er nicht. Erst als er in die Schwebebahn eintritt, fällt ihm auf, dass er sich zu sehr darauf konzentriert, was alles sein könnte, ohne sich aller Informationen bewusst zu sein. Peter Hale ist berühmt (und tatsächlich auch berüchtigt), zumindest etwas über seinen Neffen (seinen Namen, seine Adresse, sein Photo, was für Maschinen er überhaupt baut) zu erfahren, sollte für Stiles kein Problem darstellen.
(Aber er darf auch nicht darüber nachdenken, was es bedeutet, wenn es sich bei dem Typ in Hosenträgern und schweren Stiefeln tatsächlich um Hales Neffen handelt. Weil ihm dann vielleicht das Herz aus der Brust springt; weil er noch nie so nah dran war, das Beste aus sich herauszuholen. Und ihm fehlt nur noch so wenig, um sich für eins der ganz großen Rennen zu qualifizieren.)
Die Silhouette des nächtlichen Beacon Hills zieht an ihm vorbei, während er dem beruhigenden Schrapp Schrapp Schrapp der hölzernen Rotoren lauscht. (Er weiß noch, wie er das erste Mal mit einer Schwebebahn gefahren ist. Wie er seine Hände an die Fensterscheiben gelegt hat, mit den Fingerspitzen über die Maserung der Holzwände gefahren ist und die bronzenen Haltestangen berührt hat. Er erinnert sich, wie sein Dad ihm versucht hatte, zu erklären, wie die Waggons sich in der Luft halten, wie Thermodynamik bis in jede Pore ihrer Existenz dringt, aber bald gescheitert war, weil er selbst nie diese Lust in sich gespürt hatte, Wecker und Brotröster auseinanderzuschrauben und aus den Einzelteilen eine Maschine zu bauen, die Träume aufzeichnet. (Nicht, dass es Stiles tatsächlich gelungen wäre. Daran arbeitet er noch immer, in den Schatten seines Schlafzimmers, wo Scott es nicht bemerken würde.) Und Stiles erinnert sich daran, wie er der Schwebebahn, nachdem sie den Waggon verlassen hatten, noch ewig hinterhergesehen hatte, um vielleicht in diesen wenigen Sekunden alle Geheimnisse zu ergründen, die sich zwischen den Bronzeplatten und Holzverkleidungen verbargen.)
Die Schwebebahn ist immer ein Ort der Entspannung für ihn gewesen und er könnte sich nach einem langen Arbeitstag keine andere Art des Heimkommens vorstellen. Deswegen zögert er wahrscheinlich auch immer ein bisschen, bevor er die Tür aufschiebt und an seiner Haltestation aussteigt. Und warum er manchmal, wenn er ausnahmsweise die Zeit dazu hat, auch einfach in der Bahn sitzen bleibt und eine Extrarunde dreht. (Mit dem Fuß wippend und nur Haaresbreiten davon entfernt, die Polster von den Bänken zu ziehen und tief in die Mechanik einzutauchen.)
Stiles setzt einen Fuß vor den anderen, presst die Tasche in seinem Arm an seinen Oberkörper und spürt die Wärme ihres Abendessens durch den Stoff in seine Brust sickern. Die Feuchtigkeit, die sich den ganzen Tag über in jeder Pore seines Körpers und jeder Faser seiner Kleidung eingenistet hat, fühlt sich an, als würde sie sich durch die Kälte in Eiskristalle verwandeln, obwohl es noch nicht einmal Winter geworden ist, und Stiles ist unendlich froh, als er die Tür zu dem Einfamilienhaus aufschließt, in dem er sich ein kleines Appartement mit Scott und Lydia teilt. (Manchmal denkt er, dass Scott und er das Wohnzimmer wohl schon längst in ein zusätzliches Arbeitszimmer verwandelt hätten, wenn Lydia nicht zwischen ihnen und der Umsetzung dieses betrunken oftmals beschlossenen Unternehmens stehen würde.)
Mit der linken Hand schließt er die Wohnungstür auf und befördert seine Stiefel in eine Ecke, wofür Lydia ihn am nächsten Morgen mit einem bösen Blick bestrafen wird, während er mit seinem Ellenbogen die Tür hinter sich wieder zuwirft. Umständlich entledigt er sich seines Mantels und hängt ihn an die hölzerne Stehgarderobe, bevor er auf feuchten Socken durch das dunkle Wohnzimmer tappt und leise an Scotts Schlafzimmertür klopft. Als er ein leises Herein vernimmt, dreht er möglichst leise den Türknauf herum und schiebt sich hinein.
»Alter, bist Du gerade erst heimgekommen?« Scott liegt schon auf seinem Bett, aber zu Stiles' Überraschung noch vollständig bekleidet. Aufgeschlagen auf seinem Bauch liegt das Hörbuch, das Allison ihm im letzten Jahr zum Geburtstag geschenkt hat. (An solche Dinger ist nicht leicht heranzukommen und Scott hat ihm strengstens verboten, seines auseinanderzunehmen, sonst hätte er schon längst selbst welche gebaut und verkauft.) Die Seite, die Scott aufgeschlagen hat, projiziert ihm Sterne und Nebel an Decke und Wände, die nur ab und an flackern, aber nie ganz verlöschen. Leise Pianomusik erklingt aus dem Buch, aber keine Stimme verkündet immer und immer wieder den Titel des Kapitels, wie es bei einer simplen Aufnahme zu erwarten wäre.
»Bin eingeschlafen«, erwidert Stiles, setzt die Tasche mit ihrem Essen auf dem Boden ab und legt sich neben Scott auf die Bettdecke. »Hab uns Essen mitgebracht.« Aber obwohl Scott mit Sicherheit genauso hungrig ist wie er, langt keiner nach den Essensbehältern. Stattdessen liegen sie nebeneinander und betrachten schweigend die sich wiegenden Lichtpunkte. Von draußen dringt nur das Geräusch der im regelmäßigen Abstand vorbeifahrenden Schwebebahn nach drinnen und ab und an das laute Poltern der Dampfräder auf den Kopfsteinpflastern der Straßen. Es ist ruhig, wochentags um diese Uhrzeit. Als gäbe es nur sie beide hier.
»Du solltest endlich kündigen«, sagt Scott irgendwann. Stiles wäre beinahe schon wieder eingeschlafen. »Du wirst ausgenommen und das weißt Du.« Stiles seufzt und er denkt, dass es sich einfach nicht lohnt, weiter über dieses Thema zu sprechen. Sie wissen beide, dass er unterbezahlt ist, viel zu viele Stunden arbeitet, die er sich nicht aufschreiben darf und kann, und dass er mehr macht, als zu assistieren. Aber sie wissen auch beide, dass es hierbei vor allem darum geht, Beziehungen aufzubauen. In dieser Branche führt es ohne eben solche nämlich nirgendwohin. Stiles kann seine Chancen auf eine Karriere begraben, wenn er es sich mit Argent verscherzt. Nicht die Welt, in der er leben möchte, aber definitiv die Welt, in der er lebt. Er ist müde, Ausflüchte und Rechtfertigungen für ein System zu suchen, das er selbst verachtet.
»Aber witzige Sache: Weißt Du, wer fast auf mich getreten wäre, während ich geschlafen habe?«, führt Stiles das Gespräch fort, als hätte Scott niemals sein Verhalten kritisiert. Scott dreht seinen Kopf zu Stiles hinüber und studiert sein Gesicht, als könnte er dadurch erraten, in welche Richtung sich diese Geschichte entwickeln wird. »Der Neffe von Peter Hale.«
»Peter Hale?« Scott dreht sich komplett zu Stiles und stützt sich auf seinen einen Arm, um besser in Stiles' Gesicht sehen zu können, der einfach weiter an die Decke sieht. »Wie in Hale Industries? Der Peter Hale?«
»Kumpel, das hab ich auch gesagt!« Stiles lacht leise auf. »Ja, eben der Peter Hale.«
»Und was wollte er von Dir?«, fragt Scott. Seine Stimme schwankt zwischen Misstrauen und Vorfreude: Besuch von ganz oben bedeutet immer ein Extrem, Ehrbekundungen oder Kündigungsbescheide. Für ersetzbare Stellen wie ihre bedeutet das fast immer die negative Seite der Münze. (Nicht, dass Stiles in der Praxis wirklich zu ersetzen wäre. Aber woher sollte ein Hale das auch wissen?)
»Dass ich mir seine Maschinen ansehe.« Stiles folgt den Sternen mit den Augen und versucht, Konstellationen auszumachen. »Also, eigentlich hat er ja versucht einen Brief abzufangen, der an Argent gerichtet war, aber dann sind wir ins Gespräch gekommen, und er meinte, er könnte mir Bauteile besorgen, wenn ich ihm dafür ein paar Tipps gebe.«
»Warum denkt er, Du könntest ihm helfen?«, fragt Scott lauernd. Der Argwohn in seiner Stimme ist verständlich, Stiles kann noch immer nicht ganz glauben, dass er das alles nicht einfach nur geträumt hat. Neckisch schlägt er Scott gegen die Schulter und antwortet: »Mann, ist doch klar. Ich meine, schließlich arbeite ich für Argent.«
»Du meinst, Du hast in Argents Arbeitszimmer auf dem Boden geschlafen. Das muss nicht zwingend bedeuten, dass Du für Argent arbeitest. Oder überhaupt hättest in dem Raum sein dürfen«, wirft Scott ein. Und er hat ja recht. Seine Einwände sind valide und Stiles hat ja auch schon darüber nachgedacht; hat gezweifelt und über Was wäre wenn-Szenarios nachgedacht. (Aber das macht es noch lange nicht leichter, es Scott laut aussprechen zu hören. Stiles kann auf sich aufpassen und selbst Entscheidungen treffen, ohne Scott vorher zu konsultieren, oder?) »Hat er Dir seinen Namen genannt?« Scott unterbricht sich selbst, richtet sich ein wenig auf. Stiles wirft ihm einen fassungslosen Blick zu. »Hast Du ihm Deinen Namen genannt? Weiß er etwa wo Du wohnst? Stiles, Du kannst Fremden doch nicht einfach alles über Dich erzählen! Behalt‘ Deine Sozialversicherungsnummer das nächste Mal für Dich!«
»Woah, Scott, halt mal schön Deine Pferde im Zaum! Ich hab ihm nicht mal meinen Namen gesagt«, erwidert Stiles und er kann sich das Lachen kaum verkneifen. (Dass er Scotts und Kiras Namen eventuell in einem seiner lauten Gedankengänge genannt hat, sollte er an dieser Stelle vielleicht nicht erwähnen. Er ist sich ja noch nicht einmal sicher, ob er das laut ausgesprochen hat. Manchmal ist es schwierig für ihn, nachzuvollziehen, wann er laut denkt und wann nicht.)
»Dann bleibt immer noch die Frage, woher er Dich kennt«, beharrt Scott. »Du denkst doch nicht, dass er Dich von da kennt, oder?« Seine Stimme wird graduell leiser, bis sie zu einem Flüstern geworden ist. Als würde sie irgendjemand belauschen. Als würde irgendjemand Stiles von dort kennen.
»Sei nicht albern. Was soll ein Hale da?« Stiles setzt sich auf, um zu signalisieren, dass sich das Gespräch für ihn vorerst erledigt hat. »Ich werde mich schon informieren, Scotty, keine Sorge.« Er greift nach der Tasche, die er vorher achtlos neben dem Bett abgelegt hat. »Und jetzt iss, bevor es ganz kalt wird.«
»Das ist noch nicht vorbei, Stiles«, erwidert Scott und greift nach der Portion, die Stiles ihm entgegen hält. »Allison kommt dieses Wochenende zu Besuch.« Scotts Wangen färben sich ein wenig rot. Stiles zuckt mit den Schultern und entgegnet: »Ich denke, ich werde sowieso größtenteils in der Werkstatt sein. Tobt euch aus.« Er wackelt mit den Augenbrauen, aber Scott stößt nur ihre Schultern aneinander und lacht. (Wessen Werkstatt das letztendlich sein wird, spielt im Moment sowieso keine Rolle, denkt Stiles, aber wahrscheinlich nur, um sein Gewissen zu beruhigen.)
Den größten Teil ihrer Mahlzeit verbringen sie mit Schweigen, weil es ein auslaugender Tag gewesen ist, der ihnen noch Ewigkeiten in den Knochen sitzen wird, bis sie einschlafen können und nach viel zu wenigen Stunden wieder aufstehen müssen.
Ihre Knie berühren sich die ganze Zeit über, eine konstante Erinnerung daran, dass sie da zusammen drinstecken und sich immer die Option offenhalten, einfach zusammen davon zu laufen. (Eine Gedankenspielerei, natürlich. Nichts Ernsthaftes.) Nur ein oder zweimal richten sie das Wort aneinander; informieren sich gegenseitig über ihre morgigen Pläne, ob sie ein gemeinsames Mittagessen einrichten können und für wann sie ihren Feierabend eingeplant haben, den sie ja doch nie einhalten können; und Scott erzählt ihm von den Fortschritten, die Allison bei ihrer Thesis macht. (Irgendwo, durch zwei Wände hindurch, können sie Lydia rumoren hören, aber keiner von ihnen fühlt sich in der Lage dazu, aufzustehen und sie zu ihrer Runde dazu zu holen. Vermutlich hat sie sowieso keine Zeit. Vermutlich geheimniskrämert sie nur durch ihr Zimmer und möchte nicht gestört werden.)
»Gehst Du schlafen?«, fragt Scott, als Stiles schließlich aufsteht, sich knackend die Arme über den Kopf streckt und Scott dann seine Hand entgegenhält, um den Essensbehälter mit sich zu nehmen. Er möchte gerade den Mund öffnen, um Scott zu antworten, als der unbeirrt fortfährt: »Du suchst nach Hales Neffen, oder?« Eine Pause, die Stiles dazu veranlasst, den Mund wieder zu öffnen, aber dann doch nicht lange genug andauert, um ihn tatsächlich etwas erwidern zu lassen. »Du solltest das wirklich lassen, Stiles, ich hab kein gutes Gefühl dabei.« Stiles lächelt.
»Du weißt, Du bist der allererste, dem ich erzähle, wenn ich mit dem nächstbesten gutaussehenden Kerl durchbrenne«, versucht Stiles, Scotts Bedenken abzuschmettern. (Als ob so etwas überhaupt zur Auswahl stünde.) »Aber so weit wird es schon nicht kommen. Bisher lasse ich mich nur vom nächstbesten gutaussehenden Kerl mit Bauteilen versorgen.« Stiles zwinkert.
»So, gutaussehend, huh.« Scott verengt die Augen zu Schlitzen und starrt Stiles bis auf seine Seele hinunter an. »Ist das der Grund, warum Dich meine Einwände nicht interessieren? Weil er gut aussieht?« Obwohl ein klitzekleines Fünkchen Wahrheit in dem steckt, was Scott sagt, verdreht Stiles kopfschüttelnd die Augen und antwortet: »Das hättest Du wohl gerne. Und als nächstes gemeinsame Rendezvous im Mondschein mit Dir und Allison, oder was?«
Stiles stupst mit Zeige- und Mittelfinger seiner freien Hand gegen Scotts Stirn und sagt: »Vergiss es«, bevor er zur Tür geht. Adrenalin breitet sich in seinen Adern aus, als er, ehe er den Raum gänzlich verlässt, noch hinzufügt: »Wenn ich Freitagabend mit Bestellungen fertig bin und mir Deine Kronräder angesehen habe, kannst Du mich ja zu Argents Zimmer zurückbegleiten und mich beaufsichtigen, bis ich abgeholt werde.«
Durch die Tür, die er schnell hinter sich schließt, dringt Scotts viel zu laute und ziemlich angemessen fassungslose Stimme: »Er holt Dich Freitag von der Arbeit ab??« Aber er dreht sich nicht noch einmal um, weil er gar nicht mehr so viel Zeit hat, bevor er ins Bett gehen muss, damit er morgen nicht über einem seiner Entwürfe oder Werkeleien einschläft, während Argent noch anwesend ist. (Also, nicht dass das Zeitfenster dafür besonders groß wäre, Argent kommt schließlich erst weit nach ihm, verschwindet in eine lange Mittagspause und verlässt das Gebäude lang vor ihm. Und es ist nicht so, als würde Stiles glauben, dass Argent nichts tut, aber er kann sich auch nicht so wirklich vorstellen, was Argent so treibt, denn für seine Forschungen und Tüfteleien geht die Zeit mit Sicherheit nicht drauf. Das hätte Stiles nämlich mitbekommen.)
Er bringt die Essensbehälter in die Küche, entsorgt sie und macht sich mit dem Kältekompensator eine Tasse Tee. Dann betritt er zum ersten Mal, seit er um halb acht am Morgen die Wohnung verlassen hat, sein Zimmer. Er stellt seine Tasse auf dem kleinen Tisch neben seinem Bett ab, entledigt sich seiner Weste, seines Hemdes und seiner Hose, bevor er sich auf seine Bettdecke legt.
Schlachtplan. Er muss einen Schlachtplan entwerfen. Peter Hales Neffe ist seine oberste Priorität (privat, arbeitstechnisch ist er noch nicht einmal in den finalen Zehn). Stiles muss seinen Namen herausfinden, vielleicht ein Photo aus den Unmengen an Zeitungsmaterial herausfiltern (im Archiv des Beacon Hills Observer befindet sich eine Differenzmaschine, mit deren Hilfe er bis Freitag zumindest das finden sollte) und so viel wie möglich über ihn in Erfahrung bringen, um zu verhindern, noch einmal vorschnelle Entscheidungen zu treffen, die er nachher vielleicht sehr bereuen wird. (Vielleicht hätte er Scott auch nur einfach nicht von seinem Treffen mit Hale erzählen sollen? Damit, falls es sich letztendlich gar nicht um ihn handelt, er sich zumindest keine Lektion über Sicherheit und Gefahren, die von Fremden ausgehen, anhören muss.)
Stiles versucht sich in Erinnerung zu rufen, wann er das letzte Mal einen Artikel über die Hale-Familie überblättert hat, weil es sich dabei nicht um einen Artikel über die Firma gehandelt hat, aber er kann sich nicht wirklich konzentrieren. (Es ist wie nach durchmachten Nächten, wenn er versucht, einen Text zu lesen, aber seine Augen einfach nicht scharf stellen und er mehr Zeit damit verbringt, zu blinzeln und Tränen aus seinen Augenwinkeln zu wischen, als tatsächlichen Inhalt zu verarbeiten. Es ist wie wenn er viel zu früh am Morgen versucht, Argents Ausführungen zu folgen, aber nach einer Weile nur noch dem spezifischen Duktus seiner Rede und der Melodie seiner Worte lauscht, ohne auch nur eine Sache registriert zu haben, die Argent von ihm verlangt.)
Als er sich auf die Seite dreht und seinen Kopf auf seine Hände bettet, denkt er, dass heute wirklich ein langer Tag gewesen ist. Es ist in Ordnung, wenn er für einen Moment die Augen schließt und seine Gedanken ausruht. Das bedeutet nicht, dass er die Situation nicht ernst genug betrachtet, oder? Sich kurz auszuruhen, bedeutet schließlich nicht zwingend, einzuschlafen. Und selbst wenn, er hat Zeit bis morgen. Er kann sich ohne Probleme bis morgen gedulden, um seine dringendsten Fragen zu beantworten; um sich zu vergewissern, dass das tatsächlich ein Hale gewesen ist, der ihm gegenüber gestanden ist; um sich zu bestätigen, dass es jetzt vielleicht wirklich bergauf geht. (Wenn er das nächste Rennen gewinnt, qualifiziert er sich für eine höhere Klasse. Wenn er das nächste Rennen gewinnt, kann er seinem Dad zumindest ein bisschen zurückgeben, was der ihm über die Jahre hinweg alles geschenkt hat. Wenn er das nächste Rennen gewinnt, kann er sich mit dem Preisgeld für ein legales Rennen einschreiben lassen. Er könnte aufhören, seinen Dad zu belügen. Sein Dad könnte ihn fahren sehen.)